Die Gang, die vielen Verehrern des Punk als gottgleich gilt, zeigt sich hier auf dem Cover im Priestergewand. „Am achten Tag schuf Gott Green Day“ heißt es in der Promo – und das Greatest Hits Album trägt den bezeichnenden Untertitel „God’s Favorite Band“.
Größenwahn also? Quatsch. Green Day haben in drei Jahrzehnten Herausragendes geschaffen. Schwierig wird es nur, wenn man dies auf einer Einzel-CD komprimieren will. Keiner hätte sich doch gewundert, wenn aus der Best-of-Zusammenstellung eine Triple-CD geworden wäre.
So beschränkt man sich aber auf zwanzig Songs aus 30 Jahren Bandgeschichte (die zwei Jahre unter dem Bandnamen Sweet Children mit eingerechnet) und dürfte damit manche Autofahrt versüßen. „Welcome to Paradise“, „When I Come Around“, „American Idiot“, „Boulevard Of Broken Dreams“ und „Wake Me Up When September Ends“ sorgen für den nötigen Hitfaktor und stehen für alles, was die Band von Beginn an ausmacht.
Neben den zwanzig bekannten Tracks haben sich zwei Neuheiten in die Liste geschlichen: „Back In The USA“ ist ein ganz neuer Song in alter Green Day-Tradition und „Ordinary World“ wurde mit Country-Superstar Miranda Lambert im Duett neu aufgenommen.
Schaut euch auf jeden Fall das geniale Video zu „Back In The USA“ an:
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Seit mehr als zwei Jahrzehnten begeistert Xavier Naidoo sein Publikum mit seiner einzigartigen Stimme und seiner virtuosen Musikalität. Dank seiner Vielseitigkeit und Neugier offenbart er immer wieder neue musikalische Facetten – nunmehr mit seinem wahrscheinlich persönlichsten Album „Für Dich.“. Das inzwischen siebte Studioalbum ist eine Hommage an das Leben, die Hoffnung und die Liebe.
Für die Produktion seiner Soloalbum war es in der Vergangenheit oft wichtig, wen Xavier als musikalischen Partner an seiner Seite hatte. Mit Moses Pelham hatte das stets glänzend funktioniert (wie letztens „Nicht von dieser Welt 2“ bewies) und mit Michael Herberger, der für die sanften poppigen Klänge des Soulmans aus Mannheim verantwortlich zeichnete. Von letzterem stammen diesmal aber nur die Titel „Drück diesem Leben deinen Stempel auf“ und „Bereit für die Liebe“. Beim übrigen Dutzend war Jules Kalmbacher als Co-Songwriter mit an Bord.
Und das Ergebnis? Die erste Single „Nimm mich mit“ gibt die Richtung vor. Es gibt einen tiefen Einblick in die Gefühlswelt von Xavier Naidoo und bringt seine Hoffnungen, Wünsche und Sehnsüchte auf den Punkt. Und das zu einer sehr eingängigen und kraftvollen Melodieführung. Damit hat es dem 2013er Album „Bei meiner Seele“ schon einiges voraus, das ebenfalls von Kalmbacher produziert wurde, wo der Funken aber einfach nicht überspringen wollte.
„Für dich.“ ist ein Album, in dem Xavier viel Biographisches preisgibt. In dem er über seine Frau und seinen Sohn singt. Bedauert, dass er so oft weg von Zuhause ist. Das sind persönliche Klänge, die von Xavier recht ungewohnt sind, da sie über das Religiöse und seine Binnenwelt hinaus gehen und die Umgebung, die Familie mit einbeziehen. Manchem mag das zu gefällig sein. Zu sehr an Mark Forster oder Max Giesinger angelehnt. Doch Xavier klingt hier sehr authentisch. Und er hat es wohl kaum nötig, sich beim Formatradio anzubiedern.
Mir gefallen der Titeltrack „Für dich“ und der Song an seine Mutter „Mach dir keine Sorgen“, den er rückblickend als 25jähriger Protagonist an singt und ihr eine schöne Zukunftsvision entwirft. Auch etwas Gegenwartskritik findet sich in „Hoch entwickelt“ oder „So lange ich noch darf“, doch das bleibt diesmal die Ausnahme.
Im Gegensatz zu „Nicht von dieser Welt 2“ macht Xavier wieder einen gewaltigen Schritt in die Pop-Richtung. Weniger Beats und kaum HipHop, stattdessen tiefgründige Gedanken und eingängige Melodien. Sicher nicht sein bestes Album, aber ein solides Alterswerk.
Eigentlich erschien „Hotel California“ vor 41 Jahren, aber wir wollen mal nicht kleinlich sein. Die Feierstunde ist nun mal zum Weihnachtsgeschäft 2017 eingeläutet.
Als Don Felder Mitte der 70er zur Band stieß, spielten die vier erfahrenen Musiker Henley, Frey, Leadon und Meisner bereits seit drei Jahren als Eagles zusammen (zuvor waren sie Backing Band von Lisa Ronstadt) und hatten das sommertaugliche Debüt „Eagles“ und das etwas sperrige Konzeptwerk „Desperado“ veröffentlicht. Countrymäßig angehauchter Westküstenrock mit viel Gitarre – so hieß von Beginn an die Devise. Für die dritte Platte verstärkte man sich mit Felder, was die rockige Ausrichtung noch stärker betonen sollte. Die Single „The Best Of My Love“ bescherte der Band endlich den ersehnten Erfolg und Platz 1 in den USA. Der Rest ist Musikgeschichte.
Gemeinsam bildeten sie den Soundtrack der 70er in den USA. Die Anzahl an Grammy und anderen Awards ist Legion. In Biographien (beispielsweise von Felder) wurde viel gesagt über die Spirale aus Eifersucht und künstlerischen Differenzen, die sexuell ausschweifenden Parties und die immer wieder aufflammenden Konflikte vor allem zwischen Bernie Leadon auf der einen und dem alles bestimmenden Duo Frey / Henley auf der anderen Seite.
Wenn man sich die Neuauflage von „Hotel California“ anhört, soll das aber kein Thema sein. Es war das fünfte Album und das erste ohne Leadon, der von Joe Walsh ersetzt wurde. Es ist eines der weltweit meistverkauften Alben (allein 16 Millionen in den USA) und führte die Eagles in die Liste der fünf kommerziell erfolgreichsten Bands weltweit. Zumindest den Titelsong dürfte jeder kennen, der nicht die letzten vier Jahrzehnte komplett verpennt hat.
Inhaltlich geht es um den amerikanischen Traum, der sich hier zum amerikanischen Albtraum entwickelt. Die Menschen sind Gefangene ihrer Süchte. So wurde der Titelsong zum Ansatzpunkt für ein urbanes Konzeptalbum, das den Zeitgeist der USA am Beispiel Kaliforniens einfing. Auch heute noch aktuell – und musikalisch zum Teil unerreicht.
Die „Hotel California: 40th Anniversary Deluxe Edition“ startet mit einer remasterten Version des Originalalbums, das neben den beiden US-Billboard-Nummer-1-Singles „New Kid In Town“ und „Hotel California“ auch den Smash-Hit „Life In The Fast Line“ enthält.
