Fast könnte ich denken, Bon Jovi treten in Köln-Mülheim auf – parkende Autos mit Band Schriftzügen und Aufklebern säumen den Weg zum E-Werk, in dem der ehemalige Bon Jovi-Gitarrist Richie Sambora seinen Solo-Auftritt hat. Unterstützt wird er auf seiner „Aftermath Of The Lowdown“-Tour von der Gitarristin Orianthi. Mit 18 Jahren wurde die Australierin von Carlos Santana entdeckt, sollte Michael Jacksons Abschiedstour gitarrentechnisch begleiten und tourte zuletzt mit Alice Cooper durch die Welt bis Richie Sambora auf das nun 29 Jahre junge Talent aufmerksam wurde.
Nach einem kurzen Auftritt von Deutsch-Pop-Sänger-mit-Gitarre Willer betritt Richie um 21.10 Uhr die Bühne. Bassist, zwei Keyboarder, Drummer und mit dem Doppel Richie und Orianthi an der Gitarre – dies verspricht ein Konzerthighlight zu werden, wenn da das anfängliche Geholpere nicht wäre. Schon zum Lean Russel-Cover „A Song For You“ ist der Sound noch nicht richtig ausgerichtet, Richies Gitarrenspiel noch nicht aalglatt. Mit „Burn That Candle Down“ und „Nowadays“ beginnt er mit zwei Songs seiner aktuellen, dritten Solo-Scheibe „Aftermath Of The Lowdown“. Doch bereits „Lay Your Hands On Me“ zeigt, dass das Publikum eher bei den Bon Jovi Songs textsicher ist und mit Sicherheit Bon Jovi-Fans in der Menge sind, die Richie mit seiner bluesigen und charakteristischen Stimme Jon gegenüber bevorzugen. Während Orianthi überwiegend an ihrer blauen Gibson in die Saiten greift, wechselt Richie zu jedem Song zwischen Fender, Gibson, Western-Gitarre, Double-Neck und immer wieder zu merken: er nickt Orianthi anerkennend zu, wenn sie über das Gitarrenbrett schrabbt und die beiden sich in Gitarren-Soli verlieren. Es macht Spaß den beiden bei ihren Intermezzi zuzuschauen und ab und an wünsche ich mir, wir wären nicht mit gut 1.500 Fans im E-Werk, sondern mit 200 Fans in einem stickigen, winzigen Club, in dem die beiden sich von einem Gitarren-Solo zum nächsten spielen. Dass Orianthi nicht nur an der Klampfe Talent hat, beweist sie bei „You Don’t Know“ mit ihrer klaren Stimme. Während sie mit Richie zusammen auf der Bühne manchmal fast schüchtern und zurückhaltend wirkt, dreht sie alleine an den Vocals auf. Wir dürfen sehr gespannt sein auf das gemeinsame Album-Projekt der beiden Gitarristen.
Je später die Stunde, desto mehr dreht auch Richie auf, hat sich warmgespielt und spricht mit einem Zwinkern über seine persönliche Krisen – textliche Grundlagen seines letzten Albums – und schnoddert dabei leider meist unverständlich in das Mikro. Bereits vor zwei Jahren tourte er mit den Songs der aktuellen Platte durch deutsche Clubs, dieses Mal unterstützt eine Mehrzahl von Cover-Songs wie „Storybook Love“ von Mark Knopfler und Willy de Ville, Bob Marleys Reggae-Klassiker „Get Up, Stand Up“, angereichert durch eine gelungene Auswahl an Bon Jovi Songs seine Konzerte. „I’ll Be There For You“ und „These Days“ sind ein Ohrenschmaus aus Richies Mund und mit den bei Bon Jovi Konzerten bekannten “I’ll Be There For You“-Chören, werden Richie und Band zur ersten Zugabe auf die Bühne zurückgerufen und bringen eine Handvoll weiterer Musiker mit.
