Deichbrand 2017 – Die Fotos vom Festival
Hier findet ihr unsere Fotos vom Deichbrand Festival vom 20. – 23. Juli 2017 bei Cuxhaven.
Hier findet ihr unsere Fotos vom Deichbrand Festival vom 20. – 23. Juli 2017 bei Cuxhaven.
Im Jahr 2011 veröffentlichte Paul Simon eine 2-CD-Collection mit dem Titel „Songwriter“. Ein Jahr später zog Art Garfunkel nach und sein Best-of-Werk hieß „The Singer“. Die beiden waren sich nicht immer ganz grün, doch mit dem Alter kann man das Kriegsbeil gelassen begraben. Zumindest mehrten sich wieder die gemeinsamen Auftritte und es gab gar die legendäre „Old Friends“-Tour in 2003/2004, die man als Duo absolvierte. Im Mai 2009 erfolgte eine weitere gemeinsame Tour. Jetzt aber geht es ganz um Paul Simons Solowerk.
Paul Simon hat zwölf Solo-Alben veröffentlicht, vier davon im aktuellen Jahrtausend. Man sollte ihn also keineswegs aufs Altenteil abschieben, auch wenn er inzwischen 75 Jährchen zählt. Das beweist er auf dem aktuellen Mitschnitt „The Concert in Hydepark“. Das Konzert fand am 15. Juli 2012 zum Abschluss des „Hard Rock Calling“ Festivals in London statt. Die Parallelen zum weltbekannten „Concert In Central Park“ des legendären Duos sind dabei nicht von der Hand zu weisen – auch wenn es kaum Überschneidungen gibt, was die Songauswahl angeht.
Paul Simon feierte auf diesem Konzert vor allem seinen bedeutendsten Solo-Klassiker. Er und seine Band wurden auf der Bühne von den Musikern begleitet, die 25 Jahre zuvor am Entstehen des unvergessenen „Graceland“-Albums mitgewirkt hatten. Der dreistündige Gig avancierte zu „einem der größten Meilensteine in Simons Karriere“, wie damals im Guardian zu lesen war. Das „Graceland“ Album wurde fast komplett gespielt und bildet damit CD 2 der Live-Zusammenstellung. Es wird nicht in der originalen Tracklist abgehandelt, sondern der große Graceland-Block startet mit „Homeless“, wozu Ladysmith Black Mambazo mit auf der Bühne ist.
Viele Werke aus den grenzwertigen 80er Jahren sind schrecklich gealtert und taugen heutzutage bestenfalls noch als peinliches Zeitdokument. „Graceland“ ist das genaue Gegenteil davon. Verstanden viele den Weltmusik-Zungenschlag damals nicht, ist er heute das, was Simons Genie auszeichnet. Der US-Amerikaner verheiratet auf „Graceland“ viele unterschiedliche Musikstile und verwebt alles zu einem tadellosen Klangteppich, der vom ersten bis zum letzten Song überzeugt. Das funktioniert vor allem in diesen grandiosen Live-Versionen.
Darüber hinaus bietet die live-CD einen großartigen Streifzug durch die Karriere des Künstlers. Paul Simon präsentierte an diesem Abend seine großen Hits wie „Kodachrome“, „Me And Julio Down By The Schoolyard“, „Still Crazy After All These Years“ oder „50 Ways To Leave Your Lover“, spielte Lieblingssongs seiner Fans und auch zwei Simon & Garfunkel-Klassiker („The Sound Of Silence“, „The Boxer“).
Auf Paul Simon: „The Concert In Hyde Park“ nimmt ein großartiger Künstler sein Publikum mit auf eine Reise, die durch sechs Jahrzehnte seines Schaffens führt. Das wird auch auf der DVD deutlich, die das Konzert in bunten Bildern vor beeindruckender Kulisse präsentiert. Ein fantastisches Musikerlebnis auf allerhöchstem Niveau. Das Zusammenspiel der Musiker ist exzellent, Ton und Bild kommen äußerst stark ins Heimkino. Absolute Empfehlung!
Hier findet ihr unsere Fotos vom zweiten Tag des Amphi Festival am 23. Juli 2017 im Tanzbrunnen in Köln.
Hier findet ihr unsere Fotos vom ersten Tag des Amphi Festival 2017 am 22. Juli 2017 im Tanzbrunnen in Köln.
Alice Cooper hat es ganz sicher nicht nötig, jedes Jahr ein neues Album auf den Markt zu werfen – dafür ist sein Backkatalog einfach zu groß. Und es sind vor allem die alten Songs, die seine Fans auf den Konzerten erwarten. Wenn dann aber neue Alben auf den Markt kamen, war der Rocker aus Detroit immer für eine Überraschung gut. 2008 war es das geniale Konzeptalbum „Along Came A Spider“ um einen Serienkiller, der sich aus seinen Opfern ein Spinnenkostüm bastelt. Ein Meisterwerk in musikalischer und konzeptioneller Hinsicht. Leider live nie so umgesetzt, wie man das hätte tun können. Und 2011 erschien mit „Welcome 2 My Nightmare“ eine Art Fortsetzung zum Hammeralbum aus dem Jahr 1975, das sein erstes Soloalbum nach Auflösung der Alice Cooper Band war.
Natürlich war der Meister des Schock-Rock in den vergangenen sechs Jahren nicht untätig. Es gab das Coveralbum „Hollywood Vampires“, das Alice gemeinsam mit Johnny Depp konzipierte, zu dem viele Gastmusiker mit an Bord waren und das Alice in Teilen auf seiner „Raise The Dead“ Tour mit integrierte. Trotzdem wurde es Zeit für ein neues Studioalbum – und das wartet ebenfalls mit einer Legion an Gästen auf: Roger Glover (Deep Purple), Billy Gibbons (ZZ Top) und Drummer Larry Mullen Jr. (U2) sind mit dabei. Als Produzent fungiert Bob Ezrin. Ein ganz besonderes Highlight ist aber die Mitwirkung von Bassist Dennis Dunaway, Drummer Neal Smith und Gitarrist Michael Bruce, allesamt Mitglieder der originalen Alice Cooper Band, die zwei Tracks mit geschrieben und aufgenommen haben.
Auf der Doppel-CD bekommen wir zwei Scheiben geliefert. CD 1 dauert leider nur 35 Minuten, hat es aber in sich! Zehn Songs voller Leidenschaft und Rock’n’Roll. Die Mitwirkung der bekannten Gäste bringt ordentlich Schwung in die Sache – man höre sich nur die beschwingte Rocknummer „Rats“ an oder „Holywater“ im energischen Trompetensound. Was mir direkt beim ersten Track „Paranormal“ auffiel, war die Tatsache, wie jung sich der 69jährige zeitweise anhört. Als sei er in einen Jungbrunnen gefallen und lasse nun alle Einflüsse der letzten Jahrzehnte neu auf sich wirken. So funktioniert auch das leicht psychedelisch angehauchte, „The Sound Of A“, das einem Pink Floyd Album entsprungen sein könnte.
Alles in allem ist CD 1 ein kunterbuntes Rockpaket, das äußerst kurzweilig ist und die gute halbe Stunde wie im Flug vergehen lässt. Larry Mullen haut bei „Dead Flies“ ordentlich rein, Bob Ezrin verfeinert „Fireball“ mit Orgelklängen, während Alice mit verfremdeten Vocals losrockt. Da kommt krasses 80er-Feeling auf.
CD 2 widmet sich dann ganz der Kurzzeit-Reunion der Alice Cooper Band. Zwei gitarrenlastige, schnelle Rocknummern der alten Schule. Vor allem „You And All Of Your Friends“ hämmert ordentlich nach vorne. Das weckt Erinnerungen an die ersten Cooper-Jahre. Exzellent! Daneben gibt es sechs mörderisch gute Live-Versionen von The Coop’s Greatest Hits. Darunter „No More Mr. Nice Guy“, „Billion Dollar Babies“ und „School’s Out“ – aufgenommen 2016 in Columbus, Ohio und gemeinsam mit der aktuellen Alice Cooper-Besetzung performt. Damit kommt diese CD ebenfalls auf fast 35 Minuten
Alice Cooper befindet sich in diesem Jahr auf Welttour durch die USA, Europa, Australien sowie Neuseeland. Im August tritt die Rocklegende als Headliner auf dem diesjährigen Wacken Open Air-Festival auf, bevor er im November im Rahmen seiner Tour nach Deutschland zurückkehren wird.