Die Deluxe Edition bringt überdies zum ersten Mal zehn Live-Tracks an die Öffentlichkeit, die im Los Angeles Forum im Oktober 1976 an drei Abenden mitgeschnitten wurden. Bei den Konzerten spielten die Eagles neben einigen ihrer Klassiker wie „Already Gone“, „Take It To The Limit“ und „Witchy Woman“ zum ersten Mal die Songs „Hotel California“ und „New Kid In Town“ – und das etwa einen Monat, bevor das Album veröffentlicht wurde.
Mir liegt zur Review nicht das große Paket vor (daher kann ich auch zu den visuellen Aspekten nichts sagen), aber die 2CD-Version mit Originalalbum und besagter Live-CD. Sehr schön aufgemacht im aufklappbaren Digipack mit einem Booklet voller nostalgischer Fotos.
Wer weiß, was ohne The Flying Pickets aus der internationalen und vor allem deutschen a cappella Szene geworden wäre. 1984 landeten sie mit dem Yazoo-Cover „Only You“ einen Riesenhit und waren damit Vorreiter für Stimmakrobaten wie die 6-Zylinder in Westdeutschland und die Herzbuben (später: Die Prinzen) im Osten. Seit 1991 ist mit dem Ausstieg von Garreth Williams kein Mitglied der ursprünglichen Besetzung mehr dabei. Die Band ist seither häufigen Umbesetzungen unterworfen, veröffentlicht aber nach wie vor neue Alben und tourt oft durch Europa. Das Repertoire umfasst überwiegend Coverversionen und vereinzelt eigene Kompositionen.
Die hier zusammengefassten Alben „Everyday“ und „Big Mouth“ stammen aus den Jahren 2005 und 2008. Recht aktuelles Material also. Zu dieser Zeit war Andrea Figallo noch Mitglied der Band, der kurze Zeit als Sänger und Produzent der Wise Guys berühmt werden sollte. Musikalisch gibt es scheinbar keine stilistischen Grenzen: Aus den Ingredienzien von Pop, Blues, Jazz, Gospel, Soul und Rock weben die Sänger ihren ganz und gar eigenen Sound. Und den serviert die A-cappella-Gruppe mit einer stimmlichen Perfektion, die ihresgleichen sucht. Da sitzt jeder Ton, trifft jeder Song mit einer beachtenswert zielsicheren Präzision das musikalische Herz.
Meine Highlights sind die Cover von Tracy Chapmans „Fast Car“ und dem Smashhit „Drive“ der Cars. Das sind Titel, die Gänsehaut erzeugen. Hinzu gesellen sich Rocker wie „Black Betty“ und eine fantastische Version von Peter Gabriels „Here Comes The Flood“. Alles zu 100 Prozent a cappella – ohne Instrumente eingesungen – und damit der pure Genuss. Zwei Highlights zum Preis von einem? Zugreifen!
Mit ihren klassischen Streicher-Arrangements und experimenteller Studiotechnik gehörte die britische Band Electric Light Orchester (kurz: ELO) zu den herausragendsten Acts der 70er und 80er Jahre. Auf der Höhe des Erfolgs war 1986 erst einmal Schluss und Jeff Lynne machte sich einen Namen als Produzent. Ohne seine Mitwirkung gab es die Nachfolgeband ELO Part II und dann Anfang des Jahrtausends eine spektakuläre Wiedervereinigung. Warum die Band inzwischen Jeff Lynne’s ELO heißen muss, erschließt sich mir nicht. Mag aber auch damit zusammenhängen, dass der Name des Masterminds mit der Zeit ebenso bekannt wurde, wie der der Ur-Formation.
Im November 2015 setzte Jeff Lynne mit der Veröffentlichung des Albums „Alone In The Universe“ einer 14-jährigen Veröffentlichungspause von ELO ein Ende und knüpfte nahtlos an die früheren Erfolge an. Der Longplayer enterte die offiziellen Deutschen Charts auf Platz sieben und die britischen Charts auf Position vier. Im Rahmen der Veröffentlichung unternahmen Jeff Lynne’s ELO zahlreiche ausverkaufte Tourneen und wurden in die „Rock And Roll Hall Of Fame“ aufgenommen. Am 17. November erschien nun der Mitschnitt des legendären Konzerts im Londoner Wembley Stadion vom Juni 2017 unter dem Titel „Wembley Or Bust“ als Live CD/DVD.
Das Albumcover zeigt den Bombast, mit dem das ganze Projekt angegangen wurde. Eine gigantische Bühnenkulisse mit Raumschiff. Die Band in gnadenloser Spielfreude. Da stimmte einfach alles. Neben einer spektakulären Live-Show mit Pauken und Trompeten boten der Bandleader und seine exquisite Musikerschar den 60.000 Zuschauern im ausverkauften Stadion eine fantastische Rock’n’Roll-Show, bei der neben Songs vom jüngsten Album („When I Was A Boy“) auch heißgeliebte ELO-Klassiker wie „Mr. Blue Sky“, „Livin‘ Thing“ und „Evil Woman“, „Do Ya“ aus seiner Zeit mit The Move und der Traveling Wilbuys-Hit „Handle With Care“ zum Einsatz kamen. „Ich erlebe gerade die beste Zeit, die ich als Musiker hatte“, erklärt Jeff Lynne. „Es übersteigt alles, was ich mir jemals hätte vorstellen können.“
ELO hatten 26 Top 40-Hits in Großbritannien gelandet und weltweit mehr als fünfzig Millionen Tonträger verkauft. Diese 2 CD/DVD-Veröffentlichung ist eine großartige Zusammenfassung ihrer Karriere. Und dabei wirkt alles erstaunlich frisch.
Vier Jahre nach ihrem letzten Studioalbum „Magma“ haben sich Selig Anfang November mit „Kashmir Karma“ auf dem Musikradar zurückgemeldet. In den Neunzigern galten die Hamburger als einzige ernstzunehmende deutschsprachige Alternative zu Grunge-Helden wie Nirvana oder Pearl Jam. Auf „Kashmir Karma“ kehren sie zu ihren musikalischen Wurzeln zurück. Das Album wurde in der Abgeschiedenheit der schwedischen Westküste aufgenommen und schließt den Kreis zu früheren Werken wie „Hier“ oder „Blender“. Einerseits inspiriert von der unberührten Natur, andererseits von dem aufgewühlten Zustand, in dem sich die Welt gegenwärtig befindet.
„Kashmir Karma“ steht deswegen vielleicht auch ein Stück weit sinnbildlich für die bewegte Geschichte der Band. Die als Newcomer direkt mächtig durchstartete, drei Hammeralben rausbrachte, sich eine zehnjährige Pause gönnte und dann ebenso fulminant mit dem nächsten Album in den Zweitausendern zurückkehrte – um sich dabei ganz nebenbei selbst neu zu erfinden. Auf der aktuellen Tour gibt es deshalb nicht nur Neues auf die Ohren, sondern auch Songs aus zwanzig Jahren bewegter Bandgeschichte.
Musicheadquarter-Chefredakteur Thomas Kröll traf Jan Plewka, Lenard „Leo“ Schmidthals, Christian Neander und Stephan „Stoppel“ Eggert vor ihrem Konzert in der Kölner Live Music Hall zu einem ausführlichen Interview über die Tour, das neue Album, die Zeit in Schweden oder die Suche nach einer Plattenfirma.