Sie hatten sich um den Spot als Richies Vorband beworben, letztlich machte Willer das Rennen – nun sind sie aber alle mit Richie und Band auf der Bühne und bringen „Lean On Me“ zum Besten. Ein wenig chaotisch, ein wenig durcheinander – Richie muss hier und da mal Anweisungen geben zum Aufstellen am Mikro und zum coolen Posen mit den zahlreichen Gitarren. Die weiteren Songs sind ein Feuerwerk für wohl alle Fans: die akustische Version von „Living On A Prayer“ beflügelt durch das abwechselnde Singen zwischen Richie und Orianthi zum Gänsehautfeeling und „Stick To Your Guns“ des New Jersey-Albums ist eine kleine Zeitreise in kaum live-gehörte Songs. Es gilt als Intro zum legendären „Wanted Dead Or Alive“ mit dem sich Richie und Band um 23 Uhr von der Bühne verabschieden. Von wegen… „I’m ready to leave here, how about you?“ witzelt Richie. Das Publikum will mehr und wird mit “Father Time” belohnt – nur Richie, seine beeindruckende Stimme und seine Gitarre – mehr Gänsehaut an diesem Abend geht nicht! Zum grandiosen Abschied noch „Takin‘ A Chance On The Wind“ – auffällig: kein einziger Song der Platte „Undiscovered Soul“ hat es auf die Setlist geschafft… hat Richie mit der damals glücklichen Zeit abgeschlossen? Fans in den ersten Reihen wünschen sich auf Schildern u.a. „Harlem Rain“. Zumindest hat Richie Sambora noch genug Material, um noch weitere Auftritte zu absolvieren – wir freuen uns auf seine Rückkehr mit einer neuen Platte und weiteren Konzerten!
Das Wetter hätte nicht besser sein können für dieses Open Air Konzert. Gemütlich sammelten sich die Besucher im Hof des ExHauses in Trier und genossen mit kühlem Bier die angenehme Abendsonne. Für einen Moment meinte man, der Aberglaube an Freitag den 13. könnte sich behaupten, als plötzlich noch vor Beginn des Konzerts einige Äste ohne große Vorwarnung mitten auf sitzend wartende Besucher herabstürzten. Nach einer Schrecksekunde, in der auch sofort die Security herbeieilte, wurde aber festgestellt, dass Gott sei Dank niemand verletzt wurde. Und kurz darauf ging es auch schon los.
Den Anfang machten Meg’n’Jez mit ihrem akustischen Punkrock. Das Duo besteht aus Meg, deren wunderschöne Stimme von Jez‘ Gitarre untermalt wird. Die beiden gaben sowohl gecoverte als auch eigene Songs zum Besten und unterstützen die Sommer-Chill-Atmosphäre die zu Beginn noch ganz klar in der Luft lag.
Danach verabschiedeten sie sich dankend, aber statt der erwarteten Umbaupause ging es Schlag auf Schlag weiter mit Scheiße Minelli. Der gespielte Hardcore Punk beendete die aufgekommene Biergartenstimmung und langsam aber sicher fing das Publikum an sich zu bewegen. Obwohl die Zuschauer anfangs nicht so recht wussten, was sie von den verrückten, hauptsächlich englisch sprechenden und laut musizierenden Männern halten sollten, konnten sie dann schnell überzeugt werden. Frontmann Sam blieb stets humorvoll und die Band mit einem der witzigsten Namen schaffte es auf jeden Fall dem Publikum etwas einzuheizen.
Die darauffolgende Terrorgruppe lehnte sich sehr an das Motto des Abends an und bezeichnete sich selbst als Zombiepriester und die Zuschauer als Zombies. Einerseits wurde das Motto auf witzige Art und Weise übermittelt während andererseits auch ganz klar auf die 10 jährige Auftrittspause der Berliner angespielt wurde, die erst vor knapp 3 Wochen endete. Archie und Johnny waren sympathisch wie eh und je und spielten Hits aus ihrer gesamten mittlerweile schon 20 jährigen Bandgeschichte. Zu jedem Lied wurde mit gegrölt und gefeiert was das Zeug hielt und jeder hatte Spaß. Archies Versuch sich eine Arschrakete zu zünden konnte leider nicht in die Tat umgesetzt werden, trug aber trotzdem reichlich zur allgemeinen Belustigung bei. Die erneute Zündung wurde auch immer wieder bis zum Ende der Show der DONOTS durch „Archie!“ Rufe gefordert, fand leider aber nicht statt.
Während danach die DONOTS die Bühne regierten, herrschte im Publikum ausgelassene Pogo Stimmung. Es war unmöglich ruhig stehen zu bleiben; man tanzte im Takt der Musik für sich oder mit anderen Konzertbesuchern im Moshpit. Die Band gab alles und war sichtlich begeistert von ihrem Publikum.
Als Special Guest durfte man sich über Vom Ritchie, den Schlagzeuger der Toten Hosen, freuen. Dieser nahm auch für einen Song den Platz von Eike hinter den Drums ein. Damit nicht genug – die DONOTS spielten einen Hit nach dem anderen und es wurde zu keiner Sekunde langweilig. Hier und da surften einige Zuschauer auf der Crowd, aber nichts übertraf Frontmann Ingo, der sich wortwörtlich von seinen Fans auf Händen tragen ließ. Fast ganz aufrecht stehend performte er auf dem Publikum.
