“Ich frage mich, warum ihr euch nicht bewegt”. Das Konzert ist schon eine knappe Stunde in Gang als Emily Kokal diesen bedeutungsvollen Satz sagt. Ob das Publikum tanzt, ist vorrangig abhängig vom Geschehen auf der Bühne. Auf diese banale Einsicht sollte eine Band nicht hingewiesen werden müssen. Ist Warpaint der schnelle Aufstieg etwas zu Kopfe gestiegen?
Ein deutliches Zeichen für die vermehrte Aufmerksamkeit, die Warpaint zuteil wird, ist die Verlegung des Kölner Konzertes vom Gloria in die Live Music Hall. Und selbst die scheint am heutigen Abend zu klein. Nachdem All We Are aus Liverpool mit ihrem psychedelischen Pop stimmungsvoll den Abend eröffnet haben, sind die Voraussetzungen für die vier Musikerinnen aus Kalifornien also bestens. Ihr Set besteht zu Beginn in der Hauptsache aus neuen Songs ihres aktuellen und selbstbetitelten Albums. “Keep It Healthy” ist ein passender Opener und besonders “Love Is To Die” weiß zu gefallen. Viel Hall und Elektronik prägen die Atmosphäre, die jedoch nicht gerade zu exzessiven Tanzeinlagen einlädt. Jedenfalls nicht beim dichtgedrängten Kölner Publikum am heutigen Abend. Irgendwie dämmert die Erkenntnis, dass diese intime Musik nicht unbedingt in größeren Hallen funktioniert. Damit wir uns richtig verstehen: Der Sound ist hervorragend, die Vocals top und die Songs bekanntermaßen bestechend. Aber der Mehrwert eines Live-Erlebnisses der Band im Vergleich zur Sofa-Rezeption erschließt sich einem nicht unmittelbar.
Der Frage nach der mangelnden Bewegung im Publikum lässt Kokal die Aufforderung zum Tanzen zu “Undertow” folgen. Und siehe da, es funktioniert hier und da. Kein Wunder, denn der Song hat Beat und Riffs. Die Phase des angenehmen psychedelischen Waberns ist beendet. Warum Bassistin Jenny Lindberg ausgerechnet ab jetzt im Sitzen spielt, erschließt sich mir nicht. Vielleicht tut sie das häufiger, vielleicht hat sie Rücken. Man weiß es nicht, ich schon gar nicht, denn ich hab das Quartett bei seinem letzten Auftritt in der Domstadt nicht erlebt, als es in der Kölner Kulturkirche spielte. Auch Kokal erwähnt jenen Abend und fügt hinzu, dass die heutige Spielstätte ja auch eine, wenn auch andere Art Kirche sei. Das kann man jetzt so oder so interpretieren. Jedenfalls schließt “Disco//very” das einstündige Mainset mit animierenden Grooves ab. Mit “Elephants” legen Warpaint dann doch noch die erwartete Schippe drauf. Diese Version hat von allem etwas. Mit seiner Komplexität und Dynamik drückt sie beim Publikum die richtigen Knöpfe. Und so endet der Abend für manche versöhnlich. Andere, denen es gelungen war, schon früh im Set in die endlosen Klangwelten von Warpaint einzutauchen, wissen womöglich gar nicht, was es zu meckern gab. Nicht aufregen, einfach weiter genießen!
Selbst wenn man sie noch nie auf der Bühne gesehen hat, hat man dieses sicher schon gehört: Maximo Park sind eine unglaublich gute Live-Band! Ihr Ruf eilt ihnen voraus. Und auch die Setlist mit 24 Titeln hält, was sie verspricht. Bei Maximo Park kommen die Punkwurzeln durch. Die meisten Stücke sind schnell und intensiv, anderthalb Stunden lang fegen besonders Sänger Paul Smith und Keyborder Lukas Wooller über die Bühne, als wäre es das letzte Konzert, das sie spielen dürfen.
Die fünf Engländer präsentieren uns in der Live Music Hall ihr fünftes Studioalbum „Too Much Information“, spielen aber insgesamt eine bunte Mischung aus allen Alben. „Hips And Lips“, „A Fortnight’s Time“, „Graffiti“, „Lydia“, „The Ink Will Never Dry“, „Books From Boxes“, „Girls Who Play Guitars“, „Apply Some Pressure“ – alles dabei, alles laut. Der Mann mit Hut gibt von der ersten Sekunde an Gas. Er schreit, zieht Grimassen, animiert das Publikum, tanzt und wirbelt über die Bühne. Das Jackett muss zwar schon nach zwei Songs weichen, sonst tritt er aber keinen Moment auf die Bremse. Nur in den Pausen zwischen den Stücken, wenn er uns mit seinem guten Deutsch bezaubert, keucht er ein wenig – wie wir übrigens auch. Kaum einer kann hier die Beine still halten. Der Hut bleibt, Maximo Park liefern wie erwartet eine großartige Show.
Monster Magnet gelten als die Pioniere des Stoner Rock. Nach eigenen Angaben verdankt die Band ihre Inspirationen größtenteils bewußtseinserweiternden Substanzen und den Space Rock-Begründern Hawkwind. Tatsächlich ist ihre Musik ein Mix aus Garagenrock, Progressive Rock, Heavy Metal, Punk und allerlei psychedelischen Elementen. Abgesehen davon wurden Monster Magnet auch stets von Comics, Science Fiction, Horror-Filmen und B-Movies beeinflusst. Eine ziemlich krude Mischung möchte man meinen. Mit seinem zehnten Studioalbum „Last Patrol“, das im Oktober des vergangenen Jahres erschien, kehrte das Quintett um Mastermind Dave Wyndorf zu seinen Wurzeln zurück. Wyndorf selbst bezeichnet es als „Psychedelic-Space-Rock mit 60er Garagen-Feeling“ und in der Tat ist „Last Patrol“ ein deutliches Statement für die grossartigen Qualitäten dieser Band.
Das empfinden die Fans in der proppevollen Live Music Hall offensichtlich ähnlich. Nicht wenige von ihnen scheinen dabei genauso zu ihren persönlichen Wurzeln zurückgekehrt zu sein wie ihre Helden auf der Bühne. Ich entdecke zahlreiche Kutten, jede Menge Holzfällerhemden und irgendwann steht eine der prachtvollsten Vokuhilas neben mir, die ich seit 1980 gesehen habe. Ein Duft von Patschuli liegt in der Luft. Die Vorgruppe Church Of Misery schenken wir uns zugunsten eines Hot Dogs und einer Kaltschale Gerstensaft im Innenhof. Da der diesjährige Winter ja anscheinend ausfällt, sind selbst die mutigen T-Shirt-Träger vor der Halle dabei keinerlei Gesundheitsgefahren ausgesetzt.
Als Monster Magnet gegen 21.15 Uhr mit ihrem Set beginnen nähert sich der Wärmepegel im Inneren der Live Music Hall bereits dem roten Bereich. Das erste Stück „I Live Behind The Clouds“ ist auch gleichzeitig der Opener des aktuellen Albums. Als dann noch „Last Patrol“ und das Donovan-Cover „Three Kingfishers“ folgen, dämmert es auch dem letzten, dass die Band beschlossen hat das Album in chronologischer Reihenfolge zu spielen. Für Monster Magnet-Fans keine ganz neue Erfahrung. Bereits auf ihrer „Dopes To Infinity“-Tour 2011 führte die Band das gleichnamige Kultalbum von 1995 komplett auf, ebenso wie ein Jahr später „Spine Of God“ von 1991. Im Bühnenhintergrund starrt der aufgemotzte Stierkopf vom Vorgängeralbum „Mastermind“ gebannt auf das testosterongeschwängerte Geschehen vor ihm, umrahmt von bunten Blubberblasen.
