Im Januar erschien Sias siebtes Album „This Is Acting“. Ihre markante Stimme trägt das komplette Werk und sie hat auch diesmal wieder ein herausragendes Popalbum geschrieben. Was an Disco- und Dancefloor-Melodien vielleicht fehlt, ersetzt Sia durch pure Emotion. Es geht durch Mark und Bein, wie sie sich in die Stücke hinein singt, ihre ganze Kraft oder ihre Zerbrechlichkeit in die Melodien legt und den Zuhörer erschüttert.
Auf der Deluxe Edition, die sie jetzt nachschiebt, ist Maddie Ziegler zu sehen. Die junge Tänzerin, deren Performance inzwischen zu jedem Video der Sängerin dazu gehört und die inzwischen gar mit Sia auf Tour geht. Man kann die beiden fast schon verwechseln, so sehr wurde Maddies Gesicht inzwischen zum Sinnbild für Sias Musik.
Aushängeschild des erweiterten Albums ist die Auskopplung „The Greatest“, die auf der ursprünglichen Albumversion nicht enthalten war. Mit dieser brandneuen Single tummelt sich der Superstar aktuell schon wieder weltweit in der Spitzengruppe der Charts. Der Song entstand in Zusammenarbeit mit Kendrick Lamar.
Im erweiterten Tracklisting findet sich die neue Single nicht nur featuring Lamar, sondern auch als Soloversion. Außerdem gibt es die „Cheap Thrills“-Singleversion mit Sean Paul sowie die neuen Tracks „Confetti”, „Midnight Decisions”, „Jesus Wept” und einen Alan Walker-Remix von „Move Your Body”.
Fazit: Vier neue Songs, einer davon in zwei Versionen, und zwei Remixe. Hätte natürlich auch auf eine EP gepasst. Jeder wird selbst entscheiden müssen, ob sich der Kauf lohnt. Das Album bleibt weiterhin spitzenklasse.
Für die meisten plötzlich und unerwartet verstarb Joe Cocker am 22. Dezember 2014 im Alter von 70 Jahren auf seiner Mad Dog Ranch in Colorado an Lungenkrebs. Bei Freunden und Fans hinterlässt der britischen Rockstar, der unbestritten einer der herausragenden Rockmusiker seiner Generation war, eine große Lücke. Er veröffentlichte insgesamt 22 Studioalben, zehn Livealben, 68 Singles und tourte bis zuletzt immer wieder um die Welt.
Eigentlich ist es unmöglich, seine Bedeutung für die Musikwelt komprimiert auf einer Best-of-CD darzustellen. So waren dann ursprünglich für „The Life Of A Man – The Ultimate Hits 1968-2013“ auch zwei Silberlinge nötig, um die vielen Klassiker aufzufangen, die wir von dem herausragenden Rocker kennen. Doch wir leben in einer Zeit, die ihre Künstler schnell auf die wirklich bekannten und viel gespielten Klassiker reduziert. Streaming-Dienste wie Spotify tun ihr übriges dazu und treffen für jeden Hörer eine Vorauswahl, die den Charakter echter Alben ganz in den Hintergrund stellt.
Dem müssen auch die Plattenfirmen Rechnung tragen und so erscheint die Kollektion nun als „Essential Edition“ mit nur einer CD, die eben jene Gassenhauer enthält. Das ist dann keine echte Werkschau mehr, sondern eher eine profane Hit-Zusammenstellung. Trotzdem macht es Spaß, sich das Album anzuhören.
Neben Klassikern wie „With A Little Help From My Friends“, „Up Where We Belong” oder „You Can Leave Your Hat On” enthält „The Life Of A Man” auch die Live-Hymnen „The Letter” und „Cry Me A River” sowie die Balladen „You Are So Beautiful” und „Many Rivers To Cross”. Abgerundet wird diese Zusammenstellung von seinem letzten Chart-Erfolg „Fire It Up”. Für Langzeit-Fans verzichtbar, als nostalgisches Erinnerungsstück aber eine Zierde für jede CD-Sammlung. 75 Minuten feinster Musik.
Seit mehr als dreißig Jahren ist er das musikalische Aushängeschild der Band Soulfingers und hat über Jahre, teilweise auch unter dem Künstlerpseudonym Raoul Vandetta, unzählige Konzerte gespielt sowie einige Soul-Alben veröffentlicht, auf denen er sich stets für die „good old soul music“ stark gemacht hat, sei es mit Coverversionen oder eigenen Kompositionen. „Heart Of Soul“ ist nun das erste Soulalbum des Pianisten und Soulsängers Theo.
Das Ergebnis ist eine Zeitreise in die Musik der 60er und 70er Jahre. Beschwingt und spritzig. Die langjährige Erfahrung merkt man dem Künstler durchgehend an, egal ob er Eigenkompositionen oder Coversongs präsentiert. Der Titel „Soul-Doktor“ kommt übrigens nicht von ungefähr, denn Theo ist im Hauptberuf Mediziner. Und vermutlich therapiert er viele Patienten auch mit entspannten Melodien.
Zum verswingten Mitsingen laden die drei souveränen Coverversionen ein: „Get It On“ (T.Rex) und „I Don’t Need No Doctor“ (Ray Charles) sind viel gehörte Klassiker, die auch hier nicht langweilig werden. Randy Newmans „Louisiana 1927“ funktioniert als berührende Pianoballade mit charismatisch zu Herzen gehenden Vocals.