Marc Marshall wurde die Liebe zur Musik quasi in die Wiege gelegt. Wie soll es auch anders sein, wenn man Sohn des berühmten Entertainers Tony Marshall ist. Doch der Junior steht schon lange auf eigenen Beinen und ist ebenso berühmt: Das Duo Marshall & Alexander hat sich auf dem Gebiet zwischen Klassik und Pop ein hervorragendes Renommee erspielt. Doch manchmal ist Zeit für eine Pause. Die hat Tenor Jay Alexander für ein Soloalbum genutzt (hier unsre Review dazu) und Bariton Marc Marshall zieht drei Monate später nach.
Mit „Herzschlag“ blickt der ausgebildete Sänger nach vorne und auch zurück. Neue Titel verschmelzen nahtlos mit persönlichen Meilensteinen und besonderen Schmankerln. So gibt es bespielweise einen neuen Mix des Titels „Besser so hier“ aus Marshalls erstem Solo-Album „Nimm Dir Zeit“ (2008) zu hören, was ihm für dieses persönliche Projekt genauso wichtig war, wie eine Hommage an sein Erfolgs-Duo Marshall & Alexander, das seit knapp 20 Jahren eine sehr wichtige Rolle in der Karriere und dem Leben des Sängers spielt („Mach mir Dein Herz auf“).
Doch auch neue Lieder aus der Feder des Multitalents dürfen natürlich nicht fehlen. Das Schreiben und Komponieren ist für ihn ein wunderbares Ventil, um seinen Gefühlen und Erfahrungen Ausdruck zu verleihen und sie zu verarbeiten. Wundervolle Texte, eingebettet in Melodien, die einladen, die Augen zu schließen, sich dem Herzschlag hinzugeben und sich einfach fallen zu lassen. Emotionen pur.
Marshall singt mit schöner, sonorer Bariton-Stimme und lässt seinen Gefühlen freien Lauf. Das hört sich oft schlagermäßig an, ohne dabei aber kitschig zu wirken. Man höre sich nur den wundervollen Chanson „La vie en rose“ im Duett mit Cassandra Steen an oder die emotionale Erkenntnis „Keine Zeit verliern“ mit seinem Vater Tony. Selbst Tausendsassa Gregor Meyle ist mit vertreten und verfeinert das sanfte Eagles-Cover „Desperado“.
Der Albumtitel entstammt übrigens einer Begegnung mit André Heller und der Idee von Herzschlag-Momenten, die ein Leben prägen. Quasi als Titelsong singt Marshall den bekannten Wayne Carson-Titel „Always On My Mind“ (Willie Nelson, Elvis Presley, Pet Shop Boys) in Hellers deutschsprachiger Version aus dem Jahr 1983. Doch das ist nicht die einzige Hommage. In langjähriger Freundschaft zu Harry Belafonte singt Marc Marshall ein 13minütiges Tribute aus bekannten Belafonte-Titeln.
„Herzschlag“ ist Marc Marshall pur. Er lässt die Musik für sein Herz sprechen: die Melodien, die Texte, die Emotionen. Ohne ablenkendes Brimborium – ein Flügel, eine Stimme und viel Gefühl.
Der große Durchbruch mit „Video Games“ ist nun schon fast sechs Jahre her. In ihrer musikalischen Ausrichtung hat Lana del Rey sich aber kaum verändert. Warum auch? Das Konzept aus melancholischen, getragenen Lieder funktioniert weiterhin. Innerhalb eines Monats erzielte die Sängerin mit dem morbiden Charme und dem ausgefeilten Vintage-Look zum Jahreswechsel 2011/2012 mehr als eine Million Klicks und avancierte samt ihres Retro-Pops zum Internet-Star. „Video Games“ wurde ein internationaler Hit, der auf Platz eins der deutschen Charts schoss und sich weltweit fast zwei Millionen Mal verkaufte. Das dazugehörige Albumdebüt „Born To Die“ ging 2012 erwartungsgemäß ebenfalls durch die Decke: Platz eins unter anderem in Deutschland, Großbritannien und Österreich. Dies war aber nur der Anfang von Lana Del Reys Erfolgsgeschichte. Mit den beiden Nachfolgern „Ultraviolence“ (2014) und „Honeymoon“ (2015) bewies die inzwischen 32-Jährige eindrucksvoll, dass sie alles andere als eine musikalische Eintagsfliege ist.
„Lust For Life“ führt diesen Weg unbeirrt fort. Der Sound der neuen Stücke ist gleichermaßen zeitgemäß und retro: So kommt die Ballade “Beaches“ mit verschleppten Triphop-Beats daher und – typisch für del Rey – taucht die Sängerin hierbei textlich in tiefe Traurigkeit ein und bekennt ganz unverblümt, dass sie ihren Ex immer noch liebt. “Cherry“ schlägt inhaltlich und musikalisch in eine ähnliche Kerbe, aber auch hier regiert die Melancholie, wenn Lana beschreibt, wie die Gefühle für einem Mann sie fast zerbrechen.
Ein Partyalbum gibt es natürlich nicht, auch wenn der lebenslustige Titel mehr Optimismus verspricht. Es überwiegen die nachdenklichen Texte, die auch mal politisch werden können. Nun knöpft sie sich auch Themen der politischen US-Gegenwart vor und stellt im Song ”When The World Was At War We Kept Dancing“ die Frage: „Is This The End Of America?“ Besonders eindringlich erklingt die Pianoballade „Change“, die sich mit der Veränderung des politischen Klimas befasst. Lanas Vocals sind hier von so zerbrechlicher Schönheit, dass sie Gänsehaut erzeugen.
Spannend wird es, wenn Rapper A$AP Rocky zwei Songs verfeinert. Hinzu kommen Kollaborationen mit Sean Lennon, Stevie Nicks und The Weeknd. Vor allem diese Genre-Mischung macht dann aus „Lust For Life“ ein erfrischendes, vielfältiges Werk, auch wenn der homogene Grundton, für den wir Lana del Rey so lieben, erhalten bleibt.
„1000 Lieder sind nicht genug“ – das kann man nachvollziehen, wenn man überblickt, was Paul Falk schon alles gemacht hat in seinem kurzen Leben. Der 20jährige ist Sohn des bekannten Musikproduzenten Dieter Falk (Pur) und arbeitet selbst als Schauspieler, Synchronsprecher, Musicalsänger und Musiker. Der „Tatort“, „Alarm für Cobra 11“ und „Danni Lowinski“ finden sich ebenso in der Vita wie die Musicals „Luther“ und „Starlight Express“. Das Talent ist also durchaus vom Papa geerbt.
„1000 Lieder“ ist das Debütalbum und es enthält ausschließlich selbst geschriebene Songs. Die Tracks handeln von der ersten Liebe, von der Freude am Leben und Beziehungen zu Menschen. Musikalisch funktioniert das ganz dezent mit Pianobegleitung, aber auch im orchestralen Breitwandformat wie die Hymne „Allererste Liebe“. Es sind gefühlvolle Texte, die aus dem Herzen kommen. „Bitte komm zurück“ über den Verlust eines geliebten Menschen und „Immer mehr“ als Hymne an die Mutter. Das geht ins Ohr und verzaubert.
Als Bonustrack findet sich der „Abisong (8 lange Jahre)“, der Paul Falk einen respektablen YouTube-Hit bescherte. Kein Wunder, wenn er einer Generation aus dem Herzen spricht. „1000 Lieder“ ist ein sehr gelungenes Debüt und zeigt uns einen jungen Songwriter, der authentische Texte zu bieten hat.