Selfie mit Selig (Foto: Jan Plewka)
Erstmal willkommen in Köln. Ich war vorgestern auch bei eurem Konzert in Essen und da habt ihr das neue Album „Kashmir Karma“ komplett durchgespielt.
Christian: Wir spielen das die ganze Tour komplett durch.
Stephan: Wir konnten einfach nichts aussortieren. Wir haben versucht da irgendwas wegzulassen, aber bei den Proben haben wir dann festgestellt, dass das alles zu viel Spass macht. Wir muten den Leuten das jetzt einfach mal zu lauter neue Songs zu hören.
Dafür hat es ja schon super funktioniert.
Christian: Ja, erstaunlich. Auch gestern in Frankfurt haben extrem viele die neuen Songs mitgesungen. Was man jetzt nicht so erwarten musste. Aber es macht auch so einen Bock, weil das ist eine gute Challenge die neuen Sachen zu spielen. Es ist irgendwie so befruchtend und aufregend.
Das neue Album habt ihr in Schweden aufgenommen. Ich nehme an ihr seid nicht wegen Ronja Räubertochter nach Schweden gefahren. Warum also gerade Schweden?
Jan: Da ist die Ruhe eine andere. Man kommt besser zu sich und kann sich besser konzentrieren. Im Nichts war das eigentlich. Auf einem Felsen. In so einer kleinen Hütte. Da konnte man sich dem ganzen Trubel entziehen und sehen wer wir sind, wieder zurück zu unserem Wesen kommen, zu unserem Mittelpunkt der Band. Und jetzt im urbanen Wahnsinn, wo hier ein Club ist und da eine Kneipe, da hätten wir das nicht gefunden. Wir sind richtig so in buddhistischer Ruhe zurückgekehrt.
Christian: Das war auch eine Art Neuanfang. Wir hätten auch in Berlin oder Hamburg arbeiten können, wollten uns aber so richtig zurückziehen. Dann kam Jan’s Frau auf die Idee: Fahrt doch in das Haus. Das war die beste Idee der letzten zehn Jahre. (alle lachen)
Jan: Die beste Idee der Menschheit eigentlich.
Christian: Wir wussten selbst nicht was passiert. Das Best Of war irgendwie ein Abschluss für die Reunion und Malte (Neumann, d.Red.), unser Keyboarder, ist nicht mehr dabei. Es war ein Neuanfang und dafür war das ideal. Wir sind dahin gefahren um Songs zu schreiben, hatten ein bisschen Aufnahmezeugs mit, aber einfach nur zum Dokumentieren. Wir sind ganz viel spazieren gegangen und haben gemeinsam die ersten Songs geschrieben und auch gleich aufgenommen. Irgendwann keimte dann der Gedanke auf: Ey, ist das die Produktion? Das kriegen wir doch nie wieder so hin, diese Aufregung des ersten Mal. Und dann sind wir mit den Aufnahmen nach Hause und haben einen befreundeten Mischer, der auch schon zwei Alben für uns gemischt hat, Michael Ilbert, gefragt: Hast du Lust auf ein lustiges Schweden-Projekt? Wir haben ihm die Sachen vorgespielt und er hat gesagt: Yes I can do it. Let me try.
Leo: Wir wussten natürlich, dass die Aufnahmen auch schon speziell sind, aber er hat das sofort verstanden. Er war fast wie ein fünftes Bandmitglied. Das entstand auch so sukzessiv. Da waren diese ersten zehn Tage und dann war noch gar nicht klar, dass wir da nochmal hinfahren. Ich weiß noch wie wir das dann den Familien zuhause erzählt haben, dass wir da jetzt nochmal hin müssen. Dann sind wir ein zweites Mal dahin und noch ein drittes und noch ein viertes Mal.
Christian: Als das dann so klar war, dass das der Prozess ist und dass es funktioniert, war das schon geil. Wir waren ja auch noch völlig vogelfrei. Kein Management, kein Deal. Und dann sind wir mit den Aufnahmen zu Plattenfirmen gegangen, um mal zu gucken was die sagen. Wir waren so vollkommen euphorisiert von unserer Kommune da. Ist uns alles egal, wir finden es mega geil. Also so glücklich wie noch nie. Wir waren dann bei fünf Plattenfirmen und es war auch so spannend wie das dann auf den Anlagen klingt und was die dazu sagen. Danach hatten wir vier Angebote und konnten in Ruhe gucken, wer das so am besten versteht.
Ich stelle mir vor, dass doch jede Plattenfirma ja sagt wenn Selig kommt, oder?
Stephan: Es hätte ja alles passieren können. Die Leute hätten ja genauso gut sagen können: Hey, das ist nicht zeitgemäß, die Musik geht gerade überhaupt nicht. Oder ihr seid zu alt oder so. Aber wir sind da total offene Türen eingerannt. Die waren schier aus dem Häuschen. Das war toll.
Leo: Die hatten auch alle so Blätter in der Hand. Das war echt interessant.
Blankoverträge?
(alle lachen)
Leo: Nee, so wieviel Googleanfragen, wieviel Facebookfreunde, wieviel Verkäufe. Also man ist da echt ein gläserner Mensch. Das war echt irre. Die waren alle gut vorbereitet. Zum Glück haben aber viele Leute gesucht und bei Youtube wurde das auch geklickt. Das wussten die halt.
Jan: Aber wir wissen jetzt auch einiges über Sony. Es war ein Austausch, ein Geben und Nehmen. (lacht)
Christian: Dann war Willy Ehmann, der Chef von Sony, beim Konzert in Frankfurt. Und wir haben ihm gesagt: So, wir wissen alles über dich. (grosses Gelächter)
Das neue Album klingt weniger glattgebügelt als „Magma“, obwohl ich „Magma“ auch mag. Es hat mehr Ecken und Kanten und ist ein bißchen rauer. Es klingt so als hättet ihr es ausgeschwitzt. Das war ja ein Prozeß, vielleicht auch nicht immer einfach. Man musste sich irgendwie finden. Ihr habt es ja schon beschrieben. Jan hat beim Konzert in Essen gesagt, dass euch zuerst gar nichts einfiel.
Leo: Das stimmt nicht so ganz. Eigentlich war es echt super. Wir kamen an und haben aufgebaut und es waren so glückliche Zufälle. Also erstmal klang dieser Raum total gut. Dann waren die Instrumente, die wir uns geliehen haben, ideal. Und wir waren auch einfach in einer super Laune. Wir waren wie aufgeregte Jungs. Es ging eigentlich gleich am ersten Abend los. Wir wollten das auch pur machen. Wir sind halt eine Rockband. Das stimmt schon mit „Magma“. Da war ja Steve Power Produzent. Ein super Typ. Wir hatten eine super Zeit in England und auch so einen kleinen Radiohit. Aber es ist halt ein Pop-Produzent. Wir sind aber eigentlich viel rockiger. „Alles auf einmal“ ist super und die „Magma“-Platte ist toll, aber es war schon bewusst so, dass wir wieder zurück zu unseren Wurzeln wollten.
Ich finde auf jeden Fall, dass „Kashmir Karma“ sehr authentisch und ehrlich klingt. Und auch sehr abwechslungsreich. „DJ“ zum Beispiel kommt eher esoterisch rüber, „Feuer und Wasser“ rockt, „Lebenselixier“ ist so eine fröhliche Mitklatschnummer und „Kashmir Karma“ hätte auch von Alice In Chains oder Soundgarden sein können. Ich brauchte ein wenig um mich damit anzufreunden, aber meistens sind ja im Nachhinein die Alben die besten, die erst mit Verzögerung zünden. Würdet ihr mir zustimmen, wenn ich sage „Kashmir Karma“ ist das beste Selig-Album aller Zeiten?
