Jupiter Jones Fotos am 29.12.2013 in der Live Music Hall, Köln
Jupiter Jones Live 2013 Fotos
Jupiter Jones Live 2013 Fotos
Wer sich etwas besser mit den speziellen Kölner Gepflogenheiten auskennt, der weiß, dass in der Domstadt Traditionen oft schneller geboren werden als anderswo. Findet etwas zweimal hintereinander statt, spricht der Rheinländer bereits von einer Tradition und zu einer solchen ist inzwischen auch das New Model Army-Weihnachtskonzert geworden. In diesem Jahr gastiert die Band bereits zum vierzehnten Mal kurz vor Heiligabend in Köln. Am Nachmittag des Konzertes machen wir uns auf ins Palladium, um Frontmann Justin Sullivan zu treffen. Im Backstagebereich herrscht leichte Hektik, weil man etwas dem Zeitplan des Tages hinterherhinkt, aber schließlich finden wir doch ein ruhiges Plätzchen im Bandraum. Marshall Gill klimpert auf seiner Gitarre herum, während Dean White und Michael Dean angestrengt im Internet surfen. Justin Sullivan macht es sich auf dem Sofa bequem, nimmt einen tiefen Zug aus seiner E-Zigarette und beantwortet entspannt die Fragen unseres Chefredakteurs Thomas Kröll.
Ihr seid jetzt seit Ende September auf Tour. Wie sieht so ein typischer Tourtag bei euch aus?
Justin Sullivan: Das kommt darauf an in welchem Land wir gerade sind. In Deutschland sieht das ungefähr so aus wie hier. Wir sitzen zusammen und reden über alles Mögliche. In der Zeit erledigt die Crew ihre Arbeit. Wenn sie fertig ist machen wir unseren Soundcheck und danach schlafen wir vielleicht noch ein wenig. Dann spielen wir unser Konzert und nach dem Konzert gehen einige von uns noch in die Stadt, um etwas zu trinken und der Rest ins Bett. Am nächsten Tag besteigen wir unseren Bus und fahren zum nächsten Konzert. Wir reden viel miteinander. Andere Bands schauen sich stattdessen Filme an. Das machen wir aber kaum, weil es immer so viele Dinge zu erzählen gibt. Ich glaube der Grund dafür ist, dass jeder in der Band und in der Crew einen anderen Background und eine andere Lebensgeschichte hat. Die Gesprächsthemen gehen so nie aus. Sogar nach drei Monaten auf Tour finden wir immer noch Dinge über die wir sprechen können.
Köln ist heute die vorletzte Station der Tour. Das Weihnachtskonzert hier ist für euch und die Fans inzwischen zu einer Art Tradition geworden. Immerhin seid ihr bereits zum vierzehnten Mal zu Gast. Habt ihr dabei auch eine spezielle Beziehung zur Stadt aufgebaut?
Justin Sullivan: Ich glaube, jeder liebt Köln. Die Leute kommen gerne hierher, weil es eine so liberale Stadt ist. Köln hat eine schöne Atmosphäre, es gibt viele Orte, wo man hingehen kann. Der Dom ist eines der sonderbarsten Wunder dieser Welt. Wie ein außerirdisches Raumschiff vom Planeten Goth, das in einer ansonsten modernen Stadt gelandet ist (lacht). Das ist sehr außergewöhnlich. Dann ist da noch der Rhein… es ist nicht schwer diese Stadt zu mögen.
Als wir uns das letzte Mal unterhalten haben hast du gesagt, dass du gerne mal ein Fußballspiel im Kölner Stadion besuchen würdest. Hast du das mittlerweile geschafft?
Justin Sullivan: Gibt es nicht zwei? Das andere ist doch in Leverkusen. Aber das gehört nicht zu Köln, oder?
Nein, eindeutig nicht. Das ist der falsche Verein.
Justin Sullivan: Oh mein Gott, sorry (lacht). Wir sprechen vom FC Köln. Leverkusen ist woanders. Alles klar! Aber ich war immer noch nicht hier im Stadion. Eines Tages werde ich das aber sicher noch tun. Ein paar andere Stadien in Deutschland habe ich allerdings schon gesehen. Doch keine Sorge, Leverkusen war nicht dabei.
Heute abend habt ihr zwei Special Guests auf der Bühne. Zum ersten Tobias Unterberg am Cello und zum zweiten Ed Alleyne-Johnson, der in der Vergangenheit schon unzählige New Model Army-Konzerte auf seiner Violine begleitet hat.
Justin Sullivan: Das ist richtig. Als wir „Thunder And Consolation“ aufnahmen, komponierten wir „Vagabonds“ auf dem Keyboard, bis Robert (Heaton, der damalige Schlagzeuger, Anm.d.Red.) sagte: Wir brauchen einen richtigen Violine-Spieler. Damals waren wir in der Nähe von Oxford und fragten alle im Studio, ob sie einen solchen Violine-Spieler kennen, bis jemand sagte: Ja, ich kenne diesen Typen, der Ed heisst. Wir luden ihn also zu den Aufnahmen von „Vagabonds“ in unser Studio ein und als er auftauchte, war es von beiden Seiten wie Liebe auf den ersten Blick. Besonders das Intro zu „Vagabonds“ spielte er wirklich wundervoll. Da wir gerade auch jemanden brauchten, der Keyboard spielt, nahmen wir ihn mit auf Tour und er spielte vier Jahre lang Keyboard und Violine auf unseren Konzerten. Irgendwann wollte er sich dann wieder mehr um seine Solo-Aktivitäten kümmern. Und wir hatten das Gefühl, dass wir irgendwie festgefahren waren in der Folkrock-Welt. Gerade als diese Welle begann so richtig erfolgreich zu werden beschlossen wir etwas anderes zu machen. Das Ergebnis war „The Love Of Hopeless Causes“, das ein richtig hartes Rockalbum ist. Wir trennten uns in aller Freundschaft, hielten aber immer Kontakt. Vor kurzem haben wir in Manchester gespielt und Ed rief mich an und sagte: Ihr seid in Manchester? Kann ich vorbeikommen und mit euch spielen? Ich sagte: Natürlich kannst du das. Und beim Weihnachtskonzert in Köln hätten wir dich auch gerne dabei. Das einzige Problem heute ist, dass die Fluggesellschaft seine Violine verloren hat. Wir mussten uns eine leihen, aber ich hoffe er kommt damit klar.
Lass uns über euer neues Album „Between Dog And Wolf“ sprechen. Welche Intention steckt hinter dem Titel?
Justin Sullivan: Es ist eine Art Neuerfindung. Weisst du, wir haben eine Reihe Folkrockalben gemacht und wir brauchten etwas Neues. Nehmen wir zum Beispiel „Today Is A Good Day“. Du schreibst Songs, du arrangierst sie, du gehst ins Studio und nimmst sie zusammen auf. So haben wir das die letzten beiden Alben getan und diesmal wollten wir es anders machen. Michael (Dean, der aktuelle Schlagzeuger) und ich sprechen schon lange darüber den Drumsound vielschichtiger zu machen. Nelson (eigentlich Peter Nice, Bassist bis 2012) verließ zu dieser Zeit gerade die Band aus familiären Gründen und Ceri (Monger) stieß dazu. Einer der Gründe, warum wir uns für Ceri entschieden, war dass er nicht nur ein guter Bassist, sondern auch ein guter Schlagzeuger ist und für das, was wir vorhatten brauchten wir einen zweiten Schlagzeuger auf der Bühne. Früher haben wir zwar auch Alben mit guten Songs gemacht, aber sie waren meist nicht gut abgemischt. Das Ergebnis war nicht immer befriedigend. Darüber haben wir viel nachgedacht. Wir lieben Tom-Tom-Rhythmen, schwere Schlagzeugsounds, das Gefühl des tiefen Basses und dunkel gestimmte Gitarren. Auf „Between Dog And Wolf“ haben wir das Schlagzeug sehr viel mehr in den Vordergrund gestellt und auch ich habe mich beim Gesang zurückgenommen. Wir haben alleine eine Woche in London damit verbracht die Drumparts aufzunehmen. Auf Tape und nicht am Computer. Das macht einen grossen Unterschied in der Qualität aus. Danach nahmen wir den Rest in Angriff und in manchen Fällen schrieben wir die Songs erst nachdem wir das Schlagzeug dazu aufgenommen hatten. Am Ende war der Plan einen absoluten Topmann als Mixer zu verpflichten und wir fanden Joe Barresi, was eine sehr gute Entscheidung war. Du weisst ja was er tut. Er ist einer der Besten.