Der Sound ist für Live Music Hall-Verhältnisse, die oftmals an die Akustik einer Schulsporthalle erinnern, nahezu perfekt. Auch die Band präsentiert sich sehr spielfreudig und extrem druckvoll. Chris Kosnik, der seit Oktober 2013 Jim Baglino am Bass ersetzt, fügt sich da nahtlos ein. Der Bewegungsradius der einzelnen Bandmitglieder gleicht jedoch in etwa dem eines Ziegelsteins. Einzig Dave Wyndorf bewegt sich mal von seinem Platz am Mikro weg, um den Fans in guter alter Jim Morrison-Manier den Rücken zuzukehren. Der Rest der Truppe steht wie festgenagelt an seinem Platz. Über „Mindless Ones“, meinen persönlichen Favoriten „The Duke Of Supernature“ geht es weiter bis „Stay Tuned“. Irgendjemand hält ein einsames Feuerzeug in die Höhe. Normalerweise leuchten inzwischen ja unzählige Handy-Displays die Konzerthallen dieser Welt aus. Neuerdings werden sogar iPads mitgeschleppt, die den hinteren Reihen dann vollends den Blick auf das Geschehen versperren. Aber bei Monster Magnet ist auch das ganz anders. Eben alles noch schön Oldschool.
Wer sich „Last Patrol“ in der Limited Edition gekauft hat, für den kommt die Pause nach „Stay Tuned“ etwas überraschend, denn mit „Strobe Light Beatdown“ und „One Dead Moon“ gibt es darauf noch zwei Bonustracks. Geschichten von kosmischer Rache, überbordender Libido, Ausgrenzung und epischer Fremde. Doch spätestens als Dave Wyndorf zu Beginn des Zugabeblocks „Jetzt wird gerockt“ brüllt, ist die kurzzeitige Verwirrung vergessen. Jetzt kocht die Stimmung. Kein Wunder angesichts solcher Klassiker wie „Look To Your Orb For The Warning“ oder „Dopes To Infinity“. Der erste (und einzige) Stagediver des Abends entert die Bühne und schmeißt sich in die feiernde Menge. Als Dave Wyndorf anschließend zu seiner letzten Ansage ausholt und „Motherfucker“ dabei das am meisten benutzte Wort ist, kann nur noch ein Song folgen: „Space Lord“. Die Kölner singen ihn aus voller Kehle mit.
Zum endgültigen Abschluss schießt Wyndorf noch ein paar Fotos von den Fans, bevor er die Live Music Hall nach anderthalb Stunden in einem Feedbackgewitter zurücklässt. Einmal mehr haben Monster Magnet bewiesen, dass sie nach wie vor zu den kreativsten, facettenreichsten und am härtesten rockenden Bands ihrer Art zählen. Ein Konzert wie eine Zeitreise in die Vergangenheit. Blow ‚Em Off!
Sollte sich heute jemand in die Kölner Live Music Hall verirrt haben, der nicht weiß wer spielt, der könnte es am Aussehen der männlichen Besucher erkennen. Es scheint als würde den Zuhörern nicht nur die Musik, sondern auch der Kleidungsstil des heutigen Hauptacts gefallen. City and Colour heißt das Soloprojekt von Alexisonfire Gitarrist und Sänger Dallas Green.
Mit auf der Tour ist Hannah Georgas. In Deutschland noch unbekannt, ist die Kanadierin trotzdem kein unbeschriebenes Blatt mehr. Ihre Debut-EP The Beat Stuff erschien im Jahr 2009, seitdem wurde sie in mehreren Kategorien, unter anderem Best New Artist of the Year und Songwriter of the Year, bei den Juno Awards nominiert. Ihr Bekanntheitsgrad steigerte sich enorm durch ihren Song You’ve Got a Place Called Home, der für eine Wal-Mart Werbung genutzt wurde, und durch Serien wie Girls in denen verschiedene Lieder von ihr verwendet wurden.
Pünktlich um 20 Uhr eröffnet HannahIhre Show. In blaues Licht getaucht steht sie mit ihrer Band auf der Bühne. Beim ersten Ton bekommt man eine Gänsehaut. Die Musik baut sich langsam um ihren Gesang herum auf. Auch wenn es schüchtern und gehaucht klingt, merkt man schnell, diese Künstlerin hat eine glasklare Stimme. Nach ihrem ersten Lied begrüßt die Kanadierin die Menge in der Live Music Hall mit einem Hauchen ihres Namens und vorerst soll das auch das einzige sein, was sie zwischen den Liedern sagt. Erst nach fünf weiteren Liedern meldet sie sich wieder zu Wort und kündigt Shortie ein Lied ihrer neuen selbstbetitelten Platte an. Eins der fröhlicheren Lieder des Abends. Das merkt man auch am Publikum. Stellenweise wird mitgewippt und die Gespräche werden leiser. Besonders schön ist, dass Hannah nicht nur mit ihrer Stimme umzugehen weiß, sondern auch mit Keyboard und Gitarre. Was den Vergleich zu deutschen Künstlerinnen wie Valeska Steiner von Boy aufkommen lässt. Nicht nur optisch, sondern vor allem ihre Körpersprache erinnert an die Züricher Sängerin. Nach 45 Minuten sphärischer Musik aber wenig Publikumskontakt kommt Hannah mit ihrer Band zum Ende ihres Sets.
Und damit ist die Bühne frei für den Hauptact des heutigen Abends. Unter dem Pseudonym City and Colour, das auf seinen Vor- und Nachnamen anspielt, veröffentlichte Dallas Green 2005 sein erstes Solo Album Sometimes. Mit diesem beweist er, dass der Spagat zwischen lauten, verzerrten Gitarren wie bei seiner Band Alexisonfire und ruhigen Akustikstücken machbar ist. Seit Sometimes sind neun Jahre und zwei weitere Studioalben vergangen.
Zu einem flamencoartigen Intro mit dem Text We are the three amigos betritt die Band um Dallas Green die Bühne. City and Colour aka Dallas Green wird noch ohne einen Ton gespielt zu haben von Applaus begrüßt. Sein Set eröffnet er mit Of Space And Time. Es wird still in der Live Music Hall, Kameras werden gezückt und Paare nehmen sich in den Arm. Nach diesem ruhigen Einstieg geht es mit The Lonely Life von seinem 2013 erschienenen Album The Hurry & The Harm dagegen schon viel schneller weiter im Programm. Nickende Köpfe und Jubelschreie vom Publikum. Dallas Stimme ist stark und steht ohne Zweifel im Vordergrund. Lied Nummer drei, The Grand Optimist, beginnt er erst alleine mit seiner Akustikgitarre, was ein gutes Beispiel dafür ist, dass er nicht auf eine Band angewiesen ist, um zu beeindrucken. Die Lichtshow unterstreicht seine Performance. Bei ruhigen Stellen scheint es rot und sobald die Band mit einsteigt, wird alles in verschiedenen Farben erleuchtet. Das große Finale des Songs wird mit Stroboskoplichtern unterstrichen. Bei Liedern wie The Grand Optimist oder As Much As I Ever Could spürt man die Spannung im Publikum. Bewegt wird sich kaum, die gesamte Masse scheint einfach nur da zu stehen und die Musik zu genießen. Bis jetzt scheint Dallas noch sehr wortkarg zu sein, das ändert sich auch nicht über die Lieder Silver and Gold und Weightless, sondern erst bei Lied Nummer sieben. Alle bis auf Dallas verlassen die Bühne. Er sitzt alleine mit seiner Akustikgitarre auf einem Barhocker inmitten der Bühne und erzählt dem Publikum, dass das nächste Lied von einem Gespräch handelt, dass er tatsächlich mit seinem Vater geführt hat. Bei Body In A Box singt die Menge mit und erste Tränen werden aus Augenwinkeln gewischt. Passend zur Stimmung folgt Comin´ Home.
