Hingabe, Demut, Leidenschaft: Wenn Marius Müller-Westernhagen im Dezember 2023 unglaubliche 75 Jahre alt wird, kann er auf eine der größten Karrieren zurückblicken, die dieses Land je gesehen hat. So könnte dieser Text beginnen, aber es wäre nur die halbe Wahrheit. Denn er steckt ja noch mittendrin! Mit seinem fantastischen aktuellen Album, »Das eine Leben«, hat Marius Müller-Westernhagen sich auch endgültig Aufmerksamkeit und Respekt in der deutschen Kulturlandschaft erarbeitet. Ein Kritiker der FAZ schrieb dazu: „Das eine Leben – mehr hat auch Marius Müller-Westernhagen nicht, und es berührt, wie er diese alles andere als neue, aber jeden, den sie einholt, dann doch jäh erschütternde Tatsache zum Ausdruck bringt, als, wenn wir richtig gerechnet haben, derzeit ältester noch wirklich produktiver deutscher Rock’n’Roller.“ Am 20. Mai 2024 gastiert MARIUS MÜLLER-WESTERNHAGEN dann in der Festhalle Frankfurt.
Das kann man jetzt ruhig mal feiern: „75 Live“, das bedeutet 75 Jahre Westernhagen, 23 Alben, die sich über 17 Millionen Mal verkauft haben, darunter acht Nummer-Eins-Alben. Er hat Hits geschrieben, produziert und performed wie »Freiheit«, »Sexy«, »Lass uns leben«, »Es geht mir gut« und so viele andere. Also wird Marius Müller-Westernhagen sich im Mai 2024 auf große Tour begeben, um diese Karriere, das Leben und den Rock’n’Roll zu feiern. Auf der Setlist: eine Reise durch sein umfangreiches Werk.
Denn auch wenn Marius Müller-Westernhagen ein großer Albumkünstler ist: Das natürliche Habitat dieses Künstlers ist und war immer schon die Bühne. Nicht zuletzt ist diese Karriere nicht nur eine der prägendsten, sondern auch eine der einzigen authentischen Rock’n’Roll-Geschichten aus Deutschland. Noch vor seinen ersten Alben hat Marius Müller-Westernhagen nächtelang in verschwitzten Kellern dem Blues und frühen Rock’n’Roll gehuldigt, er war und ist jener »Sänger in ’ner Rock’n’Roll-Band«, den er in »Mit 18« besungen hat. Und doch hat er sich über all die Jahre auf der Basis „seiner Musik“ ständig künstlerisch weiterentwickelt und neu erfunden. Und er ist dabei immer bei sich geblieben. Das erklärt vielleicht die bis zum heutigen Tag anhaltende beeindruckend lange Karriere.
»Rock’n’Roll stirbt wieder mal?«, fragt Marius rhetorisch – und liefert die Antwort gleich mit: »Niemals, jedenfalls für mich nicht, solange ich meinen Fuß auf eine Bühne setzen kann oder darf, um schönen Lärm zu machen – und natürlich noch genügend Menschen kommen, die bereit sind, mir zuzuhören.«
Die nicht enden wollende Pandemie hatte bei Marius Müller-Westernhagen wie bei allen anderen Menschen dieses Planeten eine unerwartete und schmerzliche Zäsur gesetzt. Er musste unter anderem die durch Theater und Opernhäuser geplante Tournee absagen (ein Herzensprojekt von Westernhagen). Umso mehr freut er sich nun auf die Konzerte anlässlich seines 75. Geburtstags, die ihn 2024 wieder in die größten Arenen der Republik führen werden. Mit den Ausnahmekönnern seiner US-amerikanischen Band, mit denen der Singer Song-Writer seit Jahren das wild pochende Herz seiner Musik freilegt, will er bei acht Konzerten im Mai 2024 möglichst laut werden: »Ich will mal wieder ein bisschen schönen Lärm machen«, sagt Marius Müller-Westernhagen. »Let’s rock! Damn it, die Zeit verlangt es!«
„75 Live“: Wenn Marius Müller-Westernhagen im Dezember 2023 unglaubliche 75 Jahre alt wird, kann er auf eine der größten Karrieren zurückblicken, die dieses Land je gesehen hat. Ein guter Anlass um sich im Mai 2024 auf große Tour zu begeben, um seine Karriere, das Leben und den Rock’n’Roll zu feiern. Auf der Setlist: unzählige Highlights aus seinem kompletten Werk.