In den letzten vier Jahren sind viele Dinge passiert. Der Tod von Tommy Tee (langjähriger Manager von New Model Army), der Brand in eurem Studio oder der Diebstahl eures Equipments. Würdest du das Album deshalb auch als eine Art Neuanfang für euch bezeichnen?
Justin Sullivan: Ja, in der Tat. Das ist das Album, das wir schon immer machen wollten. Und diese ganzen Dinge, die passiert sind, haben es nur verzögert. Als wir im Sommer letzten Jahres schließlich damit begannen, ging alles sehr schnell. Wir waren schon im Februar komplett fertig.
Ihr habt eure Sache offensichtlich sehr gut gemacht. Mit „Between Dog And Wolf“ gelang euch der höchste Charteinstieg in England und Deutschland seit 1993.
Justin Sullivan: Ja, aber glaube niemals das, was du in den Charts siehst (lacht). Trotzdem ist es natürlich ein schöner Erfolg.
Ich habe mir die Setlisten der bisherigen Tour mal angeschaut und dabei ist mir aufgefallen, dass ihr regelmäßig acht oder neun Songs des neuen Albums live spielt, was eher ungewöhnlich für euch ist. Zeigt das auch den Stolz, den ihr für „Between Dog And Wolf“ empfindet?
Justin Sullivan: Oh ja, wir sind definitiv stolz darauf.
Du bist als ein sehr kritisch denkender Mensch bekannt, gerade wenn es um Politik geht. Die Texte auf „Between Dog And Wolf“ sind sehr viel weniger politisch als die Texte auf, sagen wir mal, „Today Is A Good Day“. Glaubst du inzwischen, dass die Menschheit nichts mehr aus ihren Fehlern der Vergangenheit lernen wird und dass sich Geschichte sowieso irgendwann wiederholt?
Justin Sullivan: Das habe ich tatsächlich lange Zeit geglaubt. Auf „Today Is A Good Day“ ist all das, was wir zum Börsenchrash von 2008 und seinen Folgen sagen wollten. Es erschien mir also nicht nötig, das nochmal zu sagen. Ich sitze ja nicht da und denke ständig darüber nach, in welcher Gesellschaft ich eigentlich lebe. Auf diesem Album gibt es auch einen Song über die Revolution in Ägypten. Meine Schwester lebt in Kairo und ich habe sie dort 2011 besucht. Darüber habe ich dann diesen Song geschrieben. Die meisten Songs handeln aber einfach über Menschen und ihre Beziehungen zueinander. Es ist eine Mischung aus meinen eigenen Erfahrungen und denen anderer Leute. Manchmal werde ich gefragt, was hinter diesem oder jenem Song steckt. Ich möchte dazu dann gar nicht viel sagen, weil ein Song immer von den Erfahrungen besetzt werden soll, die der Hörer selbst damit verbindet. Er soll sich seine eigene Interpretation dazu basteln.
Nächstes Jahr im Januar soll eine Filmdokumentation von Matt Reid über die Bandgeschichte von New Model Army erscheinen. Was können wir davon erwarten?
Justin Sullivan: Es wird wohl nicht im Januar, sondern irgendwann später im Jahr sein. Es ist in erster Linie sein Film und nicht unserer. Er ist auf uns zugekommen und hat gefragt, ob er einen Film über uns machen kann. Und es ist auch keine vollständige Zusammenfassung der Bandgeschichte, denn er kann keine 33 Jahre in einen Film packen. Der Film wird aber interessant sein für Leute, die noch nichts über New Model Army wissen. Es ist kein Film, den wir uns ausgesucht haben zu machen. Es ist seine sehr eigene Sicht der Dinge und spiegelt eine bestimmte Zeit unserer Geschichte wider. „Thunder And Consolation“ war das Album seiner Jugend und so handelt der Film vorwiegend von dieser Ära. Ich hasse den Film, weil ich die Vergangenheit hasse (lacht). Aber ich glaube trotzdem, dass es ein interessanter Film wird.
Das hoffe ich auch. Letzte Frage: Feierst du Weihnachten und wenn ja, wie?
Justin Sullivan: Das ist in jedem Jahr anders. Weihnachten ist ja eine deutsche Erfindung. Wusstest du das?
Nein. Eine deutsche Erfindung?
Justin Sullivan: Ja. Wieviele Bäume kommen in der Bibel vor? Früher gab es den Brauch am Jahresende all die Dinge zu essen, die sich nicht aufheben ließen. Man nannte das ein Fest des Lichts, um den kalten Winter und den Wechsel der Jahreszeiten zu feiern. Ab heute werden die Tage übrigens auch wieder länger. Wir nähern uns langsam wieder dem Sommer. Aber dieses ganze grosse Ding mit den Kerzen und dem Weihnachtsbaum ist deutsch. Es kam nach England mit Albert, dem deutschen Mann von Königin Victoria und wurde modern. Als Charles Dickens dann seine berühmte Weihnachtsgeschichte schrieb, wurde damit eine spezielle Version von Weihnachten etabliert und verbreitete sich rund um die Welt. Auch nach Amerika. Aber in Amerika hat Thanksgiving eine viel grössere Bedeutung. Das Weihnachten, das wir kennen, kommt aus Deutschland und von Charles Dickens.
Wieder was gelernt. Vielen Dank dafür und für das Interview!
Ein grosses Dankeschön geht auch an Oliver Bergmann (Oktober Promotion) für seine Unterstützung bei der Vermittlung dieses Interviews!
Einen Bericht über das New Model Army-Weihnachtskonzert im Kölner Palladium findet ihr hier!
Das New Model Army-Weihnachtskonzert in Köln ist für Band und Fans mittlerweile eine liebgewonnene Tradition. Zum vierzehnten Mal gibt sich das Quintett aus dem englischen Bradford nun schon die Ehre in der Domstadt. Seit mehr als 30 Jahren gehören New Model Army zur Speerspitze der Underground-Bewegung und ihr Stilmix aus Rock, Folk und Punk klingt immer noch genauso archaisch und kämpferisch wie zu Zeiten von „Vengeance“, „The Ghost Of Cain“ oder „Impurity“. Am 20. September erschien ihr inzwischen zwölftes Studioalbum „Between Dog And Wolf“, das mit Platz 31 den höchsten Charteinstieg der Band in Deutschland seit 1993 markierte.
Das Palladium ist heute die vorletzte Station ihrer gleichnamigen Tour. Wie immer dürfen diejenigen, die auf der Gästeliste stehen, fünf Euro für einen guten Zweck spenden, was wir gerne tun. Diesmal für den Hamburger „KiezKick“, ein kostenloses Fußballtraining für Kinder und Jugendliche zwischen 7 und 18 Jahren auf St. Pauli. Es gibt noch Karten an der Abendkasse, aber vom Status „Ausverkauft“ dürfte das Palladium, wie sich im weiteren schweißtreibenden Verlauf des Abends herausstellt, nicht weit entfernt sein. Im Vorprogramm sorgen Bomb Whateva und die Levellers schonmal für gute Stimmung.
Die steigert sich noch, als New Model Army gegen 21.45 Uhr mit „Stormclouds“ endlich in ihr Set starten. Zur Freude der Fans haben sie zwei Special Guests mitgebracht. Zum einen Tobias Unterberg, der auf „Between Dog And Wolf“ das Cello einspielte und zum anderen Ed Alleyne-Johnson, der bis 1994 bei über 500 New Model Army-Konzerten den Part an der Violine übernahm, die Band dann als Freund verließ und heute in England vor allem Straßenmusik macht. Zu Beginn gehen die beiden noch leicht im etwas matschigen Sound unter, aber spätestens bei „The Hunt“ haben die Tontechniker die suboptimale Akustik des Palladiums im Griff. Vor der Bühne bilden sich die ersten Pogo-Pits und der Saunafaktor nimmt stetig zu.
„Between Dog And Wolf“ macht fast ein Drittel der Setlist aus. Mit gleich acht Songs ist das neue Album vertreten, darunter „March In September“, „Pull The Sun“ oder „Seven Times“. Ein eher ungewöhnlicher Umstand für New Model Army, der aber wohl den Stolz der Band auf ihr aktuelles Werk widerspiegelt. Justin Sullivan ist wie immer der Fels in der Brandung, während vor ihm ausgiebig gesungen, geklatscht und getanzt wird. Michael Dean legt mit seinen treibenden Drumparts das Fundament, auf dem sich Gitarrist Marshall Gill, Keyboarder Dean White und Bassist Ceri Monger, der alleine schon durch seine rotgefärbte Mähne auffällt, austoben können.