Bei diesem Teil der Show fällt einem ein weiteres Mal seine beeindruckende Stimme auf. Nur mit Akustikgitarre kann man keinen einzigen Patzer verstecken. Doch das braucht Dallas Green auch gar nicht. Nach Northern Wind bedankt sich Dallas bei seinem Supportact Hannah. Er holt sie zu sich auf die Bühne, aber nicht nur um sich zu bedanken, sondern um mit ihr Paradiese zu performen. Ihre Stimmen ergänzen sich wunderbar. Sie klingen perfekt eingespielt und besonders zweistimmig können die beiden beeindrucken. Nach diesem Duett-Ausflug kehrt die gesamte Band wieder auf die Bühne zurück und stimmt The Death Of Me an. Das Publikum klatscht im Takt. Die Stimmung wird lockerer. Dort wo vor diesem Lied alle ehrfürchtig ruhig aufder Stelle standen, wird jetzt geklatscht und gewippt. Zu Sleeping Sickness fordert Dallas zum Mitsingen auf und sein Publikum folgt ihm. Vor The Golden State wird die Band vorgestellt. Zu warmem Applaus steigen sie in Waiting ein. Es scheint als wäre Dallas nun in einer gesprächigeren Laune. Zum Start von Thirst fordert er sein Publikum auf, sich zu bewegen. Die Lichtshow wird intensiver und schneller, nur mehr als ein Wippen kann er den Zuschauern nicht entlocken. Doch dieses Gewippe zieht sich auch durch Fragile Bird. Nach diesem Lied verschwindet die Band hinter der Bühne. Es scheint als hätten wir das Ende des Konzerts erreicht, ohne es zu bemerken.
Überrascht von dem abrupten Ende wird geklatscht. Zugaberufe erklingen nicht, kaum einer merkt, dass es schon zu Ende sein soll. Doch Dallas kehrt alleine mit seiner Akustikgitarre zurück. Er bedankt sich bei den Anwesenden, für ihn sei es etwas ganz besonderes hier zu sein. Unter Applaus beginnt er mit The Girl. Beim Refrain beginnt die Halle mitzusummen. Zur zweiten Strophe steigt die Band wieder mit ein und der Gesang vom Publikum wird lauter. Nach Two Coins hat Dallas beim Death´s Songdie Kontrolle über das Publikum gewonnen. Es reicht, dass er den Arm hebt, um die Leute zum Singen und Klatschen zu bewegen. Die Lichtshow wird stärker und der Gesang lauter. Man erkennt, diesmal ist es wirklich das letzte Lied des Abends. Damit endet ein wortkarges, aber stimmsicheres Konzert.
Eigentlich ist Wirtz bekannt für seine emotionalen und energiegeladenen Rocksongs. Ein weiteres Markenzeichen seiner bisherigen drei Alben „11 Zeugen“, „Erdling“ und „Akustik Voodoo“ sind die kompromisslosen und ehrlichen Texte. Nachdem er den zweiten Teil seiner „Akustik Voodoo“-Tour beendet hatte, zog sich der 38-jährige Frankfurter ins Studio zurück und spielte alle Songs komplett neu arrangiert mit Cello, Violine und Klavier ein. Das Ergebnis heißt „Unplugged“ und kommt am 21.02. in die Läden.
Man darf sehr gespannt sein wie es klingt, wenn sich Wirtz bis auf die Knochen seziert. Bevor er im März auf eine bereits fast ausverkaufte „Unplugged“-Tour geht, hatten einige glückliche Fans die Möglichkeit, das neue Album vorab exklusiv zu hören. In Kooperation mit Gibson, MyVideo und Joiz TV gab es in drei Städten Pre-Listening-Sessions. Dabei hielt der Gibson Bus auch vor dem Music Store in Köln. Musicheadquarter-Chefredakteur Thomas Kröll nutzte die Gelegenheit um zuzusteigen und sich mit Wirtz über die Zeit von der ersten Idee bis zum fertigen Album, aber auch über die anstehende Tour, das Verhältnis zu seinen Fans (die er nicht so nennen möchte), Justin Bieber oder fehlende Telefonanrufe von Dave Grohl zu unterhalten.
Wir haben uns zuletzt 2008 vor deinem Auftritt im Kölner Luxor unterhalten. Dein Debüt „11 Zeugen“ war gerade erschienen. Damals hast du gesagt, dass es spätestens nach dem dritten Album mit der Solokarriere zünden muss. Hast du heute das Gefühl, dass es gezündet hat?
Daniel Wirtz: Ich habe gesagt, mit dem dritten Album sind wir in der Festhalle, oder (lacht)? Sagen wir es mal so: Ich darf mich weiß Gott nicht beklagen. Dafür, dass ich eigentlich immer noch unter dem Radar fliege und viele Leute überhaupt keine Ahnung haben, dass es mich gibt, hatte ich trotzdem das Glück mittlerweile in der Live Music Hall zu spielen. Das ist schön und macht es auch besonders. Die Tour jetzt einfach aus dem Nichts und mit einem Song, den man ins Internet gestellt hat, fast auszuverkaufen, ist das schönste Kompliment das man von seinen Zuhörern bekommen kann. Ich habe immer ein Problem damit Fans zu sagen. Dieses blinde Vertrauen zu wissen: Wenn der in der Stadt ist, dann ist das gesetzt. Ich habe ja auch noch ein paar Jahre, um mich da weiter hochzurackern. Und auf der anderen Seite wäre es ja blöd, wenn es jetzt schon bergab ginge (lacht). So geht es wenigstens, wenn auch langsam, jedes Jahr stetig bergauf. Aber das ist schon ein langer Weg, wenn man mal so zurückdenkt. Mir kommt er gefühlt wesentlich kürzer vor. Dass es mittlerweile das siebte Jahr ist sieht man nur an den Augenringen (lacht).
Ich habe dich als ehrlichen, offenen und sehr lockeren Typen kennengelernt und ich glaube, das bist du bis heute geblieben, obwohl die Verlockung mal gepflegt abzuheben und den Rockstar raushängen zu lassen zwischendurch sicherlich nicht gerade klein war. Wie hast du dir deine Bodenständigkeit bewahrt?
Daniel Wirtz: In meiner ersten Lebenshälfte mit Sub7even habe ich es genau so gemacht. Da war ich Anfang 20. Wir hatten einen Majordeal bei BMG und ich habe gedacht ich bin jetzt Aerosmith. Das Management hat das auch so fokussiert. Und das ist für ein Kind vom Dorf wie mich dann schon so: Wenn die den Rockstar von mir erwarten, wo sind dann die Bitches (lacht)? Die erste Frage war dann, welche Farbe die Ledergarnitur im Nightliner haben soll. Da habe ich mal beige-rot gesagt (lacht). Wie gesagt, das habe ich alles in meiner Kindheit zelebriert und echt gemerkt, dass das total bescheuert ist. Aber es ist ein ganz normaler Werdegang und ich glaube wenn es so nicht gewesen wäre, dann wäre ich vielleicht irgendwann mal durchgedreht. Aber so wird das nie wieder passieren. Der Drops ist gelutscht. Dafür ist es auch viel zu viel Arbeit. Man ist sich der Vergänglichkeit und dass morgen alles wieder vorbei sein kann mittlerweile viel zu bewußt. Es ist wie in jedem Job: Arbeite hart, gib alles, dann hast du Erfolg. Wenn du meinst du müsstest Rockstar sein, geh zu „Superstars“, genieß das Jahr und dann verglühst du wieder.
Nehmen wir mal an es wäre morgen vorbei…
Daniel Wirtz: …dann würde ich glücklich auf vier wunderschöne Soloalben zurückblicken und bestimmt was anderes Schönes finden. So wie Peter Fox im „Haus am See“. Ob es so luxuriös ist und für Orangenbaumblätter reicht weiß ich allerdings nicht. Ich würde wahrscheinlich trotzdem weiterhin Musik machen. Ich trommele ja jetzt schon auf den Knien weil ich hier zwei Tage im Bus sitze und keine Gitarre spiele. Aber man kann sein Leben bestimmt auch noch mit anderen Sachen gestalten.
Im März startet deine Unplugged-Tour unter dem Motto „Wirtz zieht den Stecker“, die bereits zu weiten Teilen ausverkauft ist. Bei unserem Interview damals im Luxor hast du mir schon erzählt, dass du von einer Unplugged-Tour durch Kinosäle träumst.