Gegen 23:00 Uhr neigte sich das Konzert dann zum Ende, doch den Konzertbesuchern schien das weniger zu gefallen. Es wurde laut weiter gejubelt und weitere Songs gefordert. Den Wunsch konnten die DONOTS uns dann nicht abschlagen und gaben ohne Ermüdung Zugaben. Als Grande Finale bat Ingo die Fans einen Kreis zu bilden, in den er sich mit Alex stellte und inmitten des Publikums (nachdem Ingo das Saarland noch fleißig für den Einsatz lobte) einen allerletzten Song spielte. Geiles Konzert, geile Stimmung, keine Spur von Unglück an diesem Freitagabend!
The National haben Glück. Hätten sie zwei Tage vorher in Köln gespielt, wäre ihr Konzert wohl buchstäblich ins Wasser gefallen. Nach dem Unwetter, das rund um die Domstadt seine Spuren hinterlassen hat, wird der Tanzbrunnen heute nur von der Sonne überflutet und das wunderschöne Ambiente aus Palmen und Zeltdach sorgt dafür, dass schon fast wieder so etwas wie Urlaubsatmosphäre aufkommt. Da passt der melancholische Indie-Rock des Quintetts aus Cincinnati doch bestens. Vor gut einem Jahr erschien ihr sechstes Album „Trouble Will Find Me“. Ein Album, das gleichzeitig so neuartig wie familiär klingt und der vorläufige Höhepunkt einer künstlerischen Reise ist, die The National sowohl in neue Sphären als auch zurück zu ihren Anfängen bringt. Für Juli diesen Jahres ist übrigens die Tour-Doku „Mistaken For Strangers“ von Matt Berningers Bruder Tom angekündigt und wenn man das Konzert in Köln als Maßstab nimmt, dann darf man sich darauf mehr als freuen.
Als Matt Berninger und die zwei Brüderpaare Aaron (Gitarre, Bass, Piano) und Bryce Dessner (Gitarre), sowie Scott (Bass, Gitarre) und Bryan Devendorf (Schlagzeug) gegen 20 Uhr die Bühne betreten – unterstützt von einem Trompeter und einem Posaunisten -, ist der Jubel entsprechend. Vor und auf der Bühne herrscht eine gleichzeitig gespannte wie entspannte Stimmung, wozu der gefeierte Opener „Start A War“ sein übriges beiträgt. Überhaupt wirkt das Set heute sehr stimmig und dynamisch und spätestens ab „Bloodbuzz Ohio“ ist auch Matt Berninger nicht mehr zu halten, während die Band zwischen Balladen und Rock hin und her pendelt. Berninger lässt seine Bariton-Stimme über die Köpfe der etwa 2.500 Fans hinwegschweben und prügelt ab und zu auf sein Mikro ein, als wüsste er gerade nicht wohin mit seinen Emotionen. Und davon haben The National ja bekanntlich genug im Gepäck. Dass dabei auch die ein oder andere Weinflasche dran glauben muss, sei nur am Rande erwähnt. Das Mainset endet standesgemäß mit „Fake Empire“ und Matt Berninger wirkt in diesem Moment so scheu und verletzlich, dass man am liebsten auf die Bühne springen und ihn mal feste in die Arme schließen möchte.
Dazu bietet schließlich der Zugabenblock Gelegenheit, der mit dem Perfume Genius-Cover „Learning“ beginnt. Während „Mr. November“ nimmt Berninger ein ausgiebiges Bad in der Menge, begleitet von zwei leicht panisch aussehenden Technikern, die versuchen, mit der Mikrophonschnur niemanden zu erdrosseln. Zu „Terrible Love“ gesellen sich dann die Musiker der Vorgruppe St. Vincent (die wir zugunsten einer Pizza und eines Kölsch verpasst haben) zu The National und gemeinsam strebt man dem Ende des Abends entgegen. Diesen markiert dann das akustische und nochmals hochemotionale „Vanderlyle Crybaby Geeks“, zu dem der ganze Tanzbrunnen singt und tanzt.
Nach fast zwei Stunden geht man schließlich mit der wohligen Gewissheit nach Hause, dass The National große Gefühle nicht nur hör-, sondern vor allem spürbar machen. Dabei bewegen sie sich mit einer erstaunlichen Eleganz zwischen transparenten – fast schon stillen – und überbordend instrumentierten Momenten. So schön kann Schwermut sein.
