Martin Rütter „Der tut nix!“ Fotos aus der Arena Trier am 28.05.2013
Martin Rütter „Der tut nix!“ Fotos aus Trier
Martin Rütter „Der tut nix!“ Fotos aus Trier
Lange musste man in Deutschland warten um den jungen Musiker, Komponist und Träumer wieder Live erleben zu können. Nachdem er 2008 für Sigur Rós im Palladium eröffnete, war er 2013 der Hauptamt. Und zwar in der Kulturkirche in Köln. Wohl mit der passendste Veranstaltungsort für ein Konzert dieser Art.
Der Abend wird von dem Briten Douglas Dare eröffnet, der für sich für gut eine halbe Stunde an den Flügel setzt und seine Songs überzeugend und seine kurzen Ansprachen sehr sympathisch rüber bringt.
Kurz vor 21 Uhr setzt sich dann Olafur Arnalds auf seinen angestammten Platz hinter den Flügel. Gesäumt von zwei Laptops und einem Tablet. Alle werden über den ganzen Abend genutzt um verschiedene Samples und Sounds zu spielen. Zu Anfang bittet er das Publikum um die Mithilfe, das Konzert zu eröffnen. So spielt er einen Ton, den das Publikum dann singen soll. So schallt über ein paar Sekunden ein stehendes „Ahh“ in der Kirche. Den Ton, via Tablet aufgenommen, bestimmt den ersten Ton des Konzert, was nun seinen gang nimmt. Ganze fünf Mitmusiker entern im Laufe der ersten zehn Minuten die Bühne. Vier Streicher und einen Mann für weitere Sounds, Synthesizer und Samples.
Schon während der ersten Songs stellt sich heraus, wie wichtig das Licht für die heutige Show sein wird. Sei es durch leichtes, weiches Licht, was von vorne auf die Musiker fällt bis zu starkem, hellen Licht, was den Hintergrund beleuchtet und die einzelnen Musiker nur als Umrisse erscheinen lässt. Über einen Beamer werden kleine Lichtspiele an die Wand geworfen.
So unterschiedlich das Publikum ist, so unterschiedlich verhalten sich diese auch während des Konzerts. Paar liegen sich in den Armen, manche sitzen zurückgelehnt mit geschlossenen Augen, andere starren fast in Richtung der Lichter oder Lichtspiele. Manche stehen gar, auch aufgrund der komplett ausverkauften Location, hinter Säulen, was aber auch keinen Abbruch tut. Bei der Musik braucht man nichts zu sehen. Die Musik wirkt auch, wenn man sich mit geschlossenen Augen in die schwebenden Songs tragen lässt, die des öfteren von lauten Synthi-Bässen und gesampleten Drums auch mal sehr laut rüberkommen.
Nach etwas über einer Stunde war der Abend dann vorbei. Sichtlich positiv gestimmt verlassen die Besucher die Kulturkirche.