Daniel Wirtz: Genau und jetzt spiele ich in Kirchen. Der Gedanke ist immer schon da gewesen. Wir haben hier und da ein Unplugged-Set gespielt. Oder wenn man auf der Musikmesse von den Gibson Leuten eingeladen war. Und da sind Menschen teilweise 500 oder 600 Kilometer gefahren, um mir bei drei Songs auf der Akustikgitarre zuzuhören. Das war der Anstoß zu sagen: Wenn der Kunde das will, und der Kunde ist bei mir König, dann lasst uns mal eine Unplugged-Tour machen. Aber jetzt einfach loszufahren wäre auch blöd. Es wäre schöner das irgendwie festzuhalten. Also haben wir angefangen die ersten Songs einzuspielen, die Arrangements runterreduziert auf Akustikgitarre und ein bißchen Percussionzeugs gemacht. Aber am Ende war es immer noch ein Gitarrenriff ohne Eier. Ich habe gesungen und Matthias (Hoffmann, Daniel’s Produzent, Anm.d.Red.) sitzt auf der anderen Seite der Scheibe und ich sehe in seinem Gesicht immer, ob es was ist oder nicht. Wir haben beide gedacht, das ist ja total langweilig. Wer soll denn bitte so eine Platte kaufen? Wer braucht das? Ich brauche es nicht. Das mag auf einem Konzert hintenraus vielleicht als Medley noch funktionieren, wenn die Emotionen sowieso blank sind, aber auf einer Platte ist das total scheiße. Ich hatte keinen Bock das zu singen. Damit war das Thema eigentlich schon geknickt und wir wollten uns lieber auf die vierte Rockplatte konzentrieren. Oder wir finden jetzt irgendeine Möglichkeit, wie wir das so interessant gestalten, dass wir uns erstens künstlerisch nochmal herausgefordert fühlen und zweitens dass es Emotionen in uns weckt. Das ist ja immer das Kriterium ob ein Song gut oder schlecht ist. Okay, also dachten wir, bevor wir das Ding endgültig in die Tonne hauen, gehen wir total frei an die Sache ran. Worum geht es eigentlich? Es geht eigentlich bei Wirtz um Textinhalt. Also lassen wir den mal stehen. Alles andere wurde weggewischt. Scheiß auf Melodieführung, scheiß auf Rhythmus, Beat, Geschwindigkeit. Wie würdest du den Text singen, wenn es nur der Worte wegen wäre? Und die Instrumente nur dazunimmst, um die Worte zu stärken. Also letztlich schon fast Hörbuchcharakter. So sind wir immer weiter von dem Original weggekommen. Zum Beispiel sind wir auf dem Klavier hängengeblieben, was so weit weg war von der Originalversion, dass es genau jetzt funktioniert hat. Als die erste Version dann stand und ich diese Klangwelt auf einmal auf dem Kopfhörer hatte und vor dem Mikro stand, da dachte ich nur: Wow. Das macht natürlich Spass hier reinzusingen. Du kannst den Ton oben auch mal abknicken lassen und es fällt einfach mal in die Kopfstimme rein. Ich hatte Platz zum Singen und Wohlfühlen. Auf beiden Seiten der Fensterscheibe gab es ein extremstes Lächeln (lacht).
Ich muss zugeben, dass ich noch gar nicht in das „Unplugged“-Album reinhören konnte. Ich habe nur das Video zu „Geschichten ohne Sieger“ gesehen.
Daniel Wirtz: Ach, du hast die Platte noch gar nicht gehört. Ich habe noch ein zweites Video, das ist heute im Rohschnitt reingekommen. Das würde ich dir nachher gerne zeigen, ob du mir ein Go oder ein No gibst.
Ja, das können wir sehr gerne machen. Das Album erscheint am 21. Februar und enthält insgesamt vierzehn Songs. Nach welchen Kriterien hast du gerade die ausgewählt?
Daniel Wirtz: Alle Songs waren im Pool und wir haben bei allen versucht diese Entfernung zum Original hinzukriegen. Das hat halt nicht bei jedem geklappt. Andere, von denen ich es mir gewünscht hätte waren zu nah dran und haben nicht funktioniert. Teilweise ist es auch am Text gescheitert. „L.M.A.A.“ ist zum Beispiel eine Nummer, die hätte ich gerne da drauf gehabt. So eine Punkrocknummer funktioniert aber nicht, wenn man sie mit einer netten Stimme singt. Da selektiert sich alles aus. Und das waren am Ende die Vierzehn, die stehengeblieben sind. Ich habe jetzt das Gefühl, das sind die Originalsongs und ich hab mal Rocksongs draus gemacht (lacht). Selbst dieser Switch andersrum funktioniert. Wenn jetzt jemand zum ersten Mal von mir erfährt und das hört und der hört sich danach den Rocksong an, dann wird er anders überrascht. Menschen, die normalerweise bei einer E-Gitarre schon ausschalten, werden sich dann vielleicht auch in das Original verlieben. Es ist keine Platte für Zwischendurch. Abends, wenn man nix zu tun hat und bevor man ein Buch nimmt, gibt man sich das Ding am besten über Kopfhörer bei einem Glas Wein. Wir haben es natürlich auch sehr geil aufnehmen lassen. Die Streicher aus dem besten Studio in Hamburg mit den besten Streichern die es in Deutschland gibt. Bis hin zu einem Sensationspianisten (Tom Schlüter, Anm.d.Red.), der in einem Raum, der nur für den Flügel gebaut wurde, für uns gespielt hat. Mit Raumbefeuchter. Total nerd. Der Raum ist auch in dem Video zu sehen. Alles was ich bisher gemacht habe hat noch nie so gut geklungen. Es macht Spass das zu hören. Du kannst bis hinten durchhören. Du hörst jede Pedale und wenn der Flügel kurz atmet.
Gerade in den letzten Monaten habe ich nochmal total viel Musik von dir gehört, weil das auch gerade gut zu meiner persönlichen Situation passte. Dabei ist mir aufgefallen, dass es eigentlich keine fröhlichen Songs von dir gibt.
Daniel Wirtz: Da hast du schon Recht. „Hier“ ist eigentlich das einzige Liebeslied, das auch ein bißchen optimistisch ist. Ich glaube die Tatsache, dass man nicht alleine ist, ist das einzige optimistische an allen Wirtz-Songs. Wenn man musikalisch die Bestätigung kriegt, da ging es einem genauso und der lebt immer noch. Ich bin nicht alleine. Das Leben geht weiter.
Wenn man „11 Zeugen“ mit „Akustik Voodoo“ oder auch „Erdling“ vergleicht, dann finde ich, dass du deine Texte sprachlich mit der Zeit etwas entschärft hast. Würdest du mir da zustimmen?
Daniel Wirtz: Ich sag mal subtiler beschimpft (lacht). Klar kann man jetzt jedes Mal wieder Arschloch sagen, aber ich finde eine Beleidigung wie „Du bist echt häßlich wenn du schläfst“ trifft viel mehr. Vielleicht ist es auch ein bißchen verkopfter geworden. Noch mehr nachgedacht, noch mehr zweite Ebenen eingebaut. „Akustik Voodoo“ hat es glaube ich auf die Spitze getrieben. Wenn du über babylonische Türme singst und du fängst an zu googeln. Was war denn der Turmbau zu Babel? Worum ging es denn da? Gottgleich werden und verschiedene Sprachen. Dass du da immer mal wieder so Falltüren hast für den der sich bemüht und diesen Weg erschnuppert. Ich hatte das Gefühl, dass meine Leute auf diese Schnitzeljagd Bock haben und die Birne auch so weit anhaben, um das mitzufilmen. Dann macht das irre viel Spass. Ich warte zwar immer noch auf den Anruf vom Philosophischen Quartett, aber ich wäre bereit (lacht). Für Leute, die gerne mit Sprache arbeiten ist das grandios. Für den anderen, der sagt, ich bin eher der emotionale Typ, haut „11 Zeugen“ natürlich wesentlich mehr ins Gesicht. Und den Song, wo ich den einen beleidige, habe ich ja schon. Warum soll ich also noch einen zweiten Song schreiben, um den anderen zu beleidigen? Der kriegt den ersten geschickt. Der passt universell auf jeden. Einfach „Wo ich steh“ als Betreff und tschüß.