Natürlich dürfen dabei auch die Klassiker nicht fehlen. Während „Here Comes The War“ explodiert das Palladium förmlich. „Get Me Out“, „Vagabonds“ (bei dem Ed Alleyne-Johnson seinen grossen Auftritt hat), „Purity“ oder „Wonderful Way To Go“ als Abschluß des Mainsets versetzen selbst die älteren Semester im Publikum noch einmal in ungeahnte Bewegung. Als zwei Zugabenblöcke später um kurz vor Mitternacht die letzten Klänge von „Green And Grey“ verhallen, steht ein sichtlich überwältigter Justin Sullivan vor der feiernden Menge. Kann es einen schöneren Jahresabschluß geben als das New Model Army-Weihnachtskonzert in Köln? Wohl kaum. Bevor es mit Lametta und Besinnlichkeit endgültig losgeht, dürfen hier alle nochmal Party machen und eine Band bewundern, deren Spielfreude nach wie vor immens ist, deren Musik und Botschaften zeitlos sind und die auch im 33. Jahr ihres Bestehens so frisch und druckvoll klingt wie eh und je. Für das kommende Jahr gibt es bereits wieder erste Tourdaten und ich bin mir sicher, dass der traditionelle Termin in Köln auch nicht mehr lange auf sich warten lässt:
Setlist:
Es war 1994 beim Eurovision Song Contest in Dublin. Dort wurde als Pausenfüller eine Show aufgeführt, die der irische Tänzer Michael Flatley gemeinsam mit Komponist Bill Whelan ins Leben gerufen hatte. Ihr Name war „Riverdance“ und an diesem Tag begann ihr Siegeszug um die Welt. Noch heute wird die Mischung aus Stepptanz und keltischer Musik weltweit sehr erfolgreich und in unterschiedlichen Ausprägungen aufgeführt. Ganz vorne in der Hitliste steht dabei die Original-Show „Riverdance“, dicht gefolgt von Flatleys erfolgreichem Nachfolger „Lord Of The Dance“, bei welcher er als Protagonist noch stärker im Vordergrund stand. Das tänzerische Drama um Gut und Böse wird seit 1996 in den großen Arenen gespielt – so auch am 20. Dezember in der Arena Trier. Flatley steht schon lange nicht mehr als Tänzer auf der Bühne, doch der Geist seiner Idee steckt in jedem neuen Ensemble.
Das Bühnenbild war recht schlicht gehalten. LCD-Leinwände im Hintergrund und aufgebaute Treppen, damit sich das Geschehen auf verschiedenen Ebenen abspielen konnte. Wechselnde Stimmungsbilder wurden durch die häufig gewechselten Kostüme und die Lightshow aufgebaut. Während „Riverdance“ noch vom Siegeszug der keltischen Musik durch die Welt berichtete und den Einfluss dieser Musik auf viele modernere Spielarten zum Inhalt hatte, erzählt „Lord Of The Dance“ eine ziemlich seichte Gut-gegen-Böse-Story, die auf einer irischen Legende beruht. Den roten Faden fand man in den klischeebeladenen Figuren, die entweder in strahlenden Kleidern oder als dunkle Gestalten mit Militär-Masken auftraten. So gab es zwei Protagonisten, die sich als Anführer der Gruppierungen bekämpften, gut aussehende Mädels, die sich mal für die eine, mal für die andere Seite entschieden, und eine bunte Narrengestalt mit Whistle, die bisweilen auf Seiten der Guten eingriff.
Die fade Story war definitiv nur schmückendes Beiwerk. Es kam auf die tänzerischen Fähigkeiten an, die pure Artistik bedeuteten. Die Synchronität der Tänzer war stets aufs Neue faszinierend. Das betraf vor allem die wild und wirbelnd schnell über die Bühne stampfenden Männer, aber auch die Frauengruppe, die meist eher in Ballettfiguren schwebte, bisweilen aber ebenfalls in den Stepprhythmus verfiel. Gebremst wurde das Geschehen durch erzählende Elemente und die Gesangseinlagen einer irischen Sängerin. Als Überraschung gab es eine Reihe von pyrotechnischen Effekten, die sanft entschlafene Zuschauer dann auch prompt aus ihrer Lethargie aufweckten.
Zweimal 45 Minuten dauerte das Spektakel. Es gab einige wundervolle Momente. Das musikalische Hauptmotiv von „Lord Of The Dance“ war mitreißend und regte bei jedem Auftauchen zum Mitwippen und Mitklatschen an. Die Fähigkeiten der Tänzer lagen auf höchstem Niveau. Besonders beeindruckend waren immer der synchrone Reihentanz und die rhythmischen Stepp-Elemente. Die Frauen traten sehr anmutig auf, wenn auch die Passage in schwarzer Unterwäsche (nach dem Motto „Sex sells“) durchaus verzichtbar gewesen wäre. Die bunte Disco-Aufmachung hingegen wirkte als willkommene Abwechslung im keltischen Einheitsbrei.
Was etwas nervte war die nicht vorhandene Abwechslung im musikalischen Teil. Keltisch und immer wieder keltisch. Selbst die getragenen Gesangsstücke hörten sich alle gleich an. Bei „Riverdance“ hingegen darf man sich auf eine Abwechslung in Richtung Flamenco oder HipHop freuen. So etwas fehlte bei „Lord Of The Dance“ völlig. Einzig ein kurzer gregorianisch angehauchter Moment war auszumachen.
Am Ende gab es donnernden Applaus und stehende Ovationen der knapp 2000 Zuschauer. Der Funke der Begeisterung war eindeutig übergesprungen und das Ensemble musste einige Zugaben geben, bevor das Publikum ins weihnachtliche Trier entlassen wurde. Das nächste Spektakel steht bereits an, denn am 3. April 2014 wird die originale „Riverdance“-Show in der Arena gastieren. Wer Interesse an irischer und keltischer Musik (und deren Einflüsse in alle Welt) hat, wird daran sicher seine Freude finden. Ich zumindest kann die Show uneingeschränkt empfehlen.
Für einige Hamburger war dieser Freitag sicherlich ein Konzerthöhepunkt in diesem Jahr. Nachdem Cäthe im Sommer ihr zweites Album „Verschollenes Tier“ veröffentlichte, folgte nun die Tour. Am 22. November spielte Cäthe im Hamburger Knust. Desiree Klaeukens, begleitet von Florian Glässing, eröffnete den Abend. Mit ihren gefühlvollen Songs stimmte sie das Publikum ein.
Unter großem Jubel betraten Cäthe und ihre Band dann die Bühne und stimmten das Lied „Waffen niederlegen“ an. Schon bei diesem ersten Song schienen die Fans Erlösung in der Musik zu finden: Sie begannen zu tanzen und sangen die Texte, die sich in ihre Köpfe eingebrannt haben, endlich gemeinsam mit Cäthe mit.
Nach dem Song „Tiger-Lilly“ tauschten Musiker und Fans die Rollen – das Publikum sang Cäthe ein nachträgliches Geburtstagsständchen. Nach einem leicht verlegenen, aber freudigen Hüpfer, bedankte sich Cäthe ganz gerührt bei ihren Fans.
Und dann ging es auch schon weiter mit den Stücken von ihrem neuen Album. Geschickt wurden auch ältere Lieder mit in diesen Abend integriert wie z.B. „Ding“. Und spätestens hier zeigte sich, wie sehr Cäthe ihre Zuschauer begeisterte. Der ganze Saal sang „Ich glaub ich bin ein Ding, wenn‘s in Bewegung ist macht‘s einen Sinn.“, während Cäthe auf der Bühne vor Lebensfreude umhertanzte und mit ihrem Mikro ganz fasziniert den Chor einfing.
Cäthe und ihre Jungs stellten an diesem Abend das neue Stück „September“ vor. Ein wunderbar ruhiger Song, der die Herzen berührte. Und das nicht nur durch Cäthe’s gefühlvolle Stimme, sondern auch durch das sehr eingängige melancholische Gitarrensolo von Jens Nickel.