Den echten Durchbruch fürs Massenpublikum hat er immer noch nicht geschafft, aber seit Jahren gehört Frank Turner zu den Lieblingen aller Musikmagazine. Auch bei uns reiht sich CD-Review an Konzertbericht an Interview. Warum das so ist? Einmal macht er fantastische, durch und durch solide Alben, die seine Fans niemals vor den Kopf stoßen, zum anderen ist er einfach ein sympathischer Kerl – Marke „Junge von nebenan“. Das wird auch erkennen, wer sich die DVD „Get Better“ zu Gemüte führt.
Seit 2005 ist Frank Turner (nach dem Ende von Million Dead) stetig unterwegs und haut im Jahrestakt neue Alben und EPs raus. Live erlebt man ihn meist mit seiner Band The Sleeping Souls. Zumindest die letzten beiden Werke schafften es in UK auf Platz 2 der Charts. In Europa ist der Erfolg aber noch verhalten – höchster Charteintritt war hier Platz 7 mit „Positive Songs For Negative People“, dem 2015er Album. Um das geht es übrigens auch im Dokumentarfilm. Der Song „Get Better“ stammt von genanntem Album und Filmemacher Ben Morse folgte Turner durch die Entstehungszeit.
Ein Jahr lang reiste Morse mit Turner, folgte ihm auf seiner nie endenden Tour und begleitete ihn durch den Entstehungsprozess des Albums. Ehrlich gesagt ist das ziemlich ermüdend. Die Dokumentation besteht hauptsächlich aus Interviews, die während dieser Zeit entstanden – meist mit Frank Turner selbst, aber auch mit seiner Familie, mit Bandmitgliedern und Wegbegleitern. Man muss schon ein großer Fan sein, um den Aussagen durchgehend zu folgen. Zumal es keine deutschen Untertitel gibt. Wer sich aber darauf einlässt, erlebt Turner als bodenständigen Musiker, der nie zur Ruhe kommt und seinen Erfolg selbst kaum fassen kann. Er arbeitet hart – so hart, dass man ihm gerne zurufen würde: Mach doch mal Pause und lehn dich zurück.
Leider gibt es enttäuschend wenig Musik innerhalb der Doku. Höchstens einmal ein paar Schnipsel. Zum Glück findet sich aber im Bonusbereich der Akustik-Set, den Frank zur Premiere des Films spielte. Damit erlebt man dann doch den musikalischen Mehrwert, der während des Films manchmal schmerzlich vermisst wird. Zumindest spürt man, dass sich Morse und Turner recht nahe stehen. Dem Filmemacher gelingt ein einfühlsames Porträt des Musikers, über den man doch recht wenig weiß. Im Zwiegespräch der beiden (ebenfalls im Bonusbereich) kann man dann erleben, wie vertraut sie einander sind und welche Ehrlichkeit zwischen ihnen herrscht.
Fazit: „Get Better“ ist ein Film, der vor allem die Menschen beglücken wird, die schon von Frank Turner überzeugt sind. Für alle anderen dürfte die Aneinanderreihung von Interviews nicht der richtige Einstieg sein, um Frank Turner kennen zu lernen. Da empfehle ich doch lieber das aktuelle Album.
Als Support eines bekannten Musikers eine Show zu eröffnen, ist kein leichter Job, wenn sich die meisten Zuschauer die Zeit bis zum Hauptakt noch damit vertreiben, Getränke zu holen oder mit dem Nebenmann zu plaudern. Stu Larsen schaffte es im Vorprogramm von Passenger in Luxemburg jedoch, weit mehr als die ersten paar Reihen zum aufmerksamen Zuhören zu bringen und mit seinen Songs zu verzaubern. Das lag vielleicht zum Teil am höflichen Publikum, hauptsächlich aber an der sympathischen Art des bärtigen und langhaarige Australiers, der einzig mit Gitarre und Mundharmonika ausgerüstet eine ähnliche Musikbegeisterung vermittelt wie sein Landsmann und Freund Passenger, den er nun schon einige Jahre auf Tour begleitet.
Der ganz große Hit fehlt Stu Larsen zwar noch, aber seine Songs schafften es auf populäre Spotify-Playlisten und sein Debüt „Vagabond“ erreichte Fans auf der ganzen Welt. Mit „Resolute“ hat der Songwriter nun sein zweites Album am Start, mit zehn neuen Stücken, von denen ich einige bereits live in Luxemburg erleben durfte.
So ist mir beispielsweise das wunderbare Liebeslied „I Will Be Happy And Hopefully You Will Be Too“ mit seiner einfachen aber einprägsamen Melodiefolge noch im Ohr geblieben. Die Albumversion unterscheidet sich hier auch kaum von der Live-Performance, lediglich ein bisschen Percussion kommt dazu und eine Klarinette im Refrain. Auch sonst setzt Stu Larsen eher auf sparsame Arrangements. Gesang und Gitarre bilden fast immer das Gerüst, ansonsten werden nur unterstützende Akzente gesetzt, wie vom Piano im melancholischen Opener „Aeroplanes“ oder im Intro zu „What If“. In dieser sehr atmosphärischen Ballade kommen Stus gesanglichen Fähigkeiten übrigens besonders zur Geltung.
Insgesamt ist „Resolute“ ein eher ruhiges und nachdenkliches Album. „What´s A Boy To Do“ und „Far From Me“ beschäftigen sich mit den Schwierigkeiten, eine Beziehung am Leben zu erhalten, und in „Going Back To Bowenville“ singt Stu von seinem verschlafenen Heimatort und seiner Kindheit dort. Erfreulich schwungvoll kommt zwischendurch der „Chicago Song“ daher, ein besonderes Liebeslied für eine Gitarre , die der Sänger in Chicago kennenlernte. Und „By The River“ versteckt im ausgedehnten Outro sogar ein E-Gitarren-Solo. „Till The Sun Comes Back“, eine Hymne an die verbindende und tröstliche Kraft der Musik, setzt schließlich einen kraftvollen Schlusspunkt.
Stu Larsen ist nicht unbedingt der Typ, den man sich für eine wilde Party einladen würde, aber er passt perfekt an ein gemütlich flackerndes Lagerfeuer. Und so liefert er mit „Resolute“ den perfekten Soundtrack für die ruhigeren Sommernächte.
Am Wochenende wurde die nächste Kultstätte in Trier bespielt – und die Besetzung konnte kaum unterschiedlicher sein. Am Freitag waren die Beginner um Jan Delay mit ihren HipHop-Eskapaden zu Gast, am Samstag gab es In Extremo (Mittelalterrock vom Feinsten) und am Sonntag sollte der unzerstörbare Helge Schneider am Start sein. Wer das Amphitheater in Trier noch nicht kennt: Ein wundervolles Ambiente mit historischer Vergangenheit inmitten von Weinbergen. Als es im 2. Jahrhundert nach Christus erbaut wurde, soll es noch 18.000 Zuschauern Platz geboten haben. Damals natürlich unter sehr blutigen Voraussetzungen, wie man aus den Geschichtsbüchern weiß. Inzwischen dürfen die Hänge rundherum allerdings nicht mehr betreten werden und Zuschauer begeben sich in die Arena selbst. Bis zu 3.500 Gäste fasst das Gelände und man darf im Inneren schaurig darüber nachdenken, wie viele Menschen hier bei Tier- oder Gladiatorenkämpfen umgekommen sind.
Denn Anfang machte Rapper Bengio als Support am Freitagabend mit einer Mischung aus Rap- und Popsongs. Der 24jährige stammt aus Fulda und wurde deutschlandweit bekannt, als er auf Yvonne Catterfelds Single „Irgendwas“ in Erscheinung trat. Dieser Song folgte dann auch zum Ende des halbstündigen Sets in seiner Soloversion. Ansonsten gab es eine Mischung an getragenen HipHop-Titeln mit Pop-Einschlag – entspannt und ruhig wie man dies beispielsweise von Rapper Cro kennt. Dabei war der Sänger viel in Bewegung und nutzte die volle Breite der fast leeren Bühne. Begleitet wurde Bengio ganz klassisch von einem DJ begleitet. Kein Unbekannter, denn es war DJ Vito, der sonst vor allem mit Samy Deluxe arbeitet.