Heute gibt es hier noch eine Pre-Listening-Session des neuen Albums inklusive Meet & Greet. Der intensive Kontakt zu deinen Fans war dir schon immer sehr wichtig. Ich erinnere mich, dass du nach dem Konzert im Luxor zum Beispiel noch nach vorne gekommen bist, dich mit den Leuten unterhalten, Autogramme gegeben und ein Bier getrunken hast. Inwiefern ist das mit dem steigenden Erfolg schwieriger geworden?
Daniel Wirtz: Man ist ja schon relativ im Wohnzimmer. Wenn man in der Live Music Hall aber jetzt nicht mehr mit jedem ein Bier trinkt, dann ist das glaube ich verständlich. Danach wäre ich ja tot, da könnte ich gleich die Tour absagen. Das ist aber ja das Schöne, auch an einem solchen Meet & Greet. Das sind ja total nette Leute. Mit den Leuten, die etwas mit Wirtz anfangen können, mit denen kann ich mich doch auch super austauschen. Wir haben immer Themen und es sind einfach nette Gespräche. Wenn das jetzt so Dimensionen hätte wie bei Justin Bieber würde ich das nicht einen Tag lang aushalten. Das wäre eher ein Grund, warum ich aufhören würde Musik zu machen. Schmeißt mir bloß keinen Teddy auf die Bühne. Also Achtung da draußen: Ein Teddy und dann ist Schluß (lacht). Nur so Fanatismus, Geschreie und Gequietsche kann man doch nicht ernst nehmen. Wir haben gestern in Hamburg einen Sensationsabend beim Meet & Greet hier in der Lounge gehabt. Der Bus musste fahren und ich habe gesagt: Okay, wer jetzt noch Fragen und Bock hat nach Köln zu fahren… wir fahren sowieso da lang. Und dann sind da noch Drei sitzengeblieben. Die haben sich dann hier Nachts um halb Drei noch einen Mietwagen geholt und sind wieder zurück nach Hamburg gefahren. Aber die haben natürlich alle Fragen beantwortet bekommen und ich meine. Wir haben schön die Minibar geschröpft bis nichts mehr da war und heute morgen war sie wie von Zauberhand wieder voll.
So ist das bei Gibson. Da fehlt es an nichts. Ich überlege übrigens gerade, ob ich dir beim Konzert in der Kulturkirche am 31. März nicht einen Teddy auf die Bühne werfen soll. Ich glaube das mache ich.
Daniel Wirtz(lacht): Ich sehe das. Es ist nämlich bestuhlt. Da werde ich dann ganz klar und deutlich die Flugbahn zurückverfolgen und wenn das dann von dir ist, dann werde ich es sein lassen. Ich ziehe einen BH drunter und den gebe ich dir dann einfach.
„Akustik Voodoo“ wurde Ende 2011 veröffentlicht, jetzt kommt das „Unplugged“-Album. Wann gibt es das nächste Rockalbum?
Daniel Wirtz: Also das Cover habe ich schon. Das Artwork steht. Ich denke mal nach der Tour werde ich direkt wieder im Studio eingesperrt. Dann muss es natürlich das kompromissloseste Rockalbum ever werden. Good Morning In The Morning sage ich da nur (lacht). Ich freue mich drauf.
Aber es ist noch kein neues Material da.
Daniel Wirtz: Hier und da ein geiles Riff gibt es schonmal. Es steht und fällt ja eigentlich mit dem Text. Um Musik mache ich mir da keine Sorgen. Das einzig Schwierige ist wieder diese Gefangenschaft des Geistes. Sich mit dem eigenen Geist auseinanderzusetzen. Aber das muss sein.
2008 gab es das Gerücht, dass du als Support für die Foo Fighters spielen würdest. Hat Dave Grohl mittlerweile mal bei dir angerufen?
Daniel Wirtz: Bisher leider immer noch nicht. Aber dafür hätte ich fast mit Bush gespielt. Leider ist mein Gitarrist fünf Meter vor dem Backstage einfach zusammengebrochen und wir mussten ihn kurz ins Krankenhaus bringen. Dann hat der Abend leider ohne uns stattgefunden. Also irgendwie habe ich nicht das Glück mit internationalen Acts die Bühne teilen zu dürfen.
Letzte Frage: Wer wird Fußball-Weltmeister? Bei der Europameisterschaft 2008 hast du auf Brasilien getippt. Die waren aber nicht dabei.
Daniel Wirtz(lacht): Finnland. Ich weiß es nicht. Man will ja die Hoffnung für die eigene Mannschaft nicht aufgeben. Aber die Gruppenphase ist natürlich auch sportlich und mit Portugal hat man direkt ein echtes Kaliber vor der Nase. Ghana kann auch mit dem Ball umgehen wenn sie wollen. Ich sag mal das ist Tagesform. Da kannst du ganz schnell mal 7:0 verlieren. Ich hoffe, dass sie ein paar mehr BVB-Spieler da reinstellen. Ich drücke natürlich Deutschland die Daumen. Gewinnen soll wie immer der Beste.
Ich ersetze BVB durch 1. FC Köln und bedanke mich vielmals für das Interview.
Wir bedanken uns ebenfalls bei Natascha „Nash“ Nopper (DefNash Entertainment) für die Vermittlung des Interviews!
2012 waren die Simple Minds sehr mutig unterwegs. Sie spielten nämlich auf den damaligen Konzerten nicht etwa die großen Hits ihrer Karriere, sondern verfolgten ein gänzlich anderes Konzept: Die Band hatte sich entschlossen, nur Songs ihrer Alben „Life In A Day“, „Real To Real Cacophony“, „Empires And Dance“, „Sons And Fascination/Sister Feelings Call“ und „New Gold Dream (81, 82, 83, 84)“ aus den Jahren 1979-1982 live auf der Tour zu spielen. Diese Alben dokumentieren die Entwicklung der Band vom Punk über avantgardistische Elektronik hin zu unterschiedlichen Stilarten des New Wave und Pop.
Erst Mitte der 80er begann dann ihr Aufstieg zur Stadion-Kultband mit den Alben „Once Upon A Time“ und „Street Fighting Years“ sowie natürlich dem musikalischen Durchbruch „Don’t You“. Wer zu dieser Zeit Fan von den Simple Minds war, konnte sie in einem Atemzug mit Depeche Mode, Marillion und U2 nennen. Während allerdings die irischen U2 in den 90ern ganz eigene Wege gingen und einen neuen elektronischen Stil in der Popmusik begründeten, verharrten die schottischen Simple Minds irgendwie in den 80ern und drehten sich musikalisch im Kreis.
Wenn also Jim Kerr und Charlie Burchill – die letzten verbliebenen Gründungsmitglieder – heutzutage ihr 35jähriges Bandjubiläum zelebrieren, dann darf man sich vor allem auf die Songs der ersten 15 Jahre freuen. Diese waren auch auf dem Triple-Album „Celebrate“ in der Überzahl, das 2013 als Best-of-Compilation zum Jubiläum erschien.
Die Simple Minds veröffentlichen zwar weiter fleißig neue Alben, betreiben aber live eine Vergangenheitsbewältigung, wie sie für viele große Bands der 80er Jahre typisch ist. Ich finde das auch nicht weiter schlimm. In der Europahalle Trier war die Stimmung von Beginn an sehr gut, als Jim Kerr mit seinen bekannten, weit ausschweifenden Posen die Bühne betrat. Dass dies sogar zu den Klängen eines funkelnagelneuen Songs („Broken Glass Park“) geschah, dürfte kaum einer bemerkt haben.
Der Sound war zu Beginn etwas grenzwertig. Als hätten die Leute am Mischpult versucht, in der doch recht überschaubaren Europahalle eine Art Stadion-Atmosphäre zu kreieren. Das passte zwar zu den hymnischen Songs, zu Kerrs Stimmgewalt und Burchills Gitarren-Ausschweifungen, führte aber bei vielen Anwesenden zu einem Klingeln in den Ohren. Im zweiten Set (nach zehn Songs und einer zwanzigminütigen Pause) wurde der Sound dann deutlich besser.
