Rough Trade, der Londoner Kult-Plattenladen eröffnet endlich auch in Deutschland einen Europa-Standort.
Die Europa-Expansion von Rough Trade wurde bereits letztes Jahr auf dem Reeperbahn Festival bekanntgegeben und seit Oktober 2023 ist der europäische Webshop aktiv.
Nun steht die geplante Eröffnung des 270 Quadratmeter großen Ladens im Kalle Neukölln für das zweite Quartal 2024 an. Das ehemalige Kauf- und Parkhaus an der Karl-Marx-Straße wird derzeit zu einem Anziehungspunkt für Food und Musikliebhaber revitalisiert-, inklusive Klub (600er Kapazität), Foodcourt und Dachterrasse.
Passend zu der geplanten Eröffnung des Stores sowie dem Start des Mailorders hat Rough Trade Europe bereits zwei exklusive Events in Berlin bekanntgegeben:
Am 21. März spielen Gossip im ausverkauften Lido eine exklusive Album-Release-Show!
Getoppt wird dies, von der offiziellen Opening Party am 20. April im Kreuzwerk in Berlin. Das hochkarätige Line-Up beinhaltet Digitalism, Monolink, Kasper Bjørke, Local Suicide und Discovery Zone. Als Special Guest fungiert Daniel Miller, Gründer von Mute Records.
20.04.2024 – Berlin Opening Rave
mit Digitalism, Monolink, Kasper Bjørke, Local Suicide und Discovery Zone
Special Guest: Daniel Miller
Als Nils Brunkhorst 2017 pfeifend sein Fahrrad vor Phil Sundays Studio in Berlin abstellt, ahnt keiner der beiden, dass aus diesem ersten Treffen etwas entstehen wird, was sie nicht nur für immer verbinden, sondern sie auch weit über ihre eigenen Grenzen tragen wird. An diesem Tag wird der Grundstein für Saint Chaos gelegt, Nils findet eine Bühne für seine markante Stimme und Phil als Produzent die Möglichkeit, innovative Soundideen zu erschaffen.
Die Musik, die seitdem entstanden ist, spricht von Anfang an mit keiner anderen Stimme als der eigenen. Weil diese nicht nur aus zwei Köpfen, sondern auch aus zwei Herzen kommt, reden die beiden Songwriter gerne von einem „ambivalenten“ Sound, der sich auch im Bandnamen widerspiegelt. Saint Chaos sind immer beides: extro- und introvertiert, zweifelnd und selbstbewusst, mild und wild. Dabei balancieren die beiden spielend zwischen Alternative Rock und elektronischen Beats und scheuen nie davor, etwas Neues auszuprobieren.
Als Beispiel kommt praktisch jeder der 13 Songs auf „Seeing Red“ in Frage, denn alle Songs auf dem Album teilen sich dieselbe dominante musikalische DNS. Die hat auch mit dem Hintergrund der Musiker zu tun. Nils, der auch als Schauspieler in Film und Fernsehen auftritt, kommt ursprünglich vom Grunge und Soul, Phil vom Rock und Hip Hop. Mit Saint Chaos haben sie sich die Möglichkeit geschaffen, all ihre Einflüsse zu bündeln.
Das Berliner Alternative-Rock Duo Saint Chaos macht Lärm für fünf und zündet mit seinem Debütalbum „Seeing Red“ (19.11.) nun endlich seine mitreißende Energiebombe. HIER der Bestell-Link.
Am 15. Oktober erschien mit „Where I Belong“ die zweite Single-Auskopplung aus dem Album.
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Aglaja Camphausen und Thomas Falke haben mit „underwater calling“ ein Album geschaffen, das eine völlig selbständige musikalische Sprache spricht. Die Reduktion der Besetzung auf Stimme, Kontrabass und Cello bietet viel Raum für musikalisches Empfinden und zeigt die Quintessenz der Songs. Vielleicht könnte man es als Kammer-Folk-Jazz-Pop bezeichnen. So berühren beispielsweise ihre Interpretationen des Tom Waits Songs „All The World Is Green“, Willie Nelsons „I Never Cared For You“ oder Tim Hardins „If I Were A Carpenter“, die auf das Wesentliche konzentriert sind. Aglaja Camphausen, die Vioncello und Gesang studierte, ist ebenfalls wie der Kontrabassist Thomas Falke klassisch ausgebildet, jedoch von den unterschiedlichsten musikalischen Genres beeinflusst worden. Die Songs wurden als homogenes Gesamtwerk aufgenommen.
„underwater calling“ erscheint bei Meyer Records in der Reihe „Kitchen Recording Series“ am 14. Januar 2022 als Vinyl, CD und digitaler Download.
Fast drei Monate nach der digitalen Veröffentlichung erscheint das neue Album von Ryan Adams nun auch in physischen Formaten. Somit kommt endlich das fantastische Cover zur Geltung und es gibt ein Booklet mit den Songtexten. Lest hier die ursprüngliche Review vom 29. Dezember 2020. Unsere Empfehlung bleibt natürlich bestehen:
Jeder kennt doch sicher das Gefühl, wie man an den Tagen zwischen Weihnachten und Neujahr im Nichts versinkt. Man vergisst, welches Datum wir gerade schreiben, welcher Wochentag ist… irgendwie ist jeder Tag ein Mittwoch. Nicht Anfang, nicht Ende.
So muss es vermutlich auch Ryan Adams gegangen sein, als er mitten in der Pandemie sein neues Album „Wednesdays“ fertigstellte. Fuck – sogar das Cover zwischen Düsterheit und Melancholie passt in dieses Bild: Sind es ankommende Züge, abfahrende Züge, eine Welt im Stillstand? Adams sagt dazu: “Schwebezustand. Das ist es, was ein Mittwoch manchmal sein kann. Vielleicht ein Eingang. Vielleicht eine Brücke. Diese Platte, zwischen den Stapeln anderer Platten, die ich aus diesen zerbrochenen Teilen von mir gemacht habe, hat es nicht geschafft Staub anzusammeln. Es fühlte sich für mich so an, als ob sie raus wollte, nein, vielleicht raus musste. Während des Schreibens änderte sich die Bedeutung und selbst jetzt bin ich mir nicht so sicher, was sie sein könnte. Aber es ist an der Zeit loszulassen. Ich gebe diese Musik nun weiter an jeden, der sie braucht, mit Liebe und Demut, in der Hoffnung, dass jeder dadurch etwas Schutz in diesen stürmischen Zeiten findet.”