Pünktlich um 21 Uhr übernahmen die Beginner. Es wurde laut: Schiffssirenen und die Single „Ahnma“ als Selbstvorstellung. HipHop-Fans aller Generationen waren gekommen, um die Legenden Jan Philipp Eißfeldt (alias Eizi Eiz, alias Jan Delay), Dennis Lisk (alias Denyo) und Guido Weiß (alias DJ Mad) live zu erleben. Seit 2003 firmieren die HipHop-Meister aus dem hamburgischen Eimsbüttel nur noch unter Beginner. Als sie sich Anfang der 90er Jahre gründeten und mit englischsprachigem Rap begannen, hieß die Truppe noch Absolute Beginners. Das „s“ musste als erstes weichen, als man sich vermehrt der deutschen Sprache zuwandte. Drei Alben waren erschienen und bis 2003 war man auf ein Trio geschrumpft. Nach langer Pause ging es dann 2016 urplötzlich wieder los. Die Füchse sind wieder da!
DJ Mad hatte seinen Platz auf einer hohen, begehbaren Pyramide aus LCD-Bildschirmen. Begleitet wurde das Trio von zwei hübschen Tänzerinnen und die Show nahm mit abgefeierten Nummern wie „Hammerhart“ und „Rap & fette Bässe“ ihren Lauf. Nach einer Jan Delay-lastigen Coverversion von Nenas „Irgendwie, irgendwo, irgendwann“ betraten als Überraschungsgäste die Namensgeber des aktuellen Beginner-Albums die Bühne: Advanced Chemistry aus Heidelberg waren als Duo mit am Start und boten unter anderem ihren Hit „Fremd im eigenen Land“. Und auch die Beginner hatten mit „Meine Posse“ einen aktuellen Mitsing-Hit zu bieten. Die Stimmung im Amphitheater war gleichbleibend hoch – die Beginner hatten Trier im Sturm erobert. Zum Glück war es trocken geblieben und ein Regenguss erfolgte erst auf der Heimfahrt.
Der Samstag begann mit dem Supportact Mr. Irish Bastard. Die Folk-Punkrocker läuteten den Abend mit einem energiegeladenen Set ein. Seit 2006 gibt es die Band aus Münster schon und sie spielten inzwischen als Support von vielen herausragenden Folk- und Punk-Vorbildern. Es waren vor allem schnelle Nummern im 40minütigen Set, die zum Feiern einluden. Bis zu vier Gitarren gab es zu hören – und eine sehr dominante Flötistin. Songs wie „I Only Like You When I’m Drunk“, „Last Pint“ und „I Hope They Sell Beer In Hell“ heizten die Stimmung für In Extremo ordentlich ein.
Diese betraten dann um 20.45 Uhr die Bühne. In Extremo sind aktuell auf „Burgentour“. So nennen sie schon seit zehn Jahren ihre sommerliche Open-Air-Reise zu historischen Spielstätten. Meist sind dies die Burgen der Republik, aber gerne auch mal ein altehrwürdiges Amphitheater. Im Gegensatz zum Vortag war die Arena diesmal nur zur Hälfte gefüllt, das tat dem musikalischen Feuerwerk aber keinen Abbruch. Die sieben Spielleute legten mit der „Feuertaufe“ los und zündeten ordentlich Pyrotechnik.
Folkloristisches Saitenspiel, Dudelsäcke, eine Harfe und dazu eine formidable Rockband. Das sind die Zutaten für ein grandioses Konzert. „Vollmond“, „Störtebeker“ und „Quid pro quo“ hießen die ersten Mitsinghits. Zu „Lieb Vaterland, magst ruhig sein“ gab es eine beeindruckende Feuershow, die für ein Hitzegefühl bis in den letzten Reihen sorgte. Leider half es nichts, was die Wetteraussichten anging, denn es begann stetig vom Himmel zu tröpfeln. Ein Gewitter war im Anmarsch. Während „Frei zu sein“ und „Küss mich“ wurde der Regen immer stärker und erste – nur mit T-Shirts bekleidete – Fans stürmten zum Ausgang.
Kurz vor Schluss des regulären Sets wurde es zu „Sternhagelvoll“ für kurze Zeit wieder trocken, dann aber traf im Zugabenteil anscheinend der „Spielmannsfluch“ den Rest vom Amphitheater Open Air. Als ein heftiges Gewitter mit starken Blitzen auftrat, die diesmal abseits der Pyroshow ein ebenso beeindruckendes Naturschauspiel boten, mussten In Extremo ihren Auftritt leider kurz vor Schluss (ca. 22.20 Uhr) abbrechen und der Veranstalter gar das Gelände evakuieren, damit sich die Zuschauer schnell in Sicherheit bringen konnten.
Leider hielt die Negativserie an, denn das dritte Konzert, das heute (Sonntag, 23.7.) mit Helge Schneider stattfinden sollte, musste wegen einer Erkrankung des Künstlers leider kurzfristig abgesagt werden. Schade drum.
Seht hier unsere Fotos von In Extremo auf Burgentour im Amphitheater Trier, 22.7.2017
Seht hier unsere Fotos von Jupiter Jones am 21.7.2017 im Exil des ExHaus Trier
Die Band RPWL aus Freising war in ihrer 20jährigen Geschichte schon für einige Überraschungen gut. Gestartet als Pink Floyd Coverband haben sie sich schnell mit eigenen Stücken an die Speerspitze der Progressive Rock Szene in Deutschland gesetzt. Alben wie „God Has Failed“ und „The RPWL Experience“ sind legendär, auch wenn der Band der große Durchbruch versagt blieb. Das war vermutlich auch nie ihr Ziel, denn RPWL machen ihr eigenes Ding und sorgen damit in der Prog-Gemeinde regelmäßig für Verzücken.
2012 erschien das erste Konzeptalbum „Beyond Man And Time“, das sich mit der philosophischen Idee von Platons Höhle beschäftigte. Ihm folgte mit „Wanted“ der zweite Teil einer Albumserie, die inzwischen auf eine Trilogie ausgelegt ist. Auf der Tour zu „Wanted“ brachte man das Konzept reichlich bebildert auf die Bühne. Und den Abschluss der Tour bildete im Oktober 2015 eine regelrechte Rockoper, die in Freising aufgeführt wurde und die mit 50 Schauspielern und Komparsen umgesetzt wurde.
Die Geschichte eines Wissenschaftlers wird erzählt, der sich mit den Tagebüchern des Hippokrates auseinander setzt und dort eine Rezeptur findet, um den Geist des Menschen in eine freie Welt ohne Illusionen zu führen. Quasi das Geschenk der absoluten Freiheit, die auch keine Religion mehr braucht. Man befreit die Menschheit mittels dieses Medikaments („Veritas Forte“) und lenkt den Zorn der Weltreligionen auf sich.
Die Show bzw. das Schauspiel zum Album sind sehr gelungen und kreativ umgesetzt. Neben den Albumsongs gibt es musikalische Erweiterungen, neue Stücke und Sprechtexte. Hinzu kommt die opulente Aufführung, in der einiges passiert: Ein Fernsehmoderator wird ermordet, Ritter stellen sich Demonstranten in den Weg – eine Show zur breit gefächerten Thematik von Gedankenkontrolle, Überwachungsstaat und Religionskritik.
Die visuellen Elemente des Events kann man nur bewundern und RPWL loben, dass sie sich an internationalen Standards orientieren. Die DVD kann man mit Spannung am Stück schauen, Handlung und Songs greifen gut ineinander. Ein spannender Konzertfilm, der fast schon Musical-Charakter hat.!