„75 Live“, das bedeutet 75 Jahre Westernhagen, 23 Alben, die sich über 17 Millionen Mal verkauft haben, darunter acht Nummer-Eins-Alben. Er hat Hits geschrieben, produziert und performed wie „Freiheit“, „Sexy“, „Lass uns leben“, „Es geht mir gut“ und so viele andere. Doch auch wenn Marius Müller-Westernhagen ein großer Albumkünstler ist: Das natürliche Habitat dieses Künstlers ist und war immer schon die Bühne. Dabei ist er immer bei sich geblieben. Das erklärt vielleicht die bis zum heutigen Tag anhaltende beeindruckend lange Karriere.
Die nicht enden wollende Pandemie hatte bei Marius Müller-Westernhagen wie bei allen anderen Menschen dieses Planeten eine unerwartete und schmerzliche Zäsur gesetzt. Er musste unter anderem die durch Theater und Opernhäuser geplante Tournee absagen (ein Herzensprojekt von Westernhagen). Umso mehr freut er sich nun auf die Konzerte anlässlich seines 75. Geburtstags, die ihn 2024 wieder in die größten Arenen der Republik führen werden. Mit den Ausnahmekönnern seiner US-amerikanischen Band, mit denen der Singer Song-Writer seit Jahren das wild pochende Herz seiner Musik freilegt, will er bei acht Konzerten im Mai 2024 möglichst laut werden: „Ich will mal wieder ein bisschen schönen Lärm machen“, sagt Marius Müller-Westernhagen. „Let’s rock! Damn it, die Zeit verlangt es!“
Marius Müller-Westernhagen gehörte zu den großen Helden meiner Jugend. Keine Party ohne „Taximann“ und „Lass uns leben“. Später kam noch „Freiheit“ dazu. Und die Songs von „Halleluja“, dem ersten von sechs Nummer-1-Alben in Folge, gehören seit Beginn der 90er Jahre zum Must-have-Repertoire jeder deutschsprachigen Coverband. Es war eine Zeit, in der man sich musikalisch entscheiden musste. U2 oder die Simple Minds? Natürlich U2. Ärzte oder Hosen? Ganz klar die Ärzte. Westernhagen oder Grönemeyer? Aber auf jeden Fall der junge Mann aus Düsseldorf, der seine Songs so raus haute, dass man sie mit empfinden konnte.
Am 6. Dezember wird Marius 74 Jahre alt. Auch das ein Gedanke, an den man sich erst einmal gewöhnen muss. Vermutlich werden wir nicht mehr viele neue Hits von ihm hören, aber wenn etwas kommt – wie kürzlich „Das eine Leben“, HIER unsre Review – dann ist es wirklich großartig. Das neue Album handelt von Liebe und Vergänglichkeit, von Angst und Überforderung, von Wut und Verzweiflung. Es verhandelt Politisches wie Privates, Beiläufiges wie Zwingendes. Elegant schlägt der Singer/Songwriter dabei immer wieder den Bogen vom Persönlichen zum Gesellschaftlichen. So vielschichtig, wie Marius‘ Musik, ist auch seine Persönlichkeit. Und dem trägt Autor Friedrich Dönhoff in der vorliegenden Biografie Rechnung. Um es vorweg zu nehmen: Das Porträt des Schauspielers, Musikers und Menschen Westernhagen ist absolut gelungen.
Der Hamburger Autor Friedrich Dönhoff hat Geschichte und Politik studiert. Er schreibt Drehbücher, Krimis und ist vor allem bekannt für seine biographischen Werke. Seine Großtante war Marion Gräfin Dönhoff und auch er darf den Grafen im Namen tragen, wenn er denn will. So trägt das Werk über Marius natürlich den Untertitel „Ein Portrait“ – im Gegensatz zum schnöden neudeutschen „Porträt“. Aber wenn man ehrlich ist, wird Dönhoff dieser Kunstform auch absolut gerecht. Er nähert sich von vielen Seiten der Person des Künstlers und verwebt diese zu einem hervorragend lesbaren Text.