Die Band, die Theo bei seinen Aufnahmen im renommierten Ultratone Studio in Los Angeles begleitet hat, liest sich wie das Who’s Who der US-amerikanischen Studiomusiker. Jeder für sich verleiht dem Debütalbum ein eigenes Qualitätssiegel. Vorneweg der Schlagzeuger und Produzent Tony Braunagel, unter dessen Regie die Aufnahmen zu „Heart Of Soul“ diese wunderbare Temperatur erhalten, die jenen Soulklassikern zu Eigen ist, die zum Great American Soulbook gezählt werden.
Auch die eigenen Stücke geben die Spielfreude einer gut aufgelegten Band wieder und treiben Theo zu Höchstleistungen an. Die Stimme ist kraftvoll und rau, die Kompositionen tragen den Spirit früherer Soul-Glanzzeiten mit sich. „Songs Of Marvin Gaye“ und der Titelsong „Heart Of Soul“ reißen jeden noch so unbedarften Hörer mit. Garantiert.
Wenn mich jemand fragt, was nun unter all den vielen A-cappella-Gruppen das Besondere an Viva Voce ist, dann sind es vor allem ihre Vielseitigkeit, die grandiosen Stimmen und die immer neuen Ideen. Gerade aktuell sind sie mit zwei neuen Veröffentlichungen am Start, die vor allem die besinnliche Seite des Quintetts betonen. Das können sie nämlich sehr gut: altbekannte Songs in einer ganz neuen Atmosphäre vermitteln.
„Ein Stück des Weges“ ist die CD zum neuen Kirchenprogramm. Es war schon immer ein Highlight, wenn Viva Voce nicht in den altgedienten Konzerthallen, sondern an bedeutend stilvolleren Locations aufgetreten sind. So waren es früher die „Neuen Songs in alten Mauern“, die eine andächtige Zuhörerschaft betörten. Nun gibt es ganz neue Interpretationen eigener und populärer Stücke. Die Konzerte dieses Programms starten erst im Januar 2017. Wer aber jetzt schon neugierig ist, hört sie hier in der wunderbaren Akustik der St. Gumbertuskirche in Ansbach.
Wichtig zu sagen ist noch, dass Viva Voce hier nicht etwa die Gassenhauer aus ihrem Liveprogramm mit leisen Tönen neu einsingen, sondern es ist ein komplett neues Programm. Obwohl ich ihre eigenen, deutschen Stücke eigentlich sehr mag, finde ich jetzt gerade die englischsprachigen Rock-Klassiker fantastisch: „I Still Haven’t Found What I’m Looking For“ klingt so stimmungsvoll und getragen, als wäre es schon immer für eine Kirche geschrieben. Und „Nothing Else Matters“ wird jenseits aller Blasphemie zum klanglichen Paradestück – einfach wundervoll. Allein auf „You Raise Me Up“ hätte ich verzichten können – vielleicht weil man es schon so oft in unterschiedlichsten Varianten gehört hat.
„Du bist da“ vereint die bekannten Klänge des Pachelbel-Stücks mit einem Text und Arrangement des klassischen Tenors David Lugert. Viva Voce singen diese Version schon sehr lange – hier klingt sie aber besonders hinreißend. Für das Programm „Ein Stück des Weges“ hat man nun viele solch philosophischer, nachdenklicher Stücke geschrieben, die man in eine religiöse Richtung interpretieren kann, die aber auch anders funktionieren. Diese singt das Ensemble im Wechsel mit den Klassikern und in einer klanglichen Fülle, die wohl nur dieses Quintett auf die Beine stellen kann. Die Kirchenakustik tut ihr übriges dazu.
Wen nun mit „Irgendwo auf der Welt“ die CD mit dem Highlight für A-cappella-Nostalgiker verklungen ist, will man einfach nur mehr. Und da es mit großen Schritten auf die Weihnachtszeit zugeht, kann ich auch gleich die nächste CD empfehlen, nämlich „Viva Voce Symphonic Christmas“.
Die Aufnahmen zu dieser live-CD sind entstanden bei einem Konzert 2015 im Regentenbau Bad Kissingen. Es handelt sich um das Weihnachtsprogramm „Wir schenken uns nix“ (vielen Fans wohlbekannt), das diesmal aber instrumental begleitet wird von der Russischen Kammerphilharmonie St. Petersburg unter der Leitung von Enrique Ugarte.
Ich bin hier etwas zwiegespalten. Vermutlich deshalb, weil ich viele der Stücke a cappella kenne und es mich einfach stört, wenn „Maria durch ein Dornwald ging“ von einem orchestralen Sound überlagert wird. In den meisten Fällen gelingt die Gratwanderung aber perfekt. Vor allem die verswingten Songs wie „Ich steh an deiner Krippe hier“, „Frosty der Schneemann“ und „Wir schenken uns nix“ gewinnen mit der Instrumentalbegleitung. Und für Puristen gibt es noch genügend Vokalparts wie „The King Is Born Today“ und „Jingle Bells“. Ein besonderes Augenmerk (oder besser: Ohrenmerk) darf man dann noch auf Heikos durch Mark und Bein gehenden Bass zu „White Christmas“ legen – der perfekte Abschluss für diese durchdringende CD.
Viva Voce geben auf diesen neuen Veröffentlichungen einen tiefen Einblick in ihre ruhige, getragene Seite. Aber man wird sich nicht langweilen, denn der Humor kommt gerade bei der Weihnachts-CD nicht zu kurz. Ansonsten will ich beide Veröffentlichungen den Freunden schöner Gesangsstimmen sehr ans Herz legen. Das A-cappella-Album „Ein Stück des Weges“ gefällt mir einen Tick besser, doch das soll Geschmackssache sein.