11.800 Fans haben dafür gesorgt, dass die Arena komplett ausverkauft ist. Jetzt warten sie alle auf die Show der amerikanischen Lady. Ein bisschen Geduld ist noch angesagt. Damit es kurzweilig wird, hat Pink die Band Churchill mitgebracht. Ebenfalls aus Amerika. Sie begleiten Pink bei ihrer Deutschlandtour. Sie sorgen schon vorab für Begeisterung. Nach etwa einer halben Stunde tritt Ruhe ein. Doch auf einmal hört man Gelächter. Ein Clown geht durchs Publikum und macht Faxen. Er hält später auch die Vorrede. Die Bühnenszene: Links und rechts auf der Bühne 2 Treppen. In der Mitte eine Empore. Dahinter Backdrops, die das Thema der Tour in etwa widerspiegeln. Dann ist es soweit …
Die Band: Schlagzeuger, Keyboarder, Gitarrist, Bassistin und eine Gitarristin, die Pink im Gesang unterstützt. Als Opener erklingt „Raise your Glass“ und auf einmal schießt Pink aus dem Boden; gehalten von Bungee-Seilen sowie starken Männerarmen. Sie zeigt neben ihrer phänomenalen Stimme, dass sie auch richtig topfit ist. Der erste Teil ihrer Show ist eher durch Lieder mit viel Power , wie „Just like a pill“ oder „U+Ur hand“ getragen. Aber auch bei „Try“ hängt sie wieder in den Seilen, natürlich, dem Song entsprechend, etwas tragischer. Gespannt war ich ein bisschen auf „Just give me a Reason“. Ist Nate Ruess dabei? Nein, er ist nur auf der Leinwand zu sehen und seine Stimme erklingt vom Band. In den Übergängen zu den einzelnen Teilen der Show zeigen ihre Begleiterinnen und Begleiter fantastische Tanzeinlagen, wobei Pink dabei unbedingt mithalten kann. Nicht nur Action findet auf der Bühne statt, es gibt auch noch die gefühlvolle, melancholische Pink. Ihren Song „Who knew“ singt sie in Begleitung einer Akustikgitarre, gespielt von ihrem hervorragenden Gitarristen.
Eine fantastische, energiegeladene Frau, die ihre Songs stimmungsvoll darbietet. Sie hat Klasse, sie freut sich über die Geschenke, die ihr gereicht werden. Sie schüttelt Hände. Sie wirkt nett und sehr symphatisch. Ihre Fans danken es ihr, in dem sie mitsingen, applaudieren, richtig mitgehen. 19 Songs leistet sie mit ihrem „Team“ ab. Pink, die Band, zwei hervorragende Background-Sängerinnen, 5 Tänzerinnen, 3 Tänzer sowie der Komiker verabschieden sich kurz vor 23.00 Uhr bei den Fans.
Die Bilder zur Show gibts hier: Pink Fotos aus Oberhausen
Die Setlist:
1. Raise your glass
2. Walk of shame
3. Just like a pill
4. U+Ur hand
5. Leave me alone
6. Try
7. Wicked game
8. Just give me a reason
9. Trouble
10. Are we all we are
11. How come you’re not here
12. Sober
13. The great escape
14. Who knew
15. Fuckin‘ perfect
16. Most girls
17. Slut like you
18. Blow me
19. So what
Pink Fotos Oberhausen König-Pilsener Arena
Es gibt Bands, die gar kein neues Album veröffentlichen müssen, um sich immer wieder neu zu erfinden und dabei dennoch immer frisch und authentisch zu bleiben. Art Brut hat seine Genialität mit Sicherheit Frontsänger Eddie Argos zu verdanken – und vielleicht ein wenig dem Alkohol. In ihrer Kölner Stamm-Location, dem Luxor, wird die britisch-deutsche Band daher auch in diesem Jahr wieder heiß erwartet.
Während im letzten Jahr vordergründig das damals neu erschienene Album „Brilliant. Tragic“ promotet wurde, kommen diesmal Art Brut-Fans aller Epochen auf ihre Kosten. Sie seien jetzt „Classic Rock“ behauptet Eddie Argos frech. Nun ja. Das 10-jährige Bandjubiläum steht zwar an, aber auch wenn es schon lange her ist, dass Argos`“Little Brother“ Rock´N´Roll entdeckt hat, auch wenn seine Jugendliebe „Emily Cane“ inzwischen verheiratet ist und Kinder hat – Classic Rock hört sich anders an. Im Zweifelsfall langweiliger!