Man hatte das Gefühl, dass die Band Cäthe regelrecht mit ihren Instrumenten immer weiter anzutreiben schien. Denn Cäthe war auf der Bühne einfach nur pure Bewegung, Gefühl und Lebenslust. Und dies übertrug sich auf die Zuschauer. Die Stimmung im Saal kochte bei „Die Leute“ und wurde noch weiter angeheizt. Der Abend gipfelte in „Unter meiner Haut“ – Cäthe und ihre Jungs gaben noch einmal alles.
Doch die Fans verlangten nach mehr. Und so kehrte sie mit ihrer Band zurück auf die Bühne. Nach „Señorita“ war Cäthe von ihrem Publikum einfach nur ergriffen und sprachlos: „Ich weiß gar nicht was ich sagen soll.“ Und weiter ging es mit „Mein Herz mit dir bin ich frei“ und „Ich muss gar nichts“ welches vom Chor der Fans begleitet wurde. Unter tosendem Applaus endete ein sehr gelungener Konzertabend.
Nach dem Konzert nahm sich Cäthe viel Zeit für ihre Fans, signierte Poster, Platten und Stoffbeutel und sogar den einen oder anderen Hals.
Hier gibt es die Bilder von dem Konzert.
Cäthe ist im neuen Jahr noch bei ein paar Nachholterminen ihrer „Verschollenes Tier Live“ Tour zu sehen. Zudem wird sie in der Zeit vom 17.02. bis 06.03.2014 im Rahmen von TV Noir mit Jonathan Kluth auf der Bühne stehen.
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Langsam aber sicher hat es sich herum gesprochen, dass die Brüder Kai und Thorsten Wingenfelder – ehemals Mitglieder der legendären Band Fury In The Slaughterhouse – inzwischen deutschsprachige Musik machen. Der Weg dahin war nicht einfach: Schon im Jahr 2007 (und damit ein Jahr vor Auflösung der Band) gab es erste Soloalben der beiden. Kai veröffentlichte das Album „Alone“ mit ziemlich typischem Fury-Sound und englischen Texten, Thorsten allerdings wagte sich auf das gefährliche Feld der deutschen Musik und legte mit „360° Heimat“ ein wahres Meisterwerk hin, dessen Titelsong mich auch heute noch bei jedem Hören enorm beeindruckt. Und nach dem Ende der Band machte man zunächst mal was ganz anderes: Thorsten wurde Fotograf, Kai zum Filmemacher.
Das sie jetzt trotzdem im Kleinen Klub der Garage Saarbrücken auf der Bühne standen, ist wohl dem Umstand zu verdanken, dass beide einfach nicht von der Musik lassen können. Es wäre auch ein großer Verlust, denn die bisher erschienenen Alben sind echte Perlen auf dem weiten Feld der deutschsprachigen Musik. Hier haben die Wingenfelders ihre Heimat gefunden. Daran ändert auch die kurzzeitige Jubiläums-Reunion von Fury In The Slaughterhouse nichts
Das 2013er Album „Selbstauslöser“ stand im Mittelpunkt des Konzerts. Fast das komplette aktuelle Werk wurde gespielt. Wingenfelder legten ohne Vorband los, erschienen aber nicht als Duo, sondern brachten eine famose vierköpfige Combo mit. Die Bühne im Kleinen Klub ist nicht riesig, doch es reichte noch für eine LCD-Fläche im Hintergrund, auf der bisweilen Begleitfilme eingespielt wurden.
Die Bandbreite der Songs reichte vom Titelsong „Selbstauslöser“ über den Highspeed-Motivationssong „Petra Pan“ und das erzählerisch starke „Zu wahr um schön zu sein“ bis hin zur nostalgischen Hymne „Klassenfahrt“ und den nachdenklichen Balladen „Du bist die Nacht“ sowie „Oben am Wendehammer“. Ein leichtes Faible zur Sozialkritik ist immer vorhanden – das ging auch aus den Ansagen hervor. Kai und Thorsten erzählten vom Tourleben und besonderen Erlebnisse wie beispielsweise der Nacht mit den Bocholter Dialyse-Schwestern oder von der Tatsache, dass gerade im Osten sehr junge Menschen die Konzerte besuchen und man auf das Problem trifft „Teenies mit Songs für Mittvierziger unterhalten zu wollen“.
Viele Titel stammten auch vom ersten gemeinsamen Album „Besser zu zweit“. Das Repertoire ist inzwischen breit gefächert. „Perfekt“ beispielsweise, die allererste Single-Auskopplung, das melancholische „Dinge, die wir nicht verstehen“ und „Die Unperfekten“ als Stücke, die klangen als seien sie direkt der „Hook A Hey“-Phase von Fury entliehen und pure Gänsehaut verursachten. Wenn dann „Besser zu zweit“ als Mottosong der neuen Ära ertönte, gab es ungewollt Pipi in die Augen.
Kai und Thorsten verzauberten ihre Zuhörer mit einer Mischung aus Melancholie und Rock. Damit bewegten sie sich zielsicher in eine Richtung, wie es Revolverheld vielleicht für die etwas jüngere Generation tun. Als Bonbon an die Fury-Fraktion gab es „When I’m Dead And Gone“, „Won’t Forget These Days“, „Time To Wonder“ und „Trapped Today, Trapped Tomorrow“. Highlights, ganz klar – aber auch jeder andere Song traf den Nerv der Zuschauer.
Ich habe den Weg von Fury lange verfolgt und erinnere mich an ein Konzert in St. Wendel Anfang der 90er, als sie gar nicht mit Spielen aufhören wollten und nach regulärem Konzertende einfach noch eine unendliche Reihe Stones-Titel raus hauten. Dieses Gefühl durfte man auch in Saarbrücken wieder haben: Musik ist ihre Berufung und Livekonzerte sind keine lästige Pflicht. Da gingen Band und Zuschauer nach mehr als zwei Stunden Konzertlänge hochzufrieden nach Hause. Die aktuellen Alben kann ich Freunden handgemachter Musik wärmstens empfehlen.
12.000 Fans warten auf Depeche Mode. Verhalten, ruhig? Nein! Spannungsvoll und aufgeregt! Endlich, um ca. 21.00 Uhr erscheinen sie und legen sofort los, die Band ist heute riesig, denn die ganze König Pilsener Arena scheint mit zu den Musikern auf die Bühne zu gehören. Sofort steht das gesamte Publikum, klatscht, singt mit und schaut auf den aktiven Dave Gahan, der sich mit seinen rythmischen und typischen Schritten auf der Bühne bewegt. Seine goldene Jacke behält er nicht sehr lange an, denn er ist heute Abend richtig gut drauf. Verständlich, denn sein Publikum honoriert seinen Auftritt mit einer Intension, die jedem Künstler schmeicheln würde. Alles passt heute richtig gut. Seien es die Effekte, die sich im Hintergrund abwechslungsreich farbig darstellen, seien es seine Kollegen, die richtig gut ihre Instrumente bearbeiten oder seien es eben die absolut begeisterten Fans. Als der smarte Martin Gore dann seine stimmungsvollen Lieder singt, schmelzen alle dahin.
Hier findet ihr die gesamte Galerie des Konzerts!
Was für eine Stimme! Er braucht keine große Hintergrundmusik, sein Gesang mit der Gitarrenbegleitung von Alan Wilder verzaubert alle. Und man merkt richtig, dass sie ihn auch nicht aufhören lassen wollen. Immer wieder greifen die Fans die Töne wieder auf. Und Dave, eigentlich wieder bereit zum Singen, wartet verständnisvoll bis das Publikum sich so langsam von Martin’s Gesang löst. Dann legt Dave wieder los. Bei „Enjoy The Silence“ lässt er die Fans den Refrain singen. Die ganze Oberhausener Halle singt: „All I ever wanted, all I ever needed, is here in my arms, words are very unnecessary, they can only do harm.“
Bei dem ersten Konzert 2013 in der Espritarena in Düsseldorf habe ich für mich gedacht: „Hallo Fans, das ist eure Truppe, macht doch was mehr mit!“. Doch das ist heute nicht nötig, denn in Oberhausen rockt die ganze Halle. Vielleicht liegt es am „kleineren Publikum“ (Düsseldorf 44.000, Oberhausen 12.000). Vielleicht ist es dadurch „intimer“. Kann sein. Aber trotz des stürmischen Xaver war die Halle voll und er hat keinen daran hindern können hier zu sein. Tschüss, Depeche Mode bis zum nächsten Jahr. Ihr wart einfach klasse!