Die Geschichte der Kings Of Leon ist zweifellos eine der spannendsten in der jüngeren Musikgeschichte. Den nahezu beispiellosen Weg von der unbekannten Südstaaten-Rumpelrock-Indie-Combo zu Grammy-preisgekrönten Multiplatin-Stadion-Rockstars konnte man zeitnah mit verfolgen und es stellte sich die Frage, ob der rasend schnelle Aufstieg im Zuge des Albums „Only By The Night“ dem Quartett so gut getan hat. Die nachfolgenden Werke stürmten erwartungsgemäß die weltweiten Charts, blieben aber in den Verkaufszahlen weit hinter den Erwartungen zurück, die der Vorgänger geweckt hatte.
Nach dreijähriger Albumpause kehren die Kings Of Leon nun mit ihrem neuen Werk „Walls“ zurück, das von Markus Dravs (Arcade Fire, Coldplay, Florence + The Machine) in Los Angeles produziert wurde und eine Rückbesinnung auf die musikalischen Wurzeln des Quartetts sein soll. „Walls“ ist die bisher vielleicht persönlichste Platte der Brüder Caleb (Gesang und Gitarre), Nathan (Schlagzeug), Jared (Bass) zusammen mit deren Cousin Matthew Followill (Gitarre).
Das Titelstück gibt einen guten Einblick in das, was wir erwarten dürfen: zerbrechlicher Gesang, mehr Folkmusik als Hitparadenbrecher. Es ist ein lyrisches Album geworden, das intelligente Pop- und Rockmusik bietet und die melancholische Seite des Quartetts gleichberechtigt neben der optimistischen zeigt – allerdings ohne die euphorischen Ausbrüche der Vergangenheit.
Songs wie „Reverend“ und „Over“ erzeugen Gänsehaut. Und wenn man das abschließende „Walls“ mit seiner akustischen Ausrichtung hört, ist das psychedelische „Mechanical Bull“ endgültig vergessen.
Die Meldungen überschlagen sich, was Phil Collins angeht. Da wird über seine Erkrankungen berichtet, aber gleichzeitig über die Mega-Konzertevents, die zum Teil mehrere Tage hintereinander in großen Locations fürs Jahr 2017 geplant sind. Es gibt also Hoffnung.
Veröffentlichungstechnisch steht zwar kein neues Album an, nachdem aber jetzt der komplette Backkatalog als Remaster neu aufgelegt wurde, erschien kürzlich eine umfangreiche Collection mit dem Titel „The Singles“.
Mir liegt die Expanded Version mit drei Silberlingen vor. Und als erstes fällt das ungewöhnliche Format eines dicken Jewel Case auf, wie man es vor allem in den 90er Jahren allerorten fand. Etwas viel Plastik also, aber die CDs sind gut geschützt.
Die 3CD Edition vereint zum ersten Mal 45 Songs, die an verschiedenen Orten der Welt zu Hits wurden, und präsentiert sie in chronologischer Reihenfolge. Dabei finden sich nicht nur die Album-Auskopplungen, sondern auch Filmmusiken wie „You’ll Be In My Heart“ und der Smashhit „Easy Lover“, den Phil damals mit Philip Bailey aufnahm.
Zur Vorbereitung des kommenden Konzertbesuchs ist dieses Set absolut ausreichend. Allerdings muss man vermerken, dass in fast allen Fällen die (remasterte) Albumversion verwendet wurde. Die früher üblichen Maxi-Versionen, Remixe, Neuaufnahmen etc. fanden keine Berücksichtigung.
Drei Prog-Schwergewichte auf einen Schlag in der Rockhal des luxemburgischen Esch/Alzette. Das war Feiertag für die Fans aus der Großregion. Der Zeitplan hat einigen nicht gepasst – werktags beginnt der Hauptact um 22 Uhr. Da gab es schon einige Beschwerden.
Wer trotzdem kam, durfte sich an feinstem Progmetal erfreuen. Zunächst waren Vola an der Reihe. Das dänische Quartett hatte erst im September sein Debütalbum „Inmazes“ herausgebracht und überzeugte mit einer Mischung aus 70er Jahre Progressive Rock, modernem Elektro, Industrial und Extreme Metal. Abgerundet wurde das Ganze durch klare, wunderschöne Gesangslinien und den überzeugenden Einsatz von Keyboard-Elementen. So schuf man einen äußerst futuristischen Klang, der an Bands wie Opeth und Porcupine Tree erinnerte. Die Newcomer haben mit ihrem 35-Minuten-Auftritt definitiv einige neue Freunde gewonnen.
Agent Fresco stammen aus Island und sind mit ihrem dritten Longplayer „Destrier“ unterwegs. Interessanterweise haben sie im Jahr 2008 eine TV-Castingshow gewonnen. Das daraus solch komplexe musikalische Gebilde entstehen, hätte wohl niemand gedacht. Ihre Musik kombiniert sphärischen Prog mit Pop, Metal und Alternative Rock. Schubladendenken bringt hier gar nichts. Leadsänger Arnór Dan Arnarson hat eine ungewöhnlich hohe Stimme, die er gegen vertrackte Rhythmen und verspielte Gitarren einsetzt. Der Zugang ist bisweilen schwierig. Mal singt er ganz klar, an einer Stelle gar komplett a cappella, dann kommt es zu emotionalen Ausbrüchen mit lauten Schreien und metallischer Hau-drauf-Mentalität der Instrumentalisten.
Das Publikum in Luxemburg war sichtbar beeindruckt von der 40minütigen Show der Isländer. Nach verhaltenem Beginn war der Club der Rockhal inzwischen gut gefüllt und man erwartete den Auftritt der dritten nordeuropäischen Band in diesem fulminanten Triple. Katatonia aus Schweden sind seit Anfang der 90er in der Szene bekannt und brachten als Headliner die größte Fanschar in die Rockhal.