Die Biografie spielt sich auf vielen Ebenen ab. Es gibt immer wieder Exkurse zum Zeitgeschehen, um die Chronologie besser einordnen zu können. Dönhoff gibt Einblicke in seine persönlichen Begegnungen mit Marius, lässt diesen in der Plattensammlung stöbern, beschreibt anschaulich die Umgebung der Wohnung und widmet sich als Erzähler den Erinnerungen, die im Gespräch mit Marius ans Tageslicht kommen oder die sich aus anderen Quellen erschließen. Noch nie hatte ich beim Lesen einer Biografie das Gefühl, dem porträtierten Menschen so nahe zu kommen. Das ist schon erstaunlich.
Zu den Einblicken in Westernhagens Gedankenwelt und Seelenleben gibt es auch viel Wissenswertes zu erfahren. Wir erleben die Beziehung zum Vater Hans Müller-Westernhagen und die Auswirkungen seines frühen Todes. Wir begleiten Marius bei den ersten Schritten seiner Karriere. Wer wusste schon, dass er ursprünglich Eishockey gespielt hat und dass man beim ersten WDR-Hörspiel um „Wickie und die starken Männer“ den jungen Marius in der Titelrolle hört?
Später kam dann die musikalische Karriere und der schmächtige Kerl aus „Theo gegen den Rest der Welt“ war plötzlich der erste deutschsprachige Künstler (noch vor seinem Freund Udo Lindenberg), der sich an die großen Stadien der Republik heran traute und diese lässig füllen konnte. Mir persönlich hat die Zeit Ende der 90er weh getan, als Westernhagen das Label „Armani-Rocker“ verpasst bekam. Eigentlich war er das nie wirklich, aber er hatte die falschen Berater um sich. Das ist ihm vermutlich längst selbst klar. Marius Müller-Westernhagen ist immer der Mann von der Straße geblieben. Der Junge, der eigentlich recht schüchtern daher kam und der sich wunderte, warum sein Auftreten so viele Menschen begeistern konnte.
Friedrich Dönhoff ist es gelungen, seinen Leser*innen den Menschen Marius Müller-Westernhagen in all seinen Facetten zu zeigen. Das Buch im Diogenes Verlag kommt in schöner Aufmachung mit Schutzumschlag und Lesebändchen, aber ohne die sonst übliche Hochglanz-Fotogalerie. Das ist auch gar nicht nötig, denn ehrlich gesagt hat doch jeder ein Bild vor Augen, wie Marius in den 70ern, den 80ern, den 90ern ausgesehen hat. Stattdessen konzentriert man sich ganz auf den Text: 250 faszinierende Seiten über eine faszinierende Persönlichkeit.
Ein Neustart? Im Alter von 73 Jahren ist Marius zum Label Sony Music gewechselt und darf auf dem Cover des 23. Studioalbums wieder seinen kompletten Namen Marius Müller-Westernhagen tragen. Soll man jetzt sagen: Es ist ein Alterswerk? Ehrlich gesagt habe ich mir mit jedem Album des Düsseldorfers nach „Halleluja“ und „Jaja“ recht schwer getan. Texte und Refrains waren nicht mehr so eingängig. Charakteristische Merkmale sind bisweilen wegproduziert worden. Das war gewiss so gewollt, doch es hat viele langjährige Fans verprellt.
Vor acht Jahren gab es mit „Alphatier“ ein absolut respektables Album, das ich nach etwas Anlaufzeit sehr ins Herz geschlossen habe. Danach war zunächst einmal Vergangenheitsbewältigung angesagt: Ein „MTV unplugged“ feierte Hits aus mehreren Jahrzehnten und erweckte einige fast vergessene Klassiker zu neuem Leben. Auch „Das Pfefferminz-Experiment“ im Jahr 2019 schwelgte in uralten Zeiten und verpackte das Erfolgsalbum „Mit Pfefferminz bin ich dein Prinz“ in einen Sound aus Country und Blues. Sehr geil, aber nicht der Marius, den sich die Fans zurückgewünscht haben.
Jetzt gab es mit „Zeitgeist“ endlich mal wieder eine Single, die meinen musikalischen Nerv auf Anhieb getroffen hat. Ein starker Text – Westernhagen hat immer noch etwas zu sagen. Unverblümte Worte, die gesellschaftlich relevant sind. Mehr als viele der sogenannten neuen Deutschpoeten zu Papier bringen. Mit einer Bedeutung für mich und sicherlich viele Hörer. „Zeitgeist“ ist eine donnernde Ansage an eine laute Gesellschaft, die sich von einer Kultur der Oberflächlichkeit blenden lässt und die damit verbundenen Schattenseiten bereitwillig in Kauf nimmt. Die Single prangert eine zum Lebensprinzip erklärte Substanzlosigkeit an. Gnadenlos und mit starken Worten.