Zum vierten Mal in diesem Jahr sind Okta Logue zu Gast in Köln. So schön ist diese Stadt! Oder auch: So gut ist diese Band! Zuletzt waren es ein paar tausend Zuschauer mehr, aber da waren ja auch ein gewisser Neil Young und Crazy Horse das Zugpferd in der Arena. Heute ist das Luxor voll und freut sich auf einen Ausflug in die Weiten des psychedelischen Rocks à la Darmstadt.
Zunächst dürfen die Freunde von Phil Fill auf die Bühne. Mit ihren anschmiegsamen Popsongs, getränkt in Soul stoßen sie auf viel Gegenliebe. Damit nicht eine dicke Bassdrum das Bild dominiert, sitzt Sänger und Schlagzeuger Philipp Rittmannsperger vorne auf dem Cajón. Als er zwischen zwei Songs eine Ansage macht, unterbricht ihn ein Zuhörer mit den Worten „warte kurz, ich muss pinkeln”. Schlagfertig greift der Frontmann diese Art von Humor auf, lenkt die Aufmerksamkeit dann aber wieder auf die Musik. Okta Logue Drummer Robert Herz genießt sie in der ersten Reihe.
Kurze Zeit später ist er dann selbst an der Reihe. Okta Logue eröffnen ihr Set mit dem dafür bestens geeigneten „Transit”. Mit dann wieder geöffneten Augen fällt auf, dass beide Herzbrüder, Benno am Bass und Drummer Robert beim Frisör waren. Vielleicht hatten sie sich für die US-Dates im Oktober in Schale geworfen. Wie auch immer, weitere Songs aus dem aktuellen Album „Tales Of Transit” folgen mit „Let Go” und „Mr. Busdriver”. Auch das sphärische „You”, das ich eher als Closer erwartet hätte, darf schon früh glänzen. Hier wird klar, was Okta Logue besonders ausmachen. Das gefühlvolle Gitarrenspiel von Philip Meloi ist wirklich herausragend. Es nimmt dich mit in die Klangwelt von Okta Logue. Und so ist es gut, dass die Band ihm viel Raum gibt. Mit „Bright Lights” und „Shine Like Gold” gibt es dann auch Stücke vom mindestens genauso guten Debutalbum „Ballads Of Burden”. Spätestens bei „Dream On” hat jeder das Gefühl, tief in die 60er zurückgereist zu sein. Schön ist es hier und wir dürfen es mit Songs wie „Just To Hear You Sleep” noch eine Weile genießen.
Dann geht die Trip weiter in die 70er, denn „Decay” ist Progrock der allerbesten Sorte. Dieser Song ist mit seiner verschachtelten Struktur und Zügellosigkeit ein kleines Abenteuer, dem man sich 20 Minuten lang gerne hingibt. Die Stimmung ist bestens und begeistert ruft das Publikum nach mehr. Auch in der Zugabe hat man bei aller Reminiszenz an die musikalisch so prägende Zeit der 60er und 70er Jahre nie den Eindruck, die Vier spielten die Songs ihrer Idole. Vielmehr sind sie im besten Sinne inspiriert von Pink Floyd und Co. und machen ihr ganz eigenes Ding. Das verspielte „Mr. Zoot Suit” und das melancholische „Chase The Day” beschließen den Abend.
Auf ihrer Facebookseite schreiben die Darmstädter am folgenden Tag über ihr spezielles Verhältnis zu Köln. Diese tolle Stadt, die gerne auch in 2014 wieder Gastgeber für diese tolle Band sein möchte.
Setlist:
Hier gibt es unsere Depeche Mode Konzertfotos der Tour 2013 aus der König-Pilsener-Arena in Oberhausen
Seit über einem Jahrzehnt tingelt er durch Deutschland und hat sich in den vergangenen Jahren einen immer größeren Namen gemacht, zuletzt bei Stefan Raab auf dem zweiten Platz des Bundesvision Songcontests – Johannes Oerding begrüßt mich gegen 16 Uhr im Catering Bereich der Bochumer Zeche und hat im Anhang seine Band dabei, die sich der Reihe nach freundlich und gut gelaunt bei mir vorstellt. Während seine Jungs Essen schnappen, holt sich Johannes einen Kaffee und wir ziehen uns in einen ruhigen Raum zum Interview zurück. Zunächst erhält Johannes unseren MHQ-Fragebogen, den er mit einer – seiner Meinung nach misslungenem Selbstporträt – ergänzt. „Ich kann überhaupt nicht zeichnen, ich konnte das mal besser in der Schulzeit“, gibt er offen zu. Interessant auch, dass er als seine größte Schwäche „alles Kontroletti“ angibt – kleiner Perfektionist, also? „Nicht in allen Dingen, aber in der Musik auf jeden Fall. Wenn es ums Saubermachen zu Hause geht beispielsweise nicht“, scherzt er. Und nun Start frei für unsere Fragen!
Was habt Ihr gestern an Eurem Off-Day gemacht?
Wir waren bowlen! Wir waren erstmal tagsüber jeder für sich, am Abend haben wir uns verabredet zum Bowlen. Wir machen immer, wenn wir auf Tour sind und off days haben, dass wir Kart fahren, Bowlen gehen, schwimmen gehen, es muss nicht immer eine Kneipe sein. Vor zwei Tagen waren wir in einem Hotel mit Schwimmbad, das war natürlich auch toll, dann nutzen wir das auch ein bisschen. Aber viele nutzen den freien Tag, um einfach auch gar nichts zu machen. Es ist ganz schön viel Sport abends auf der Bühne.
Robin ist Vater geworden, wie kombiniert er das Touren mit der Familie? Klappt das gut?
Das klappt gut! Die meisten von uns sind ja schon so lange liiert, dass die Frauen wissen, das Musikerleben ist sehr unbeständig, man ist viel unterwegs. Man arrangiert sich, er darf auf jeden Fall auf Tour. Moritz hat bereits zwei Kinder, Jost am Schlagzeug ein Kind, alles kleine Kinder und das läuft eigentlich ganz gut. Zwischendurch auf Tour muss auch einmal jemand nach Hause, weil er irgendwie helfen muss am seinem freien Tag, das kommt auch oft vor.
Ihr habt ja doch sehr viele ausverkaufte Konzerte auf dieser Tour gespielt. Tut es dir leid, dass Ihr nicht größere Hallen gebucht habt? Ihr hätte ja mehr Leute erreichen können…
Ja, man weiß es halt nie vorher. Das ist das Problem. Man richtet sich immer an die letzten Zahlen und versucht da möglichst realistisch sein wieviel werden das nächste Mal kommen. Das letzte Mal hatten wir hier in der Zeche 400 Leute oder so und dann versucht man die Zahlen zu verdoppeln, was schon mega ist. Dann war es aber doch sehr schnell ausverkauft. Das ging uns bei vielen Sachen so, das ist jedoch nicht immer vorhersehbar. Dieses Jahr ist so viel passiert, das dazu beigetragen hat, dass die Konzerte ausverkauft sind. Damit konnte auch keiner rechnen. TV-Formate, die gut aufgegangen sind, Radio-Songs und so weiter. Ich bin eher jemand, der eher in einem vollen und kleinem Club spielt, als in einer Riesenhalle, wo dann jedoch nur ein Drittel voll ist. Das sieht dann auch nicht aus. Das ist dann auch mein eigener Ehrgeiz: wenn, dann muss man den Laden voll machen, dann kann man auch darüber nachdenken, ob man in eine größere Halle geht oder den zwei Mal spielt. Das machen wir z.B. auf der nächsten Tour 2015, die wir bereits planen. 50 Termine oder so, da sind dann auch Läden dabei, dass zwei Mal hintereinander den gleichen 800er oder 900er Club bespielt. Das ist schöner für die Leute und auch vom Aufwand her ganz gut. Man spielt zwei Tage in einem Club und hat entspanntes Arbeiten. Aber manche werden auch sehr groß werden, wir werden in vielen Städten die nächste Stufe nehmen, was schon teilweise etwas beängstigend ist. Man hat zwar sein Ziel vor Augen, man rechnet damit irgendwann in großen Hallen zu spielen, aber dass es dann wirklich eines Tages dann so weit ist, ist schon ziemlich lustig. Als Kind träumte ich davon wie Axl Rose von Guns´N´Roses auf einer Stadionbühne von links nach rechts zu flitzen oder wie Freddy Mercury vor 70.000 Leuten mit seinem Gesang zu unterhalten.
Waren dies auch deine Idole?