Die Parallelen zu anderen skandinavischen Metallern sind unverkennbar. Anfangs standen die Zeichen auf Death Metal, Doom Metal, Black Metal – wie diese düsteren Zeitgenossen so heißen. Es gab Growls im Gesang und dunkle Themen. In Skandinavien vermutlich ein Muss, wenn man die langen Winternächte zu durchstehen hat. Doch wie Opeth und Anathema haben auch Katatonia einen Riesensprung in Richtung Progressive Rock gemacht und verfeinern ihre Alben in der Gegenwart mit sphärischen Finessen, vertrackten Rhythmen und ausgereiften Melodien. Es ist ein Genuss.
In der Rockhal lieferten sie ein druckvolles Set mit vielen Highlights aus dem aktuellen Album „The Fall Of Hearts“ wie dem gigantischen „Serein“. Das Vorzeigewerk „Dead End Kings“ kam mit „Dead Letters“ ebenso zu Wort wie „Teargas“ einen Ausflug in die Vergangenheit ermöglichte. Große Showeffekte durfte man allerdings nicht erwarten. Der Bühnenaufbau war dem Artwork des neuen Albums angepasst. Und dann fand man im Vordergrund drei langhaarige Gitarristen und Sänger Jonas Renkse, die sich allesamt hinter ihren Mähnen versteckten. Ein Einbeziehen des Publikums fand nicht statt.
Stattdessen bekam man perfekten modernen Progmetal, der vor allem durch polyphone Gesangslinien überzeugte. Die Einflüsse von Anathema bei den Songs jüngeren Datums sind überdeutlich. Das Publikum nahm die sphärisch-düstere Darbietung begeistert auf und folgte dem Konzert trotz später Stunde bis zum Schluss.
Ein beinah kometenhafter Aufstieg im Musikgeschäft mit zwei erfolgreichen Pop-Alben und dann ein Cover-Album mit Billie Holyday-Titeln – Rebecca Ferguson ging schon immer ihren eigenen Weg. Nun meldet sich die britische Sängerin auf „Superwoman“ wieder mit eigenen Songs zurück und beeindruckt erneut mit ihrer starken Stimme und sehr persönlichen Texten.
Musikalisch bewegen sich die neuen Titel wieder zwischen R´n´B, Pop und Soul. Inhaltlich geht es um zerbrochenen Beziehungen und verletzte Gefühle, aber auch um Neuanfang und Glücksmomente. Sehnsucht und Verzweiflung prägen etwa den Opener „Bones“ und das ruhige „Hold Me“. Ein ganz besonderer Glückmoment war dagegen für die 30jährige Sängerin die Geburt ihres dritten Kindes, die sie in dem strahlenden „Stars“ besingt.
„Superwoman“ ist dabei nicht von ungefähr der Titelsong dieses Albums. Rebecca zeigt sich hier als normale verletzliche Frau, die sich irgendwie durch ihr nicht einfaches Leben kämpft, aber nicht aufgibt. Und wenn sie singt „I never never said, I was superwoman“, spricht sie damit all den ganz normalen Menschen aus der Seele, die eben auch keine Superkräfte zur Lösung ihrer Probleme zur Verfügung haben.
Verletzlichkeit prägt auch die wunderschöne Gitarrenballade „The Way You Locking At Her“, einer meiner persönliche Lieblingstitel. Im Verlauf des Albums zeugen die Songs jedoch zunehmend von Selbstbewusstsein und Stärke, wie etwa das kraftvolle „Don´t Want You Back“, die Soul-Hymne „Without A Woman“ oder das optimistische „Waiting For Me“. Sehr emotional wird es dann noch einmal mit dem Abschlusstitel „I´ll Meet You There“.
Auf „Superwoman“ lässt uns Rebecca Ferguson teilhaben an ihrer eigenen Reise durch Höhen und Tiefen des Lebens. Und wem das noch nicht authentisch genug ist, der darf sich gerne die zwei Seiten langen persönlichen Danksagungen der Sängerin im Booklet durchlesen!
Thomas Hübner hat viel erreicht mit seinen 36 Jahren. Sechs Soloalben, zwei EPs, drei Live-Alben, 25 Singles, fünf Mal Gold, zwei Mal Platin, über eine Million verkaufte Tonträger, Konzerte und Festivals mit bis zu 60.000 Besuchern beweisen die Treue und Zuneigung der Fans. Seit 2001 macht er allein und mit seiner Band unter dem Namen Clueso Musik – und es gab Auftritte mit Lindenberg, Grönemeyer, Niedecken und den Fantastischen Vier. Die ganz Großen sind überzeugt von seiner Kunst. Man kommt nicht umher die 15 Jahre seit Erscheinen von Cluesos erster Platte als ungemein erfolgreiche Zeit zu beschreiben.
Warum braucht es dann überhaupt einen „Neuanfang“? Immerhin ist das letzte Album „Stadtrandlichter“ als erste CD des Erfurters auf Platz 1 der Albumcharts eingestiegen. Doch Clueso sagt selbst, dass er nach Abschluss der letzten Tour nicht zufrieden war, sich erschöpft und aufgewühlt zugleich fühlte. Darum klingt der Song „Neuanfang“, den er direkt nach der Tour schrieb, so wütend und hilflos. Clueso nimmt ihn zum Anlass, sich selbst zu hinterfragen und sich mit Zweifeln, Ängsten, Abhängigkeiten zu beschäftigen.
Deshalb klingt das siebte Album vermutlich so intensiv – jenseits aller poppigen Anbiederungen. „Ich musste feststellen“, sagt Clueso heute, „dass mich all die Verpflichtungen und Versprechungen
gegenüber meinem Umfeld in meiner künstlerischen Freiheit einschränkten.“ Er trennte sich von seiner Band und dem Manager, zog aus seiner Wohngemeinschaft aus. Radikaler Schnitt.