Eddie Argos ist ein begnadeter Storyteller, ein Geschichtenerzähler, der mit wild rollenden Augen, blanker Bierplautze und dramatischen Gesten nicht nur die Bühne, sondern – dank langem Mikrokabel – das komplette Luxor vereinnahmt. Ohne Punkt und Komma kann er reden, was er auch in seiner wöchentlichen Radioshow auf Flux.fm beweist. Das Publikum ist gefesselt, fasziniert, rastet aus und frisst ihm aus der Hand. Der gefährlich brodelnde Eddie-Cocktail schmeckt aber auch einfach zu gut! Nie wiederholen sich seine überraschenden Spontaneinlagen. Während der Wahlberliner letztes Jahr das gesamte Luxor zum Niederknien brachte und die Menge spaltete wie Moses das Rote Meer, legt er diesmal unter anderem eine kleine Springseil-Einlage mit besagtem multifunktionalem Mikrokabel ein. Danach ein schneller Schluck aus der Wodka-Flasche – und weiter geht´s. Die irrsinnige Stimmung überträgt sich auch auf die gut gelaunte – Entschuldigung – Restband. Es ist wie ein Abend unter Freunden. Verrückten, manischen, unfassbar aufgedrehten und schweinecoolen Freunden, natürlich.
Dass sich der trinkfeste Engländer vor, während und nach seinen Konzerten mit Vorliebe den harten Fusel (gerne auch direkt aus der Flasche) einverleibt, ist bekannt. Der Thrill eines Art Brut-Konzerts besteht nicht zuletzt darin, dass man als Zuschauer um Eddies Trittfestigkeit bangen muss und jeden Moment bereit ist, ihn aufzufangen, wenn er ohnmächtig in die Menge torkelt. In echter Gefahr ist er jedenfalls nie, denn alle Augen sind jederzeit auf ihn gerichtet. Was fällt dem Wahnsinnigen wohl als nächstes ein? Art Brut-Konzerte haben einfach den höchsten Spaßfaktor, den man sich als Zuschauer erhoffen kann. Songwünsche aus dem Publikum werden umgehend umgesetzt – die interaktive Eddie-Show.
Jedem Menschen, der noch nie ein Art Brut-Konzert besucht hat, sei an dieser Stelle dringend angeraten: Tu es! Dieses Level an Spaß und Unterhaltung erreichen andere Bands nicht einmal mit einer 100.000-Euro Bühnenshow.
Die Fans, die sich nach dem Konzert wegen körperlicher Erschöpfung oder aus anderen Gründen nur auf die andere Straßenseite ins Stereo Wonderland geschleppt haben, konnten sich übrigens über eine doppelte Dosis Art Brut freuen. Die Band feierte hier nach dem Konzert gewohnt trinkfest weiter.
Freitags war der Auftritt des famosen Projekts „Tubular Bells for two“, am Samstag gab es den nächsten akustischen Leckerbissen in der ehemaligen Reichsabteikirche St. Maximin in Trier. Diesmal gastierte Tanita Tikaram, weltweit bekannt geworden durch ihr Debütalbum „Ancient Heart“ im Jahr 1988, das vor allem in Europa höchste Chartplatzierungen einfuhr. Jeder, der in dieser Zeit musikalisch sozialisiert wurde, kann wohl die Oboenklänge von „Twist In My Sobriety“ mitsummen.
So hatte sich die ehemalige Kirche, die inzwischen zu einer Turn- und Konzerthalle mutiert ist, bis auf den letzten Platz gefüllt. Das Publikum war gut durchmischt, bestand aber in der Mehrzahl aus älteren Semestern. Tanita Tikaram ist zwar seit ihrem Erstling immer als Sängerin aktiv geblieben, konnte aber nie an die alten Erfolge anknüpfen. So fragte auch ich mich, ob die Songs überhaupt einen Wiedererkennungswert haben werden – doch da musste ich mir keine Sorgen machen.
Zunächst aber gab es ein Vorprogramm mit der Künstlerin Stephanie Neigel. Die junge Sängerin stammt aus Mannheim und ihr Album „Introducing Stephanie Neigel“ ist gerade ganz frisch erhältlich. Sie kam mit einem Gitarristen (Nils Becker) auf die Bühne und brachte vor allem sich selbst mit – in einer vielfältigen Variante. Eigentlich stammt die Gute nämlich aus der A-cappella-Szene und ist sehr erfolgreich mit der Gruppe Les Brünettes unterwegs. Dabei handelt es sich um ein weibliches Vokalquartett, das ein Programm aus Stücken zwischen Jazz und Soul präsentiert.