Christian: Ja, irgendwie ja. Also die Nähe, die wir da zu Viert haben, die haben wir vielleicht noch nie erreicht. Das erste Album ist natürlich auch super stark, aber der Entstehungsprozess von „Kashmir Karma“ und dieses Gemeinsame, das man auch hört, das ist schon echt sehr nah.
Jan: Ich würde sagen, es ist mal wieder das beste Selig-Album aller Zeiten. (alle lachen)
Leo: Es ist halt echt ein Album. Wir haben es selber so oft gehört und so lange gehadert mit der Reihenfolge. Heute ist ja alles so ein Trackbusiness. Da gibt’s dann eine Single und der Rest des Albums ist so naja. Auf „Kashmir Karma“ hat jedes Stück seine eigene Atmosphäre. Das ist wie ein Poesiealbum oder wie ein Fotoalbum. Ich schlage die nächste Seite auf und da kommen andere Erinnerungen oder Bilder. Wenn man das so durchhört dann hat das auch eine Dramaturgie. Jan hat mal gesagt: Elf Stufen zur Seligwerdung.
Jan: Was wir dieses Mal echt vergessen haben ist ein Hidden Track. Das haben wir noch nie vergessen. Oder? Auf der „Magma“ ist auch kein Hidden Track. Irgendwann haben wir aufgehört Hidden Tracks zu machen.
Leo: Wir waren diesmal auch mutiger, glaube ich. Wir haben uns selber die „Hier“-Platte nochmal angehört und gedacht: Wow, das ist irgendwie gut als wir uns um nix gekümmert haben und das gemacht haben was wir wollten. „Unsterblich“ war zum Beispiel eine Session.
Stephan: Die konnten wir erst nicht nehmen. Bei den Aufnahmen hatte es irgendwelche technischen Ungereimtheiten gegeben. Das fanden wir schade. Und dann haben wir echt versucht das nachzuturnen. Das ist immer schwierig. Bis wir gesagt haben: Okay, das ist jetzt so nah dran, das können wir nehmen.
„Kashmir Karma“ erschien am 03.11.2017 bei Sony Music.
Das Intro zu „Zu bequem“ klingt auch so als hätte es jemand mit einem Kassettenrecorder aufgenommen.
Christian: Die erste Strophe ist tatsächlich eine iPhone-Aufnahme. Wir hatten halt diesen Fetzen, den wir so abgefeiert haben. Was machen wir nun damit? Dann kam Jan und hatte noch mehr Text. Dann war halt die Idee damit anzufangen und dann weiter zu bauen. So haben wir daran rumgedoktert und einen Abend ganz schreckliche stinkende Bluesrock-Kacke gemacht. Ganz furchtbar.
Leo: Aber an demselben Abend hat Christian durch Zufall noch so einen Treter gedrückt. Das war spät Abends. Da ging plötzlich dieses Pedal an und dann wussten wir, das ist der Weg.
Christian: Morgens nach dem Frühstück haben wir es dann gleich aufgenommen. First Take, yes. Leo war der Löffel- und Schnips-Spezialist. Am Abend haben wir es dann angehört und gedacht: Wow, das ist richtig gut. Dann kam Jan und wollte im Mittelteil noch irgendwie so Flugzeuggeräusche. Leo und ich haben also noch Flugzeug gespielt und dann war das Lied fertig. (alle lachen)
Dann ist „Zu bequem“ ja vielleicht so ein bißchen das Sinnbild für die Zeit in Schweden insgesamt.
Christian: Auf jeden Fall. Es war so ein schöner Abend mit dem Nachbarn da. Der heisst Pelle und kam ab und zu rüber. Pelle war früher Punkgitarrist in einer ziemlich wilden Band und dann hat seine Freundin gesagt: Also entweder die Band oder ich. Und dann ist er Postbote geworden. Pelle kam halt immer rüber, der ist jetzt 65. Kurz vor Midsommer hatte er seinen letzten Arbeitstag. I’m a free man. Ein extrem cooler Typ. Dann haben wir gesagt: Okay free man, du musst jetzt bei „Zu bequem“ Ukulele spielen. Weil er auch dabei war als das entstand. Und dann hat er in Hamburg auf der Bühne Ukulele gespielt. Das war so geil. Er hat das sehr genossen. Sein Schwiegersohn hat so ein kleines Studio und sammelt alte Instrumente. Alles was gut aussieht und alt ist kauft der. Von dem haben wir uns Sachen ausgeliehen. Und das sind beides ganz schöne Styler. Also mit einem sehr klaren Musikgeschmack. Das ist cool, das ist uncool. Das waren eigentlich die einzigen Menschen, die uns da in Schweden begegnet sind und die am Wochenende mal vorbeikamen und zugehört haben. Das war so ein Weltgeschmack. Die coolen Schweden. Bei „Wintertag“ gibt es eine Bridge wo wir dachten, da machen wir was aus der Beatleschor-Abteilung. Und Pelle sagte: I won’t do. You hear it anyway. Und wir so: Okay. Er war so etwas wie der heimliche Produzent. Auch wenn er das nicht weiß.
Jan: Wir meinten dann zu ihm: Hey, wir überlegen ob wir die Platte „Kashmir Karma“ nennen sollen. Und die Tour auch. Und er so: Gibt es schon, könnt ihr nicht machen. Und wir so: Och schade, aber wenn er das sagt. Und am nächsten Tag kam er dann mit dem Cover von so einer Platte und sagte: Okay, ich hab mich verguckt, ich meinte das. Und dann stand da „Kuala Lumpur“ (grosses Gelächter)
Wie muss ich mir den Prozess des Songschreibens bei euch vorstellen?
Leo: Nehmen wir als Beispiel „Feuer und Wasser“. Da war ein Kamerateam dabei und die haben gesagt, dass sie uns einfach beim Aufnehmen filmen. Wir wollten eigentlich was ganz anderes machen. Wir hatten einen richtigen Plan für den Tag gemacht. Und dann hat es draußen geregnet und das Fenster stand auf. Es kamen Luftzüge rein und die Gardinen wehten ein wenig. Christian daddelte an der Gitarre rum. Ich kam rein und sagte: Das ist gut. Ich weiß auch nicht mehr genau. Und dann haben wir plötzlich angefangen zu jammen und dachten: Hier entsteht gerade was. Und der Regen passte so gut zu diesem Moment. Dann haben wir das aufgenommen und gemerkt, dass da gerade ein Song entsteht. Das Kamerateam hatten wir total vergessen. Wir haben unseren Plan umgeschmissen und an der Strophe gefeilt und tausendmal umgestellt. Bei „Feuer und Wasser“ haben wir wirklich ganz viel ausprobiert. Und plötzlich war der Refrain da. Dann kam Jan mit dieser Textidee und dann nahm das so seinen Lauf. Am Ende des Tages war der Song da.