Tobias Kuhn ist als Produzent der neue kreative Partner an Cluesos Seite. Die Aufbruchstimmung zeigt sich in Songs wie „Achterbahn“ und „Lass sie reden“. Die neuen Klangwelten haben eine durchaus kantige Seite, doch es finden sich auch zu Herzen gehende Titel wie „Neue Luft“ und „Jeder lebt für sich allein“. Sehr stark klingen zudem die Duette mit Kat Frankie und Sara Hartmann – es muss nicht immer Lindenberg sein. Der Neuanfang ist gelungen!
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Auch wenn sie schon lange nicht mehr gemeinsam auftreten, die Kellys machen weiter fleißig Musik. Drei Mitglieder der berühmten Songwriter-Familie haben dieses Jahr bereits eine CD herausgebracht und decken dabei ein recht weites musikalisches Spektrum ab. Nach Patricias „Grace & Kelly“ mit sehr persönlichem Songwriter-Pop und Michael Patricks spirituellem Album „Ruah“ folgte aktuell nun Maite mit ihrem Schlager-Debüt „Sieben Leben für Dich“.
Ich habe das Album beim ersten Mal völlig ohne Hintergrundinformation auf einer Autofahrt gehört und war zunächst leicht geschockt. Von ihren bisherigen deutschsprachigen Werken wusste ich zwar, dass die Powerfrau Maite sich musikalisch nicht so einfach in eine Schublade stecken lässt und immer für eine Überraschung gut ist. Aber jetzt dieser perfekt aber seelenlos produzierte Schlagersound? Und wo sind die humorvollen, augenzwinkernden Texte und die Songs mit Tiefgang geblieben?
Tiefgang und ehrliche Emotionen bekomme ich dann allerdings mit dem vierten Titel „Liebe ist größer als das Leben“. Diese unglaublich berührende, mit ruhigem Piano arrangierte Ballade entstand aus der Erinnerung an Maites Vater und versöhnt mich ein wenig mit dem Album. Musikalisch vielversprechend mit Rock-Gitarren startet dann auch „Herzbeat“, allerdings störe ich mich hier an der denglischen und meiner Meinung nach unnötigen Wortschöpfung. Alle Klischees werden auch bedient bei „Touche moi“ mit französischen Textfetzen und passend dazu Akkordeon, oder beim Urlaubsfeeling-Sound von „Isla d´amor“.
Neben dem bereits erwähnten Highlight „Liebe ist größer als das Leben“ überzeugen mich „So klingt die Liebe“ und „Wir haben uns“ noch am meisten. Hier wirken die Texte authentisch und kommen bei mir an, und die Arrangements passen zum Inhalt. Und im Duett „Warum hast du nicht Nein gesagt“ mit Roland Kaiser, das für Maite gewissermaßen der Schlüssel zur Schlagerwelt war, finde ich dann auch den ironischen Humor wieder, der mir bei den anderen Liedern so fehlt.
Maite macht im Schlager-Genre durchaus eine gute Figur und braucht sich hinter ihren Kolleginnen nicht zu verstecken. Und als Party-Hit funktionieren die meisten Titel auf „Sieben Leben für Dich“ sicher auch hervorragend. Ich hoffe trotzdem, dass dies nur eine Durchgangsstation auf Maite Kellys musikalischer Reise war und sie in Zukunft wieder angenehmere Überraschungen für mich parat hat!
20 Jahre sind Placebo jetzt schon alt. Das Debüt der Alternative Rocker aus London erreichte in Großbritannien Goldstatus. Schon im darauf folgenden Jahr durften sie als Support von U2 auftreten und im Jahr 1998 erschien das zweite Album, das die Musik in eine düster-melancholische Richtung führte, für die Placebo schließlich berühmt wurden.
„Sleeping With Ghosts“ eröffnete 2004 den Weg in eine neue, elektronische Richtung. Mit vielen Synthiepop-Elementen widmete sich Brian Molko konzeptionell dem weiten Feld zwischenmenschlicher Beziehungen – eine fürwahr poppige Ausrichtung, die der Band auch ein hohes Maß an Kritik einbrachte. So ging es mit „Meds“ zwei Jahre später zurück zu den Wurzeln und weg von ausufernden computerisierten Eskapaden. Auslöser dafür soll nach Aussagen von Molko allerdings nicht die Band sondern Produzent Dimitri Tikovoi gewesen sein, der Sampler und Synthesizer zunächst aus dem Studio verbannte.
„Battle For The Sun“ und „Loud Like Love“ eröffneten den Weg in den Mainstream. Man musste sich aber nicht dafür verbiegen, dass Songs plötzlich auch im Radio gespielt wurden. Es war eine natürliche Entwicklung, die einige Singles im Hitformat mit sich brachte.
Bereits 2014 gab es eine ordentliche Singles-Collection mit dem Titel „Once More With Feeling“. Man muss sich also damit abfinden, dass sich auf der neuen Compilation einige Dopplungen finden. Die Herangehensweise ist aber ganz anders. Jetzt handelt es sich um eine Retrospektive mit 36 Songs auf zwei Silberlingen. Das Booklet enthält recht wenige Infos, ist aber künstlerisch schön mit alten Bildern aufgemacht – passend zum edlen Hardcover-CD-Format. Besonders schön: Das aussagekräftige Titelbild, passend zum Albumtitel „A Place For Us To Dream“.
Musikalisch gib es Singles der früheren Jahre wie „Bruise Pristine“, „Come Home“, „Teenage Angst“. Dann den Karrierehöhepunkt mit Hits wie „Nancy Boy“, „Every You Every Me“, „Pure Morning“, „The Bitter End“ bis hin zu „Meds”, „For What It’s Worth” und meinem Anspieltipp „Too Many Friends”. Das Album enthält außerdem die brandneue, atemberaubende Single „Jesus‘ Son”.