Das erste Album des US-Songwriters seit drei Jahren ist rein, roh, verletzlich und ehrlich. Die Musik nimmt den Hörer mit auf eine tiefe Reise und erkundet das komplexe Herz von Ryan Adams zwischen Liebe und Herzschmerz. Es schafft so mühelos eine unmittelbare Verbindung zu jedem, der jemals verlorene Liebe erlebt hat, die einen für lange Zeit verfolgt. Es gibt emotionale Schichten der Trauer, aber auch der glücklichen und zeitlosen Erinnerung. Selten konnten Adams‘ Musik und seine Stimme so berühren.
Die letzten beiden Jahre waren nicht einfach für Ryan Adams. Der Vorwurf sexuellen und seelischen Missbrauchs steht im Raum. Daher wurde nichts aus der Veröffentlichungs-Initiative, die der Sänger, der zudem an der Vertigo-Erkrankung „Morbus Menière“ leidet, für 2019 angekündigt hatte. Auch die angekündigte Europatour wurde ersatzlos gestrichen. Ob die Vorwürfe, die unter anderem von seiner Ex-Frau Mandy Moore kommen, haltbar sind, muss ein Gericht klären.
„Wednesdays“ klingt wie der Versuch eines Neuanfangs. Für den Songwriter ist es der erste Teil einer Trilogie und eine „back to basics songwriter experience“. Die Idee entstand schon vor einigen Jahren, bei der Arbeit zu einem anderen Album. Der produktive Singer-Songwriter konnte hier beim Komponieren die unendlichen Möglichkeiten von Klavier und Gitarre erforschen, seine Seele entblößen, die Erfahrung einfach passieren lassen und so annehmen wie sie war. Die Erzählungen sind persönlich und intim. Sein rauer, kraftvoller Gesang und seine brutal ehrlichen Texte werden in seinem eigenen, unnachahmlichen Stil präsentiert. Es sind durchgehend ruhige und melancholische Songs von klarer Schönheit. Keine Rock-Attitüde, kein Selbsthass, keine Aggressivität. Einfach wunderschöne Melodien, die zu Herzen gehen.
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Ihre zweite Nummer 1 im Vereinigten Königreich haben sich die Alternative-Punkrocker aus Weybridge hoch verdient. Der Albumtitel und die emotionale Mimik auf dem Albumcover sprechen Bände – es geht um Protest, Aggressionen und Impulsivität. „SUCKAPUNCH“ verschmilzt die Rock-Wurzeln von You Me At Six mit pulsierenden, elektronischen Beats.
„Bei ‚Suckapunch‘ geht es darum, dein eigenes Bewusstsein zurückzugewinnen, wenn du es auf dem Weg verloren hast. ‚Rise from the wreckage that you left behind‘ ist wirklich etwas, das wir gemeinsam als Band erlebt haben. Es ist eine universelle Aussage, um uns von einer schwierigen Zeit zu erholen, als man zurückgelassen wurde“, sagt Leadsänger Josh Franceschi über den Titelsong.
Der Sound ist komplex und wird von einem starken Beat getragen. Die Tracks pendeln gerne mal zwischen Pop und Rock, wobei auch sanfte Momente wie in „Glasgow“ nicht zu kurz kommen. Am liebsten aber rockt das Quintett seine breitwandigen Hymnen straight nach vorne und baut enorme Klangwände auf, die trotz aller Elektronik nie nervig werden. Josh singt, schreit und hält die Fäden in der Hand, doch er lässt auch Raum für ausgedehnte instrumentale Parts.
Mit ihrem siebten Studioalbum tauchen You Me At Six mutig in elektronische Musik, Hip-Hop und R&B ein. Einige der Songs betreten völliges Neuland, andere verwandeln den Rock in frische Formen. Das alles birgt Überraschungen. „SUCKAPUNCH“ ist der Klang einer Band, die den Wandel zelebriert. You Me At Six haben so ihre bisher experimentellste, persönlichste und progressivste Platte geschaffen.
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Dino Brandão, Faber (Julian Pollina) und Sophie Hunger haben als Schweizer Künstler*innen ihre kulturelle Beziehung in der Vergangenheit schon häufiger auch mit Kollaborationen gepflegt, wenn Brandão beispielsweise bei den anderen als Mitglied in der Liveband dabei war. Jetzt tut sich das Trio zusammen zu einer Schweizer Supergroup und liefert ein spannendes Mundart-Album, in dem die drei auf Augenhöhe musizieren und zwölf Eigenkompositionen abliefern, die ein homogenes Ganzes bilden.
Die Leadstimme wechselt, die Begleitung übernehmen die Anderen. Und gleich drei Stücke tragen den Titel „Ich liebe dich“, jeweils mit einem neuen Adressaten versehen. Musikalisch ist das Album sehr akustisch gehalten und begeistert mich vor allem an den Stellen, wenn die Drei mehrstimmige Gesangspassagen einbauen.
Zur Entstehung lassen wir die Schweizer selbst sprechen: „Während des Lockdowns waren wir alle in Zürich gestrandet, unsere jeweiligen Tourneen und Album Releases abgesagt, die Stimmung schlecht. Gerne folgten wir einer spontanen Einladung des Zürcher Radio-Senders GDS.fm, der aus seiner verwaisten Bar heraus sendete. Am Nachmittag hatten wir in Julians und Dinos WG- Küche ein ad-hoc Programm geprobt. Dieser erste gemeinsame Auftritt brachte den Stein ins Rollen. Wir waren eine Band! Am Ufer des Zürisees, wo Sophie über den Sommer in der Roten Fabrik Zuflucht gefunden hatte, komponierten wir weiter.
Am 1., 2. und 3. August gab es dort erste Konzerte unserer Liebeslieder vor Livepublikum. Direkt im Anschluss reisten wir nach Südfrankreich zur Studio-Aufnahme.Um die Unmittelbarkeit und Fragilität der Lieder zu bewahren wollten wir alles selbst einspielen. Wir wollten die Verwundbarkeit der Liebe auch hier nicht verraten. Aus der Not entwickelten sich ungeahnte Eigenschaften im Spiel füreinander. Dinos Skills als Drummer, väterlicherseits von angolanischer Rhythmik geprägt, Julians Jugenderfahrung als Punkbassist und Sophies kultivierte Lebenslüge als Jazz-Pianistin waren auf einmal unverzichtbare Werte.“
Nur die wunderbaren Streicherarrangements auf den Titeln „Ich liebe Dich, Faber“, „Ich liebe Dich, Sophie“, „E Nacht a de Langstrass“, „Derfi di hebe“ und der „Ouverture“ wurden im Anschluss von Fabers Mitmusiker Janos Mijnssen in Hamburg aufgenommen.