In Trier musste Stephanie nun ihre Vokalbegleitung selbst erzeugen und nutze dafür eine Loop Station, auf der sie live ihre eigene Stimme mehrfach aufnahm und eine mehrstimmige Begleitung erzeugte, zu der sie zauberhaft sang. Der Auftritt dauerte nur 30 Minuten, doch es gelang ihr hervorragend, mit Songs wie „I Need Your Loving“ und „Rainbow“ die Zuhörer zu verzaubern. Egal ob mit Loop Station, mit akustischer Gitarrenbegleitung oder allein am Flügel – in dieser Stimme steckt viel Potential.
Tanita Tikaram betrat dann mit größerer Band die Bühne. Als Instrumente waren neben den Gitarren auch Kontrabass, Flügel und Saxofon im Gepäck. Später dann Querflöte und Klarinette. Schon vor dem ersten Ton wurde sie mit riesigem Applaus bedacht. Die Britin, die 1969 in Münster geboren ist, verfügt in Deutschland noch immer über eine große Fanbasis. Als ersten Song gab es „Good Tradition“ vom Debütalbum – und das war auch für mich ein Aha-Erlebnis. Damals besaß ich das Album nur auf Musikkassette, doch ich muss es oft gehört haben, denn der Song ist noch deutlich im Gedächtnis geblieben. Auch „World Outside Your Window“ hat diesen Erinnerungswert. Schließlich gab es aber auch neue Songs wie „Dust On My Shoes“.
Vor allem der der begleitende Kontrabass und ein Multi-Instrumentalist, der wahlweise Saxofon, Klarinette und Querflöte spielte, verliehen den Songs viel Glanz. Und natürlich die charakteristische Stimme von Tanita Tikaram, die vielleicht in der tiefen Tonlage nicht mehr ganz so fest ist, dafür aber sehr ausgereift und wie geschaffen, um die Akustik der ehemaligen Kirche perfekt zu füllen.
Es gab Songs, bei denen sich Tanita selbst am Flügel begleitete („Make The Day“), Töne, die fast schon nach Progressive Rock klangen, wenn die Querflöte einsetzte, und auch eine recht füllige Jazz- und Blues-Mischung, als „He Likes The Sun“ erklang. Die Sängerin hat immer noch eine enorme Ausstrahlung. Ganz stark fand ich „Cathedral Song“ vom Debütalbum. Nur mit Gitarre begleitet passte dieser Song perfekt in das Ambiente und entführte textlich in die Zeit der ersten großen Liebe, wenn das unbekannte Gefühl die beängstigende Größe einer düsteren Kathedrale erreicht. Stark!
Natürlich gab es auch „Twist In My Sobriety“ – noch vor der Zugabe. Ein Zeichen dafür, dass sich Tanita nicht auf die Songs reduzieren lassen will, die ihr als 18jährige einfielen. Schließlich hat sie aktuell mit „Can’t Go Back“ ein hervorragendes Album auf dem Markt. Und wie zum Trotz sang sie gleich dessen Titelsong hinterher. Dieser ist voll süßer Melancholie, welche die Britin mit ihrem tiefen Timbre noch immer perfekt vermittelt. Hörenswert ist das neue Album allemal und eine Empfehlung nicht nur für treue Fans.
Im Zugabenblock gab es zunächst nach 75 Minuten Konzertlänge den Coversong „Love Is In The Air“. In Tanitas Arrangement ganz neu und auf das Klangbild mit Kontrabass zugeschnitten. Ein Klassiker, den sie sich so zu eigen machte. Das Konzert schien zu Ende, doch sie ließ sich nochmal auf die Bühne bitten und sang ganz allein zu eigener Gitarrenbegleitung die Ballade „Little Sister Leaving Town“ vom Album „Sweet Keeper“. Ein berührender Abschluss für ein wundervolles Konzert. Kompliment auch an das Publikum, das nach vielen Songs andächtig auf den letzten Ton lauschte, bevor ein tosender Applaus startete. So soll das sein!