Seht hier unsere Fotos von den Beginnern im Amphitheater Trier 2017
In der ersten Hälfte des Jahres 2017 sind mal wieder drei fantastische Songbooks aus der Bosworth Musik Edition erschienen. Deutschsprachige Musik, die sich hervorragend für Klavier und Gitarre eignen.
Den Anfang macht Roger Cicero, der viel zu früh von uns gegangen ist. Dieses Best Of-Songbook enthält 15 seiner beliebtesten Hits: u.a. „Zieh die Schuh aus“, „Frauen regier’n die Welt“, „Ich atme ein“, „Die Liste“ und „Murphys Gesetz“. Hier gibt es nicht das große Bigband-Arrangement, sondern Melodielinie, Text und Akkorden. Eine schöne Zusammenstellung für alle Roger Cicero-Fans und perfekt zum Mitsingen.
Alexa Feser hat sich mit bisher zwei Alben als Songwriterin einen großen Namen gemacht und liefert uns wunderbar verträumte Titel wie „Gold von Morgen“, „Dezemberkind“, „Mehr als ein Lied“ und „Mensch unter Menschen“. Sie hat ein Gespür für Stimmungen und Zwischenmenschliches. Das kommt in den Songs und Arrangements gut rüber. Alexa Fesers erstes Songbook enthält eine Auswahl von 16 Titeln, die sowohl aus dem Debüt-Album als auch aus dem neuen Album der Musikerin stammen und für Klavier, Gesang und Gitarre arrangiert sind.
Den Abschluss machen wir dann mit der allgegenwärtigen Annett Louisan. Die Hamburger Sängerin wurde im Jahr 2004 mit ihrem später mehrfach mit Gold und Platin ausgezeichneten Debütalbum „Bohème“ und der Singleauskopplung „Das Spiel“ schlagartig einem breiten Publikum bekannt. Seitdem hat sie sechs weitere Alben veröffentlicht, ihr letztes im Jahr 2016. Die Songauswahl des Buchs spiegelt alle Facetten des Repertoires von Annett Louisan wieder: eine Mischung aus Pop und Chanson, die mal mit leichtfüßigem Wortwitz und mal mit nachdenklichen Texten daherkommt. Alle 13 Lieder sind für Klavier, Gesang und Gitarre arrangiert.
Wer sich eingehender mit den Stücken beschäftigen möchte, selbst gerne mitsingt oder sich gar mit Gitarre bzw. Klavier begleiten kann, wird hier bestens bedient.
„Kaiser im Palast“ hat die neue DVD des Schlagersängers Roland Kaiser als Untertitel. Zu dick aufgetragen? Keineswegs, wenn man die besondere Beziehung des Sängers zur Stadt Dresden kennt. Seit 2003 gibt es mit der „Kaisermania“ am Elbufer ein jährliches Mega-Event, zu dem Tausende Fans von nah und fern anreisen. Roland Kaiser ist jetzt 65 Jahre alt und gehört definitiv zu den Künstlern, die sich nicht auf ihren Lorbeeren ausruhen. Er hat genügend Hits, von denen er zehren könnte, doch er endet nicht in Schlagerparade und RTL Chartshow. Stattdessen probiert er immer wieder Neues aus, wie die vorliegende DVD beweist. Sie wurde im Kulturpalast Dresden aufgenommen und enthält ein 135minütiges Konzert, für das Kaiser von der Dresdner Philharmonie begleitet wird.
Dabei gibt es hier kein 08/15-Event, bei dem Schlager abgenudelt werden und das Orchester diese mit öden Melodielinien begleitet. Im Gegenteil! Man hat sich große Mühe gegeben, für die bekannten Hits ausgefeilte neue Arrangements zu schreiben, die bis ins Detail stimmig sind. Und da gibt es auch mal kleine Späße, indem der Bogen von klassischen Bach- oder Mozart-Eröffnungen hin zu den bekannten Titeln gespannt wird.
Unter der Leitung des renommierten Dirigenten und Filmmusikers Nic Raine („Der Mann mit dem Fagott“, „Star Wars: The Clone Wars“) entstanden zusammen mit der Philharmonie symphonische Versionen der größten Roland Kaiser-Hits, darunter Klassiker wie „Dich zu lieben“, „Ich glaub es geht schon wieder los“, „Midnight Lady“, „Manchmal möchte ich schon mit dir“, „Santa Maria“ und „Joana“. Der Schlagersänger nimmt sich dabei nicht tierisch ernst und ist zu einer ordentloichen Portion Selbstironie in den Ansagen bereit.
In einem langen Udo Jürgens-Medley wird der großartige Kollege gefeiert. „Über sieben Brücken musst du gehen“ stellt eine Hommage an die freiheitsliebenden Ex-DDR-Bürger dar und wird vom Publikum im Refrain komplett übernommen. Doch es gibt nicht nur Klassiker. Auch aktuelle Titel wie „Warum hast du nicht nein gesagt“, den Maite Kelly für Roland Kaiser schrieb, werden vorgetragen. Als Duettpartnerin fungiert Christiane Eiben. An anderer Stelle ist Opernsängerin Simone Kermes mit an Bord. Zwischen den Songblöcken kommt dann die Philharmonie mit ihrem Chor ebenfalls zur Geltung und spielt Titel von Richard Wagner, Johannes Brahms und Johann Strauß.
„Ich freue mich sehr auf diese drei gemeinsamen Konzerte mit der Dresdner Philharmonie. Das wird gerade in Dresden, der Stadt, die mir so viel bedeutet, eine neue und spannende Erfahrung. Ich bin sehr gespannt darauf, wie meine Titel mit klassischer Orchesterbegleitung klingen werden“, sagte Roland Kaiser im Vorfeld der Konzerte. Er erscheint auf der DVD als sympathischer und publikumsnaher Künstler. Die Ansagen sind nicht euphorisch oder aufgesetzt – man kann die Emotionen in seiner Mimik verfolgen. Der Mitschnitt ist ein schönes Geschenk an alle, die bei diesem Ereignis nicht dabei sein konnten.
Vor 32 Jahren (am 17. Juni 1985) erschien mit „Misplaced Childhood“ das wichtigste Album der Progressive Rocker Marillion aus Aylesbury, das bis heute Kultstatus genießt. Für viele war und ist es die perfekte Verbindung aus Progressive Rock und Pop. Großen Anteil daran trägt die Hitsingle „Kayleigh“. Mit dem Erfolg hatte wohl keiner gerechnet. Überhaupt waren Marillion alles andere als Garanten für hohe Positionen in den Charts. „Garden Party“ hatte es gerade mal auf Platz 16 geschafft.
„Misplaced Childhood“ und „Kayleigh“ waren der Wendepunkt. Das großartige Konzept des Albums funktioniert bis heute: In gut 41 Minuten erzählt Sänger Fish eine autobiographische Geschichte vom Durchleben der Pubertät. Erste große Liebe, erste Enttäuschung, die Suche nach dem Platz im Leben. Die schottischen Wurzeln des Sängers werden ebenso thematisiert wie sein Freundeskreis, der Tod des Ersten aus ihrer Mitte – die Höhen und Tiefen eines Teenagerlebens. Die Gedankenreise kulminiert im Sprung zum Erwachsensein, gleichzeitig mit der Erkenntnis, dass die Kindheit niemals aufhört, und dem Widerstand gegen gesellschaftliche Vorgaben.
Die musikalische Intensität des Albums, dessen Stücke ineinander übergehen und daher eine große Rock-Suite bilden, wirkt bis heute. Da waren vier großartige Instrumentalisten und ein formidabler Sänger zusammen und konnten sich voll ausleben. Man kann immer noch Neues entdecken – das ging auch der Band so, als sie für die BluRay-Dokumentation mit Produzent Chris Kimsey zusammen saßen und die Bänder im Abstand von über dreißig Jahren erneut abhörten.