Ansonsten erleben wir das pure Trio in wechselnder Besetzung. Und ich muss sagen: Obwohl ich Sophies Stimme sehr mag, gefallen mir in diesem Fall die Männerstimmen mit ihrem rauen Charakter ausgesprochen gut. Ein Album, das der Kälte und Distanz unserer Zeit Wärme und Geborgenheit entgegen setzt.
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A-cappella-Musik ist grundsätzlich ziemlich familientauglich – unsere Kinder zumindest haben uns begeistert auf viele Konzerte begleitet und entsprechende CDs haben so manche langweilige Autofahrt verkürzt. Mit ihrem aktuellen Album „Kinderkram“ wenden sich die Jungs von Maybebop – inzwischen alle auch Familienväter – nun erstmals ganz gezielt an ihre jüngsten Fans und präsentieren 14 kinderzimmertaugliche Songs zum Tanzen, Lachen und Träumen.
Dabei sind hauptsächlich die Texte auf das neue Zielpublikum zugeschnitten. Musikalisch bewegen sich Maybebop zum Glück auf ihrem gewohnt hohen Niveau, lassen sich bei den vielseitigen Arrangements aber auch mal von Kindergesang unterstützen. Mit dem Opener „Tanz alles, was du hast“, bringen die Sänger ordentlich Schwung in die Bude, bevor sie sich mit „Wir sind Maybebop“ ihren Hörern vorstellen und gleichzeitig die verschiedenen Stimmlagen erklären. „Gut für die Hyäne“ überzeugt mit Wortwitz und einer starken Botschaft, „Bundeskanzler*in“ macht deutlich, dass auch Kinder schon genau wissen, wie man die Welt zum Besseren verändern kann, und „Glaub an dich“ ist ein wunderbares Mutmachlied. Der Ärger mit dem „Wackelzahn“ wird ebenso besungen, wie die sich im Dialog mit ihren Kindern entwickelnde endlose Wunschliste in „Ich wünsch mir ganz schön viel“. Ein vorlauter Kakadu sorgt für „Stress im Urwald“, und „Puppenmama“ ist ein gerapptes Plädoyer für dem völlig sinnfreien Spaß am Klang bestimmter Wörter.
Passend zu den witzigen Karton-Kostümen auf dem Cover hat jeder der vier Maybebopper auch einen ganz eigenen Song. Bass Christoph ist als „Bagger“ der coolste auf der Baustelle und Tenor Lukas vertreibt in „Alles macht Bäm“ als Superheld sämtliche Schurken mit seinen Comic-Geräuschen. Bariton Oliver beschreibt im Sound der Neuen Deutschen Welle als „Roboter“ den leider viel zu durchprogrammierten Alltag mancher Kinder, und Countertenor Jan schwebt als „Flieger“ am Ende des Tages in einem traumhaft schönen Arrangement nochmal über die ganze Kinderkram-Welt.
Wenn zum Abschluss die letzten Töne des witzigen Schlaflieds „Schäfchen zählen“ verklingen, geht eine tolle und unterhaltsame musikalische Reise zu Ende, die bestimmt der ganzen Familie Spaß macht. Und wer vom „Kinderkram“ noch nicht genug hat, findet im Booklet jede Menge kleine Rätsel, Spiele und Ausmalbilder. Da kann man sich die Zeit im momentanen Lockdown ganz gut vertreiben – und sich nebenher darauf freuen, Maybebop mit den neuen Liedern hoffentlich irgendwann wieder live zu erleben!
Anfang des Jahres hat Heinz Rudolf Kunze mit “Der Wahrheit die Ehre” mal wieder ein zeitlos geniales Album abgeliefert. Geplant war natürlich, dass HRK mit diesem Album auf große Tour geht, doch es fanden aus bekannten Gründen nur wenige Konzerte wirklich statt. Ich durfte ihn im Sommer tatsächlich live erleben. Allerdings nicht in echter Konzertatmosphäre, sondern im Rahmen eines Autokino-Konzerts. Das mag skurril sein für Künstler und Publikum, doch es hat gut funktioniert. Kunze war in guter Form und bestens gelaunt. Vermutlich hatte ihm die lange Pause auch zu schaffen gemacht und er war einfach froh, live auftreten zu dürfen.
Die neue Doppel-live-CD liefert einen Mitschnitt, der im Sommer am Schweriner Schloss aufgenommen wurde. Es gibt neue Stücke, seine Mitsing-Klassiker und viel Politisches. Ein buntes Sammelsurium an Songs aus seiner gesamten Karriere (inklusive „Dein ist mein ganzes Herz“, „Lola“ und „Finden Sie Mabel“), wobei er sich selbst an Gitarre oder Klavier begleitet. Und zwischendurch liest er kleine Texte: Gedichte, Aphorismen, Weisheiten, Kürzestgeschichten, Anekdoten aus dem Buch „Wenn man vom Teufel spricht – 200 Zeitgeschichten“.
Das hier festgehaltene Livekonzert ist also eine Mischung aus Livekonzert und Lesung. HRK zum Album: „Die Solokonzerte sind über die letzten Jahre meine liebste Beschäftigung geworden. Ich – bewaffnet mit drei Gitarren, einem Flügel und einer Mundharmonika – das ist es. Heinz Rudolf Kunze pur sozusagen. Solo bedeutet für mich: Die ganze Aufmerksamkeit, der ganze Beifall, das ganze Geld, die ganze Genugtuung, die ganze Schande, wenn es schiefgeht – alles meins. Toll. Im Programm und auf dem Album finden Fans eine Mischung zwischen Bruce-Springsteens Solo on Broadway und Harald Schmidt. Neben vielen bekannten Songs hört man nach jedem Song auch aktuelle, satirische, poetische und kabarettistische Texte aus meiner Feder.“
Kunze hat zumindest bewiesen, dass auch die kleinen Formate (und selbst die Autokonzerte) ihm mindestens genau so liegen wie die Formate mit großer Band. Das Publikum hängt an seinen Lippen und braucht nicht die Abwechslung der großen Show. Lassen wir also die feingeistigen Texte und mitreißenden Songs auf uns wirken und hoffen wir auf eine halbwegs normale Konzertsaison 2021. Die Hoffnung stirbt zuletzt.