Ein Geheimtipp sind sie schon lange nicht mehr. Auf Promo-Tour für ihr viertes Album füllen die Cold War Kids das Gebäude 9 daher mit Leichtigkeit – ausverkauft. Dass sie sich selbst „ausverkauft“ haben, indem sie ihren individuellen Sound zugunsten mainstreamtauglicher, Pop-orienterter Töne aufgegeben hat, wurde der Band in den letzten Jahren vermehrt von Kritikern und enttäuschten Fans vorgeworfen – und das neue Album in banger Erwartung herbei gesehnt.
Der Titel „Dear Miss Lonelyhearts“ ist angelehnt an den Roman „Miss Lonelyhearts“ von Nathanael West (1933), einer schwarzen Komödie über den Autor einer Zeitungs-Ratgeberkolumne. Sind hier Parallelen zu den eher mäßigen Kritiken der letzten Alben zu erkennen? Die Cold War Kids sind im Mainstream untergegangen, hieß es, der grungige Sound ausgetauscht gegen überproduzierte, polierte Pop-Titel.
Auch die neuen Songs lassen den minimalistischen Garage-Stil vermissen, und das überträgt sich auf die Stimmung im Publikum. Viele sind sicherlich eher aus nostalgischen Gründen hier. Das zeigt auch die enttäuschte Reaktion einiger Konzertbesucher, vor dem Auftritt der Band einen Blick auf die Setlist erhaschen können. Das neue Album soll promotet werden – da bleibt nicht viel Platz für die alten Hits.
Unter diesem schlechten Vorzeichen beginnt das Konzert eher mäßig. Sänger Nathan Willett scheint krank zu sein, seiner Stimme fehlt die eindrucksvolle Kraft, die eigentlich sein Markenzeichen ist. Die Stimmung wird gerettet durch Bassist Matt Maust und Gitarrist Jonnie Russell, die die Bühne und das Publikum rocken und dabei auch schon mal einen Bandkollegen liebevoll in die Schulter beißen. Die Energie des Publikums erreicht endlich ihren Höhepunkt, als ältere, bekannte Songs wie „Hang me up to dry“ und Old Saint John“ angestimmt werden. Schon ist die Menge wieder versöhnt!
Dass sie mit vollem Einsatz dabei sind – auch wenn es an diesem Abend etwas dauert – beweisen die Cold War Kids also auch heute wieder. Erst drei Wochen vor dem Konzert im Kölner Gebäude 9 wurde ihr Tour-Fahrer in Ohio Opfer eines bewaffneten Raubüberfalls – eine Kugel traf den Bus der Band, direkt dort, wo sich Nathan Willetts Schlafkoje befindet. Dennoch ging es gleich danach 14 Stunden weiter zum nächsten Gig. Mit besagtem Fahrer!
Die Cold War Kids werden sicherlich weiterhin für ausverkaufte Hallen und gute Albumverkäufe sorgen. Doch einen ganz winzigen Hoffnungsschimmer, dass sie Perfektion wieder gegen Originalität eintauschen, tragen wir dennoch in uns.
Die beiden Australier Daniel Holdsworth und Aidan Roberts sind zwei hervorragende Musiker. Multi-Instrumentalisten, wie sie sich jeder Künstler in seiner Band wünscht. Sie beherrschen Gitarren, Keyboards, allerlei Schlagwerk – nur an den stimmlichen Fähigkeiten hapert es ein wenig. Dafür hat man ja den Lead-Sänger. Holdsworth hat in diversen Bands gespielt und sich als Komponist einen Namen gemacht, Roberts ist noch nicht so prominent in Erscheinung getreten. Damit wäre alles gesagt, hätten die beiden nicht vor etwas mehr als vier Jahren eine seltsame Idee gehabt: Man müsste das Meisterwerk von Mike Oldfield „Tubular Bells“ als komplexes Werk auf die Bühne bringen. Nicht mit einem Mammut-Orchester, sondern als fein arrangiertes Stück, eingespielt von zwei Personen. Kurz gesagt – sie wollten das Unmögliche möglich machen. Ein Vorhaben, das als Schnapsidee begann und den beiden seither Monat um Monat, Jahr um Jahr ausverkaufte Häuser in aller Welt beschert. Ein Fest für Freunde der progressiven Rockmusik.