Ein schlimmes Unwetter fegt über Düsseldorf mit teils dramatischen Folgen hinweg. Die Zuschauer im zakk bekommen davon nichts mit. Gemeinsam mit drei Norwegern und einem Schweden bereisen sie fast drei Stunden lang unterschiedliche Klanguniversen. Einen sanften Einstieg bildet das Akustik-Set, einem festen Bestandteil der diesjährigen Motorpsycho-Tour. Während sich noch einige Fans im hauseigenen Biergarten mit den herannahenden dunklen Wolken beschäftigen, geht es drinnen mit einem sehr gefühlvollen “Coventry Boy” los. Aus noch früheren Tagen, stammt das nachfolgende “Babylon”, ein Song des Albums “Demon Box”, mit dem Motorpsycho 1993 der Durchbruch gelang. Und spätestens mit “Kill Some Day” entwickelt sich dieser erste Part zur Reminiszenz an das Frühwerk der Norweger. Die Langzeit-Fans mögen so etwas sehr und singen lautstark den Refrain von “Waiting For The One”.
Fast nahtlos leitet dann “Stained Glass” ins Hauptset über. Es stammt aus dem Album “Let Them Eat Cake”, mit dem die Band im Jahr 2000 ihre Pop orientierte Schaffensphase einläutete. Es ist eindeutig dieses Werk, das Motorpsycho für die aktuelle Tour wieder aus dem Regal gezogen haben, um dessen Songs in neuen Gewändern aufleben zu lassen. Ein solch neues Arrangement bekommt auch “Serpentine” verpasst und avanciert darin zu einem der Höhepunkte des Abends. Aus dem schnörkellosen Popsong wird heute Abend ein psychedelisches Meisterwerk mit Doom-Einschlag.
Als Gitarrist “Snah” Ryan die Doubleneck zur Hand nimmt, ist klar, dass der längste Song des Abends bevorsteht. “Hell” verteilt sich mit seinen sieben Parts auf die letzten beiden Alben und wird heute als 45-minütiges Gesamtkunstwerk dargeboten. Den Beitrag, den Reine Fiske – offiziell noch Gastmusiker bei Motorpsycho – an der Gitarre und am Mellotron hierzu beisteuert, ist grandios und mittlerweile eigentlich unersetzlich. Mit einem tollen Solo veredelt er auch “The Magic & The Wonder” vom aktuellen Album “Behind The Sun”. Aus diesem stammt auch “Ghost”, eigentlich eine Akustik-Ballade, die in ihrer Live-Version vor allem dank der Raum füllenden Akkorde von Bassist Bent Sæther viel energischer ist. Einen Ausflug in den Hyperspace dürfen wir vor der Zugabe im Cockpit des “Starhammers” unternehmen. Wuchtige Riffs machen einem sphärischen Mittelteil Platz. “Entropy” ist mit einer guten Portion Overdrive im Bass ein stimmungsvoller Abschluss des Mainsets.
Die besondere Überraschung gibt es dann in der Zugabe. Bent entschuldigt sich schon im Vorfeld für mögliche Ungenauigkeiten, denn wirklich einstudiert wurde “577” nicht. Reine Fiske hatte gerade mal 5 Minuten im Soundcheck zur Verfügung, um sich auf seinen Part im 15-minütigen Power-Jam vorzubereiten. Er macht seine Sache hervorragend, ebenso wie im von vielen Fans frenetisch bejubelten “Plan #1”. Und weil weder Band noch Fans genug bekommen können, wird mit einer zweiten Zugabe der Bogen zum ersten Akustik-Part gespannt. Beim wundervollen “Come On In” stört eigentlich nur der Lärm der unter den Schuhen zerberstenden Plastikbecher. Bent stellt unter großem Applaus noch einmal die Bandmitglieder vor und sich selbst dann als Dieter Hoeneß, im Gegensatz zum Vorabend in Heidelberg, als er sich noch als Paul Breitner ausgab. Drummer Kenneth Kapstad, der mal wieder Großartiges geleistet hat, überreicht seine Sticks gezielt einem der jüngsten Zuschauer, für den dies wohl mehr als ein i-Tüpfelchen auf einen tollen Konzertabend war. Glückwunsch, Ben!
Die Burg Freudenburg ist zwar nicht ganz leicht zu finden, bietet dafür aber die perfekte Kulisse für eine Open Air Veranstaltung. Ein bunt gemischtes Publikum hat sich an diesem wunderbaren Frühsommerabend auf dem Rasenplatz zwischen den Burgruinen versammelt um die irische Songwriterin Wallis Bird zu erleben. Nach ihrem erfolgreichen Solo-Auftritt beim letztjährigen Songwriter-Festival in Saarburg war sie diesmal mit kompletter Band angereist.