Als 17jähriger Teenager gewann Luca Hänni vor acht Jahren die Show „Deutschland sucht den Superstar“. Dass man diesen ausgerechnet in der Schweiz fand – geschenkt. Immerhin hat das Verhältnis zur Heimat darunter nicht gelitten, denn 2019 trat er für die Schweiz beim „Eurovision Song Contest“ an und erzielte mit „She Got Me“ einen sensationellen vierten Platz.
Eigentlich waren englischsprachige Songs sein Metier, doch für das neue Album „110 Karat“ hat er diese in den Bonus-Bereich verbannt und liefert ein Dutzend Stücke in deutscher Sprache. Das haben sich viele Fans schon lange gewünscht.
Die Texte sind sehr persönlich gehalten und musikalisch geht es von Balladen bis in den Uptempo-Bereich. Die Songs sind oft tanzbar und zum Teil elektronisch per Auto-Tune verfremdet, doch das ist für den modernen Sound recht passend. Diverse Beziehungssongs nehmen den ganzen Raum ein und Luca erzählt unverblümt aus dem persönlichen Nähkästchen. Das ist nicht innovativ, klingt aber authentisch.
Unter den englischen Bonustracks stechen „Bella Bella“ und der ESC-Track „She Got Me“ hervor. Die vier Songs sind auf jeden Fall ein nettes Gimmick für Fans, die lieber ihren alten Luca behalten hätten.
Das erste Album des Künstlers in deutscher Sprache war schon länger angekündigt. Schön, dass er diesen Schritt nun endlich gewagt hat – Deutschpop steht ihm gut!
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Till Seifert stammt aus Braunschweig und war schon 2011 (mit 19 Jahren) musikalisch aktiv. Nach Auszeichnungen bei der Sängerakademie Hamburg und dem Troubadour Wettbewerb in Stuttgart wandte er sich zunächst einem Studium der Theater- und Medienwissenschaften zu und machte eine Ausbildung zum Atem-, Sprech- und Stimmlehrer. Daneben verfolgte er aber stets auch seine musikalische Karriere als Support-Act für bekannte deutsche Künstler*innen und unterzeichnete schließlich 2019 einen Vertrag bei Meadow Lake Music in Leipzig, wo jetzt sein zweites Album erscheint.
„Der beste Ort sind wir“ ist eigentlich die schönste Liebeserklärung die man jemandem machen kann. Vor allem in einer Zeit, da man das Fernweh aus nachvollziehbaren Gründen auf Ziele in der Nähe konzentrieren sollte. Und so ist das Album eine popmusikalische Liebeserklärung an das Leben und die Gegenwart.
Im Opener „Soweit“ macht Seifert allen Gegenwartsfrustrierten Beine. Ein gratis Motivationskurs in drei Minuten und sieben Sekunden. „Wir sind schon so weit gekommen. Gib jetzt nicht auf, gib Gas und Lauf, es geht nicht nur up and down“, singt Till. Zusammen mit seinem sommerlichen Musikmarathon per Fahrrad und zu Fuß von Flensburg bis zur Zugspitze ist „Soweit“ sicherlich der positivste und dynamischste Sommerhit des Jahres.
„Ich würde mir wünschen, dass wir alle merken welchen Schatz wir an der Musik, an Kultur, an Konzerten haben. Mit meiner Musik-Marathon-Tour möchte ich ein Konzerterlebnis in jede Stadt bringen in der ich übernachte. Einfach gratis, ohne Eintritt. In jedem Ort ein kleines Fest, dass wir wieder in Bewegung kommen und in diesen schwierigen Zeiten gemeinsam Musik genießen können, natürlich mit allen Regeln die es einzuhalten gilt. Und ich wünsche mir, dass die Öffentlichkeit merkt, dass wir Musiker nicht einfach die Hände in den Schoß legen und auf bessere Zeiten hoffen. Wir sollten alle nicht einrosten, jetzt, wo wir doch schon so weit gekommen sind.“ Bei dieser schönen Aktion während des Corona-Sommers hat er übrigens Geld für die Kindernothilfe gesammelt.
Till bietet ehrliche Texte und schöne Melodien. Er ist ein Beobachter, ein Zwischen-den-Zeilen-Schreiber, der an das Gute im Menschen glaubt und an das Gute in der Popmusik. Seine Songs sind optimistisch und voller Lebensfreunde. Dazu passend gibt es eingängige Pianomelodien und verzauberte Gitarrenklänge. Stimmlich erinnert Till Seifert an Kollegen wie Tim Bendzko und Wincent Weiss. Das ist jetzt sicher kein Alleinstellungsmerkmal – trotzdem klingt das Album sehr abwechslungsreich, was vor allem den rhythmischen Ideen zu verdanken ist.
„Der beste Ort sind wir“ wirkt sommerlicher, als es das regnerische Herbstwetter hergibt. Sinnbildlich hilft es dem Hörer, einen Fokus auf die schönen Dinge zu legen. Das können wir doch alle brauchen.
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In Zeiten des allgegenwärtigen Corona-Abstands ist es sicherlich gewagt, sein aktuelles Album „Nah“ zu nennen. Alin Coen geht dieses Wagnis ein und schafft Nähe mit ihrer Musik, indem sie über Beziehungen spricht – über Höhen und Tiefen im Zwischenmenschlichen. In zwölf Songs lotet sie mit hoher Intimität und berückender Ehrlichkeit die Verbindung zu nahen Menschen aus. Von ruhiger Überwältigung bis zum komplizierten Abschied, von zersetzenden Machtkämpfen bis zu bebenden Rettungsversuchen.