Nein, das war nur so als Beispiel. Guns´N´Roses war die Musik, zu der ich im Zimmer auf und ab gerannt bin. Ich habe aber so viel durcheinander und querbeet gehört, Stevie Wonder, Prince, Bruce Springsteen bis hin zu deutschsprachigen Songwritern Grönemeyer und Lindenberg. Ich habe immer gerne Musik gehört und habe immer songbezogen gedacht. Wenn mich ein Song berührt hat, dann habe ich mir den besorgt. Dafür musste ich noch nicht mal das ganze Album toll finden. Das ist vielleicht der einzige Vorteil heutzutage, wenn man sich einzelne Songs downloaden kann. Ansonsten mag ich doch CD´s sehr gerne.
Du berichtest regelmäßig auf Facebook von der Tour mit einem Foto, unter anderem ist ein Foto online mit einem kleinen Jungen auf der Bühne – was ist da passiert?
Ich fand die Frisur von ihm sehr lustig, er hatte so einen Pottschnitt und das erinnert mich total an meine Kindheit – ich hatte nämlich auch so einen Pottschnitt. Und da habe ich so gefragt „was hast du denn für eine Frisur, ist das wieder modern?“ und hab auch seine Mutter befragt. Er war ganz verzückt und verzaubert, dass er angesprochen wurde. Er war fünf Jahre alt, einer der jüngsten Gäste, die wir jemals hatten und dann habe ich ihn auf die Bühne geholt und habe ihn mit in den Song eingebaut. Dann durfte er meine Band ansagen „Los geht´s Oerding-Band! Eins, zwo, drei, vier“. Das fand ich ganz lustig. Die Frisur war der Running-Gag an diesem Abend, weil wir immer wieder auf seine Frisur zu sprechen kamen. Das findet man auch auf meiner Facebook-Seite, wo ich als Junge so einen blonden Pottschnitt hatte. Genau wie er sah ich da aus!
Es kommt bei den Fans sehr gut an, dass du so menschlich wirkst, auf die Fans zugehst, dir Zeit nimmst nach den Konzerten. Meinst du, das wirst du in Zukunft beibehalten können?
Für Fans ist es immer toll, dass sie sich mal irgendwie äußern können oder dass sie sich noch mehr angesprochen fühlen. Ich mochte das nie, wenn Künstler auf der Bühne so überhaupt keinen Draht zum Publikum haben. Das ist natürlich auch eine Haltung, aber es war nie meine und ich versuche es so gut wie möglich immer wieder rauszugehen. Ich merke schon, je größer die Läden werden, umso schwieriger wird es. Bis zu einer Größe von 400-500 Leuten, kannst du nachher noch rausgehen und mit den Leuten quatschen und Fotos machen. Aber je größer es wird, kann man es auch nicht mehr richtig bewerkstelligen. Man merkt, dass man noch eine Stunde und auch länger danach noch steht und man will auch ein wenig das Konzert genießen und mit seinen Jungs runterfahren und philosophieren. Das merke ich, dass ich es weniger machen werde und auch muss. Die ganz hartnäckigen Fans, die sehen mich nachher dann doch immer noch.
Du bist vor vielen Jahren nach Hamburg gezogen, gibt es Dinge, die du aus der Heimat vermisst außer deiner Familie?
Manchmal fehlt mir dieses ganze Nordrhein-Westfälische-Ding. Ob es jetzt das Ruhrgebiet ist, der Niederrhein oder der Kölner Raum, Rheinland im Allgemeinen. Es ist schon oftmals eine gewisse Fröhlichkeit, Ehrlichkeit, immer locker und es ist auch ein ganz spezieller Humor. Der ist oben anders. Ich merke es immer ganz besonders, dass ich in der Band einen Kölner habe – das ist Moritz, der Gitarrist. Wir beide haben den rheinländischen Humor, der ist anders als der von den anderen Nordlichtern. Manchmal vermisst man auch ein wenig Karneval, das Ländliche, Provinzielle, aber andererseits bin ich auch sehr gerne Stadtmensch und dafür ist Hamburg die schönste Stadt in Deutschland.
Ich habe immer gedacht bei deinem Gesang ein wenig Lispeln rauszuhören. Jetzt bin ich doch ganz überrascht, dass es mir im Interview gar nicht auffällt. Hat dir bereits jemand gesagt, dass du eine besondere und interessante Stimme hast?
Leute sagen schonmal, dass ich ein bisschen nuschele, manchmal auch sowas wie „isch“ sage. Meine Schwester sagt das auch oft. Aber eigentlich habe ich keinen „s“-Fehler. Ich krieg das selber gar nicht mit, aber mir wurde es schon öfter gesagt, daher achte ich manchmal darauf, dass Leute mich verstehen.
Den Ausblick auf das Jahr 2015 hast du bereits gegeben mit der großen Tour, 2014 bedeutet dann für Euch Album schreiben. Habt Ihr Ideen auf Tour bereits gesammelt?
Ich schreibe ja immer, ich werde z.B. heute Abend auch zwei-drei Songs spielen, die noch auf keinem Album sind, die ich noch ein wenig ausprobiere. Das sind z.B. Songs, die schon fertig sind oder sich gerade so entwickeln. Ansonsten immer wenn mir etwas einfällt, dann schreibe ich halt einen Song oder schreibe Zeilen auf. Die akute Phase, die geht jetzt los nach der Tour. Ich fahre auch in Urlaub und entspanne mich mal ein bisschen – das habe ich seit Jahren nicht gemacht. Ich sortiere mal meine Gedanken. Ich schreibe so viel auf, manchmal nur Worte. Diese Riesendatei muss ich einfach sortieren. Und wenn ich dann merke das berührt mich immer noch, dann kann es sein, dass ich darüber sofort etwas schreibe.
Testest du die neuen Songs also heute Abend am Publikum?
Nö, einfach für mich zu schauen, wie der Song sich anfühlt. Natürlich auch wie der Song beim Publikum ankommt, aber es geht darum zu prüfen, ob der Song so gut ist, dass er auch das Album darf. Manchmal sind es Songs, die spielt man mal live, aber kommen auf keine Platte oder sind später B-Seiten. Es kann dann wirklich sein, dass die Songs live ganz anders klingen, als wenn sie auf Platte kommen. Da werde ich noch ein wenig rumdoktern und vielleicht Textzeilen ändern. Im Mai machen wir noch eine kleinere Tour, 10 Termine, dann Sommertermine, Radiofestivals. Für ein Oerding-Live-Jahr ist es doch eher wenig. Ich habe dieses Jahr über 100 Konzerte gespielt und das werden nächstes Jahr vielleicht 30. Was aber auch reicht – ich brauche die Zeit, um ins Studio zu gehen und alles vorzubereiten.
Hast du schon Ideen zum Titel des neuen Albums?
Nee, noch nicht so richtig! Das kommt ziemlich spät! Meist nehme ich einen Titel, der auch ein Song auf dem Album ist. Das war bei „Erste Wahl“ so, bei „Boxer“ so, bei „Für immer ab jetzt“ so. Das sind so die Songs, die das Grundgefühl von der Platte zusammenfassen. Heute Morgen haben wir beim Frühstück etwas darüber gesponnen und dann dachte ich, vielleicht nenne ich es auch einfach „Johannes Oerding, das vierte Album“. Aber das ist noch zu früh, um darüber nachzudenken. Bislang, wenn ich Songs schreibe, haben diese nur Arbeitstitel, auch diese sind nicht immer endgültig.
Eine vierte Singleauskopplung aus dem aktuellen Album, wird es jedoch nicht mehr geben?
Doch, es sieht schwer danach aus, weil das aktuelle Album sehr gut läuft. Und auch im Radio ganz gut läuft. Wir sind uns noch nicht ganz schlüssig welcher Song es sein wird. Wird wenn, dann Anfang des nächsten Jahres kommen.
Du wirkst auf mich von den Songtexten her und auch als Mensch sehr sensibel. Würdest du dich ebenfalls als sensibel bezeichnen? Bist du hart genug für die Musikbranche und hast Leute, die dir den Rücken stärken?