Das könnte ein positiver Ausreißer sein, doch das ganze Album ist aus diesem Holz geschnitzt! In “Das eine Leben” blickt Marius nicht nur auf seine ganz eigenen Erfahrungen in den letzten zwei Jahren zurück, sondern greift auch gesellschaftskritische Themen auf, die aus Sicht des Künstlers in der sogenannten Corona-Zeit noch radikaler freigelegt worden sind. Seine Sprache ist wieder deutlicher und klarer als auf früheren Alben, seine Texte zeigen seine Haltung und seinen ehrlichen Blick auf die Welt von heute.
Der Opener „Ich will raus hier“ wird vielen aus der Seele sprechen, die sich lange genug ohne Ausweg im Hamsterrad der Pandemie bewegt haben. Und Westernhagens „Achterbahngedanken“ kann sicher jeder nachvollziehen, der bisweilen nächtliches Kopfkino hatte, wenn sich das Karussell aus Sorgen mal wieder endlos gedreht hat.
Das Album handelt von Liebe und Vergänglichkeit, von Angst und Überforderung, von Wut und Verzweiflung. Es verhandelt Politisches wie Privates, Beiläufiges wie Zwingendes. Elegant schlägt der Singer/Songwriter dabei immer wieder den Bogen vom Persönlichen zum Gesellschaftlichen. In „Ich will raus hier“ bekennt er zunächst freimütig: „Ich vermisse New York City, ich vermisse auch Paris, ich vermisse Rome so pretty, gottverdammte Pandemie.“ Als engagierter Ausnahmekünstler, der er ist, belässt er es aber natürlich nicht bei seinem ganz individuellen Verzicht. Sich auf exklusive Befindlichkeiten zu verlegen wäre ihm schlichtweg zu banal. Deshalb beklagt er schon wenige Zeilen darauf: „Ich vermisse Mitgefühl mit denen, die noch vielmehr leiden, die leben müssen arm, bescheiden für die Kultur der Prahlerei.“
Doch es geht nicht nur um die vermaledeite Pandemie. „Schnee von gestern“ ist ein starkes Statement der Vergangenheitsbewältigung, das zugleich einen Blick auf die Gegenwart wirft: „Jedem, dem in diesen Zeiten noch ein Hirn geblieben, kann sich nur nur besaufen und alle Menschen lieben.“ Und mit „Spieglein, Spieglein an der Wand“ kann er sich zum einen selbst meinen, wenn es sich um Überheblichkeit und Selbstüberschätzung, um Macht und Größenwahn dreht, doch vielmehr geht es wohl um Menschen wie seinen ehemaligen Freund Gerhard Schröder, dem manche Zeilen auf den Leib geschneidert scheinen: „Die Frucht des Deals hast du genossen / man hat halt nur das eine Leben / wenn’s Plündern anfàngt wird geschossen“.
In „Die Wahrheit“ (einer von Piano und Streichern getragenen Ballade) geht es sehr in die Tiefen der eigenen Philosophie und „Dunkle Phantasien“ sind eine durchaus düstere Ansprache an die dunkle Seite der eigenen Persönlichkeit. Kann man mit 73 gerne mal offen aussprechen. Der letzte Song „Wenn wir über den Berg sind“ spinnt die Gedanken weiter in eine mystische Zukunft – und die Hoffnung, dass das ganze Leben nicht eine einzige Lebenslüge war.
Lange hat man auf ein neues, wirklich krasses und bewegendes Liebeslied von Marius gewartet. Dass er das kann, hat sich durch die ganzen Veröffentlichungen der 80er gezogen. Jetzt ist es mit „Ich werde dich lieben bis in den Tod“ endlich wieder soweit.Schaurig schön mit seiner schnoddrigen, verlebten Stimme. Und da fällt auch das „Abschiedslied“ ein, das keineswegs ein Abgesang auf die eigene Karriere ist, sondern ein weiterer Lovesong.