Inzwischen ist viel passiert. Fish ist seit 29 Jahren nicht mehr Frontmann der Band und wurde durch Steve Hogarth ersetzt. Marillion lassen ihre Vergangenheit meist ruhen und konzentrieren sich auf aktuelle Werke. Hits wie „Kayleigh“ und „Lavender“ werden höchstens einmal auf Support-Touren, Festivals oder Fanclub-Events gespielt. Fish hingegen hält die Fahne der 80er weit nach oben und war erst kürzlich noch mit dem kompletten „Misplaced Childhood“-Album auf Tour.
Die Rechte an den 80er-Alben gingen mit dem Verkauf von Parlophone, das früher zum EMI Label gehörte, an Warner Music über. Für die Neuveröffentlichung hat man sich einiges einfallen lassen. Das Album erscheint als Hardcover im DVD-Format und enthält vier CDs und eine BluRay. Hinzu kommt ein 60seitiges, informatives Booklet mit den Songtexten und vielen Fotos (darunter auch eine sehr einträchtige, aktuelle Aufnahme der zeitweise zerstrittenen Bandmitglieder mit Chris Kimsey). Ein langer Text stammt vom Rockjournalisten Dave Everley und ist mit vielen Zitaten der Beteiligten unterlegt. Hinzu kommen zwei kurze Statements von Mark Wilkinson, der das Artwork des Albums verantwortet, und Robert Mead, der als Junge auf dem Cover verewigt wurde. Wunderschöne Aufmachung – viele Infos!
CD 1 enthält dann das remasterte Originalalbum. CD 2 und 3 liefern ein komplettes Konzert der „Misplaced Childhood“ Tour, das am 15. Oktober 1985 in Utrecht aufgenommen wurde, bisher unveröffentlicht ist und zugleich die erste offizielle Veröffentlichung eines Marillion-Konzerts aus dem Jahr 1985 darstellt. Das Mixing erfolgte durch Michael Hunter, die Tonqualität ist hervorragend – Fans werden begeistert sein. CD 4 widmet sich schließlich den B-Seiten („Freaks“ und „Lady Nina“), man findet alternative Mixe, Single-Versionen, Demos (zum Teil mit einer unfertigen Textfassung) und als besonderes Bonbon den Steve Wilson Remix von „Lady Nina“.
Und da wären wir auch schon bei Steven Wilson: Der Sänger, Multi-Instrumentalist, Toningenieur und Produzent ist der Tausendsassa des Progressive Rock, hat nach dem Ende von Porcupine Tree reihenweise weitere Projekte am Laufen und widmet sich seit Jahren dem Remastering von Alben alternder Prog- und Rock-Heroen wie Jethro Tull, Yes und Chicago. Dabei gilt er als Perfektionist und das Ergebnis ist meist überragend. Die BluRay enthält das von Steven Wilson remixte Original-Album im 5.1 Surround Sound und das Remaster 2017 in hochaufgelösten 96kHz 24 bit.
Eine 72minütige Doku zeigt Fish, Steve Rothery, Mark Kelly, Ian Mosley, Pete Trewavas und Chris Kimsey in trauter Runde im Tonstudio. Sie hören in das Album rein und erzählen Anekdoten und Erinnerungen aus der Entstehungszeit. Sehr entspannt sieht das aus – von Feindseligkeiten keine Spur. Stattdessen schwelgt man gemeinsam in Erinnerungen und es macht großen Spaß, dem zuzuhören. Allerdings muss man der englischen Sprache mächtig sein, da es keine Untertitel gibt. Abgerundet wird der Video-Teil durch die Promo Videos zu „Kayleigh“, „Lavender“, „Heart of Lothian“ und „Lady Nina“.
Muss man das Teil haben? Ein eindeutiges „Ja“. Es ist wunderschön aufgemacht und bietet alle Wertigkeit, die man von einer Deluxe Edition erwarten darf. Klar – es gab schon 1998 ein Remaster und die meisten Tracks der CD 4 sind seitdem bekannt. Genial sind aber das 85er Konzert und die Dokumentation. Ob der Wilson-Remix unbedingt nötig wäre, sei mal dahin gestellt. Für Sound-Enthusiasten ist es sicherlich eine Offenbarung. Dazu zähle ich mich aber nicht.
Hinzu kommt eine Vinyl-Version. Diese offeriert die neu gemasterte Version des Originalalbums und das gesamte Holland-Konzert. Auf 180-Gramm-Viynl gepresst, sind die vier LPs in einer 12×12-Zoll-Box mit aufklappbarem Deckel verpackt, dazu gehört ein 24-seitiges Booklet, das unter anderem das Replikat eines Tourprogramms und einen ausführlichen Text über das Album und seine Entstehung enthält.
Zwei wundervolle Pakete also, um ein einmaliges Album zu feiern. So wünscht man sich das und so darf es weitergehen. Man munkelt, dass für „Clutching At Straws“ und „Brave“ eine ähnliche Neuveröffentlichung bei Parlophone geplant ist.
Der Autor Frank Schätzing, die Musiker der Band Söhne Mannheims, die Sängerinnen Marianne Rosenberg und Yvonne Catterfeld, der Trompeter Till Brönner, die Prager Philharmoniker, die Schauspieler Ulrich Noethen und Christoph Maria Herbst, der Filmemacher und Oscar-Preisträger Pepe Danquart, die Webvideo-Künstlerin Joyce Ilg, der DJ und Produzent Mousse T. und viele andere haben sich vereint, um die Öffentlichkeit aufzurütteln und offensiv auf die Folgen geistigen Diebstahls hinzuweisen. Es geht ihnen um Fair Play – um Respekt vor geistigem Eigentum, um Fragen des Copyrights in der digitalen Welt und nicht zuletzt um Fair Play in den Beziehungen der Menschen untereinander.
Medium dazu ist ein musikalisches Konzeptalbum, das sich quer durch die verschiedensten Musikrichtungen zieht. Eine Reihe der Songs sind bereits einige Jahre alt. So ist Marianne Rosenberg mit „Genau entgegengesetzt“ vertreten und die Prinzen singen ihren Gassenhauer „Alles nur geklaut“. Gleiches gilt für Titel von Yvonne Catterfeld, Mousse T. und den Söhnen Mannheims. Das Konzept, dass sich um diese Stücke schließt, wirkt anfangs etwas konfus – doch es wird schnell klar, dass man hier keine durchgehende Geschichte erzählen, sondern sich mit der Idee geistigen Eigentums auseinander setzen will.
Der Kölner Geiger, Komponist und Produzent Lando van Herzog setzt mit dem genreübergreifenden Album ein starkes Zeichen gegen die Entprofessionalisierung von Kunst und Kultur. Die Tracks greifen gut ineinander. Besonders die orchestralen und elektronischen Zwischenspiele machen das Album zu einem homogenen Ganzen. Ulrich Noethen liest aus Tanja Kinkels Text „Im Schatten der Königin“, Tomas Balou Martin trägt eine kurze Passage aus Frank Schätzings „Der Schwarm“ vor.
Die Solidarität, die Musiker, Autoren, Schauspieler hier einander leisten, ist bemerkenswert. „Als Künstler zu arbeiten und davon leben zu können, ist schwer. Die meisten schaffen das nicht“, so Initiator Lando van Herzog. „Kultur kann nur dann existieren, wenn die Schöpfer der Werke fair entlohnt werden.“ Und er fügt hinzu: „Mit dem Konzeptalbum PROJECT FAIR PLAY äußern wir Künstler uns das allererste Mal zu dieser Thematik und fordern Respekt gegenüber unserer Arbeit.“ Eine unterstützenswerte Sache!