Alin Coen erzählt in „Du machst nichts“ von einer Liebe, die der Gleichgültigkeit erliegt. „Alles was ich hab“ wiederum feiert die Imperfektion. Und „Entflammbar“ ist ein unglaublich kluges Lied über zu langes Hoffen und Warten und welche Wunden sich in dieser Zeit unmerklich ansammeln. Besonders stark finde ich die Bildsprache von „Leichtigkeit“ – der Suche nach den Anfängen einer Liebe, als alles noch leicht und sonnig war und es keinen Schatten gab: „Du sehnst dich nach der Leichtigkeit, die wir am Anfang hatten“. Dabei gibt die Songwriterin Hinweise, keine Patentrezepte. Also genau das, was jeder gute Psychologe zu tun pflegt.
„Tiraden“ spricht von wütenden Worten und der Verletzung des Selbstwertgefühls. „Das Ende“ behandelt den berühmten Beziehungssatz „Wir brauchen mal Abstand“ und denkt ihn zu Ende. „Ultimatum“ steht für das Ultimatum an sich selbst, eine Beziehung zu beenden oder auf eine neue Ebene zu bringen. Die Worte klingen beschwerlich und versöhnlich zugleich. Das macht Alin Coens Lyrik aus. Und inhaltlich tut sie mehr, um eine Beziehung voranzubringen, als die vielen halbseidenen Ratgeber, die es auf dem Markt gibt.
So vielfältig wie diese Gefühle gestaltet sich auch die Musik zwischen Indie, Singer/Songwriter und Pop. Angetrieben werden die Lieder durch Alin Coens Gesang, der weit aufmacht und mitunter tief an der Seele zieht. Das instrumentale Geschehen ist dabei häufig sehr reduziert – auf eine Pianomelodie, eine akustische Gitarre oder sanfte Streicher. Nur selten wird es mal lauter, wie im annähernd rockigen „Held“.
Sieben Jahre haben ihre Fans auf dieses dritte Studioalbum gewartet. Und es spricht sehr für die Persönlichkeit der Alin Coen, dass sie sich trotz all der positiven Reaktionen zu Beginn ihrer Laufbahn nicht geradewegs in die Veröffentlichungszyklen der Popbranche begeben hat. Die Songs spielten sie in nur sechs Tagen im Januar 2020 live ein – im LowSwing Studio in Alins Wahlheimat Berlin. Besonders prägend in diesen Aufnahmen ist ihre Stimme, die transparent und zugleich ungemein raumgreifend wirkt. Ein Stimme, die nahe geht, schafft ein Album, das nahe geht.
Auch wenn sie, was die Radiotauglichkeit angeht, weitgehend aus dem Radar der Öffentlichkeit verschwunden sind, machen Erasure doch immer noch hervorragende Diskomusik und veröffentlichen in kurzen Abständen sehr solide Studioalben, die zu einer Zeitreise in die Glanzzeiten des Synthiepop einladen.
Das neue Werk heißt – durchaus aussagekräftig – „The Neon“ und bietet tolle Melodien, den charismatischen Gesang von Andy Bell, natürlich verbunden mit Vince Clarkes Synthesizerklängen und aussagekräftigen Basslinien.
“Hey Now (Think I Got A Feeling)”, das samt Lyricvideo erscheint, eröffnet auf eine vertraute, jedoch sehr futuristische Art und Weise das neue Album. Der lebendige Opener entzückt mit energiegeladenen Melodien und dynamischen Drums, die Andys kraftvollen Gesang untermalen.
„The Neon“ glänzt auf Albumlänge voller Hoffnung und schafft lyrisch wunderschöne Orte, an denen sich Vorstellungen und Gedanken austoben können, ohne dabei den Bezug zur Wirklichkeit zu verlieren. “The neon is a place, but not a specific place. It’s a place that lives in the imagination, that we – you and me – put in the real world„, eklären die Zwei. „It could be a night club, a shop, a city, a cafe, a country, a bedroom, a restaurant, any place at all.”
Für das neue Album begaben sich die Beiden auf die Suche nach einem einzigartigen Pop-Sound, der es schafft, Vergangenheit und Zukunft perfekt zu verschmelzen. Erste Songideen von Vince zum neuen Album entstanden schon in den letzten Jahren in dessen Studio in Brooklyn, New York, ehe Andy im letzten Herbst die bestehenden musikalischen Klänge in Texte umwandelte. “Andy was really inspired this time,” offenbart Vince. “Our music is always a reflection of how we’re feeling. He was in a good place spiritually, and so was I – really good places in our minds. You can hear that.”
„The Neon“ ist eine nostalgische Reise in die guten alten Zeiten. Kein Bumm-Bumm-Dancefloor mit harten Klängen, sondern eine feine und softe Grundidee, die hier zu virtuosen Melodien verwandelt wird. Erasure sind auch nach 35 Jahren noch ganz oben und bestens in Form.
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Schon der chorisch und rhythmisch mitreißende Start von „Recover“ macht Laune. Gospelmäßig geht es in ein Album, das zwar Synthie-gesteuerten Elektropop zu bieten hat, dabei aber sehr sanft und harmonisch bleibt.
2018 verließen die beiden Gründungsmitglieder Aaron Short und Jesse Wood die Band. Das hätte ein großer Einschnitt sein sollen, doch man funktioniert auch als Duo, bestehend aus Alisa Xayalith und Thom Powers – und mit ihrem neuen Werk erobern sie sich ihren Platz als die Vorreiter eines aktuellen Indiesounds zurück. Das Album nimmt uns mit in tiefe Gefühlswelten und bewahrt sich dabei die Dynamik und Frische, die The Naked And Famous bisher schon mehr als 600 Millionen Streams eingebracht hat.
Musikalisch haben sie den verträumten, eingängigen Synthpop perfektioniert, aber was ihre vertraute und intime Erzählweise angeht, bleiben sich die beiden Singer/Songwriter treu. Bei „Recover“ handelt es sich um ein größtenteils autobiografisches Album – tief verwurzelt in einem starken Gefühl des Überlebenwollens, eines zutiefst menschlichen Selbsterhaltungstriebs, und des Bedürfnisses, sich in einer Welt, die einen ständig fertigmachen will, selbst zu feiern und zu schützen.
Powers sagt über das neue Album “Recover”, dass das Duo „sich selbst und seine künstlerische Ausdrucksform wiedergefunden hat. Das Album ist Ausdruck einer künstlerischen Heilung und unser Weg in die Zukunft. Wir hoffen, dass unsere Botschaft der Heilung und Resilienz auch auf die Hörer eine Wirkung haben.”