Für die Aufnahmen ist Westernhagen mal wieder eigens in die USA gereist. Dort ging er mit einer Handvoll Musiker um den Grammy-prämierten Produzenten und Multi-Instrumentalisten Larry Campbell ins Studio. Es ist nicht das erste Mal, dass Westernhagen mit Campbell gemeinsame Sache macht. 2009 lernten sich die beiden bei den Aufnahmen zu Westernhagens Blues-Album „Williamsburg“ kennen. Und auch beim Pfefferminz-Experiment arbeiteten sie zusammen. Campbell, der jahrelang für Bob Dylan spielte, gilt als einer der besten Gitarristen der Welt. Und weil er sich niemandem mehr beweisen muss, spielt er ausschließlich für den Song – und damit ganz in Westernhagens Sinne: „Gute Musiker spielen mit Demut und Bescheidenheit. Das ist einfach berührender und ehrlicher.“
Und so ist „Das eine Leben“ mehr als eine reine Momentaufnahme, mehr als Westernhagens ganz persönliches Covid-Tagebuch. Es ist das musikalische Psychogramm eines Ausnahmekünstlers, dessen Einzigartigkeit für sich steht und dessen Werk mit seinem Anspruch auf Relevanz über jeden Zweifel erhaben ist. Wir haben den alten Marius zurück, der sich nicht den Konventionen des Musikgeschäfts unterordnen muss. Die abwehrende Haltung auf dem Albumcover spricht Bände. Er setzt sich nicht in Pose. Da gibt es keine Eitelkeiten, keinen Armani-Rocker, keinen affigen Hut mit Krempe. So will ich meinen Marius – mit charismatischer Stimme, die mit 73 Jahren so stark und verlebt erklingt wie damals Ende der 70er. Mit einer Begleitband, die den Bluesrock lebt und eine fantastische Produktion an den Tag legt!
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Marius Müller-Westernhagen ist aus der Musikgeschichte nicht wegzudenken und zugleich, und in allererster Linie, bleibt er ein Künstler mit hochaktueller Arbeit, die die Gegenwart zu seinem Thema macht und dessen Werk in die Zukunft weist.
Westernhagen hat die Zeit der Pandemie genutzt, um neue Songs zu schreiben. Das Ergebnis ist sein 23. Studioalbum mit dem Titel »Das eine Leben«, das am 20. Mai 2022 erscheinen wird. Einen Vorgeschmack darauf gibt es bereits seit 25. März 2022 mit der Single »Zeitgeist«.
»Zeitgeist« ist eine donnernde Ansage an eine laute Gesellschaft, die sich von einer Kultur der Oberflächlichkeit blenden lässt und die damit verbundenen Schattenseiten bereitwillig in Kauf nimmt. Die Single prangert eine zum Lebensprinzip erklärte Substanzlosigkeit an, weil sie einen notwendigen Diskurs verhindert und nur hedonistischen Motiven dient. Marius Müller-Westernhagen ist seit jeher ein politisch und gesellschaftlich engagierter Mensch. Sein Gesamtwerk steht inhaltlich für sich, und er hat als Künstler immer Farbe bekannt. Er kann es nicht hinnehmen, dass die Gesellschaft ihren Zusammenhalt, ihre Substanz und ihre Gesprächsfähigkeit verliert. Seine Antworten gibt der Künstler über seine Texte und seine Musik.
Dass er mit den vermeintlichen grellen Protagonisten und deren lautem Zeitgeist nicht viel anfangen kann, daraus macht Westernhagen keinen Hehl: »Kim Kardashian hat praktisch mit nichts sehr viel Geld gemacht und einer Menge junger Menschen vermittelt, das sei das Leben: die nächste Party und was man da anzieht.« Vor diesem Hintergrund kritisiert der 73-Jährige vor allem die sozialen Medien, die diese Inhalte erfolgreich transportieren und als Verstärker dienen. »Sie begünstigen Voyeurismus, Exhibitionismus, Neid. Und sie promoten Banalitäten. Das ist doch idiotisch.«
Diesen Irrsinn veranschaulicht auch das Video zu »Zeitgeist«. Darin sieht man den Künstler durch eine Kunstinstallation laufen. Bilder aus dem politischen, gesellschaftlichen und sozialen Tagesgeschehen werden auf Tücher und Papierbahnen projiziert. Mal verloren, mal couragiert bewegt sich der seit Jahrzehnten erfolgreiche Künstler durch diese Momentaufnahmen und setzt sie in die richtigen Zusammenhänge.
