Cowboys, Kätzchen und melancholischer Alternative-Rock – Anathema im Bürgerhaus Stollwerck

Es ist der 11.11. in Köln. Cowboys und Kätzchen prägen das Straßenbild. Alle feiern den Auftakt der Karnevalssession. Alle? Eine kleine Gruppe Unbeugsamer versammelt sich ausgerechnet in der Südstadt, um einen vielversprechenden Abend mit Anathema und Mother’s Cake zu erleben. So klein ist die Gruppe dann doch nicht, denn das Bürgerhaus Stollwerck ist ausverkauft.

Das Trio Mother’s Cake hat gut 40 Minuten Zeit, um auch bei denjenigen bleibenden Eindruck zu hinterlassen, die sie bisher nicht kannten. Möglicherweise zündet es bei dem einen oder der anderen deutlich früher, denn die Österreicher bestechen mal durch sphärische Momente, mal durch wilde Eruptionen und immer wieder durch ihren funky Groove. Und so kann sich je nach Geschmack ein jeder bei ihnen bedienen. Sänger Yves Krismer begrüßt uns mit “Hallo Hamburg”, was hier im Saal des Bürgerhauses für Heiterkeit sorgt. Bei den Jecken vor der Tür hätte das auch anders ankommen können. Um ihren höchst kreativen Genremix einigermaßen zu verorten: Mother’s Cake bewegen sich musikalisch irgendwo zwischen Jamiroquai, Mother Tongue und Rage Against The Machine. Und auch wenn das manch anwesendem Gothic-Rocker zu fremd erscheint, den unfassbar schnellen Slaps des Bassisten Benedikt Trenkwalder kann sich niemand entziehen.

Das Intro zu “The Lost Song, Pt. 1” erklingt um 22 Uhr und mit ihm werden Anathema sehr herzlich empfangen. Wie auf ihrem aktuellen Album “Distant Satellites” geht der Opener nahtlos in seinen zweiten Part über. Schon jetzt ist man von Lee Douglas betörender Stimme hingerissen. Ihre Stimmfarbe passt wunderbar zur Melancholie der Musik. Das Vorgängeralbum “Weather Systems” darf ebenfalls mit einem Doppelpack anschließen. “Untouchable 1 und 2″ stehen den Lost Songs in nichts nach. Wer diesen neueren Werken der ehemaligen Death Doomer nichts abgewinnen kann, kommt nicht auf seine Kosten, denn nur drei Stücke dieses Abends stammen nicht von den drei jüngsten Alben. Und so geht es treibend mit “Thin Air” und schmachtend mit “Ariel” weiter. Zu “The Storm Before The Calm” tauschen Drummer Daniel Cardoso und Percussionist John Douglas die Instrumente. Frontmann Vincent Cavanagh geht an die Synties und in dieser Konstellation kreieren sie diese bedrohlich schöne Atmosphäre des Songs. Mit dem unwiderstehlichen “Closer” geht es in die Zugabenpause, die von Synthieklängen überbrückt wird.

Mit “Distant Satellite” kommen die Liverpooler unter großem Jubel zurück auf die Bühne und setzen damit den elektronisch geprägten Teil des Konzertabends fort. “Take Shelter” ist den Opfern des Ersten Weltkriegs gewidmet, wie Vincent erklärt. Sein Bruder Danny bespielt dabei ganz im Stil von Sigur Rós die Saiten seiner Gitarre mit einem Bogen. In “Natural Desaster“ darf Lee Douglas noch einmal brillieren. Als standesgemäßer Abschluss darf schließlich “Fragile Dreams” vom 1998er “Alternative 4” dienen. Damit ist dieser Song der mit Abstand älteste im Set. Nein, nicht ganz, denn vom Band ertönt zum Schluss der Klassiker “Twist And Shout” von den Beatles. Mehr Liverpool geht kaum. Zumindest musikalisch.