Zunächst sind aber noch zwei Special Guests am Start. Den Anfang macht die Band Keston Cobblers Club, die mit schwungvollem Folk für Stimmung sorgen und vereinzelte Zuhörer sogar zum Tanzen bewegen können. Die fünf Musiker beherrschen von Tuba über Mandoline bis zum Akkordeon fast alle erdenklichen Instrumente und überzeugen außerdem mit tollem Harmoniegesang – ein gelungener Auftakt für das Burg Open Air.
Anschließend betritt die Schweizerin Anna Aaron mit ihrer Band die Bühne und präsentiert ihre rockigen, recht speziellen Songs. Ihr starker Gesang gleitet immer wieder in sphärische Passagen ab und mit Hilfe einer Loop-Station schafft sie faszinierende, aber auch verstörende Sound-Landschaften. Ein spannender Auftritt, aber für einen Großteil des Publikums wohl etwas zu anspruchsvoll.
Das Equipment jeder Band muss auf der kleinen Bühne zwischendurch immer komplett abgebaut und wieder neu aufgebaut werden, und so ist es bereits dunkel und recht frisch, als Wallis Bird endlich am Start ist. Dann aber heizt das musikalische Energiebündel den Zuhörern gleich ordentlich ein mit „Communion“, einer kraftvollen Nummer aus ihrem neuen Album „Architect“. Dieses steht im Mittelpunkt ihres Programms und ist an diesem Abend fast vollständig zu hören. Dazwischen gibt es aber auch ältere Songs, wie „Blossom“ oder das Liebeslied „To My Bones“.
Wallis nimmt ihr Publikum von Anfang an voll mit, sorgt zwischendurch mit ihren Ansagen in einer Mischung aus Deutsch und Englisch für Erheiterung und bringt wieder einige Gitarrensaiten zum Reißen. Aber auch die anderen Bandmitglieder geben alles, wechseln zwischen verschiedenen Instrumenten und lassen sich selbst durch kleine Pannen wie instabile Mikros nicht aus der Ruhe bringen. Sogar der Schlagzeuger verlässt mal seinen Platz hinter den Drums und beweist sich beim atmosphärischen „Holding A Light“ als talentierter Beatboxer. Mit Songs wie „Gloria“ und „Hardly Hardly“ hält die Band das Energielevel hoch, bis sie sich mit „Encore“ erstmals von der Bühne verabschiedet.
Zur ersten Zugabe kommt Wallis alleine mit Gitarre zurück und sorgt für Gänsehaut, indem sie „In Dictum“ komplett unplugged singt und im Refrain dabei von mehrstimmigem Gesang des Publikums unterstützt wird. Zu „The Circle“ kommt dann nochmal die Band dazu und beschließt mit diesem Song über Freundschaft ein gelungenes Open Air.
Die erste Europatournee der Piano Guys durch Deutschland, Österreich und die Schweiz war komplett ausverkauft und das Quartett um die beiden Musiker Jon Schmidt (Piano) und Steven Sharp Nelson (Cello) wurde mit Standing Ovations gefeiert. Ihre außergewöhnlichen Videos, die auf YouTube bis zu 400 Millionen Mal angeschaut wurden, binden The Piano Guys natürlich auch in Ihre Konzerte ein: Sie holen damit unglaubliche Kulissen wie die chinesische Mauer auf die Bühne und erschaffen ein beeindruckendes visuelles Erlebnis.
Auch musikalisch gilt für die vier Künstler, zu denen auch die beiden Produzenten Paul Anderson und Al Van Der Beek gehören, das Motto: „No Limits!“: The Piano Guys aus dem US-Bundesstaat Utah präsentieren mit ihren eigenen Arrangements eine einzigartige Mixtur aus Klassik und Pop sowie ein umfangreiches Repertoire, das von Beethoven über Coldplay bis hin zu David Guetta reicht.
Mehr als zwei Millionen Fans können sich nicht irren: The Piano Guys muss man live gesehen haben! Aufgrund des Auftritts bei „Verstehen Sie Spaß?“ waren sie in Deutschland auf Promotour unterwegs und wir konnten ihnen am 5. Juni in Saarbrücken begegnen. Dort trafen wir auf das bestens gelaunte Quartett, dessen fröhliche Stimmung sehr ansteckend war. Da das Interview nur auditiv aufgezeichnet wurde und ich die Stimmen beim besten Willen den Protagonisten nicht zuordnen kann, wird der Sprecher nur in Ausnahmefällen namentlich bestimmt. (Fotos: Jörg Lorscheider.)
Hallo. Schön, dass ihr Zeit für uns habt. Musicheadquarter ist ein Onlinemagazin für alle Arten von Musik. Von Klassik bis Heavy Metal.