Der Flut der Bilder kann er scheinbar nicht entkommen, entlarvt ihre Hintergründe aber geschickt als Irrwege. Am Ende implodieren die Aufnahmen bildgewaltig wie ein verglühender Analogfilm. Zurück bleibt ein Marius Müller-Westernhagen irgendwo zwischen Ratlosigkeit und Entschlossenheit. Er bleibt sich treu als ein Ausnahmekünstler, der sich mit dem Zeitgeist von heute nicht arrangieren kann und will. Und auch nicht darf.
Das Album „Das Eine Leben“ ist ab sofort als CD, Vinyl, limitierte transparente Vinyl, Vinylbuch mit Bonus 7“ inklusive zwei Bonustitel und auch Stream & Download vorbestellbar.
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Oliver Georgi und Martin Benninghoff sind Redakteure bei der FAZ und haben es sich zur Aufgabe gemacht, über Interviews mit bekannten deutschen Künstler*innen die Musikszene unseres Landes zu erkunden und es den Musiker*innen zu ermöglichen, ihr Leben und ihre Arbeit in eigenen Worten darzustellen. Dass dies nicht auf wenigen Seiten darstellbar ist, scheint klar. Mit dem vorliegenden Wälzer sind es 240 großformatige Seiten geworden – und in 23 Gesprächen räumen die Autoren den Interviewpartner*innen unendlich viel Raum ein, um zu erzählen und nachzudenken. Es sind sehr sensibel geführte Interviews. Und vor allem haben die Redakteure hervorragend recherchiert und entlocken den Musiker*innen manche spannende Anekdote. Immer mit im Boot bei der Reise quer durch Deutschland war Fotograf Daniel Pilar, der die Beteiligten in authentischen Bildern darstellte. Und das ohne affiges Gepose.
Vertreten sind Legenden wie Peter Maffay, Marius Müller-Westernhagen, Fanta 4, Reinhard Mey, Klaus Meine oder Urgestein Heino, aber auch die junge Generation – etwa Judith Holofernes, Felix Jaehn, Fynn Kliemann, Adel Tawil oder Silbermond. Manche scheint man schon ewig zu kennen, von einigen hat man schon ewig nichts mehr gehört und einige kennt man höchstens vom Namen her. Gemeinsam haben sie alle eines: Ihre Musik spiegelt unsere Gesellschaft wider, große Themen wie Heimat, Wiedervereinigung, Fremdenhass oder Emanzipation finden sich in ihren Liedern.
Natürlich könnte man sagen: Da fehlen noch einige essentielle Namen. Beispielsweise Udo Lindenberg, der als Pionier der Szene einfach hier mit rein gehört. Doch wo soll man anfangen, wo aufhören? Vielleicht gibt es ja noch einen zweiten Band. Das Potential ist durchaus vorhanden. Lindenberg wird jedenfalls oft erwähnt, unter anderem von Peter Maffay. Man bekommt ihn also zumindest im Sekundärbereich.
Davon abgesehen ist das ganze Buch fantastisch und durchgehend sehr gut lesbar. Alle vertretenen Aushängeschilder deutscher Pop-, Rock- und Schlagermusik haben etwas Wichtiges zu erzählen. Manchmal geht das so tief – beispielsweise bei Reinhard Mey – dass mir die Tränen kommen. Das perfekte Weihnachtsgeschenk für den geneigten Musikliebhaber!
Es scheint gerade groß in Mode zu sein deutschsprachige Musik in ein akustisches Gewand zu kleiden. Die Toten Hosen haben das zuletzt mit „Alles ohne Strom“ vorgemacht (hier unser Review), jetzt zieht Marius Müller-Westernhagen nach. Sogar Pur dürfen nächstes Jahr ein „MTV Unplugged“-Konzert aufnehmen, womit der vorläufige Tiefpunkt der einst legendären Akustik-Reihe erreicht sein dürfte. Bleiben wir also lieber im Hier und Jetzt und blicken nach Woodstock/ New York, wo ein hagerer Mann mit Cowboystiefeln und einem breitkrempigen Hut gerade auf eine alte Holzkirche zugeht. Die Kamera wechselt von Farbe zu Schwarz-Weiß, als er das Aufnahmestudio im Inneren betritt und die dort versammelten Musiker begrüsst. Der Mann ist Marius Müller-Westernhagen und er hat zehn Songs mitgebracht, die in den USA niemand kennt und in Deutschland fast jeder. Sie stammen von einem Album, das über vierzig Jahre alt ist und „Mit Pfefferminz bin ich dein Prinz“ heißt. Das Experiment beginnt. Kann man die Songs von damals neu interpretieren? Als Musik von heute? Wenn man sie bis auf die Knochen reduziert? Dass ein solches Experiment gelingen kann hat Westernhagen bereits 2016 zu seinem 50-jährigen Bühnenjubiläum bewiesen, als er in Berlin einen einmaligen Unplugged-Auftritt absolvierte.