Die Tracklist ist chronologisch ordentlich durcheinander gewürfelt und reich an Kollaborationen. David Bowie, Alison Mosshart und Michael Stipe finden sich da in den Features. Wer Placebo gerade erst für sich entdeckt, liegt hier goldrichtig. Allen anderen werden sich eher an die kompletten Studioalben halten – und natürlich an die brandneue EP „Life’s What You Make It“.
„Sturm und Stille“ ist doch ein gutes Motto für die Sportfreunde Stiller. Da stürmen sie die Charts – ein ums andere Mal – und dann hört man lange Zeit wieder gar nichts von der Band aus Germering bei München. Im 20. Jahr ihres Bandbestehens können Peter Brugger, Flo Weber und Rüde Linhof auf sechs Studioalben und ein wegweisendes MTV Unplugged (2009), mehrere hunderttausend verkaufter Alben, Gold- und Platinauszeichnungen in Deutschland, Österreich und der Schweiz, Millionen von Konzertbesuchern und last but not least auf drei ECHO-Trophäen und zwei 1Live Kronen zurückblicken.
Man hat sich in der Vergangenheit viel mit dem Thema Fußball beschäftigt und lag da hitmäßig ganz gut. Das filigrane Unplugged-Album war eine Ausnahme. Jetzt, mit der aktuellen CD, ist man wieder da, wo man hin gehört: stimmungsvolle Texte, gerne zum Mitsingen (oder Mitgrölen), hymnische Anekdoten zum Leben, Songs, mit denen man Menschen im Sturm erobert.
Die Sportis haben das 40. Lebensjahr nun allesamt überschritten. Es ist also an der Zeit für tiefgründigere Texte. „Raus in den Rausch“ dürfte ein perfekter Konzert-Opener sein. Mitsingzeile zum Einheizen fürs Publikum inklusive. „Viel zu schön“ und der Titelsong „Sturm und Stille“ klingen nach Revolverheld. Nur dass keiner der Sportis so schön singen kann wie Johannes Strate. Aber das macht den Reiz der Band aus: Schön klingen die Vocals nicht, aber authentisch – so als säße man mit den Kumpels in geselliger Runde zusammen.
„Das Geschenk“ erinnert mich sehr an „Ein Kompliment“, meinen Lieblingssong der Band. Diese optimistische Stimmung hat man hier sehr passend wieder zum Leben erweckt. „Disco4000“ feiert eine elektronische Richtung. Klingt nach Mando Diao, ist aber nicht so ganz mein Fall. Vielmehr hingegen die Hymne ans Älterwerden: „Keith & Lemmy“. Textlich und musikalisch ein echter Burner.
Die neuen Lieder verdichten, worauf es bei den Sportis immer schon angekommen ist und immer noch ankommt: Verbundenheit, Optimismus, Ehrlichkeit, Spaß, Direktheit, Wagemut und Herz. Und Verantwortung, gerade wenn es darum geht die Stimme zu erheben. Ob im Engagement gegen Nazis, gegen Wohnungsleerstand in ihrer Heimatstadt München oder für eine offene Gesellschaft im Angesicht von Verfolgung und Massenflucht.
Nachdenklich wird es mit „Rotweinflaschengrün“ (sehr schöneWortspiele) und „Ich nehm’s wie’s kommt“. Und „Auf Jubel gebaut“ gibt den perfekten hymnischen Abschluss – nicht nur fürs Album, auch für ein Konzert. Es sind die besonderen, musikalischen Momente, die das Fest zum Festival machen. Daraufdarf man sich ab 18. November gefasst machen, wenn die Tour startet. Denn die schönsten Momente feiert man zusammen.
Erst letztes Jahr hatte Michael Patrick Kelly sein Comeback mit dem großartigen Pop-Album „Human“, nachdem er vorher jahrelang von den Bühnen der Welt verschwunden war. Einen Teil dieser Zeit verbrachte er in einem französischen Kloster. Und obwohl er dort nicht seine endgültige Berufung gefunden hat, so hat ihn diese Erfahrung doch auch musikalisch geprägt, wie er nun mit seinem aktuellen Album „Ruah“ beweist.
„Ruah“, das hebräische Wort für Geist oder Lebensatem, verwendet Kelly im gleichnamigen, sehr atmosphärischen Opener als Anruf an das höhere Wesen, das zentraler Bestandteil der meisten Religionen ist. Hier wird schon deutlich, dass Kellys Spiritualität zwar im Christentum verwurzelt ist, sich aber keineswegs innerhalb dogmatischer Grenzen bewegt. Und auch stilistisch bedient der Songwriter eine große Bandbreite. Ruhige Gitarrenballaden wie „I Have Called You“ oder das tieftraurige „Don´t Judas Me“ wechseln sich ab mit eindringlichen Songs wie „Walk The Line“. Das traditionell irische „Seinn Aililiú“ wird recht unorthodox mit Western-Gitarren und Kammerchor interpretiert, und „Abba Father“ steigert sich im Refrain zur Rockhymne.
Einen ganz besonderen Reiz haben auch das meditative „Ô Prends Mon Âme“ oder Kellys ganz eigene Version eines „Salve Regina“. Und dass man auch uralte Botschaften sehr modern rüberbringen kann, beweist der tolle Popsong „Agape“, der auf dem Psalm 138 aufbaut.