Diese Haltung spürt man in vielen Songs. Und es klingt großartig, wenn die beiden Vokalisten zweistimmig oder (mittels elektronischer Hilfe) mehrstimmig polyphon zusammen singen. Dazu kommen die elektronischen Rhythmen und Sounds mit vielen melodisch eingängigen Parts. Meist sind es stimmungsvolle Balladen, die zu Herzen gehen. Schön arrangiert und mit perfekten Harmonien.
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Musikalisch irgendwo zwischen Tom Misch und James Blake angesiedelt, ist Bruno Major aus dem britischen Northampton in den letzten Jahren zu einem vielbeachteten Nachwuchskünstler aufgestiegen. Bereits im Alter von 16 Jahren beherrschte er das Gitarrenspiel dermaßen brillant, dass er von seinen Jobs als Session-Gitarrist für andere Künstler leben konnte. Mittlerweile verzeichnet seine Musik gut 400 Millionen Streams, allein via Spotify und Apple. Das Debütalbum erschien 2017. Auf seinem zweiten Album hat er fast alle Instrumente bis auf wenige Ausnahmen selbst eingespielt.
Bruno Major wuchs in einer musikaffinen Familie auf. Sein Bruder Dominic ist Teil der Band London Grammar. Er selbst eiferte zunächst seinem Vater nach und begann im Alter von sieben Jahren wie dieser Gitarre zu spielen, fühlte sich durch Randy Newman, Chet Baker, Radiohead, Kendrick Lamar, Nick Drake, D’Angelo und Mr Hudson inspiriert.
Die Geschichten, die Bruno Major in seinen Songs erzählt, sind eine Mischung aus Erlebtem und Nachempfundenem: Manchmal sind es nur Gesprächsfetzen, die er auf der Straße aufgeschnappt hat, ein paar dahingeschleuderte Worte von einem Menschen, die ihn inspiriert haben. Auch Literatur- oder Leinwand-Zitate sowie unterbewusst Aufgeschnapptes aus dem Alltag bilden das Fundament der neuen Stücke. Jene universellen Erfahrungen, um die es ihm geht, verpackt der Brite so intim, dass man als Zuhörer meinen könnte, seine Aufnahmen seien exklusiv für die eigenen Ohren gedacht.
„Old Soul“ beispielsweise bezieht sich auf die Zeit direkt nach einer Trennung. Eine Situation, die wohl jeder schon einmal miterlebt hat. Alles dreht sich um Selbstmitleid und Bewältigungsstrategien. Im Debüt hatte er einen Song für jeden Monat des Jahres geschrieben. Jetzt im Zweitwerk geht es um unterschiedliche intime Momente.
Diese Intimität ist es auch, die Majors Musik ausmacht. Es ist ein Easy Listening im positivsten Sinn des Wortes. Eingängige, einschmeichelnde Melodien – oft sommerlich träge und verträumt. Mit einfachen Mitteln erreicht er eine große Wirkung. Und die gute halbe Stunde Albumlänge vergeht wie ein warmer Sommerhauch auf dem Liegestuhl.
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Artwork und Titel der EP „S.I.T Annexe“ weisen schon darauf hin, dass es sich mit dieser digitalen und in einer Vinyl-Edition erscheinenden EP um eine Art Nachtrag zum 2019er Album „Swimming In Thunderstorms“ handelt.
Was wir im letzten Jahr dazu geschrieben hatten: Wie in alten Zeiten verbinden Fischer-Z Elemente von Folk, Punk und New Wave zu einem schönen Gesamtbild. Auch weltmusikalische Elemente sind (wenn auch reduziert) weiterhin vorhanden, beispielsweise in “Stolen” und “Prime”. John Watts wird in Kürze 65 Jahre alt. Seine charismatische Stimme hat nicht an Ausdruckskraft verloren. Er kann energisch nach vorne preschen und sich dezent zurücknehmen. “Swimming In Thunderstorms” ist ein weiteres sehr abwechslungsreiches Album und begeistert mich durch die Bank.
Inzwischen hat Watts den halbrunden Geburtstag hinter sich und ist so produktiv, politisch und trotzig wie immer. „Ich glaube, Bewegung ist Leben“, teilt er mit. „Ich möchte immer in Bewegung bleiben und wachsen. Immerhin bist du nur so gut wie deine neuesten Sachen und das ist es, was mich am Laufen hält.“
Auf der knapp 11minütigen EP gibt es neben der aktuellen, zum Nachdenken anregenden Single zwei weitere Tracks. „Choose“ funktioniert als energischer Weltretter-Song mit mitreißendem Refrain. „Shine“ ist ruhiger und lebt von Watts typischem Sprechgesang, während „Pumping Up The Drama“ als akustische Songwriter-Ballade funktioniert.
Ich muss ehrlich sagen, dass mir diese drei Songs zu wenig sind, um sie als Weiterentwicklung anzusehen. Klar, sie fügen sich gut ins Gesamtkonzept des letzten Albums ein – mehr aber auch nicht. Was man Fischer-Z zugute halten muss: In der heutigen Zeit nutzt man neue Tracks oft dazu, eine „Special Edition“ auf den Markt zu bringen und den Fans ihr Geld erneut aus der Tasche zu ziehen. Die Briten tun das nicht. Die machen drei Songs digital verfügbar – und wer unbedingt Hardware braucht, wird mit der Vinyl-EP und ihrem grandiosen Artwork gut bedient. Passt.
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Dass hier eine Reihe von Musikern zusammen gekommen ist, die vollkommen unterschiedliche musikalische Hintergründe haben, hört man schon auf den ersten Tracks des Albums „In the deep“. Das Quintett aus Norwegen schwelgt auch auf dem zweiten Longplayer in melancholisch anmutenden Songs, die zwischen Alternative Rock und Indie-Anleihen pendeln.
Da ist der energische Opener und Titeltrack „In the deep“. Atmosphärische Klänge in einem guten Rocksong, der von Erlend Versteraas‘ Stimme und den epischen Synthies lebt. Der vertrackte Rhythmus von „Moving on“ korrespondiert stark mit den Gitarrenklängen. Und richtig spannend wird es dann in „Fragile (All alone)“ mit Streicherarrangement und experimentellem Mittelteil. Hier geht die Reise stark in Richtung Progressive Rock Marke Radiohead oder Muse.