Es war mal wieder an der Zeit für die große Gemeinde des Progressive Rock, auf den Felsen zu pilgern. Ein wichtiges Datum im Terminkalender weltweiter Fans, die sich von Melodic Rock, Artrock, Progmetal und ähnlichen Spielarten begeistern lassen. Wer hätte das gedacht, als am 28.7.2006 das Festival erstmals über die Bühne ging – damals noch eintägig und mit Altmeister Fish als Headliner. Inzwischen fand die „Night of the Prog“ bereits zum zwölften Mal statt, wurde auf drei Tage ausgedehnt und gilt als Open-Air-Heimstätte junger, innovativer Progbands ebenso wie als Spielwiese für die Veteranen des Genres. Veranstalter Win Völklein hat seit Jahren eine Händchen dafür, eine gesunde Mischung darzustellen und die aktuelle Szene ebenso abzubilden, wie mit vielen Heroen als Headliner ein nostalgisches Publikum anzulocken. In den Abendstunden stand auch diesmal die Nostalgie im Vordergrund: Es gab Titel von King Crimson, Genesis, Yes, Manfred Mann’s Earth Band und den unverwüstlichen Marillion.
Am Freitag konnte ich aus beruflichen Gründen leider noch nicht vor Ort sein, doch einige Anwesende schwärmten noch an den nächsten Tagen von der atmosphärischen Stimmung, die Crippled Black Phoenix schufen, und von dem neuen virtuosen Projekt „Shattered Fortress“, das Mike Portnoy ins Leben gerufen hat. So kam ich am Samstag gegen 17 Uhr auf das Gelände, das momentan kräftig umgebaut wird. Die alte Bühne mit ihrem Zeltdach-Flair ist einem stabilen Konstrukt gewichen, das bombastisch in die Höhe geht, während die Grundfläche der Bühne gleich geblieben ist. Auf jeden Fall sind die technischen Möglichkeiten besser geworden – wenn auch etwas vom ursprünglichen Charme fehlt. Der Eingangsbereich wurde nach oben verlegt, in den Zuschauerreihen ist aber alles gleich geblieben: die Liegeplätze unter den Bäumen, die oberen Terrassenplätze zum Aufstellen von Klappstühlen und die gewohnten Steinreihen, wo man sich mit Decken oder Sitzkissen einen Platz reservieren konnte – alles gemütlich und entspannt wie immer.
Ich traf pünktlich zur David Cross Band ein. Der ehemalige Violonist von King Crimson hat eine beeindruckende Band um sich versammelt und spart nicht mit der Verwendung von Instrumenten, die über das gewohnte Bild einer Rockband hinaus gehen. Es gab spannende Klänge von Geige, Querflöte und Saxofon. Zu Beginn spielte David Cross eigene Titel wie das ungewohnt harte „Sign Of The Crow“, ein sphärisch verspieltes „The Pool“ und das melodische „Rain Rain“. Spannende Stücke, die allesamt mit feinen Jazz-Anleihen versehen sind und fürs entspannte Zurücklehnen relativ ungeeignet waren. Das Publikum dankte es dem Briten mit riesigem Applaus und stehenden Ovationen zum Schluss, als es aus der Mottenkiste auch noch Songs von King Crimson im Repertoire gab. Für mich ein gelungener Einstieg in den Konzertabend.
Es folgte Ray Wilson, auf den ich mich persönlich sehr freute. Man wird ihm sicher nicht gerechnet, wenn man ihn auf sein One-Hit-Wonder „Inside“ reduziert oder auf seine kurze Zeit als Sänger von Genesis. Auch sein Solowerk ist absolut hörenswert. Davon gab es diesmal auf der Loreley allerdings wenig. Sein Konzertset stand unter dem Motto „Calling All Stations“. Das war das Genesis-Album, das Ray als Sänger mit einspielte. Es enthält keine Superhits der Band, ist aber ein durchaus solides Werk, das mehr Beachtung verdient hätte. Und es war eine Freude zu sehen, wie Ray durch die Kulisse aus mehreren tausend Fans zu Glanztaten angespornt wurde.
Er startete mit zwei Genesis-Klassikern und dem Solotitel „Take It Slow“, bevor er „Calling All Stations“ und den Progtitel „The Dividing Line“ vom gleichen Album zum Besten gab. Später wurden „There Must Be Some Other Way“, „Not About Us“ und „Congo“ eingestreut. Damit war das Mottowerk des Abends gut vertreten, wenn ich mir auch noch einige der sonst nie gespielten Stücke gewünscht hätte. Sei’s drum – stattdessen gab einen fulminanten Genesis-Set mit einem gefeierten „Carpet Crawlers“ und einem düsteren „Mama“, die zweifelsohne zu den Konzerthöhepunkten zählten. Auch das 90er-One-Hit-Wonder „Inside“ wurde gespielt und als Zugabe kam „Solsbury Hill“. Da war dann auch kein Halten mehr und der komplette Felsen feierte einen gut aufgelegten Ray Wilson ab, der in gut 100 Minuten einige progressive Highlights spielte. Dabei will ich auch „Makes Me Think Of Home“ nicht vergessen, dass als Titelstück seines aktuellen Albums gut in den Set passte.
Setlist Ray Wilson, 15.7.2017, Loreley – Night of the Prog
No Son of Mine (Genesis)
That’s All (Genesis)
Take It Slow
Calling All Stations (Genesis)
The Dividing Line (Genesis)
Home by the Sea (Genesis)
There Must Be Some Other Way (Genesis)
Makes Me Think of Home
Not About Us (Genesis)
Follow You Follow Me (Genesis)
The Carpet Crawlers (Genesis)
Congo (Genesis)
Inside (Stiltskin)
Mama (Genesis)
Zugabe: Solsbury Hill (Peter Gabriel)
Nun wartete alles gespannt auf YES featuring Jon Anderson, Trevor Rabin und Rick Wakeman. Oft wird der Name der Band auch mit ARW abgekürzt, denn sie sind ja neben der eigentlichen Formation YES unterwegs, die unter anderem Howe, Downes und White in der Band hat. Wer sich nun legitim als „Original“ bezeichnen darf, sei also dahin gestellt. Auf jeden Fall war es ein besonderes Ereignis, YES mit dem stimmgewaltigen Anderson zu sehen. Und da es das einzige Deutschlandkonzert 2017 war, sind unendlich viele Fans zur Loreley gekommen, was die Reihen bis nach oben komplett füllte.
Die Show dauerte weit über zwei Stunden und Klassiker reihte sich an Klassiker. Der Beginn mit „Cinema“ war noch etwas holprig, doch man konnte von Beginn an erkennen, dass Jon Anderson stimmlich in Topform war. Das war die Hauptsache! Rick Wakeman erschien im langen weiten Umhang – stilgerecht, wie man es von dem Keyboard-Heroen nicht anders erwartet. Die 70er und 80er Jahre wurden ausgiebig zelebriert. Oft mit schönen, mehrstimmig arrangierten Passagen. Hier zeigte sich die Klasse der ganzen Band ebenso wie an den Instrumenten. Vor allem Lee Pomeroy am Bass stach glänzend heraus. „Long Distance Runaround“ wurde dem seligen Chris Squire gewidmet und Lee legte im Anschluss mit „The Fish“ ein Bass-Solo zu Squires Ehren hin, dass es manchen die Tränen in die Augen trieb. Das waren echte Gänsehaut-Momente.
Eine Lanze will ich an dieser Stelle auch für Trevor Rabin brechen. Er war ja nur kurzzeitig in den 80ern und Anfang der 90er bei der Band, hat aber auf Alben wie „90125“ und „Union“ deutliche Spuren hinterlassen. So glänzte er bei „Lift Me Up“ und „Changes“ auch an den Vocals. Zum Abschluss des regulären Sets gab es „Owner Of A Lonely Heart“ in einer ausgedehnten Version, die es weit weg von allen Pophit-Ambitionen führte. Und die Zugabe „Roundabout“ machte den Gig zu einer runden Sache. Hier ging nach Mitternacht jeder mit strahlenden Augen nach Hause (oder ins Zelt).