Michael Patrick Kelly berührt mit „Ruah“ Geist und Seele seiner Hörer, unabhängig von bestimmten religiösen Überzeugungen. Vor allem aber erschafft Kelly hier populäre Musik mit einem spirituellen Bezug, was im europäischen Raum leider inzwischen eine Seltenheit ist. Ein insgesamt sehr wohltuendes Album, das man übrigens derzeit noch live in einigen deutschen Kirchen erleben kann.
Inzwischen haben die Fury-Brüder Kai und Thorsten Wingenfelder schon mehrfach in der Garage Saarbrücken gespielt. In der Vergangenheit aber immer im Kleinen Club. Allein das fand ich schon sensationell, wenn man bedenkt, welche Arenen die beiden mit ihrer Band Fury In The Slaughterhouse in der Vergangenheit bespielt haben (und auch bald wieder bespielen werden – doch dazu später). Jetzt endlich durften Wingenfelder im großen Saal der Garage ran. Es hat sich einfach rumgesprochen, welche Wahnsinnsshow sie mit ihrer Band abliefern. Inzwischen gibt es vier Studioalben und ein Livealbum mit den Solosongs – hauptsächlich in deutscher Sprache. Vom Feeling her hören sie sich oft nach der Stammband an. Hymnen mit deutschen Texten. Und zur Freude aller Anwesenden hatten sich drei Fury-Titel in die Setlist geschlichen, die dann auch die einzigen Ausreißer in englischer Sprache waren. Das war pures Nostalgie Feeling und brachte die Garage zum Kochen.
Kai und Thorsten sind immer noch grundsympathisch. Nach dem Auseinanderbrechen von Fury In The Slaughterhouse haben sie vieles ausprobiert. Jeweils gab es eigene Soloalben, zudem ist Thorsten erfolgreich als Fotograf tätig und Kai besitzt eine Filmproduktionsfirma. Also eigentlich sind sie ausgelastet, doch sie können die Finger nicht von neuer Musik lassen – und das ist gut so. Vor allem: Im Duo passt es dann doch am besten, darum hieß die erste CD im Jahr 2011 auch „Besser zu zweit“. Seitdem begeistern sie alte und neue Fans und locken immer größere Scharen in die Konzerte.
Die Garage war gut gefüllt und Wingenfelder starteten pünktlich um 20 Uhr mit „Mensch Paul“, einem Song von zerstörten Träumen und dem Tod. Sehr bewegend für einen Konzertbeginn. Doch so sind die beiden nun mal. Eine klassische Spannungskurve haben sie gar nicht nötig. Schon als zweites Stück gab es den Mottosong „Brüder“ und das Publikum bejubelte die beiden mit ihrer Band. Die Soundkulisse war großartig. Keyboard, Drums und bis zu vier Gitarren. In dieser großen Besetzung sind sie jetzt erstmals seit März wieder unterwegs.
Und sie bedienten ihre Fans mit Hymnen übers Leben. „Dinge, die wir nicht verstehen“ wurde als Song für die Ü40 angekündigt. Wenn man sich umsah, sangen auch Jüngere lauthals mit, doch das Gros der Leute war tatsächlich im guten Fury-Alter. Kai und Thorsten wechselten sich an den Vocals ab. Kai war öfter dran (und ist auch der markantere Fury-Shouter), doch mir gefällt Thorstens entspannte Stimme, die etwas tiefer klingt, ausgesprochen gut. Für „Hey Cowboy“ begab Thorsten sich aber an die Mandoline und ließ Kai seinen Lieblingssong aus dem „Zyklus für Arschlöcher“ interpretieren – in Norddeutschland übrigens ein großer Erfolg als Radio-Single.
Endlich war es soweit: Zur Freude der Anwesenden kündigten die Brüder 2017 als Fury-Jahr an („Wir haben da ja noch ein kleines Nebenprojekt“). Neben den bereits ausverkauften Großereignissen in Hannover soll es eine Deutschlandtour geben. Und wie wir seit gestern wissen, ist auch Trier mit seinem Porta-Festival mit dabei. Das dürfte die saarländischen Fans ebenso freuen. Passend gab es den Klassiker „Dead And Gone“. Viele wussten bis dahin nicht, ob es auch Fury-Songs geben wird. Umso größer war die Freude.
„Die Wand“ funktionierte als melancholischer Song zum Thema Vertrauen. Und es wurde auch politisch, als die Wingenfelders zur „Revolution“ aufriefen. Im Anschluss kam die Stunde von Norman Keil, seines Zeichens Gitarrist und Co-Songwriter der Band. Er stellte selbst den Titel „Springen in die Nacht“ vor, der vom Mauerfall im Herbst 1989 aus der Sicht eines Kindes erzählt. Er selbst war damals 8 Jahre alt und lebte in Erfurt. Dieser „Augenzeugenbericht“ verschaffte vielen eine Gänsehaut.
Was noch? Endlich war es soweit: „Won’t Forget These Days“, die Hymne aller Fury-Fans, ertönte aus tausend Kehlen. Und mit den Songs „Perfekt“ und „Winterkind“ endete der Hauptteil des Konzerts. Im Zugabenblock gab es von Fury-Seite den ersten Hit „Time To Wonder“. Hier konnte jeder mitsingen und die Refrainzeilen sollten manchen noch bis tief in die Nacht verfolgen. Wingenfelder hörten aber nicht mit diesem Gassenhauer auf, sondern mit der atmosphärischen Ballade „Mein Hafen“. Ein ungewöhnlicher Abschluss für ein perfektes, mehr als zweistündiges Konzerterlebnis. Lauter selige Gesichter. Und am nächsten Tag erfährt man dann, dass Fury In The Slaughterhouse am 16. Juni 2017 das Porta hoch drei Festival in Trier spielen werden. Was kann schöner sein?