Christian: Wir haben tierisch viel gejammt und dann immer nochmal angehört. Man merkt meistens beim Spielen schon, dass da irgendwas rumfliegt. Dann ist es natürlich wichtig eine textliche Haltung dazu zu finden. Wir haben sowieso immer viel gesprochen und Jan hat Ideen reingebracht. So wächst das dann so langsam. Plötzlich hast du das Gefühl, dass da was ist. Und dann musst du weiterforschen. Manchmal kommt das so bäm, bäm, bäm und fertig. Und manchmal ist es Knechterei. Was echt ganz geil war, dass wir Pausen gemacht haben. Also wir sind immer zehn Tage hin und dann wieder nach Hause und hatten dazwischen immer Zeit zu reflektieren. Leo hat zum Beispiel immer sehr an „Unsterblich“ geglaubt, an diese Session. Wir haben ihm auch zu danken, dass er da so gebissen hat.
Leo: Oder Stoppel kam mit der Aufnahme zu „Zu bequem“ an. Das war ja auch eine Session. An dem Abend war der Hammer eigentlich schon gefallen. Wir haben am Küchentisch gesessen und zufälligerweise lief dieses iPhone. Zwei Runden später kam Stoppel in Schweden dann wieder damit an. Er hatte das ein bißchen zurechtgeschnitten und wir dachten, dass wir daraus was machen müssen. Es war ein Sammeln und Entdecken von Tönen.
Christian: Wir haben uns Zeit genommen. Ohne Stress. Wir hatten genug Zeit zu forschen. Und wir hatten aber auch total Lust, weil es so einen Spass gemacht hat. Und wir waren frei von dem normalen Bedröhnungsfaktor.
Leo: Oder eine andere Situation die mir einfällt. Wir saßen vor dem Kamin und Christian daddelt aus Spass auf der Gitarre rum. Dann habe ich einfach so mitgespielt und plötzlich war da wieder was. Wir wollten eigentlich ins Bett gehen und dann entstand da doch noch was nachts um Eins.
Das hört man ja auch. Das Album klingt ja jetzt nicht so als müsste man irgendwie auf die Radioquote schielen. Was ist mit den Texten? Wie entstehen die? Läufst du da so klassisch mit der Kladde unter dem Arm rum, Jan, und notierst dir Dinge, wenn sie dir in den Kopf kommen?
Jan: Ja, eigentlich so alles was geht. Ich nehme alle Werkzeuge die mir zur Verfügung stehen. Ich bin mit sehr wenigen selbstgeschriebenen Textbüchern nach Schweden gefahren, weil mir in der Zwischenzeit so viele Textzeilen durch den Kopf gegangen sind. Einige lagen dann so eingefräst und die habe ich dann alle rausholen können. Es war ein Schwall (lacht). Es war so reduziert. Und das steht eigentlich auch ein bißchen als Überschrift bei dieser Platte. Echt reduzieren. Ohne Produzent, ohne Techniker, ohne großes Brimborium, ohne andere Menschen. Die Töne sind in dem Sinne ja auch sparsam. Die sind ja nicht überproduziert. Gerade in dieser Zeit, wo du schon an einem Vormittag zwölf Reizüberflutungen kriegen kannst, wenn du nur ins Netz schaust, ist es tatsächlich auch eine Platte, die zur Entschleunigung beiträgt.
Christian: Der einzige Spiegel für uns waren eigentlich die beiden Schweden. Es gab da einen Moment, wo wir „Unsterblich“ fertig hatten und das Martin, dem Schwiegersohn von Pelle, vorgespielt haben. Und Martin ist so dermaßen abgegangen. Yeah, this is crowd rock. If you have this sound you can travel the world. Das ist auch so ein grosser, lauter, geiler Styler und der ist so abgegangen. Das war ein guter Spiegel und hat einen so motiviert. Das war sehr nett.
Leo: Wir sind ja immer mit der Fähre gefahren und dann haben wir die Aufnahmen auf CD gebrannt und die auf der Fähre gehört. Das war sehr schön.
Christian: Wenn ein Song fertig war, haben wir den auch immer ungefähr zehn bis zwanzig Mal durchgehört und abgefeiert. (alle lachen)
Selig am 17.11.2017 in der Live Music Hall in Köln.
Wenn ich den Rest meines Lebens auf einer einsamen Hütte in Schweden verbringen müsste, welche vier Platten müsste ich unbedingt mitnehmen?
Jan: „Music For Airports“.
Leo: Und dann die „Kashmir Karma“.
Jan: Und „Blue Note“ von Miles Davies. Das haben wir da oft beim Kochen gehört.
Stephan: Und eine Astrud Gilberto-Platte.
Jan: Ja, da bin ich dabei. Das ist geil.
Welche Bedeutung steckt hinter dem Titel „Kashmir Karma“?
Leo: Wir haben echt viel geredet über das Weltgeschehen. Das war auch eine Facette, die neu war. Es war so viel im Wandel. Trump war Präsident geworden. Dann gab’s den Brexit. Das waren eigentlich schon alles sehr sehr beängstigende Nachrichten. Die Erdogan-Nummer war da auch, glaube ich. Einmal am Tag haben wir immer „Tagesschau“ geguckt und uns gefragt was da eigentlich los ist. Der Name „Kashmir Karma“ schwebte wie so ein Karma über dem Ganzen. Dass man eben Sachen tun sollte, die gut für’s Karma sind. Im Gegensatz zu diesen ganzen schlechten Nachrichten. Oder jetzt, Trump will Nordkorea auslöschen. Dass man so etwas überhaupt sagen darf heutzutage. Das ist eigentlich eine Katastrophe. Früher wären die Leute, wenn ein Präsident sowas gesagt hat, auf die Straße gegangen. Man hat sich so daran gewöhnt. Man stumpft ab. Und das darf eigentlich nicht sein. Ganz wichtig für unsere Demokratie und dass das weitergeht, ist, dass man sich unterhält, dass man sich ausreden lässt und dass man Interessenausgleich betreibt. Dass man zusammenkommt und zusammen was herstellt. Und das bedeutet auch so ein bißchen der Name „Kashmir Karma“. Also dass man versucht Gutes zu tun. Und auch sagt und das benennt, was wir meinen, was Gutes sein kann. Bei „Feuer und Wasser“ in der zweiten Strophe, da gibt es richtig deutliche Ansagen wie man sich das eigentlich vorstellen kann. Als Utopie in der Zukunft. Wie geht das nochmal?
Jan (erhebt seine Stimme): Organisiere die Liebe. Zelebriere den Frieden. Kannst du dir das nicht merken? (lacht)
Christian: Wir haben ja auch schon einiges durch in unserem Zusammenleben. Und wie friedlich und respektvoll und begeistert das in Schweden war. Wir haben da eine kleine Kommune gegen diesen ganzen Wahnsinn veranstaltet. Wir alle Vier sind schon sehr extrem, aber wir haben das über die Zeit schätzen gelernt, was man eigentlich doch für ein Glück hat.
Das ist doch ein schönes Schlusswort. Ich danke euch für eure Zeit und das überaus nette Gespräch.
Musicheadquarter bedankt sich ebenso bei Annett Bonkowski (Verstärker Medienmarketing GmbH) für die freundliche Vermittlung des Interviews und bei Mika Bode für die nette Betreuung vor Ort! Wir werden uns wiedersehen!