Setlist YES featuring ARW, 15.7.2017, Loreley – Night of the Prog
Cinema
Perpetual Change
Hold On
I’ve Seen All Good People
Drum Solo
Lift Me Up
And You and I
Rhythm of Love
Heart of the Sunrise
Changes
Long Distance Runaround
The Fish
Awaken
Owner of a Lonely Heart
Zugabe: Roundabout
Am Sonntag war ich dann ab 16 Uhr pünktlich zu Gong am Start. Die 1968 gegründete Band besteht auch nach dem Tod der Band-Gründer Daevid Allen und Gilli Smyth fort. Es gibt sogar ein aktuelles Album, das den Flair alter Tage atmet. Live kam die Band auf jeden Fall ganz schön schräg und jazzig rüber. Nicht so ganz mein Fall, doch sie wurden von Teilen des Publikums durchaus abgefeiert. Gong sind eine spacige Prog-Legende und konnten diesem Status auf der Loreley gut gerecht werden. Durchaus ein Fall für Nostalgiker.
Die wurden dann ebenso von Chris Thompson bedient, seines Zeichens Ex-Leadsänger von Manfred Mann’s Earth Band, der er von 1975 bis Ende der 90er Jahre als Sänger vorstand. Auch danach gab es noch eine Zusammenarbeit mit Manfred Mann. Das Tischtuch scheint also nicht zerschnitten, wie man an den schönen Anekdoten erkennen konnte, die Chris aus seinen Bandzeiten erzählte. Das Programm auf der Loreley sollte sich den progressiven Zeiten der Earth Band in den 70er Jahren widmen. Dem wurde Chris voll und ganz gerecht und erfüllte den Auftrag mit Bravour. Schon der instrumentale Start, den er selbst an der Gitarre gestaltete, war ein Meisterstück.
Die Alben von 1973 bis 1976 standen im Fokus und das war ein musikalisches (und durchaus progressives) Fest. Titel wie „The Road To Babylon“, „Spirit In The Night“ und „Don’t Kill Carol“ bestimmten den Set. Bei „Martha’s Madman“ konnte ich erstmals den Refrain mitsingen und wirklich familiär wurde es schließlich im letzten Drittel des Konzerts. „Blinded By The Light“ – wundervoll im Duett mit Elisabeth Moberg – und „Davy’s On The Road Again“ hoben die letzten Zuschauer aus den Sitzen. Im Zugabenteil gab es ein herzerwärmendes „For You“, das Chris zu Beginn ganz allein vortrug, gefolgt vom Gassenhauer „Quinn, The Eskimo“.
Chris Thompson war gut aufgelegt und erzählte zu „Father of Day, Father of Night“ von seinem ersten Gig mit der Earth Band, als beim Reading Festival nur eine einzige kleine Wolke am Himmel war und genau zu diesem Song ihre Schleusen über dem Konzertgelände öffnete. Oder davon, wie Manfred Mann bei einem Test-Gig im Jahr 1975 zwanzig Leute bezahlte, die nach vorne stürmten und „Where is Mick Rogers?“ skandierten, dessen Nachfolge Thompson angetreten hatte. So öffnete Chris gut gelaunt das Feld für den Headliner Marillion. Und ich will auch nicht die restliche Band unerwähnt lassen, die sich um den Norweger Mads Eriksen gruppierte und die anspruchsvolle Songliste gekonnt über die Bühne brachte. Chapeau!
Marillion machten den Abschluss. Das war so nicht geplant, denn eigentlich waren Kansas Headliner für den Sonntag. Diese hatten ihre Europa-Tour aber kurzfristig abgesagt. Eigentlich aus fadenscheinigen Gründen: Anscheinend gibt es in den USA eine Reisewarnung für Europa wegen Terrorgefahr. Na dann. So durften wir uns auf Marillion freuen, die fast genau dreißig Jahre zuvor (nämlich am 17. Juli 1987) ihr legendäres Konzert mit Fish hier hatten, das zu den Live-Klassikern der Band zählt. Klar wäre das die Chance gewesen, ein paar Titel vom „Clutching At Straws“ Album zu spielen, um nostalgische Gefühle zu wecken. Doch weit gefehlt. So etwas machen Marillion höchstens mal auf ihren umjubelten Weekends. Sie sind die einzige Band, die in den 80ern einen Megaerfolg hatte und heute noch existiert, es dabei aber nicht nötig hat, Titel aus dieser Ära zu spielen.
Stattdessen gab es das Prog-Highlight des vergangenen Jahres, nämlich das aktuelle Album „Fuck Everyone and Run (F E A R)“ fast komplett! Und es war ein fantastisches Konzert, das mit dem epischen „The Invisible Man“ begann und im Anschluss direkt in das aktuelle Werk führte. Im Hintergrund lief auf LCD Leinwand eine Videoshow, die den Songs genau angepasst war und die Atmosphäre unterstützte. 135 Minuten Musik, aber nur neun Songs. So läuft das bei den bestens aufgelegten Briten, die gerade ihre Deutschland-Tour starten.
„Living in FEAR“ widmete Steve Hogarth Deutschland und dem, was wir für die Verzweifelten der Welt getan haben. Als einige ungläubig schauten und das Publikum nicht direkt in Jubel ausbrach, betonte er nochmal, wie ernst er diese Aussage meinte. „England hat einen scheiß für diese Menschen getan“. Überhaupt war es ein sehr politisches Konzert der Band. Denn neben den hochaktuellen Titeln über die Jagd nach Gold und Reichtum gab es auch noch den Longtrack „Gaza“, der sich mit harten Klängen dem Geschehen im Gaza-Streifen widmet, ohne dabei Stellung für eine der beiden Seiten zu beziehen. Hogarth sieht in seinen Texten die Menschen im Mittelpunkt.
„Easter“ als Mitsingnummer hätte nicht unbedingt sein müssen. Um so mehr freute ich mich über „Man Of A Thousand Faces“ im stimmungsvollen Gewand und über Hogarths autobiographische Zugabe „This Strange Engine“. Hier waren alle mit ihm und das Konzert, das abgesehen von „Easter“ ausschließlich Bandtitel aus den letzten zwanzig Jahren bereit hielt, wurde mit Beifallsstürmen umjubelt. Schade, dass Kansas nicht da waren – aber Marillion waren ein mehr als würdiger Ersatz.
Setlist MARILLION, 16.7.2017, Loreley – Night of the Prog
The Invisible Man
El Dorado: I. Long-Shadowed Sun
El Dorado: II. The Gold
El Dorado: III. Demolished Lives
El Dorado: IV. F E A R
El Dorado: V. The Grandchildren of Apes
Living in F E A R
The Leavers: I. Wake Up in Music
The Leavers: II. The Remainers
The Leavers: III. Vapour Trails in the Sky
The Leavers: IV. The Jumble of Days
The Leavers: V. One Tonight
Easter
The New Kings: I. Fuck Everyone and Run
The New Kings: II. Russia’s Locked Doors
The New Kings: III. A Scary Sky
The New Kings: IV. Why Is Nothing Ever True?
Man of a Thousand Faces
Gaza
Zugabe: This Strange Engine
Es gilt mal wieder, Win Völklein ein Kompliment zu machen. Auch die zwölfte Auflage des NOTP Festivals war ein Fest! Das Line-Up war absolut stimmig, jeder konnte seine Heroen alter Tage wiederfinden oder Neues entdecken. So muss das sein. Auf dem Plateau der Loreley ändert sich einiges, doch für die dort stattfindenden Rockfestivals bleibt es eine Bank. Genügend Parkplätze und große Wiesen zum Campen. Die Freilichtbühne war mit ausreichend Verpflegungsständen, CD-Läden und Sanitäranlagen bestückt. So konnten sich Fans aller Altersgruppen gut versorgt fühlen. Der Termin für 2018 steht schon fest: NOTP startet dann vom 13. bis 15. Juli. Wer jetzt schon zuschlagen will, findet bis zu. 31.7. „Early Bird Tickets“ auf der Homepage des WIV Ticket Shop. Bands oder gar Headliner stehen noch nicht fest, doch das sollte kein Problem sein. Proggies werden ganz sicher gut bedient werden.