Die musikalischen Fußstapfen von „Mit Pfefferminz bin ich dein Prinz“ sind groß, schließlich gelang Marius Müller-Westernhagen damit 1978 der Durchbruch. Und so entstanden die neuen Arrangements auch erst nach endlosen Diskussionen. Aus dem vorhandenen Material – Melodien, Akkorde, Texte – erschufen Westernhagen und seine amerikanischen Begleiter neue Versionen voller Intensität, Atmosphäre und Seele. Zunächst ist es noch etwas ungewohnt „Zieh‘ dir bloß die Schuhe aus“ als gemütlichen Countrysong zu hören oder „Oh, Margarethe“ als dunkel dahinrollenden Blues. Insgesamt aber besticht „Das Pfefferminz-Experiment (Woodstock Recordings Vol. 1)“ durch eine derart souveräne Lässigkeit, die den originalen Stücken eine ungeheure Spannung und Tiefe verleiht. In „Willi Wucher“ blitzt sogar der ursprüngliche Dreck unter Marius‘ Fingernägeln durch, mit denen er sich in den Achtziger Jahren als Spargeltarzan durch die „Theo“-Filme grub. Das waren herrliche Zeiten!
In „Mit 18“ spricht Westernhagen die ersten Zeilen zur gezupften Gitarre, um sich dann durch den Rest des Klassikers zu heulen, nur unterstützt von einem Banjo, einer säuselnden Violine, einem sparsamen Schlagzeug und einem Piano. Was für ein geiler Scheiß! Aus „Alles in den Wind“ wird ein Trauermarsch mit Akkordeon und einem Marius, der wohl noch nie in seinem Leben so viel Schmerz in der Stimme hatte wie hier. „Dicke“ passt perfekt zum Soundtrack für den nächsten Mafia-Film von Francis Ford Coppola. Nicht zu vergessen das tiefenmelancholische „Giselher“ oder „Grüß mir die Genossen“ in der Verkleidung eines Schrammelblues. Und natürlich der Titelsong, der hier in ein fröhliches Countrygewand gesteckt wird und so entspannt daher kommt wie das nur ein Song kann, der sich seines Kultstatus bewusst ist. Zum krönenden Abschluss singt Marius Müller-Westernhagen dann noch von ganz tief unten, quasi vom Boden der Flasche „Johnny Walker“.
Dazu gibt es noch eine gleichnamige Dokumentation, in der Shahin Shokoui, Agnesz Pakozdi und Chris Hegedus-Pennebaker Marius Müller-Westernhagen bei der Arbeit beobachtet und die neuen, alten Songs filmisch in Szene gesetzt haben. Das Video zu „Mit 18“ findet ihr weiter unten. Außerdem befragten sie ihn selbst über seine Annäherung an „Mit Pfefferminz bin ich dein Prinz“ sowie einige seiner Zeitgenossen wie Joschka Fischer, Iris Berben, Hape Kerkeling oder Jürgen Klinsmann dazu, wie sie das Album damals erlebt haben.
Zugegeben, spätestens nach „Radio Maria“ von 1998 ist mir der frühere Kumpeltyp Westernhagen fremd geworden. Sein versnobtes Gehabe und sein „Armani-Rock“ gingen mir zunehmend gegen den Strich. „Das Pfefferminz-Experiment“ ist deshalb wie das Wiedersehen mit einem alten Freund. Wir sind zwar beide etwas in die Jahre gekommen, aber es macht Spass gemeinsam in Erinnerungen zu schwelgen, auch wenn die Erzählungen hier und da mal eine kleine Länge aufweisen.
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