Das Trans-Siberian Orchestra schreibt „Letters From The Labyrinth“

Die musikalische Vorgeschichte des Trans-Siberian Orchestra (im Folgenden kurz TSO genannt) ist sehr kurios. Das Projekt entstand im Umfeld der progressiven Metalband Savatage, der immer noch viele Fans hinterher trauern, seit sie sich 2007 endgültig auflöste. In den 90ern erschienen die großen, bombastischen Konzeptalben der Band. Das bewog die Plattenfirma dazu, Savatage ein Weihnachtsalbum anzubieten. Die Masterminds Jon Oliva, Paul O’Neill und Bob Kinkel fanden die Idee gut, hatten aber die Befürchtung, dass das Projekt beim Metal-Publikum nicht so gut ankommen würde. Man gab ihm also einen neuen Namen und zog es ganz groß auf: Sinfonieorchester, Musical-Darsteller als Sänger. Der Bombast nahm gigantische Formen an.

Der Name führte gerne mal dazu, dass Radio- und TV-Moderatoren das TSO im russischen Umfeld ansiedelten. In den USA war der Erfolg immens und es gab in der Winterzeit unzählige ausverkaufte Shows. Das Weihnachtskonzept spielt immer noch eine große Rolle, doch mittlerweile sind zudem thematisch unabhängige Konzeptalben wie „Beethoven‘s Last Night“ und „Night Castle“ erschienen. Was musikalisch zu erwarten ist, lässt obige Beschreibung schon erahnen: Ausufernde Klangteppiche, viele orchestrale Momente, episch erzählende Lyrics, klassische Elemente. Jedes Album bietet da einen netten Genre-Mix aus Rock und Klassik.

Nachdem das TSO beim diesjährigen Wacken Open Air Geschichte geschrieben hat, indem es als erste Band in der Geschichte des Festivals mit einer imposanten Show beide Hauptbühnen gleichzeitig bespielt hat, haben die Rock-Oper Visionäre nun ihr neues Album “Letters From The Labyrinth” veröffentlicht. In 15 Songs kommen 32 hochkarätige Musiker zum Einsatz – und dabei sind die Chöre noch nicht einmal mitgezählt! Und doch: Dank liebgewonnener Savatage-Recken wie Chris Caffery, Johnny Lee Middleton, Jon Oliva, Al Pitrelli oder Jeff Plate sind sie noch immer da, die schweren Riffs und wuchtigen Drums. Unter den illustren Gästen befindet sich auch Halestorms bezaubernde Lzzy Hale, deren Beitrag „Forget About The Blame” sich denn auch in den USA bereits in weit über 100 Radiostationen festgebissen hat.

„Letters From The Labyrinth“ bietet diesmal eher kürzere Stücke, davon vieles instrumental gehalten. Der epische Opener „Time & Distance“, dann eine lange Passage ohne Gesang. Ab „The Night Conceives“ gibt es die gewohnten bombastischen Gassenhauer mit harten Riffs, Musical-angehauchtem Gesang sowie herzhaften orchestralen und chorischen Momenten.

Inhaltlich widmet man sich Themen wie der Reise der Menschheit durch die Zeit, Mobbing („Not The Same“), Dem Fall der Berliner Mauer („Prometheus“) und den Kontroversen um weltweite Bankgeschäfte („Not Dead Yet“). Nach „Night Castle“ (2009) gab es nur eine EP und eine Best-of-Compilation. Also sechs harte Jahre des Wartens für die Fans. Das Ergebnis ist okay – aber irgendwie hat man nach der langen Pause mehr erwartet.