Ich habe das jetzt schon öfters gehört, dass ich auf Leute sensibel wirke, aber eigentlich ist das sehr zweiseitig. Um die Musik zu machen muss man eine gewisse Sensibilität mit sich bringen und kreativ sein. Ich würde mich eher als emotional als sensibel bezeichnen. Ich kann auch ausflippen, ausrasten, laut sein und genervt sein. Aber ich bin nicht der introvertierte, schüchterne Typ. Ich glaube schon, dass man ein wenig Gefühlsmensch sein muss und nicht komplett rational. Und die Musikbranche: mittlerweile mache ich seit 12 Jahren das Spielchen mit, irgendwann weiß man alles, kennt alles, versucht dann für sich herauszufinden, was muss man ernst nehmen und was nicht. Und im Grunde genommen ist es am Ende des Tages die Musik, die entscheidet, wo es langgeht. Keiner von der Plattenfirma, keiner von der Musikbranche, keiner aus der Industrie, sondern es ist die Musik. Wenn die Musik geil ist, wenn sie geglaubt wird und du machst es ehrlich und ernsthaft, dann sucht sie sich ihren Weg. Das ist meine Erfahrung seit vielen Jahren.
Bekommst du Rückmeldung von den Fans, dass z.B. deine Texte über Liebeskummer hinwegtrösten oder ähnliches?
Ja, klar! Das ist halt das Schöne, wenn du abends rausgehst nach dem Konzert, da sind die unterschiedlichsten Stories dabei. Es kann Liebeskummer sein, es kann eine Krebserkrankung sein, das können auch positive Gefühle sein wie ich habe seit 10 Jahren keinen Urlaub gemacht und dann höre ich deinen Song „Einfach nur weg“ im Büro und habe dann sofort zwei Minuten später meinen Urlaub gebucht. Das ist ganz unterschiedlich und das ist das Schönste, dass man sieht, man hat den Song eigentlich für sich geschrieben – ganz egoistisch – um für sich etwas klarzumachen oder sich zu therapieren und dann sieht man, was Leute sich für andere Stories rausholen. Eigentlich ist das die beste Resonanz neben dem Applaus, dem Gemocht werden. Das ist der Moment, wo der Beruf für mich einen Sinn kriegt. Musikersein ist ja kein Beruf, wie Arzt oder Entwicklungshelfer, wo du einen direkten Sinn siehst. Sondern es ist der indirekte Sinn, wenn du manche Leute bei Live-Konzerten 2 Stunden aus ihrem Leben rausholst und ihnen Kraft gibst. Und das ist ein schönes Gefühl und dafür mache ich Musik. Ich glaube nicht, dass es Musiker gibt, die Musik für sich machen.
Die Tour mit Joe Cocker war eine riesige Möglichkeit für dich neues Publikum zu erreichen. Siehst du für die nächste Zeit wieder die Möglichkeit so eine große Tour zu supporten?
Grundsätzlich habe ich immer Bock zu supporten, es hat immer etwas gebracht. Das sehe ich auch jetzt auf der Tour. Es sind ganz viele Joe Cocker Leute mit dabei. Ich glaube man muss irgendwann abwägen mit wem man auf Tour geht. Es fing an mit Stefanie Heinzmann, Ich und Ich, Ina Müller, Simply Red, Joe Cocker – das Einzige, was jetzt noch käme wären Söhne Mannheim, wirklich ganz große Sachen. Alles was in der Halle spielt, haben wir abgeklappert. Wahrscheinlich müsste es jetzt ein Act sein, der Open Air oder Stadien macht. Wenn jetzt ein Robbie Williams kommen würde, wäre ich natürlich sofort dabei. Oder Bruce Springsteen oder Udo Lindenberg. Meistens ist es jedoch so, dass sie keinen Support mitnehmen und das ist ein bisschen schade. Aber das würde noch Sinn machen. Man darf nicht vergessen, dass es eine Rieseninvestition ist, es kostet richtig Asche, dass man Support sein kann und dann muss es auch schon Sinn haben. Wenn ich in Hamburg in der O2 World vor jemandem supporte, ist es nicht so sinnig, weil in Hamburg mittlerweile genug Leute so zu meinen Shows kommen. Dann schaut man entweder, ob man noch in gewissen Regionen etwas schwächelt, so wie ich im Süden, da ist es noch relativ klein im Vergleich. Dort könnte ich mir vorstellen, noch einzelne Konzerte zu supporten.
Gibst du uns noch einen kleinen Ausblick auf dein Weihnachtsfest?
Ich habe so ziemlich bis zum 23. Dezember noch Termine und dann werde ich privat mit meiner Liebsten etwas machen und dann werde ich auch zu meiner Family fahren. Das wird also ein Familien-Ding. Geburtstag feiern, aber nicht groß, ganz entspannt und klein und dann kommt das neue Jahr und dann fahre ich erstmal in Urlaub!
Im Hintergrund trommelt Jost bereits auf sein Schlagzeug ein, Zeit das Interview zu beenden und zum Soundcheck zu gehen – ich darf noch lauschen und erlebe im Anschluss die ausverkaufte Zeche, die zu der gutgelaunten Performance der Band abgeht. Mit einer gelungenen Mischung aus Alt und Neu, Trauriges, Fröhliches, Nachdenkliches, bringt er sogar die Männer im Publikum zum Mitsingen. Und womit wohl niemand gerechnet hätte: Johannes überrascht Fans und Security mit seiner Spontanität singend durch die Menge zu gehen und dabei ein Medley aus Backstreet Boys, Bruno Mars und Co. zum Besten zu geben.
Vielen Dank an Johannes und Band, Jan und Rebekka und dem Veranstalter Lutz für die Interviewmöglichkeit!
Ein nahezu beispielloses Jahr liegt hinter Biffy Clyro. Ende Januar erschien ihr von Fans und Kritikern gleichermaßen abgefeiertes Album „Opposites“ (hier unser Review), das aus dem Stand bis auf Platz 5 der deutschen Charts schoss. Im Sommer spielte das Trio aus Schottland dann rund 40 Festival-Shows, unter anderem bei Rock am Ring und Rock im Park, bevor die Band im Oktober einen sensationellen Telekom Streetgig im Stadionbad von Hannover hinlegte (unseren Bericht dazu findet ihr hier). Und last but not least wurde am vergangenen Freitag ihr neues Live-Album „Opposites – Live From Glasgow“ veröffentlicht, das nur hierzulande, in Österreich und in der Schweiz erhältlich ist. Passend zum Release kehren Biffy Clyro nun für fünf weitere Konzerte nach Deutschland zurück. Düsseldorf ist dabei nach Offenbach heute ihre zweite Station. Es folgen Hamburg (02.12.), Berlin (03.12.) sowie München (05.12.).
In der rheinischen Landeshauptstadt werden Biffy Clyro gleich von zwei Vorgruppen unterstützt. Den Auftakt machen die aus Süd-London stammenden Arcane Roots, die der noch recht spärlichen Menge mit ihrer progressiven Mischung aus Grunge, Rock und Alternative zwanzig Minuten ordentlich einheizen. Im Anschluss daran gibt es mit Walking Papers eine Band höchster Güte, wie ein Blick auf das Line-Up der Formation aus Seattle beweist: Am Bass Duff McKagan (ehemals Guns N’Roses), am Schlagzeug Barrett Martin von den nicht minder legendären Screaming Trees und dazu noch Jeff Angell und Benjamin Anderson (beide The Missionary Position). Zusammen zelebrieren sie eine halbe Stunde lang vibrierenden Bluesrock der Extraklasse. Wenn ich da an den Kreisklassen-Support beim Biffy Clyro-Konzert Ende Februar im Kölner E-Werk zurückdenke (dessen Namen ich hier aus Höflichkeit verschweige), dann ist das heute Champions League.
Die Mitsubishi Electric Halle ist nicht ganz ausverkauft, aber viel fehlt wohl nicht mehr dazu. Fast pünktlich um 21 Uhr erklingt der Sister Sledge-Klassiker „We Are Family“ als Intro, dann legen Simon Neil und die Gebrüder James und Ben Johnston mit „Different People“ los. Der Sound ist zu Beginn etwas matschig, bessert sich dann jedoch schnell. Einzig Simon Neil’s Stimme merkt man die Belastungen der letzten Monate an, ansonsten präsentiert sich die Band den Fans in Topform und mit unbändiger Spielfreude. Stets umrahmt von einer geschmackvollen und gut dosierten Lightshow. Die Setlist erscheint mir ebenfalls deutlich ausgewogener als noch vor neun Monaten in Köln. Natürlich liegt der Schwerpunkt auf den Songs von „Opposites“, aber auch „57“ vom ersten Biffy Clyro-Album „Blackened Sky“ kommt zu seinem Recht.