Cool. Magst du Heavy Metal?
Ja. Aber jetzt geht es ja um euch. Am Samstag seid ihr bei „Verstehen sie Spaß?“. Ist das euer erstes Mal im deutschen Fernsehen?
Nein. Wir waren schon zweimal bei Mario Barth. Er liebt unsere Show. Er hat eins unserer Konzerte in Berlin gesehen. Ein super Typ. Er ist unser Freund.
Im November werdet ihr in der Saarlandhalle Saarbrücken auftreten. Was darf man erwarten?
Wer unsere YouTube-Videos mag, wird auch das Konzert lieben. Es ist, als ob man unsere Videos anschaut – aber es gibt viele unerwartete Dinge. Wir machen etwas Comedy und spielen ganz andere Versionen der Songs, die man schon aus dem Internet kennt. Wir werden auch mal alle vier auf der Bühne stehen. Das Publikum kann viel Spaß erwarten.
Aber die eigentliche Band sind Jon und Steven?
Paul: Sie sind die meiste Zeit auf der Bühne, aber manchmal leisten wir ihnen Gesellschaft. Im Hintergrund werden die Videos abgespielt. Jeder hat seine Aufgabe.
Ihr werdet als YouTube-Phänomen bezeichnet. Ich kann das nachvollziehen, denn seit mein Sohn „Cello Wars“ kennt, will er das Video ständig wieder sehen. Aber wie wollt ihr so etwas auf der Bühne umsetzen?
Manche Videos sind wirklich unmöglich auf der Bühne umzusetzen, aber wir tun unser Bestes. Ich glaube, bisher war noch niemand enttäuscht. Jeder mag, was wir tun. Was „Cello Wars“ angeht, haben wir noch keine Möglichkeit gefunden, das live zu spielen. Aber wir haben eine Idee – vielleicht Hologramme. Hast du die Michael Jackson-Show gesehen? Mit dem Hologramm von Michael?
Ich hab sie nicht gesehen, aber davon gehört.
Vielleicht versuchen wir mal etwas in der Art. Aber die Technologie ist sehr teuer. Wie heißt dein Sohn?
Florian.
Wir wissen, dass kleine Kinder zur Show kommen und gerne „Cello Wars“ sehen wollen. Wir werden irgendwas mit Video auf dieser nächsten Tour machen. Sie werden nicht enttäuscht sein. Versprochen.
Paul und Al werden auf der Tour mit dabei sein. Davon haben wir schon gesprochen. Alle vier zusammen nennt ihr euch The Piano Guys, aber das Cello ist ein wichtiges Instrument in eurer Performance. Ist es nicht diskriminierend für Steven, dass er sich Piano Guy nennen muss?
(Großes Gelächter.) Steven: Ich mag dich! Diskriminierung…. ja, es ist wirklich diskriminierend für mich. Beim Konzert dreht sich alles um Jon. Das ist das Problem.
Jon: Nein, nein.
Paul: Ich erkläre es dir. Das ist wirklich wichtig. Der Name hat verschiedene Hintergründe. Ich hatte ein Klaviergeschäft im Süden von Utah und wir nannten uns „The Piano Guys“. Der Laden hieß so. Aber wir suchten nach einer besonderen Idee fürs Marketing. So lernten wir Jon kennen. Er kam in den Laden, hat gespielt und wir begannen mit dem Drehen von Videos. Dann stellte er uns Steve vor: „Hey, das ist Steve. Er ist Cellist.“ Und Steve stellte uns Al vor: „Er ist Musikproduzent.“ Und plötzlich hatten wir alles, was wir brauchten. Wir hatten wirklich vor, den Namen des YouTube-Kanals noch zu ändern, aber als Steve dazu kam, war es schon zu spät.
Ich habe den Aprilscherz auf eurer Homepage gesehen. Ihr würdet euch in The Cello Guys umbenennen.
Ja. Hat er dir gefallen?
Sehr. Ich hab es einen kurzen Moment lang geglaubt, bis ich das Datum sah.
Steven: Das war eine tolle Idee von Al. Es sind einfach große Momente. Wir lieben diese Rivalität. Während der Konzerte ärgern wir uns gegenseitig. Das ist sehr spaßig. Es macht den Spaßfaktor der Piano Guys aus. Ich bin nicht sauer deswegen, aber ich tue so als ob.
Es gibt Stücke wie das „Ave Maria“, auf denen du das Cello in acht Spuren spielst. Könnt ihr das auf der Bühne machen?
Steven: Da arbeiten wir mit Videos. Wie schon gesagt. Du wirst mich einen Teil des Songs live spielen hören und im Hintergrund siehst du auf der Leinwand die übrigen Celli.