Positiv anmerken will ich mal den auf die Sekunde pünktlichen Beginn des Konzerts – bei welcher Band erlebt man so etwas noch? Jim Kerr war stimmgewaltig und charismatisch wie eh und je. Mit „Waterfront“ gab es auch gleich einen Klassiker, weiter geführt mit Mitsing-Titeln wie „Waterfront“, „Hypnotized“ und „Let There Be Love“. Set 1 endete mit der „New Gold Dream“-Sektion aus „Promised You A Miracle“ und „Glittering Prize“, abgelöst vom The Call-Cover „Let The Day Begin“.
Set 2 startete mit einem Solosong der Backgroundsängerin, die „Dancing Barefoot“ (Patti Smith) interpretierte. Dann war wieder der gestenreiche Kerr am Werk, der zudem dem Publikum einen langen Abend „bis in die Morgenstunden“ versprach. Letztlich waren es zwar doch nur die üblichen 120 Minuten reine Spielzeit, doch alle großen Hits waren dabei. Allein „Belfast Child“ und „Mandela Day“ habe ich schmerzlich vermisst.
Stattdessen sang die gefüllte Halle „This Is Your Land“ und „See The Lights“ mit, tanzte zu „The American“ und „Love Song“ – und als erlösenden Abschluss gab es „Don’t You“, dessen Chorus schon weit im Voraus bis in die letzte Zuschauerreihe angestimmt wurde. Im Zugabenblock gab es dann den recht jungen Song „Dolphins“ und mit „Sanctify Yourself“ und „Alive And Kicking“ zwei weitere Publikumslieblinge. Für Statistiker: Immerhin sechs Songs, die nach 1995 erschienen sind.
Früher ist man für die Simple Minds nach Köln, Stuttgart oder auf die Loreley gereist, diesmal waren sie in Trier und brachten die Ü40er in Feierlaune. Natürlich ist es schade, dass die Schotten keine größeren Hallen mehr füllen. Ihre aktuellen Alben wie „Graffiti Soul“ hätten es eigentlich verdient – doch im Radioformat ist anscheinend kein Platz für die neuen Songs. Das Trierer Publikum ging zumindest mit glänzenden Augen nach Hause.
Setlist — SIMPLE MINDS in der Europahalle Trier — 12. Februar 2014
Set 1 Broken Glass Park
Waterfront
Stars Will Lead the Way
Hypnotised
Once Upon a Time
One Step Closer
Let There Be Love
Promised You a Miracle
Glittering Prize
Let the Day Begin (The Call)
Set 2 Speed Your Love To Me (instrumental)
Dancing Barefoot (Patti Smith)
Stay Visible
Someone Somewhere in Summertime
This Is Your Land
Blood Diamonds
The American
Love Song
See the Lights
Don’t You
Zugaben
Dolphins
New Gold Dream
Sanctify Yourself
Alive and Kicking
Pünktlich zu ihrem vierten Studio Album Schlaflos melden sich Jennifer Rostock auf Deutschlands Bühnen zurück. Damit können alle Fans der fünf Wahl-Berliner, sowie Live Act-Begeisterte erleichtert aufatmen! Als Support für Ihre Schlaflos Tour 2014 haben Sie Marathonmann dabei. Die drei Münchener spielen seit circa drei Jahren zusammen und können jetzt schon auf einige Meilensteine zurückblicken. Als Support waren sie bis jetzt schon bei Casper oder sogar Comeback Kid dabei. Auf ihrem ersten Studioalbum Holzschwert, das 2013 erschienen ist, finden sich Gastsänger wie Richard Meyer von KMPFSPRT oder Guido Knollmann von den Donots. Dass sie es verdient haben, als Supportact aufzutreten beweisen sie ohne Probleme, musikalisch sicher und extrem sympathisch kommen sie gut beim Publikum an. Rein optisch könnte man sie allesamt sofort auf Viva laufen lassen. Dass die Jungs begeistert sind hier mit Jennifer Rostock auf der Bühne zu stehen, zeigen sie bei jeder Gelegenheit. Man hat das Gefühl nach jedem Song ein „Dankeschön“ der Band zu hören. Das kommt natürlich beim Publikum gut an, allerdings lässt es die Band weicher wirken, als sie selbst vielleicht sein will. Auf ihrer Fanpage bezeichnet sich die Band als Post-Hardcore, doch wirkt sie hier zu soft, um sich dem echten Post-Hardcore Fan schmackhaft zu machen. Man hat als Zuschauer außerdem das Gefühl, dass sich noch viel mehr Potenzial hinter den Jungs verbirgt. Das Potenzial lauter zu werden und auszuflippen. Heute wirken sie sehr zurückhaltend. Das Highlight des Sets ist ihr wohl bekanntestes Lied Die Stadt gehört den Besten. Dieser ist der Titelsong ihrer ersten, 2012 veröffentlichten EP. Es geht um Freundschaft wie Sänger Michi Lettner der Menge erklärt. Insgesamt acht Songs spielen die Jungs und wärmen damit das Publikum für den Hauptact des heutigen Abends auf.
Zu einem Elektrointro betritt Drummer Christopher Kohl genannt Baku die Bühne. Die großen Gitarren- und Bassamps sind durch Leuchtketten zu zwei großen Vierecken erleuchtet. Mit den ersten Schlägen auf den Drums erleuchtet nun auch das Schlagzeug. Ein einfacher Effekt mit einer großer Wirkung. Nacheinander betritt der Rest der Band zu dem Lied Phantombild die Bühne, bis bei einem großen Knall ein Vorhang in der Mitte der Bühne fällt, hinter dem Sängerin Jennifer Weist in Pose steht. Zwei große Konfettikanonenschüsse eröffnen ein jetzt schon vielversprechendes Set. Der Sound ist erstaunlich gut. Vor allem der starke Gesang fällt auf, wenn sich auch die Synthesizer ein wenig quietschig anhören. Es wären nicht Jennifer Rostock wenn sie nicht direkt nach ihrem ersten Lied einen kippen würden. Heute Abend ist es Mexikaner, der auf der Bühne unter den Musikern verteilt wird. Zum gewohnten Trinkkampfspruch Zicke zacke zicke zacke hoi hoi hoi kippen sie die erste und nicht letzte Runde des Abends. Nach ihrem Eröffnungslied vom neuen Album spielen sie einen Klassiker. Bekannt geworden ist Es tut wieder weh durch den Soundtrack zu Twilight 2: Biss zur Mittagsstunde auf dessen deutscher Version der Song veröffentlicht wurde. Das bedeutet nicht, dass es deshalb weniger gut bei den eingefleischten Jennifer Rostock Fans ankommt. Die Halle singt mit; auch zum Lied Nichts tät ich lieber von ihrem ersten Album Ins offene Messer von 2008.
Dass eine bühnenerfahrende Band wie der Hauptact Angst vor einer Tour haben könnte, glaubt man nicht. Aber genau das sagen die Musiker. Der Grund ist, dass der Release ihres neuen Albums so kurz vor der Tour war, dass die Fans die Texte vielleicht noch nicht kennen. Doch beim Lied Kein Bock aber Gästeliste von eben diesem Album können alle mitsingen und beweisen somit, dass die Bedenken unbegründet waren. Kein Bock aber Gästeliste ist auch einer der Songs, von dem es schon ein Video gibt. Dieses zeichnet sich vor allem durch die niedrigen Produktionskosten aus. Es wirkt wie ein Zusammenschnitt von Handyvideos und damit treffen sie genau den Ton des Songs an sich. Rotzig und textlich provokant. Hier erwartet man allerdings bei der Textstelle Und wo kriegen wir ein Feature her, das keinen interessiert?, dass es auch wie angekündigt ein Feature gibt. Jeder der die Band kennt weiß nämlich, dass es auf ihren Konzerten immer Überraschungen gibt. Ob es Sido oder Nico Webers von der im letzten Jahr aufgelösten Band War from a Harlots Mouth ist. Doch der Abend ist noch jung und die Fans können noch einiges erwarten.