In Trier waren die beiden in der ehemaligen Reichsabteikirche St. Maximin zu Gast. Ein kluger Schachzug der Veranstalter von Popp Concerts. Die Kirche wird übers Jahr vor allem als Turnhalle (!) für die angegliederte Privatschule genutzt, doch zu besonderen Ereignissen wird sie zu einer akustisch hervorragenden Konzerthalle. Der Altarraum ist eine große Bühne, die Säulen lassen sich hervorragend ausleuchten, der Klang im hohen Kirchenraum ist einfach fantastisch. Davon überzeugte sich und die Zuhörer zunächst der Supportact Brett Winterford.
Winterford stammt ebenfalls aus Australien und ist ein Singer / Songwriter alter Schule. Er stellte sich mit seiner Gitarre auf die Bühne und legte munter los. Ein halbstündiger Set aus eigenen Songs von Liebe, Leidenschaft und Vergänglichkeit. Das wurde mit viel Applaus bedacht – vor allem, als er sich entschied, ganz auf Mikrofon und Verstärker zu verzichten und einfach mal ein Lied in die andachtsvoll lauschende Kirche zu schmettern. Ein großer Moment, der ahnen ließ, dass sich hier viele Musikbegeisterte versammelt hatten und bereit waren, sich von dem Geschehen tragen zu lassen.
Nach kurzer Umbaupause enterten die Protagonisten des Abends die Bühne. Und es sollte eine knallharte Performance werden, die den Zuschauern im Anschluss um die Ohren flog. Auch nach 40 Jahren bleibt es das Debütalbum „Tubular Bells“, an dem sich das Werk von Mike Oldfield mit jeder Veröffentlichung messen lassen muss. Seine berühmteste Komposition nahm er als 19jähriger fast im Alleingang auf, spielte verschiedenste Instrumente in mehreren Tonspuren ein und vereinte sie zu einem zweiteiligen Stück, das heute noch Maßstäbe setzt. Wer kennt sie nicht – die Eröffnungspassage, die in „Der Exorzist“ verwendet wurde und seitdem in aller Ohren ist? Für die Frühphase des Progressive Rock war das Album wegweisend und gilt heute noch als sphärisches Referenzwerk.
So ging es ruhig los mit den berühmten Klängen, die als Loop die Basis für den Eröffnungspart bildeten. Auf einer Bühne, die vollgestopft war mit Instrumenten, Mikrofonen, Schaltern, Ständern und einem Wirrwarr an Kabeln, vollführten Holdsworth und Roberts einen unglaublichen Kraftakt akrobatischer Musikalität. Von dem Moment an, an dem das erste Keyboard-Riff des Albums erklang, gab es für die beiden Musiker keine ruhige Sekunde mehr. Barfuß wirbelten sie in einem unglaublichen Tempo und gleichzeitig höchster Präzision zwischen den verschiedenen Instrumenten umher, spielten gern einmal zwei oder sogar drei oder vier gleichzeitig, den nächsten Einsatz dabei immer schon im Nacken sitzend.