Setlist Wingenfelder, 11.10.2016 in der Garage Saarbrücken
Mit seinen fröhlichen Songs für Kinder im Vor- und Grundschulalter hat sich das Berliner Trio 3Berlin in den letzten Jahren zunehmend Platz im Familien-CD-Regal erobert. Nun haben die drei sich zahlreiche musikalische Kollegen, von Bürger Lars Dietrich über Momo Djender bis zu Felix Janosa, ins Studio eingeladen und gemeinsam das besondere Kinderliederalbum „Nicht von schlechten Eltern“ komponiert, getextet und eingespielt.
Das Ergebnis sind 14 lustige und auch mal nachdenkliche Songs, die vom persönlichen Stil der jeweiligen Mitkomponisten geprägt sind, aber durch den gemeinsamen Nenner 3Berlin ein sehr stimmiges Gesamtbild ergeben. Inhaltlich werden Themen wie Zähneputzen, Ernährung oder Rechthaberei aufgegriffen, die im Familienalltag oft Reibungspunkte bieten. Rockig wird der „Couchpotato“ von Bauer Anton Dampf unterm Hintern gemacht, Flo Sump von Deine Freunde rappt über unnötige Streitereien in „Drüber lachen“, und Karolin Kretzschmar von Eule findet den Beat besingt die Schwierigkeiten beim Kofferpacken in „Mama sagt“.
Kinder und Eltern können sich hier wiedererkennen, gemeinsam über die humorvollen Texte lachen und im besten Fall darüber reden, den „Reden ist Gold“ propagiert schließlich schon der schwungvolle Eröffnungstitel des Albums, an dem alle Musiker beteiligt sind. Und dann wird auch mal ein fetziges Loblied auf die „Hamma Mama“ gesungen und gefühlvoll getröstet mit „Macht doch nichts“. Selbst schwierige Themen werden nicht ausgeklammert. Die Lage von Scheidungskindern etwa wird mit „Einer fehlt immer“ erstaunlich einfühlsam besungen von Vince Bahrdt und Patrick Bach, die sonst in Jake und die Nimmerland Piraten eher für den Klamauk zuständig sind.
Überzeugend ist auch die Aufmachung des Albums: Alle beteiligten Musiker werden als sympathisch bunt gezeichnete Figuren dargestellt und finden sich so auch bei ihren jeweiligen Songtexten im Booklet wieder. Insgesamt ist „Nicht von schlechten Eltern“ ein tolles modernes Kinderliederalbum für die ganze Familie, das sich durchaus einen Ehrenplatz im CD-Regal verdienen könnte!
Ray Wilson gehört zu den produktivsten Songwritern der Gegenwart. Wer schafft es sonst schon, innerhalb von vier Monaten gleich zwei fantastische Alben auf den Markt zu schmeißen? Okay. Ursprünglich sollte es ein Doppelalbum werden, das die akustische Songwriter-Seite und die Progressive Rock Ader des Schotten zeigt. „Song For A Friend“ mit sehr persönlichen Gitarrenstücken liegt bereits seit Juni 2016 vor und begeistert mich immer noch. Nun folgt das traditionelle Bandalbum unter dem Titel „Makes Me Think Of Home“ nach.
Ray Wilson vereint viele Musikstile in sich. Folk, Pop, Rock, Blues – doch am bekanntesten ist er eigentlich für seine Ausflüge in den Progressive Rock. Und trotzdem muss man vielen Mitmenschen erst glaubhaft machen, dass er ernsthaft der Ex-Sänger von Genesis ist, auch wenn die meisten diese Epoche der Musikgeschichte verschlafen haben. Das macht auch nichts, denn seine Solowerke toppen an Kreativität alles, was er mit den Egomanen von Genesis hätte produzieren können. Ray Wilson schreibt fast durchweg persönliche, zu Herzen gehende Songs, die von seinem vielfältigen Leben und seinen Gedanken berichten.
„They Never Should Have Sent You Roses“ erzählt die tragische Geschichte vom schottischen Jungen, der von seiner englischen Freundin verlassen wird und Selbstmord begeht. „The Next Life“ ist eine Hymne an das Leben, wenn schwere Erkrankungen (Alkoholismus) drohen oder man sie im Bekanntenkreis erlebt hat. „Tennessee Mountain“ und „Worship The Sun“ berichten vom schwierigen Leben in einer kargen Landschaft. Und „Makes Me Think Of Home“ wird zum 8minütigen Paradestück, wenn Ray Wilson, der inzwischen in Polen eine Liebe und ein Zuhause gefunden hat, vom schwierigen Verhältnis zu seiner Heimat Schottland berichtet.
„Amen To That“, das beinahe schon wie ein Gospel daher kommt, geht den umgekehrten Weg: Ein Stadtjunge beginnt ein neues Leben in den schottischen Highlands. Dieser hymnische Song wurde zu Recht als erste Single ausgewählt. Ein Triple von Songs, die von einer inneren Flucht erzählen: „Anyone Out There“ gehört dazu – und der Wildwest-Song „The Spirit“. Ganz speziell erscheint zudem der von Scott Spence geschriebene Track „Calvin And Hobbes“, der sich tatsächlich den berühmten Cartoonfiguren widmet.
Das Album „Makes Me Think Of Home“ fasst Rays Karriere gekonnt zusammen. Egal, ob man seine hymnischen Genesis-Stücke, den melancholischen Folk oder die narrativen Songwriter-Titel mag. Hier findet sich von allem etwas, als hätte Ray jahrelang auf dieses Album hin gearbeitet. Ohnehin ist er dauerhaft auf Tour. Man hat also garantiert die Chance, den sympathischen Storyteller irgendwo in der Nähe zu erleben. Geht hin – es lohnt sich!