Der zweite Kurze des Abends wird zur Begrüßung des neuen Rowdys Matt getrunken und das zu einem weiteren Zicke zacke zicke zacke hoi hoi hoi. Nach diesem Kampftrinkspruch kündigt sich jedoch ein ruhigeres Lied an. Bei Ich kann nicht mehr beweist Jennifer Weist, dass sie nicht nur wegen ihrem Unterhaltungsfaktor Sängerin ist. Sie ist stimmgewaltig, sicher und verspielt. Beim Lied Echolot teilt sie die Menge in Jungs und Mädels auf, um durch abwechselndes Mitsingen herauszuhören, wer mehr anwesend ist. Ganz klar gewinnen die Frauenstimmen! Das Ende des Liedes nutzt sie, um für Applaus für die Vorband Marathonmann zu bitten und zu erklären, dass ihre Vorbands immer mitspielen dürfen! Dafür kommt Sänger Michi von Marathonmann auf die Bühne. Zusammen performen sie Der Kapitän,was die Menge schon vorher an den aufgezogenen Kapitänsmützen erraten kann. Die zweite Strophe darf Michi singen. An Jennifer kommt er allerdings nicht ran, aber auch weil sein Mikrophon so leise ist, dass er gegen ihre Lautstärke anbrüllen muss.
Die erste Unterwäsche fliegt auf die Bühne. Um genau zu sein, ein Riesenschlüpfer im Oma-Stil. Darauf trinkt die Band ihren dritten Kurzen zu ihrem dritten Zicke zacke zicke zacke hoi hoi hoi. Auf den Trinkspaß folgt eine ernste Ansprache dazu, dass es egal ist, ob man dünn oder dick, homo oder hetero ist. Denn genau davon handelt ihre erste Singelauskopplung des neuen Albums Schlaflos. Zum Höhepunkt des Liedes Ein Schmerz und eine Kehle springt Sängerin Jennifer Weist in die Menge und lässt sich von Händen bis in die Mitte des Konzertsaals tragen. Wieder auf der Bühne schwingt sie die Regenbogenflagge, während die Band sich solidarisch im Takt aufs Herz klopft. Der Beobachter merkt, dass für die Band Toleranz ein wichtiges Thema ist.
Nach Tauben aus Porzellan begrüßt die Band einen Neuling auf der Bühne. Rowdys die Tabletts mit Shots auf die Bühne bringen, sind für die Band nämlich elementar wichtig und so klatscht das Publikum begeistert für Neuzugang Matt der eine Konfettikanone abfeuert. Die Partylaune nimmt eine kleine Auszeit als in der ersten Reihe ein Streit zwischen Security und Fans entsteht. Alamiert spricht Sängerin Jennifer Weist den Security an „Was machen die denn so schlimmes?“; ein lautes Nichts ertönt aus der ersten Reihe. „Dann geh doch mal aus deren Sicht, du Arsch“. Anscheinend sind die Mädels am Rauchen, was im Palladium verboten ist. Trotzdem sagt Jennifer Weist „Dann lass sie doch rauchen. Wir rauchen einfach alle! Dann können die nichts machen“. Tosender Applaus bis zum nächsten Programmpunkt. Traditionell holt die Band zum Lied Feuer zwei Fans auf die Bühne. Heute sind es Rebbeka und Mona die nach einem kurzem Bühnen-Crashkurs „Mikrofon an den Mund, sonst hört man euch nicht!“ aufgeteilt jeweils eine Strophe und einen Refrain singen dürfen. Mona beginnt, doch vergisst vor Nervosität den kompletten Text. Bei Rebbeka läuft es besser, sie kennt den Text, nur singen kann man ihr Sprechbrüllen nicht nennen. Jetzt liegt es am Publikum zu entscheiden wer gewonnen hat. Gewonnen hat laut dem Klatschen und Jubeln des Publikums Rebbeka. Sie bekommt als Preis einen Merchandise-Gutschein.
Nach dem neuen Lied Der blinde Passagier wird zur Tittensuppe aufgerufen. Oberteile werden ausgezogen und durch die Luft gewirbelt während die Band Du willst mir an die Wäsche anstimmt. Nach Himalaya stimmt die Band etwas romantischere Töne an. Zu Das Schiff versinkt wird das Licht rötlich und gedämmt. Statt der sonst gewohnten Feuerzeuge leuchten Handys und Kameras bis das Lied mit einem Cover von Miley Cyrus‚ Wrecking Ball endet. Und es klingt gewaltiger als das Original! Jennifer Weists Kommentar zu Miley Cyrus: „Die Frau ist kacke, der Song geil!“. Um bei der romantischen Stimmung zu bleiben, erklärt Keyboarder Johannes Walter, Joe genannt, wie er Du nimmst mir die Angst geschrieben hat. Als er während der letzten Tour auf der Bühne seinem Freund einen Heiratsantrag gemacht hat, setzte er sich abends an dieses Lied. Das einzige Liebeslied, das es auf einer Jennifer Rostock Platte gibt. Die Menge ist berührt und stimmt beim Refrain ein. Um nach diesen seichten Liedern die Stimmung wieder zum Kochen zu bringen, bewegt Jennifer Weist das Publikum dazu, einen leeren Kreis in der Mitte des Palladiums zu bilden. In diesem sollen sich alle ausziehwilligen Jungs versammeln.
Beim Start ihres vermeintlich letzten Songs des Abends Es war nicht alles schlecht sollen eben diese nackten Jungs aufeinander zulaufen wie bei einer Wall of Death. Ein starkes Stück zu dem letztendlich doch Nico Webers von War from a Harlots Mouth für seinen Feature-Part auf die Bühne kommt. Leider ist sein Mikrofon zu leise, was dem Song etwas an Energie raubt. Riesenapplaus, aber man spürt, es ist noch nicht vorbei. Da müssen noch Lieder kommen. Auf die verlangte Zugabe müssen die Fans nicht lange warten. Quasi nahtlos spielen sie Zeitspiel, bei dem der Group-Shout des Liedes leider etwas mickrig wirkt. Der Stimmung tut das nichts an, vor allem nicht als Jennifer Rostock das Lied Kopf oder Zahl anstimmen. Nach einem letzten Mexikaner gibt es das von den Fans nicht ersehnte letzte Lied. Zum letzten Refrain von Mein Mikrofon holen sie Marathonmann und Nico Webers nochmal auf die Bühne und singen mit der gesamten Menge die Textstellen „Ich geh da hoch und streich den Himmel neu. Ich geh da hoch und mach die Sterne scheu“. Zu einem letzten großen Instrumentenwirbel beendet die Band ihren Gig mit der Anti-Rechts-Parole „Nazis raus, Schwanz rein“. Das bunte Publikum kann auf einen gelungenen Abend zurückblicken! Mit einer der unterhaltsamsten Bands des deutschen Musikhimmels.
Doch wer jetzt schon gegangen ist, ist selbst schuld. Bei ihrer zweiten Zugabe performen sie Schlaflos, den Titelsong ihres neuen Albums. Das Lied steigert sich von einem reinen Klavierintro hin zu einem epischen Ende mit allen Instrumenten und einer letzten Ladung der Konfettikanonen.
Anfang Februar wurde Tim Bendzko mit der Goldenen Kamera in der Kategorie „Beste Musik National“ ausgezeichnet. Seinen Durchbruch hatte er im Juni 2011 mit dem Debütalbum „Wenn Worte meine Sprache wären“. Die Single „Nur noch kurz die Welt retten“ hielt sich 47 Wochen lang in den Charts und wurde später mit Platin ausgezeichnet. Nicht wenige sortieren den 28-jährigen Berliner gerne in die Schublade „Deutscher Befindlichkeitspop“ ein, wo bereits Kollegen wie Clueso, Xavier Naidoo oder Laith Al-Deen ihren Platz gefunden haben. Zugegebenermaßen gehörte Tim Bendzko bisher auch nicht gerade zu meinen selbsternannten Favoriten. Doch es gibt Situationen, da folgt das Leben keinem vorgefertigten Plan und so finde ich mich heute im ausverkauften Kölner Palladium wieder, um den Auftakt seiner „Ich steh nicht mehr still“-Tour mitzuerleben. Eigentlich fand der schon gestern an gleicher, ebenfalls ausverkaufter Stelle statt, aber da der Mittwochtermin offiziell als Zusatzkonzert deklariert war, startet die Tour genau genommen erst richtig am heutigen Donnerstag. Hört sich komisch an, ist aber so.