Mit „Westcoast“ ist nicht etwa die USA gemeint, sondern die raue Westküste Norwegens. Ein schneller Song, der gut ins Ohr geht. Erst später geht es über den Teich, wenn die Band dem Hochseilartisten „Philippe Petit“ ein musikalisches Denkmal setzt. Eingerahmt wird dieser vorwärts treibende Song von den fragilen und etwas trägen Balladen „This is it“ und „My darkest side“.
Mit „New memorial day“ endet das Album so theatralisch, wie es begonnen hat. Vonheims zweite CD lässt uns die Weite Norwegens spüren. Das Video zu „Westcoast“ gibt einen guten Eindruck von der musikalischen Idee:
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Teil dessen, was Netflix‘ “Sex Education” so besonders macht, ist der Soundtrack, der den ausgefallenen Ton der Serie mit Liedern von Ezra Furman perfekt festlegt. In Staffel 2 gibt es, neben Synthpop-Songs der 80er und 60er Soul, eine Reihe von Furman-Songs, darunter auch seine Version eines LCD Soundsystem-Klassikers (”I Can Change”).
“Making music for a TV show was a new experience for me. As a fan of many a high school comedy, for example The Breakfast Club and 10 Things I Hate About You, I knew how fun the music can be, and also how emotional. I wanted to rise to the challenge.”
„Sex Education“ trifft genau den Zeitgeist. Die Serie zeigt Teenager mit typischen Problemen gepaart mit herrlich-passender Musik, Humor und dem gewissen Etwas.
Ezra Furmann taucht in Staffel 1 als Sänger einer Band kurz auf. Seine Stimme, seine Ausstrahlung, das Charisma – das alles passt perfekt zu der Serie und ihrer wundervollen Musik. Auf dem aktuellen Pressefoto zeigt sich der androgyne Sänger als Frau. Auch das ein geniales Statement, das zeigt, dass ihm die Aussage der Serie und die Idee der sexuellen Vielfalt wichtig sind. Dass es mehr ist, als nur ein musikalischer Job.
Ich finde es ungewöhnlich, dass man als Soundtrack für beide Staffeln nur seine Songs und Interpretationen gewählt hat, wo es doch viel mehr Stücke unterschiedlicher Künstler zu hören gibt. Aber irgendwie passt es auch – mit aller Eindringlichkeit, den Emotionen, der Euphorie und der Niedergeschlagenheit, die seine Songs ausmachen. Ein wunderschönes Album (auch unabhängig von der Serie) und eine tolle Hommage.
Der offizielle “Sex Education” Soundtrack der Staffel 1 + 2, mit allen Werken von Ezra Furman, erschien bereits im Januart digital. Seit Ende April gibt es ihn auch physisch (CD und LP) via Bella Union.
25 Jahre nach ihrem selbstbetitelten und mit einer Gold-Auszeichnung dekorierten Debütalbum haben Selig befreundete Musiker gebeten, ihre Songs von damals neu zu arrangieren. Es gab keinerlei Vorgaben. Das Ergebnis hört auf den schönen Namen „Selig macht Selig“ und klingt mal laut, mal leise, wurde mal alleine und mal zusammen mit Selig aufgenommen. So entstanden vierzehn Songs zwischen Electronic, Pop und Rock und eine Lesung. Bis auf wenige Ausnahmen gibt es dabei nur Gewinner, auch wenn die Stücke im Original natürlich immer noch am besten rüberkommen. Warum mit „Tina“, „Ja“, „Frei“, „Meinetwegen“ und „Fadensonnen“ allerdings gleich fünf Stücke ausgespart wurden, muss mir nochmal jemand erklären.
Vielleicht liegt es daran, dass Jan Plewka, Christian Neander, Leo Schmidhals und Stephan Eggert ihr Vorhaben, ausschließlich Lieder von ihrem Debütalbum interpretieren zu lassen, im Laufe der Zeit über Bord warfen. So darf sich Pohlmann an „Bruderlos“ vom zweiten Selig-Album „Hier“ versuchen. Zum Glück will er nicht originell sein, sondern nimmt den Song so wie er ist: schmerzhaft. Ebenfalls von „Hier“ stammt „Ist es wichtig“, das Lisa Who zu einem sparsamen Trommelmarsch umfunktioniert. Im Gegensatz dazu verhunzt Johannes Oerding „Sie zieht aus“ vom dritten Album „Blender“ zu einem dahinplätschernden Sing-A-Long, das zum einen Ohr rein und zum anderen wieder raus tropft. Immerhin bleibt er damit seinem eigenen Stil treu. Und schließlich wird „Die alte Zeit zurück“ vom Comeback-Album „Und endlich unendlich“, gelesen von Benjamin von Stuckrad-Barre, zur Kurzgeschichte. Eine durchaus ungewöhnliche Variante der Bitte von Selig zu entsprechen.
Davor und dazwischen gibt es einen bunten Reigen an Neuinterpretationen, die überwiegend mehr aber auch mal weniger überzeugen. Madsen machen den Anfang mit „Wenn ich wollte“ und lassen es einfach krachen. Punkt. Die von mir sehr verehrten Emma6 tun so, als wäre „Hey, Hey, Hey“ schon immer ihr Song gewesen und verleihen ihm eine wunderbar leichte Melancholie. Wilhelmine lässt in „Mädchen auf dem Dach“ Ulla Meinecke wieder auferstehen und dürfte Selig damit eine besondere Freude gemacht haben. Danach schleppt sich Philipp Poisel leider durch „Ohne Dich“ und raubt dem Stück jede (plewkaeske) Dramatik. Sehr lustig ist hingegen das Duett von Olli Schulz und Jan Plewka in „Die Besten“. Die Idee, nicht ganz ernst zu erzählen, wie sich die beiden nach 20 Jahren zufällig in einer Bar treffen, kam Olli Schulz spontan und so ist das verdutzte Gestammel von Jan Plewka auf die bohrenden Fragen tatsächlich echt.