Du benutzt also keinen Looper?
Steven: Doch, ich arbeite auch mit Loops. Zumindest bei einigen Songs.
Und ich habe auch gesehen, dass ihr das Piano als Saiteninstrument nutzt, zum Beispiel in „What Makes You Beautiful“. Da werden die Saiten gezupft. Ihr macht Percussion auf und mit dem Holz. Wer hat so großartige Ideen?
Vor allem Al. Das ist meistens Al. Nein, wir alle haben solche Ideen. In diesem speziellen Fall war es ein geschäftliches Meeting und wir waren im Klaviergeschäft. Wir standen drum herum und haben uns unterhalten. Plötzlich begann jemand, dagegen zu schlagen, ein anderer hat an den Saiten gezupft und bevor wir wussten, was passierte, haben wir alle auf dem Piano gespielt. Wir dachten, das ist cool. Irgendwann mal, wenn wir unterwegs sind, werden wir die Idee nutzen. Und so kam es. Wir brauchen da nie lange. Wir hatten die Idee, haben ein Lied arrangiert, zusammen geprobt. Dann gingen wir ins Studio zum Videodreh. Das dauerte höchstens 4-5 Tage. Aber wir waren unsicher, ob wir es wirklich veröffentlichen sollen. Darf man das mit einem Piano machen? Letztlich haben wir es veröffentlicht und es ist unser am meisten gesehenes Video bis heute. Inzwischen haben wir 400 Millionen Views auf unserem Kanal. Drei Millionen YouTube Subscribers. Eine Million Facebook-Fans. Das hat uns überwältigt. Es ist wundervoll.
„What Makes You Beautiful“ war auch das Video, was mich letztlich von euch überzeugt hat.
Paul: Danke. Wir spielen es auf jeder Show. Ich und Al kommen raus und wir beschließen die Show damit. Irgendwann muss man ja auch aufhören. (Die anderen lachen.)
Ein Konzept wie „Rock meets classic“ funktioniert ja oft so, dass man die Originalsongs mit Gitarren und Schlagzeug holt und mit bombastischen Streichern umspielt. Ihr wählt aber Stücke aus, die allein mit Piano und Cello ihre Wirkung erzielen. Wie tut ihr das?
Das ist gar nicht so einfach. Wir probieren verschiedene Sachen aus und manchmal funktioniert es nicht mit Piano und Cello. Wir verändern die Tonart und probieren es wieder. Aber wir wählen nur Songs aus, die sich richtig anfühlen. Die zu unseren Instrumenten und zu unserem Stil passen. Die Kinder helfen uns oft bei der Auswahl. Wir haben zusammen 16 Kinder, musst du wissen. Und wir haben einen großen klassischen Hintergrund. Wir wählen klassische Musikstücke aus, die wir mögen. Das ist viel geworden über die Jahre. Und wir schreiben unsre eigene Musik.
Jon: Das ist sowieso das schwierigste. Du musst unter so vielen Tönen auswählen und entscheiden, welcher Ton als nächstes kommt. (Wieder großes Gelächter von den anderen.)
Und ihr versucht Stile zu kopieren, wie in „Michael Meets Mozart“, ohne aber tatsächlich deren Musik zu nutzen.
Ja, das ist wie bei einem Koch, der sein eigenes Gericht kreiert. Er bekommt Einflüsse von überall her, macht aber trotzdem sein eigenes Gericht. Und wir nutzen viele Einflüsse. Wenn du all unsre Tracks anhörst, wirst du viele verschiedene Sachen finden. Wir hatten das Gefühl, in One Direction ist manchmal die Musik von Bach versteckt. Und es hat großen Spaß gemacht, das heraus zu arbeiten. Die meisten Leute wissen das nicht, aber wenn du einen unsrer Songs hörst, all die Sounds, die komplette Sinfonie, die Percussion – das wird von Steve auf seinen Celli gemacht. Er hat viele davon in allen Varianten. Traditionelle Celli, Steel Celli, elektrische Celli. Sie können sich anhören wie Streicher, Viola, Doublebass, Schlagzeug – alles was du hörst wurde von einem Piano oder einem Cello gespielt. Mit einer Ausnahme: manchmal nutzen wir eine Kick Drum. Aber abgesehen davon ist alles von den beiden Instrumenten. Wir nutzen Als Studio. Er ist Musikproduzent und Toningenieur. Es macht großen Spaß, ein Musikstudio als Instrument zum Musikschreiben zu nutzen. (Alle lachen).