Tom Chaplin kennt man vor allem als melancholischen, stimmgewaltigen Sänger der britischen Popband Keane. Pianohymnen waren ihr Ding – mal bombastisch, mal ganz dezent arrangiert – bis die Band sich vor kurzem eine Auszeit nahm. Chaplin ist seitdem solo unterwegs und veröffentlicht mit „Twelve Tales of Christmas“ bereits das zweite Album unter eigenem Namen. Dabei ist er durchaus mutig, sich zwölf Titeln (davon acht aus eigener Feder) zum Thema Weihnachten zu widmen.
Das Album startet ganz beschaulich und emotional mit „Walking In The Air“, einer Coverversion von Howard Blake, die Chaplin ganz reduziert und auf seine Stimme konzentriert singt. Doch mit der Zeit werden die Songs hymnischer und erzählen wundervolle Weihnachtsgeschichten, beispielsweise „London Nights“, das einen Spaziergang durch die britische Hauptstadt beschreibt.
Zu den selbst verfassten Stücken gesellen sich Interpretationen bekannter Songs wie „2000 Miles“ (The Pretenders), „River“ (Joni Mitchell) and „Stay Another Day“ (East 17).
Während sich das erste Soloalbum „The Wave“ den dunklen Seiten seines Lebens widmete, beschreibt das neue Werk den optimistischen Zauber der Weihnachtszeit und wird zu einer Art Liebeserklärung. Es war der Blick auf die Welt durch die Augen seiner Tochter, so sagt Chaplin, der ihn diesen Zauber wieder schätzen gelehrt hat.
So fängt er die liebevolle Seite der Weihnacht ein und lässt uns daran teilhaben. Die emotionalen Titel sind herzerwärmend schön. Und auch wenn „Last Christmas“ und „The Power Of Love“ die Rotationen der Radiosender beherrschen, so zeigt uns Chaplin doch, dass man auch neue, zeitgemäße Weihnachtslieder schreiben kann. Ein sehr schönes Album für die besinnliche Zeit und das Zusammensein mit der Familie.
Ihre Karriere begann als Backgroundsängerin für Chaka Kahn, doch das konnte natürlich nur ein Sprungbrett für jemanden sein, der über eine solch prägnante und ausdrucksstarke Stimme verfügte. Das Debüt mit dem schlichten Titel „Whitney Houston“ galt lange Zeit als erfolgreichstes Debüt der Popgeschichte. Bis heute verkaufte die Sängerin 140 Millionen Alben und soll (keine Ahnung, wer sowas zählt) 411 Auszeichnungen erhalten haben, darunter immerhin sechs Grammys.
Neben Mariah Carey gehörte Whitney Houston zweifellos zu den weltweit erfolgreichsten R´n´B- Sängerinnen. In den letzten Jahren ihres Lebens hatte sie allerdings hauptsächlich mit Drogen- und Eheproblemen für Schlagzeilen gesorgt und auch die letzte Tour wurde von vielen Zuschauern als desaströs empfunden. Trotzdem kam ihr Tod all zu früh und ist mit den Verschwörungstheorien behaftet, die das plötzliche Ende eines Megastars immer mit sich bringt.
Alle Kommerzgedanken (die sicherlich vorhanden sind) mal hinten angestellt, ist der Totenmonat November eine gute Zeit, um der Diva ein weiteres Mal zu gedenken. Immerhin gibt es ein Jubiläum zu feiern: Das am 17. November 1992 veröffentlichte, gemeinsam von Whitney Houston und Clive Davis produzierte Album „The Bodyguard: Original Soundtrack“ war das erste Album, das in einer Woche mehr als eine Million Tonträger verkaufte (verifiziert von SoundScan). Es wurde mit dem Grammy Award als Album des Jahres ausgezeichnet und schließlich weltweit über fünfundvierzig Millionenmal verkauft. Dafür gab es in den USA 17-faches Platin von der RIAA, womit das Werk zum erfolgreichsten Soundtrack-Album aller Zeiten avancierte. “Bodyguard” war Whitney Houstons Debüt als Filmstar und der Soundtrack wurde – nicht zuletzt wegen Whitneys überragender Interpretation von “I Will Always Love You” – zu einem der meistverkauftesten Alben überhaupt.
Sony Music (in Kooperation mit der Nachlassverwaltung von Whitney E. Houston) feiert das 25-jährige Jubiläum des legendären Soundtracks “Bodyguard” mit der Veröffentlichung von Whitney Houston: “I Wish You Love: More From The Bodyguard“ am 17. November 2017. Die neue Song-Sammlung enthält eine großartige Auswahl von Live- und Studioaufnahmen – viele davon in dieser Version bisher unveröffentlicht oder nicht erhältlich. Auf dem Album „I Wish You Love: More From The Bodyguard“ finden sich bisher nicht erhältliche Live-Aufnahmen von Whitneys berühmter “Bodyguard”-Tour (1993-1995), noch nie gehörte Versionen der Musikstücke aus “Bodyguard”, ein Remix von “I’m Every Woman”, zusätzliche Grafiken und vieles mehr. „I Wish You Love: More From The Bodyguard“ dokumentiert die großartigen Erfolge der Ausnahmekünstlerin und wird als CD und digital veröffentlicht.
Einige der Höhepunkte des Albums sind ein „Alternative-Mix“ von “I Will Always Love You” mit einem gesprochenen Intro von Whitney alias Rachel Marron, eine unveröffentlichte a cappella-Version von “Jesus Loves Me” und eine Live-Aufnahme des nur selten gespielten “Run To You” von der “Bodyguard”-Welttournee (1993-1995). Weiterhin beinhaltet die Zusammenstellung glänzende Film- und Live-Versionen von beispielsweise “I Have Nothing” oder “Queen of The Night”.
Muss man das haben? Also drei Versionen von „I Will Always Love You“ und „Jesus Loves Me“, außerdem zwei Versionen von „I’m Every Woman“ sind echt zu viel des Guten. Wer allerdings auf dieses Gospel-Feeling steht, kann vielleicht gar nicht genug davon bekommen? Und die a cappella Version von „Jesus Loves Me“ ist durchaus genial. Lassen wir also den Fans dieser genialen Stimme ihre Freude. Als Nostalgie-Häppchen zum 25jährigen ist die Scheibe wirklich gelungen.
Für die Aufnahmen zu ihrem siebten Studioalbum „Kashmir Karma“ hatten sich Selig in die Abgeschiedenheit der schwedischen Westküste zurückgezogen, um dort inspiriert von der Natur und der aus dem Ruder geratenen Weltpolitik ihre ganz persönliche Sicht auf die Dinge zu vertonen. Das Ergebnis sind elf neue Songs, mit denen Jan Plewka, Gitarrist Christian Neander, Leo Schmidthals am Bass und Stephan „Stoppel“ Eggert hinter dem Schlagzeug wieder dort anknüpfen, wo sie vor 22 Jahren mit „Hier“ angefangen haben. Wie stolz die Band auf ihr neues Werk ist, lässt sich auch daran ablesen, dass sie „Kashmir Karma“ auf der aktuellen Tour komplett durchspielen. So auch heute in Köln.