Wolfgang Niedecken macht das, was er am besten kann und singt „Glaub mir“ auf Kölsch (unter hochdeutscher Mitwirkung von Jan Plewka) und als Blues. Das Pack gräbt die Grunge-Wurzeln von Selig aus und lässt „High“ zu einem fetten Rocker mutieren. Auch die 17 Hippies machen ihrem Namen alle Ehre und verwandeln „Regenbogenleicht“ unter dem Einsatz von Ziehharmonika und Posaune zu einem geheimnisvollen, flüsternden Schunkelsong. Pictures bewegen sich bei „Sie hat geschrien“ ganz nah am Original und überzeugen mit einer fröhlichen Mittanznummer. Dass sie damit alles richtig machen zeigt der ebenfalls vertretene Remix-Versuch des gleichen Stückes durch Milliarden, der nicht nur schräg sondern einfach nur furchtbar ist und mit dem Original ungefähr soviel zu tun hat wie die AfD mit Demokratie. Nämlich gar nichts. Bleibt zum Abschluss noch die Live-Version von „Die Besten“ aus dem Hamburger Grünspan durch Selig höchstselbst.
„Selig macht Selig“ ist trotz ein paar Schwächen eine Zusammenstellung geworden, die Spass macht. Den Hörern genauso wie den beteiligten Musikern. Und so war es wohl auch gemeint. Als kleines Dankeschön an die Fans und als Reminiszenz an ein Album, das die deutsche Musikszene bis heute maßgeblich geprägt hat. Olli Schulz bringt es auf den Punkt: „Mit Selig verbinde ich die glorreichen Neunziger, als diese Band es als erste deutsche Band geschafft hat, so ein Grungegefühl zu vermitteln, sogar mit deutschsprachigen Texten. Das hat davor glaube ich keiner gemacht und auch danach niemand mehr so richtig hinbekommen. Außerdem war ich wahnsinnig genervt, dass alle Frauen damals Jan Plewka geil fanden!“.
Jetzt gilt es wieder nach vorne zu schauen. Noch in diesem Jahr soll das achte Album von Selig erscheinen. Ab Mitte März geht die Band auf „Selig macht Selig“-Tour – inklusive dem einen oder anderen musikalischen Gast natürlich. Und ab April ist Jan Plewka in der VOX-Show „Sing meinen Song“ zu sehen. Freuen wir uns also auf viele weitere Jahre mit Selig – warum nicht nochmal 25?
Es wurde schon längst Zeit für eine Best-of-Zusammenstellung vom Lumpenpack. Und logisch, dass dies eine Liveplatte sein muss. Max Kennel und Jonas Meyer, die beide aus der Poetry-Slam-Szene stammen, gründeten die Band im Jahr 2012 und haben seitdem vier Studioalben veröffentlicht.
Im Mittelpunkt der Releases steht das komödiantische Können der beiden. Ihre Ansagen sind legendär – und die Texte holen gerne mal zum politisch inkorrekten Rundumschlag aus. Mit einer Mischung aus Singer-Songwriter-Pop, brachialem Humor und feinem Hintersinn gewann das Lumpenpack in den letzten Jahren diverse Contests und Preise. Ihr Hit „Guacamole“ wurde millionenfach angeklickt, sie waren zu Gast bei verschiedensten TV-Formaten, auf Musikfestivals und spielten etliche ausverkaufte Konzerte. Die Single „Hauch mich mal an“ knackte bei Spotify und Youtube schnell die 2,5 Millionen Marke und die Liveversion von „Pädagogen“ hat schon längst Kultcharakter („Ich tausch drei Lehrer gegen nen Monteur“).
Das Livealbum wurde aufgezeichnet in Mannheim, wo sich die beiden 2011 kennengelernt haben. Das Duo präsentiert einen wundervollen Querschlag durch neun Jahre Freundschaft und sieben Jahre Bandgeschichte auf siebzehn Songs in neunzig Minuten. Es geht um „Syltaufkleber“ und „Heilpraktiker“, um den „Ford Fiesta“ und den Neustart am Jahresende („Silvester“). Die Songs sind ebenso genial wie die – zum Teil gesungenen – Ansagen. Wer bisher keinen Eindruck vom Lumpenpack hatte, der bekommt hier die Vollbedienung. Alle anderen wissen ohnehin, was sie erwartet.
Das Lumpenpack feiert „Halbzeit“? Dann wollen wir mal schwer hoffen, dass es nach den nächsten neun Jahren umgehend in die Verlängerung geht.
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Mit „The Great Conspiracy“ veröffentlicht Sänger Nils Patrik Johansson (Fronter bei Astral Doors und Lion’s Share, Ex-Mitglied von Civil War) das wohl wichtigste Werk seiner Karriere: Ein Konzeptalbum über den bis zum heutigen Tag ungelösten Mord an dem schwedischen Sozialdemokraten und Premierminister Olof Palme im Jahr 1986. Auch nach 34 Jahren ist dieses Ereignis für viele Schweden immer noch ein Trauma. Durch sein internationales Engagement für Abrüstung, Verständigung und soziale Gerechtigkeit genießt Olof Palme bis heute weltweit hohes Ansehen. Es gibt Hunderte von Theorien darüber, wer der Täter gewesen ist. War es ein einsamer Verrückter oder doch eine lange vorbereitete Verschwörungstat?
Nils Patrik setzt sich mit diesem Fall bereits seit 2016 intensiv auseinander. Unterstützt wird er dabei vom schwedischen Schriftsteller und Gründer des Podcasts Palmemordet, Dan Hörning. Auf „The Great Conspiracy“ geht NPJ den wichtigsten Spuren nach und entwickelt zudem einen eigenen Lösungsansatz zu den Hintergründen des Attentats.
Musikalisch bietet das Album klassischen Hardrock und Speed/Power Metal im Stil von Bands wie Helloween und Gamma Ray. Johanssons Tenorstimme ist sehr prägnant und man braucht eine gewisse Eingewöhnungszeit. Dann aber treibt das Album stark nach vorne. Es gibt schnelle Powersongs wie „The Agitator“. Schon an zweiter Stelle kommt der düstere Attentats-Song „One Night At The Cinema“. Stücke wie „March Of The Tin Foil Hats“ sind musicalartig erzählend während „Prime Evil“ die dunkle Seite des Geschehens mit düsteren Klängen beschwört. Der Titelsong „The Great Conspiracy“ schließlich ist eine astreine Metal-Hymne mit Orgelklängen, die zeitweise an das „Phantom der Oper“ erinnern.
Alles in allem geht das Konzept auf. NPJ ist ohnehin durch seine Bands ein Experte für Konzeptalben. Auch hier legt er ein durchdachtes Werk vor, in dem Geschichte und Musik hervorragend ineinander greifen.
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