Dass zeitgleich im gegenüberliegenden E-Werk die Stunksitzung stattfindet, macht die ohnehin schon schwierige Parkplatzsituation rund um die Mülheimer Schanzenstrasse nicht unbedingt einfacher. Trotz der Geduldsprobe im strömenden Regen sind die Fans extrem gelassen. Da wird in der Schlange vor dem Essensverkauf nicht gemeckert und beim Gang durch die vollen Reihen höflich Platz gemacht. Für seine insgesamt 27 Konzerte hat sich Tim Bendzko zwei Special Guests eingeladen. Den Auftakt macht der Wahl-Hamburger Tom Klose, der zwar auf Englisch singt, mit seinem Genremix aus Pop, Country und Soul aber ansonsten gut zum musikalischen Kosmos des Abends passt und nach einer halben Stunde mit wohlwollendem Applaus verabschiedet wird. Ihm folgt Julia Engelmann, seit dem „Bielefelder Hörsaal Slam“ der Shooting-Star in der Poetry-Slam-Szene. Die 21-jährige Studentin aus Bremen ist spürbar nervös. Ich finde sie im Vorprogramm eher deplaziert, aber schließlich schafft sie es doch die Halle mit ihrem Text „One Day“ zu fesseln. Und so schnell wie sie gekommen ist, ist sie auch schon wieder weg.
Um 20.40 Uhr fällt dann der Vorhang für Tim Bendzko. Rein optisch könnte er durchaus als der jüngere Bruder von Matthias Schweighöfer durchgehen. Mit „Mein Leben ist dein Leben“ startet er in sein Set und der Sound ist für die sonst eher gewöhnungsbedürftige Akustik im Palladium von Beginn an überraschend klar und ausbalanciert. Auch die Kölner erweisen sich vom ersten Ton an als überaus textsicher. Erstaunlicherweise bestand nach Aussage von Tim Bendzko am Vorabend der Grossteil des Publikums aus Männern. Diesmal sind die Frauen deutlich hörbar in der Überzahl. Weiter geht es über „Ohne zurück zu sehen“ und „Vergessen ist so leicht“ bis „Alles was du wissen musst“. Untermalt wird das Ganze von einer geschmackvollen Lightshow und allerlei witzigen Projektionen im Bühnenhintergrund. Es hat schon fast einen Anflug von Rebellion, wenn dort überlebensgrosse Strichmännchen auf einer Backsteinmauer auftauchen und unfreiwillig ihren Mittelfinger ausstrecken. Währenddessen versucht Tim Bendzko ein wenig zu tanzen, was ihm jedoch nicht sonderlich gut gelingt.
Was macht den Reiz dieses „Betroffenheits-Poeten“ aus, der es nach nur zwei Alben schafft, das Palladium gleich zweimal hintereinander auszuverkaufen? Ist es die Tatsache, dass man den Alltag für ein paar Stunden gegen eine Welt aus einfachen Worten und sanften Zwischentönen eintauschen kann? Bei Tim Bendzko hängt das Leben „Am seidenen Faden“, aber es geht bis „Unter die Haut“. Spätestens als „Nur noch kurz die Welt retten“ erklingt wird klar, dass die 4.000 Fans das genau so sehen. Lediglich beim eingestreuten Grönemeyer-Cover „Was soll das?“ zeigen sie sich leicht irritiert. Als der Song 1988 auf dem „Ö“-Album des Bochumer Barden erschien, rannten einige von ihnen wohl noch mit der Windel um den Weihnachtsbaum. Fast wie zum Trost lässt es sich Tim Bendzko während „Sag einfach ja“ nicht nehmen in den Fotograben zu springen und auf Tuchfühlung zu den ersten Reihen zu gehen. Die Band, die sich den gesamten Abend über als wunderbar spielfreudig präsentiert, zeigt ihm derweil, wie man auf einer Bühne wirklich tanzt.
Den ersten Zugabenblock eröffnet Tim Bendzko alleine mit Gitarre und „Ich laufe“. Danach erklärt er uns, was es bedeutet „Wenn Worte meine Sprache wären“, bevor die Kölner erneut dazu aufgefordert sind, weiteren Nachschlag zu verlangen. Sie bekommen ihn passenderweise in Form von „Mehr davon“ und dem aktuellen Hit „Programmiert“. Dabei teilt Tim Bendzko die Menge in zwei Hälften (blau und grün) und lässt sie abwechselnd den Refrain singen. Nach zwei Stunden bildet „Leicht sein“ dann den endgültigen Abschluss. Als die Hallenbeleuchtung wieder angeht und ich in die Gesichter um mich herum blicke, scheint das für den einen oder die andere tatsächlich das Motto für den Heimweg zu sein. Und egal was man von Tim Bendzko halten mag oder nicht, das ist es doch was Musik ausmacht: Grosse Gefühle!
Einen spektakulären Auftakt zu ihrer Tour gab die Singer-Songwriterin Ellie Goulding am 28.01.2014 im Palladium in Köln. Um die begehrten Plätze in den ersten Reihen ergattern zu können, standen die Gäste mehrere hundert Meter Schlange. Das Konzert war ein voller Erfolg für die Gäste sowie für Ellie Goulding.
Der Tourstart der 27-Jährigen Britin wurde ursprünglich für die Live Music Hall geplant, in welcher weniger als die Hälfte Zuschauer Platz gefunden hätten. Das Verbreiten der neuen Single „Burn“ erhöhte jedoch den Bekanntheitsgrad von Goulding und die Nachfrage nach den Konzertkarten stieg enorm. Der Song „Burn“ entwickelte sich zu einem Nummer-1 Hit in England und das dazugehörige Album zu einem großer internationaler Erfolg. Nachdem das Konzert in das Palladium verlegt wurde, waren auch schon hier gut zwei Monate vor dem Event alle Tickets ausverkauft.
Ellie Goulding verzauberte ihre Fans in einem knappen Leder-Outfit inklusive schwarzen Doc Martens und begann das Konzert mit dem Song „Figure 8″ aus ihrem aktuellen Album. Zur Begrüßung nach dem zweiten Song „Ritual“ gewann sie ihre Fans mit ihrer signifikanten, sympathischen Stimme erneut für sich und sprach zusätzlich die Fans an, die sie von einem Konzert ihrer letzten Tour wieder erkannte.
Das gesamte Konzert über performte Goulding mit viel Energie 21 Songs ihres aktuellen Albums „Halcyon Days“ und einige aus ihrem ersten Album „Bright Lights“. Abgesehen vom Gesang begeisterte Goulding ihre Zuschauer zusätzlich mit ihren Schlagzeug- und Gitarrenkünsten. Unterstützt wurde ihre Performance durch farbige Lichtakzente ganz im Zeichen ihrer Single „Lights“. Die elektrischen Beats animierten die Zuschauer im Verlauf des gesamten Konzertes zu Bewegungen.
Ein besonderer Höhepunkt dieses Konzertes war die Darbietung des bekannten Covers von der Ballade „Your Song“ (ursprünglich von Elton John), bei welchem nahezu jeder Zuschauer Goulding textsicher begleitete. Daran angeschlossen präsentierte sie die sanften Balladen „How long will I love you“, „The Writer“ und „Explosions“. Durch die Songs „Explosions“, „Only you“ und „This Love“ lockerten sich die Bewegungen der Zuschauer weiter und zu den mitreißenden Beats der Songs „Anything could happen“ und „I need your love“ tanzte schließlich jeder im gesamten Zuschauerraum.
Das Mainset endete mit der erfolgreichen Single „Lights“ aus ihrem ersten Album. Als Zugabe und somit zur Verabschiedung sang Goulding endlich die langersehnte Single „Burn“ und gab dem Konzert somit einen gebührenden Abschluss.
Nach ihrem ersten Konzert in Köln gab es ein weiteres in Offenbach, bevor sie in den skandinavischen Ländern Konzerte gibt. Anfang Februar tritt sie im Rahmen ihrer Tournee erneut in Deutschland auf. Bis zum 9. März 2014 wird Ellie Goulding ihre Tour in Europa fortsetzen und anschließend in den USA weitere Konzerte geben.