Ja, das tun wir doch. Wir müssen uns keine Sorgen machen, dass wir für die Zeit bezahlen müssen. Wir experimentieren zusammen. Außerdem haben wir unsere Väter und unsere Kinder. Wir testen die Songs aus. Das nennen wir den „Disney-Test“. Ist der Song in Ordnung? Etwas, das wir unseren Kids zeigen können? Wäre es okay, wenn Kinder den Song im Original sehen, den wir covern? Das originale Video auf YouTube? Das ist eine der Herausforderungen. Denn es gibt gar nicht so viele Videos und Lyrics, die in Ordnung („clean“) sind – also familienfreundlich.
Ihr covert also nichts von Miley Cyrus?
Steven: Du hast es erfasst. Manche ihrer Songs sind wirklich gut („catchy“). „Wrecking Ball“ – hey, das ist ein klasse Song. Ich dachte: Super. Schau dir mal das Video an. Und dann so etwas. Ich hab es sofort ausgeschaltet. Für Kids – oder auch für mich – ist das nichts. (Mal wieder großes Gelächter.)
Wie Jon und Paul schon gesagt haben: Es ist nicht einfach. Wir lassen auch Songs uns auswählen, indem sie uns inspirieren. Wirklich. Das ist es – die Inspiration.
Ich finde es aber interessant, dass ihr kindgerechte Lyrics und die Darstellung im Originalvideo zum Ausgangspunkt eurer Überlegungen macht. Es gibt nicht viele Musiker, die so handeln.
Danke, dass du es so siehst. Wir haben schon viele gute Ideen deshalb verworfen. Sachen, die wirklich super funktioniert hätten.
Eure Videos sind extrem aufwendig. Manchmal sieht man ein Piano in der Wüste, auf einem Felsen oder der chinesischen Mauer. Ist das alles echt? Fliegt ihr da per Hubschrauber hin? Oder wird auch getrickst?
Paul: Du weißt ja jetzt, dass ich ein Klaviergeschäft hatte. Mein Vater hat Klaviere transportiert. Er ist super, unglaublich. Er hat nie ein Piano beschädigt. So haben wir einfach Erfahrung und Zugang zu den richtigen Techniken. Jemanden, der uns einen Flügel transportiert, wohin auch immer wir ihn haben wollen. Wir machen das selbst. Nur für die chinesische Mauer – da haben wir 30 Leute engagiert, die uns geholfen haben. Die mussten ungefähr 1000 Stufen hoch.
Steven: Es gibt nur ein Video, bei dem wir Tricktechnik, einen Greenscreen genutzt haben. Was denkst du, welches es war?
Ich denke „Cello Wars“.
Steven: Genau. Alles andere ist wirklich echt. Das ist so aufregend. Manchmal sind wir wie kleine Kinder, die eine neue Idee haben und diese umsetzen wollen. Gegen jedes Gesetz. Okay, kommen wir zur nächsten Frage: Wie heißt die Hauptstadt von Utah?
Keine Ahnung.
Und die Hauptstadt von Deutschland?
Berlin.
Bingo. (Alle lachen.)
Was ist denn euer höchstes Ziel? Was wollt ihr unbedingt noch tun? Ein Video auf dem Mond drehen?
Steven: Einen Flügel aus einem Flugzeug werfen – und Jon spielt Piano bis zum Aufschlag. Ein Dreiminutenwalzer in 20 Sekunden. Das wär’s. Unser lustigstes Video haben wir in Berlin gedreht. Es heißt auch so. Kennst du das?
Nie gesehen.
Das ist in Deutschland für YouTube gesperrt. Irgendwelche rechtliche Gründe. Du musst es auf MyVideo anschauen. Wir waren an all diesen Orten, der Siegessäule, dem Brandenburger Tor, dem Berliner Dom. Es war traumhaft. Deutschland inspiriert uns.
Eine letzte Frage. Das will meine Frau gern wissen, die selbst Harfe spielt: Wie viele Celli hat Steven?
Es sind 18. Sie alle haben verschiedene Namen und eine Persönlichkeit. Das hier ist Boris. Er geht mit auf die Promotour. Wir haben aber auch 25 Klaviere. Und in jedem Flügel steckt eine Harfe.
Vielen Dank an euch. Dass ihr hier in Saarbrücken wart und euch so viel Zeit für meine Fragen genommen habt.
Wir danken dir auch. Es war schön, dir zu begegnen. Wenn du im November in die Saarlandhalle kommst: Bring Florian und deine ganze Familie mit. Ihr werdet viel Spaß haben.
Davon bin ich überzeugt.
Ein großes Dankeschön geht an Nadja von Popp Concerts, die uns das Interview vermittelt und uns vor Ort gewohnt herzlich betreut hat.