Bevor es soweit ist, begrüsst Jan Plewka die 1.100 Fans in der nicht ganz ausverkauften Live Music Hall erstmal mit der Frage „Was ist nur aus dem alten Rock’n’Roll geworden?“. Was er meint, ist der ungewöhnlich zeitige Beginn des Konzertabends. „Halb Acht, ganz schön früh, oder?“, fragt er in die zu diesem Zeitpunkt erst zu zwei Dritteln gefüllte Halle und schiebt quasi als Trost hinterher „Raucht wenigstens noch einer?“. Die Begründung für den frühen Auftakt ist die Partyreihe „Clash Of Trash“, deren Einlass an diesem Freitagabend um 22 Uhr beginnt. Und da müssen die Selig-Fans halt alle wieder draußen sein. Die Band lässt sich davon nicht beirren und spielt ein zweistündiges Set vom Feinsten, das auch all diejenigen erfreut zurücklässt, die es aufgrund des Kölner Dauerstaus nicht rechtzeitig zum Beginn nach Ehrenfeld geschafft haben.
Los geht es mit „Unsterblich“. Ein Song, der die gesamte Geschichte von Selig überschreiben könnte. Jan Plewka legt für einen kurzen Moment seinen schwarzen Schlapphut ab und lässt sich in die vorderen Reihen fallen, wo ihn die Fans ein Stück auf Händen tragen. Überhaupt herrscht eine Stimmung wie bei einem Klassentreffen. Man erzählt sich was es Neues gibt und schwelgt in Erinnerungen. Das Neue sind die Songs von „Kashmir Karma“ (von Jan Plewka mit der einen oder anderen Anekdote versehen) und die Erinnerungen tragen bekannte Namen wie „Bruderlos“, „Von Ewigkeit zu Ewigkeit“ oder „Wir werden uns wiedersehen“. Während Lehrer Plewka auf der Bühne umhertänzelt und mit den Armen rudert, singt der Kölner Schulchor aus voller Kehle mit. Dabei wirkt die Band (und besonders Jan Plewka mit seinem Hut und dem Hippie-Hemd) als wäre sie komplett aus der Zeit gefallen. Wer fragt denn seine Fans heutzutage noch, ob sie Feuerzeuge dabei haben? Selig zaubern eine so herrlich ausgelassene und friedliche Stimmung in die Live Music Hall, dass sogar ich anfange die mir eigentlich verhasste Halle zu lieben. Der abgesehen von ein paar Kabelproblemen glasklare und druckvolle Sound trägt seinen Teil dazu bei.
Dass sie selbst am meisten Spass an dem haben, was sie da tun, sieht man den vier Bandmitgliedern deutlich an. Das ist kein durchchoreografiertes Konzert von vier Musikerkollegen. Das hier ist (wieder) ein verschworener Haufen Freunde, der Musik mit der Hand und vor allem mit dem Herzen macht und das auch noch sympathisch rüberbringt. Das zeigt sich nochmal deutlich in einem grossartigen Zugabenblock („Sie hat geschrien“, „Wenn ich wollte“, „Ohne dich“ und „Kashmir Karma“), aber vor allem im letzten Song des Abends „Regenbogenleicht“. Da stehen sie am Bühnenrand und flüstern den Text fast, während Christian Neander zur Begleitung die Akustikgitarre zupft. Man möchte in diesem Moment am liebsten zu ihnen hochklettern und sie alle Vier mal feste in die Arme nehmen.
Als wir danach aus der Halle gekehrt werden (die Party ruft!) ist die Welt ein besserer Ort geworden. Das was sich um halb Acht noch ungemütlich und kalt angefühlt hat, erscheint jetzt ein Stückchen schöner und wärmer. Wer an einem kommenden „Wintertag“ ein bißchen „Lebenselixier“ gebrauchen kann und nicht „Zu bequem“ ist, der sollte auf jeden Fall „Kashmir Karma“ hören und am besten auch sehen! In diesem Sinne: Bleibt alle Selig!
Schon das dritte Fury-Konzert innerhalb eines Jahres. Wer hätte gedacht, dass ich das nochmal erleben darf? Im Vergleich zu den beiden Open Airs vor der Porta Nigra Trier war es im saarländischen Neunkirchen sehr heimelig. Die Gebläsehalle war bestuhlt und ausverkauft. Und was Fury In The Slaughterhouse angeht: Sie scheinen die Lust am gemeinsamen Musizieren wieder gefunden zu haben. Das Lustprinzip ist seit Gründung in 1987 der Kompass der Band, deren Geschichte von reichlich Herzblut und Intuition geprägt ist. Getreu diesem Prinzip können Fury In The Slaughterhouse in diesem Jahr, zum 30. Bandjubiläum, aus dem Vollen schöpfen.
Ende April wurde im Hamburger Grünspan das Akustik-Album „Little Big World“ aufgezeichnet, mit dem sich für die Band ein Kreis schließt. Fury In The Slaughterhouse verbinden bestes musikalisches Handwerk mit emotionaler Tiefe in ausgewählten Songs, die für dieses einmalige Konzerterlebnis eigens von Jan Löchel neu arrangiert wurden. „Die Akustik-Tour zum 30. Geburtstag ist ein Geschenk an unsere Fans und an uns selbst“, erklärt Thorsten Wingenfelder. „Ein Akustik-Set wie das, was wir auf der Little Big World Tour spielen wollen, hält unsere Band-Seele jung und lebendig. Im Endeffekt zeichnet unsere Band vor allem die Vielseitigkeit der einzelnen Mitstreiter aus. Deshalb darf das Spontane regieren und ein Drittel des vorher Geprobten klingt plötzlich ganz anders.“
Das Bühnenbild war recht breit aufgestellt. Kein Wunder, denn neben der klassischen Bandbesetzung gab es die Multi-Instrumentalistin Anne de Wolff, die anscheinend alle Blas- und Streichinstrumente dieses Universums beherrscht und selbst am Glockenspiel glänzte. An (für Fury) ungewöhnlichen Instrumenten waren auch ein Kontrabass und eine Steel Guitar am Start. So konnte man die Band mit ungewöhnlichen Arrangements zu ihren altbekannten Hits hören und auch einige Songs aus dem Backkatalog live erleben, die Fury sonst nicht so häufig auf ihren Konzerten spielen und gespielt haben.
Kai und Thorsten Wingenfelder spielten fast den kompletten Set im Sitzen, brachten aber die Zuschauer immer wieder zum Aufstehen. Zum ersten mal (als „Thrombose-Prophylaxe“, wie sie es nannten) nach einer Konzertstunde während „When I’m Dead And Gone“. Danach wagten es die Saarländer häufiger, von den Stühlen aufzuspringen.
In der zweiten Konzerthälfte gab es vermehrt frisch arrangierten Klassiker, die oft mit sehr dezenten und gänzlich neuen Arrangements daher kamen. Verantwortlich ist dafür vor allem Jan Löchel, der inzwischen als musikalischer Leiter für die Band tätig ist. Er hat Titeln wie „Then She Said“, „Cry It Out“ und „Milk And Honey“ ganz neue Elemente mitgegeben. Und gefeiert wurde natürlich auch. Vor allem bei „Won’t Forget These Days“ oder dem The Cure Cover „Boys Don’t Cry“.