Musikalische Perfektion und Kabarett – so lässt sich das Vorgehen beschreiben. Die beiden kommunizierten offen miteinander, gaben sich Einsätze, verdrehten die Augen, wenn mal ein Instrument kurz nachgestimmt werden musste. Es war ein Genuss, Zeuge dieses harmonischen Geschehens zu werden. Der Mix aus Keyboards und harten Gitarrenpassagen, der Part mit der Vorstellung aller Instrumente, die berühmten Röhrenglocken und die musikalischen Themen – all das ist zeitlos und die beiden Künstler übertrugen den Klassiker perfekt in die Gegenwart. Unglaublich, welche Instrumente sie beherrschen mussten: akustische und elektrische Gitarren, Keyboard, Flöte, Glockenspiel, Klavier, Mandoline, Perkussion, natürlich die berühmten „Tubular Bells“ als dominierendes Klangelement, dass trotzdem recht spärlich eingesetzt wird. Auch durch die chorischen Passagen schlug man sich wacker, wenn auch die vokalen Fähigkeiten grenzwertig waren. Egal, die Zuhörer genossen jede Sekunde der Performance.
Zwischendurch gab es eine Pause – „zum Umdrehen der LP“, in Wirklichkeit aber zum Luftholen, denn man sah den beiden die körperliche Anstrengung an, die ein solcher Ritt durch die Musikgeschichte erfordert. „Tubular Bells For Two“ ist eine Mischung aus grandiosem Konzert und unterhaltsamer Show, aus musikalischer Virtuosität und körperlicher Höchstleistung, aus tiefstem Respekt und spitzbübischer Anarchie. Und egal, ob man das Album bereits zu seinen All-Time-Favorites zählt oder gar nicht kennt: Es ist auf jeden Fall ein spannendes, packendes Erlebnis, das man gesehen haben muss.
In Trier gab es nach den letzten Klängen erlösenden Applaus. Mission erfüllt. Als Zugabe spielten die beiden Australier kein weiteres Stück, sondern das Ende von „Tubullar Bells, Part I“, diesmal aber ohne die Ansage der Instrumente. Die ehemalige Kirche St. Maximin ist als Location absolut empfehlenswert und man kann sich nur weitere akustische Highlights dort wünschen.
Am Mittwochabend, den 03.05., feierten über 3000 Fans ihre Band „Billy Talent“. Schon Stunden vorher warteten die Fans vor dem Ruhr Congress in Bochum , um sich Plätze in den ersten Reihen zu sichern. Nicht nur die Kanadier waren zu Gast, auch die Vorband konnte sich mit den „Donots“ sehen lassen. Letztere heizten dem Publikum als Opener ein und brachten die Halle zum beben. Ihre Hits „Calling“ und „Dead Man Walking“ konnte auch der Besucher in der letzten Reihe mitbrüllen, als letzen Song gaben sie an diesem Abend „We’re not gonna take it“ zum Besten und verließen unter tobendem Applaus die Bühne.
Der Hauptact des Abends, Billy Talent, stand kurz vor halb zehn parat, und eröffneten ihr Set mit dem Song „Loney Road to Absolution“. Der Sänger der Band, Ben Kowalewicz, rockte über die Bühne und packte mit seinem jugendlichen Charme jede Frau im Publikum. An diesem Abend war das Publikum interessant gemischt, von alt bis jung war alles anwesend, und alle feierten mit.
Mit weiteren Hits wie „Rusted from the Rain“, „Stand up and run“ oder „Try Honesty” zeigten die Kanadier wieder ein Mal was sie drauf haben. Kowalewicz Stimme ist so prägnant, das sie die letzte Ecke erreicht und so einzigartig, das man sofot weiß, dass es sich um Billy Talent handelt. Was in der heutigen Zeit der austauschbaren Musiker ein riesiger Pluspunkt ist. Explosiv und mitreißend kann man ihre Show nennen, nach 17 Songs verabschiedete sich Billy Talent, um dann wieder die Bude mit „Devil on my Shoulder“ einzureißen. „Fallen leaves“, „Surprise, surprise“ und „Red Flag“ gehörten mit zur Zugabe und ließen auch die Oberränge mitfeiern.
Nach einem gelungenen Abend, bei dem sie bewiesen, was für eine grandiose Live Band sie sind, waren die Fans vollkommen zu frieden.