Leider ist die Band nicht unbedingt dafür bekannt ihre allabendliche Songfolge grossartig zu variieren, doch in Düsseldorf fällt das nicht weiter ins Gewicht. „Who’s Got A Match?“, „Accident Without Emergency“ oder „Glitter And Trauma“ sorgen für allerbeste Stimmung. Zu „Bubbles“ regnet es Seifenblasen über die ersten Reihen im Innenraum und spätestens als Simon Neil alleine mit seiner Akustikgitarre „The Rain“ und „Folding Stars“ singt ist Gänsehaut angesagt. Als die Mitsubishi Electric Halle noch Philipshalle hieß, hat man zu diesen Gelegenheiten die Feuerzeuge gezückt. Heute illuminieren hunderte von Handydisplays die Szenerie. Über „Many Of Horror“, „Black Chandelier“ und „The Captain“ rockt man sich schließlich gemeinsam zum Ende des Mainsets. Die drei wie immer oberkörperfreien, schweißnassen und volltätowierten Herren aus Ayrshire haben sich die folgende Pause vollauf verdient. Und so manch Tanzwütiger im Publikum auch.
Zu Beginn der Zugaben glänzt Simon Neil einmal mehr nicht nur musikalisch, sondern zum wiederholten Mal mit einer Ansage in deutscher Sprache, bevor mit „Opposite“ mein ganz persönlicher Rotz-und-Wasser-Song folgt. „Stingin‘ Belle“ und „Mountains“ läuten dann nach gut 105 Minuten das Ende des Abends ein. Biffy Clyro haben ihre exzellenten Live-Qualitäten auch diesmal wieder eindrucksvoll unter Beweis gestellt. Von Routine ist da trotz des diesjährigen Mammutprogramms nichts, aber auch gar nichts zu spüren. Im Gegenteil. Das Trio schafft es scheinbar spielend seine Prog-Vergangenheit mit der eher mainstreamlastigen Gegenwart so in Einklang zu bringen, dass sich auch die Fans der ersten Stunde noch mit Biffy Clyro identifizieren können.
Als die Hallenbeleuchtung angeht, blickt man um sich herum jedenfalls nur in dauergrinsende Gesichter. Ich freue mich im Stillen sogar ein kleines bißchen für die Düsseldorfer mit. Schließlich haben sie fußballtechnisch im Moment eher weniger zu lachen. Da kommt so ein aufmunternder Besuch aus Schottland doch gerade zur rechten Zeit. Und während ich leise „Opposite“ vor mich hinsumme und die Halle langsam verlasse, schweife ich gedanklich endgültig ab. Mike Büskens hätte das heute hier eine „Vollgasveranstaltung“ genannt und sich dabei ausnahmsweise unserer uneingeschränkten Zustimmung sicher sein können.
(Alle Fotos: Torsten Schlimbach – Dream Out Loud Magazin)
Setlist: Biffy Clyro 1.12.2013 Düsseldorf
Endlich mal wieder ein BASTA-Konzert in erreichbarer Nähe: am 28. November im Haus des Bürgers Ramstein-Miesenbach. Die A-cappella-Truppe hat eine längere Pause hinter sich, die unter anderem durch den Ausstieg des bisherigen Basses Andreas bedingt war. Ein Ersatz wurde inzwischen gefunden: Arndt Schmöle ist jetzt für die tiefen Töne zuständig. Bisher war er bei der Hannoveraner Gruppe Modell Andante und dem deutschlandweit bekannten Ensemble Vocaldente tätig. Mit seinen weiteren Jobs als Theaterschauspieler, Moderator, Hörspiel- und Synchronsprecher dürfte er jetzt sogar das prominenteste Mitglied des Quintetts sein.
Das Programm im Herbst 2013 trägt den Titel „Wiedersehen macht Freude“ und gibt das Motto vor. Zum einen natürlich, dass BASTA nach längerer Zeit wieder auf der Bühne stehen, zum anderen bekommen wir vor allem Klassiker zu hören, die sich über die Jahre eine große Fangemeinde erspielt haben. Wer also vor zwei Jahren auf der „Mach blau“-Tour war, auf der das damals aktuelle Album fast komplett vorgestellt wurde, bekommt jetzt ein deutlich anderes Konzert, bei dem es nur „Appdepp“ vom letzten Werk auf die Setlist geschafft hat.
Den Anfang machte logischerweise der Song „Wiedersehen macht Freude“. BASTA zeigten sich von ihrer besten Seite und stellten den neuen Bass gekonnt vor. Direkt danach der Klassiker „Schön, dass du gekommen bist“ und das Lied für alle Smartphone-Besitzer mit Namen „Appdepp“. Dann endlich ein neues Stück. Vermutlich heißt es „Der Mann, der keine Beatbox konnte“ und zeigte Thomas als etwas hilflosen Geräuschemacher. Es war das erste von vier neuen Stücken. Vor der Pause gab es noch den uralten Coversong „Spliss“ (auf die Melodie von Prince‘ „Kiss“), bei dem sich William in gekonnten Tenortönen hinsichtlich seiner Haarpracht ausließ. Und kurz vor der Pause durften wir in einem kleinen Schlager-Medley Peter Maffay mit einer sehr gereiften Liebespartnerin erleben: „Und es war Omma“. Köstlich – und danach hatten sich alle eine Verschnaufpause verdient.
Die zweite Hälfte führte das Best-of-Programm mit „Legalize Acappella“ fort. Besonders spannend fand ich Thomas‘ Auftritt mit „Blutwurst“ im Rammstein-Stil, da das Konzert schließlich in dem Ort stattfand, nach dem sich die harte NDH-Band ursprünglich benannt hatte. Es folgte der erste Weihnachtssong des Abends. Zur Melodie von „Jingle Bells“ wurde der unappetitliche Xmas-Klassiker „Schinkenpelz“ dargeboten. Textlich sind das Ideen, auf die vermutlich nur ein Lyriker wie William kommen kann. Danach durfte der neue Bass Arndt richtig ran. Er brachte den neuen Titel „Domino“ als gregorianischen Choral. Eine hammermäßige Stimme, kann ich nur sagen. Und im darauf folgenden „Feuerzeug“ konnten alle fünf nochmal beweisen, wie ihre stimmlichen Qualitäten bei den leiseren Tönen sind. Zum Abschluss durfte Thomas seine Klasse als „Bratislava Lover“ zeigen und schließlich gab es mit „Bindungsangst“ und groß angelegtem Chor im Publikum einen weiteren Klassiker aus BASTAs Anfangstagen.
Im Zugabenblock konnten wir „Es ist nur a cappella“ genießen. Ein schön arrangierter Vorstellungssong, der die Freuden und Leiden der Musik ohne Instrumente beschrieb. Es folgte mit „Esso ess“ ein weiterer beliebter Coversong (auf die Melodie von Abbas „SOS“) und zum krönenden Abschluss hatte René seine Sternstunde als schüchterner Bürohengst mit „Wild Thing“. BASTA haben mich mal wieder davon überzeugt, dass sie mit Recht zur Speerspitze des deutschen A-cappella-Gesangs gehören. Wenn sie auch nicht die erfolgreichsten oder die klangreinsten Vertreter des Genres sind, so sind sie auf jeden Fall die originellsten. Da blieb kein Auge trocken und sie zogen das Publikum nach und nach komplett auf ihre Seite. Wildfremde Menschen hielten sich zu „Bindungsangst“ die Hände und folgten Williams Predigt. Ein genialer Moment.
Wer nach dem Konzert noch etwas ausharrte, konnte am CD-Stand Autogramme aller Sänger ergattern und sich an einem weiteren Weihnachtssong erfreuen. Es gab den Abba-Oldie „Super Trouper“ mit neuem festlichem Text „Super Puter“ – jetzt ganz ohne technische Hilfsmittel, einfach frei heraus in die inzwischen geschrumpfte Zuschauermenge gesungen. BASTA bewiesen mal wieder Fannähe, unterhielten sich lange mit den Anwesenden und verkauften fleißig CDs, Songbooks und Williams Buch „Ernst beiseite!“, einen kultigen Namensratgeber.
Setlist – BASTA, 28.11.2013
Wiedersehen macht Freude
Schön dass du gekommen bist
Appdepp
Der Mann der keine Beatbox konnte
Wir wollten doch nur Freunde sein
Du tropfst
Choko Latte Chai
Spliss
Party total
Und es war Omma
—
Legalize Acappella
Parisbar
Blutwurst
Schinkenpelz
Domino
Feuerzeug
Bratislava Lover
Bindungsangst
—
Es ist nur a cappella
Esso ess
—
Wild thing
—
Super Puter
Papa Roach live Köln 2013