Es war ein ungewöhnliches Konzert und die Zuschauer werden den Zauber des Abends vermutlich noch lange mit sich tragen. Im Zugabenblock startete Christof Stein-Schneider traditionell mit „Time To Wonder“. Im Prinzip agierte er während des Konzerts ungewöhnlich zurückhaltend, wenn er auch mit orangem Anzug visuell der Paradiesvogel war. Mein persönliches Highlight „Trapped Today, Trapped Tomorrow“ war herrlich atmosphärisch arrangiert und hätte gerne noch eine halbe Stunde dauern können. Doch zum Abschluss musste es dem AC/DC Cover „It’s A Long Way To The Top“ weichen – diesmal Malcolm Young gewidmet, dem Bandgründer, der just an diesem Tag gestorben war.
Das war nach 2 Stunden und 20 Minuten ein würdiger Abschluss für dieses denkwürdige Konzert. Fury im Sitzen ist vielleicht nicht Jedermanns Sache, aber man wird ja auch älter und die Zuschauer sorgten schon selbst dafür, dass das Sitzfleisch nicht wund wurde. Eigentlich gehen Fury jetzt nach einem unruhigen Jahr zurück in die wohlverdiente „Altersruhe“ (die Brüder Wingenfelder arbeiten schon am nächsten Duo-Album), doch wer das nächste Fury-Konzert gar nicht abwarten kann: Im September 2018 kann man mit Fury auf Schiffsreise gehen. Innovativ und rentnergeeignet zugleich.
Setlist Fury In The Slaughterhouse, 18.11.2017, Gebläsehalle Neunkirchen
My Little World
When God Goes Home
Words
Dancing in the Sunshine of the Dark
Last Order
Bar Des Boulistes
Every Generation Got Its Own Disease
Then She Said
Things Like This
Protection – Fisher Z Cover
When I’m Dead and Gone – Mc Guinness Flint Cover
Dance on the Frontline
Radio Orchid
Cry It Out
In Your Room
30 (It’s Not Easy)
Seconds to Fall
Boys Don’t Cry – The Cure Cover
Won’t Forget These Days
Down There
Zugaben:
Milk and Honey
Time to Wonder
Trapped Today, Trapped Tomorrow
It’s a Long Way to the Top (If You Wanna Rock ’n‘ Roll) – AC/DC Cover
Am 17. November haben Pink Floyd Records die beiden PINK FLOYD-Alben „A Collection Of Great Dance Songs“ und „Delicate Sound Of Thunder“ auf Vinyl wiederveröffentlicht, die damit zum ersten Mal seit 20 Jahren erneut in diesem Format erhältlich sind. Es sind die ersten Vinyl-Remasterings eines „Best Of“ und eines Livealbums von PINK FLOYD.
In den vergangenen zwei Jahren veröffentlichten Pink Floyd Records die gesamte Sammlung der Studioalben in remasterten Stereoversionen auf schwerem 180-Gramm-Vinyl. Alle Alben wurden von den analogen Original-Studiobändern gemastert und erhielten akribisch reproduziertes Original-Artwork. Dies gilt nun auch für die beiden neuen Releases.
PINK FLOYDs „A Collection Of Great Dance Songs“ erschien ursprünglich 1981 und wurde 2001 von der RIAA mit Doppelplatin ausgezeichnet. Die Zusammenstellung enthält alternative Mixe und Versionen von PINK FLOYD-Klassikern, darunter „Shine On You Crazy Diamond“, „Another Brick In The Wall (Part 2)“ und „Money“.
„Delicate Sound Of Thunder“ wurde im August 1988 an fünf Abenden im Nassau Coliseum, Long Island, New York, live mitgeschnitten und erlangte Berühmtheit als das erste Rock-Album, das im All gespielt wurde.
Es ist einfach ein erhebendes Gefühl, ein Album im Vinyl-Format in Händen zu halten. Das wird mir immer wieder bewusst, wenn ein Päckchen in diesem Format eintrudelt und man die Platte vom Cellophan befreit. Ehrfürchtig nimmt man die Schallplatte heraus und untersucht das Material auf unsichtbare Kratzer. Da werden Kindheitserinnerungen war.
Klar: Wenn ich mir den PINK FLOYD Backkatalog remastert und auf 180-Gramm-Vinyl zulege (was durchaus eine Überlegung wert ist), wird der Schwerpunkt zunächst auf den Studiowerken liegen. Doch man soll „A Collection Of Great Dance Songs“ und „Delicate Sound Of Thunder“ nicht unterschätzen. Nachdem die Band auch in den 80ern weltweite Erfolge einfuhr, wurden viele spätere Fans erst durch solche Releases auf das Gesamtwerk aufmerksam. Um Vollständigkeit zu erlangen, sind auch diese LPs essentiell.
In einer unglaublich kurzen Zeit schaffte es Sam Smith vom Newcomer zu einem internationalen Superstar mit überaus beeindruckenden Erfolgen: Neben vier Nummer-1-Singles in Großbritannien gewann er vier Grammy-Awards, drei Brit Awards und viele weitere Preise. Doch die musikalische Krönung war wohl seine Auswahl als Interpret des letzten Bondsongs, für den es dann auch prompt einen Oscar gab..
Sams Stimme geht unter die Haut und pendelt zwischen introvertierter Melancholie und funky Sounds. Das führt er auch auf „The Thrill Of It All“ fort. Das Album hat er mit seinem langjährigen Freund und Kreativpartner Jimmy Napes aufgenommen. Außerdem arbeitete er dieses Mal auch mit Timbaland, Malay, Jason „Poo Bear“ Boyd und Stargate zusammen. Ein weiterer Albumgast ist die UK-Neuentdeckung YEBBA, mit der Sam den umwerfenden Song „No Peace“ eingesungen hat.
Gefühlvoll schleicht sich Sam Smith durch die Oktaven und es ist einfach ein Genuss, ihm zuzuhören. Oft verwendet er Gospel-Elemente und setzt damit starke Akzente. „Midnight Train“, „To Good At Goodbuys“, „No Peace“ und „Him“ (geschrieben für George Michael) sind Titel, die im Allgemeinen ruhiger klingen, als die Funk-Kracher vom Debüt, aber gerade deshalb unwahrscheinlich schnell ins Ohr und is Herz gehen. Es geht ihm ums Freilegen von Emotionen. Und da ist er ganz vorn dabei. Ebenso wie Adele, als deren männliches Pendant ihn viele gern bezeichnen.
Die Geschichten basieren zum Teil auf eigenen Erfahrungen und man hört das spirituelle Moment vor allem in „Pray“ gut heraus, den Smith gemeinsam mit Timbaland geschrieben hat. Ein kongeniales Paar, um die Menschen mit auf den Weg zu nehmen.
Drei Jahre hat sich der Mann mit der goldenen Kehle für sein neues Werk Zeit gelassen – und seine Fans werden nicht enttäuscht sein. So viel Soul lag schon lange nicht mehr in dem Werk eines männlichen Künstlers.
Asaf Avidan sorgt in seiner israelischen Heimat schon seit einigen Jahren für Furore und ausverkaufte Konzerte. Inzwischen ist man auch in der westlichen Welt auf den talentierten Sänger und Songwriter aufmerksam geworden. Seine Musik ist in mehrfacher Hinsicht ungewöhnlich. Zunächst ist da die Ausnahmestimme von Asaf Avidan, der mit seinem androgynen Falsett wie eine Frau vom Format einer Janis Joplin klingt und immer ungeheure Leidenschaft in seine Songs legt. Zudem hat der musikalische Spannungsbogen einige Überraschungen zu bieten.
„The Study On Falling“ ist bereits das dritte Soloalbum des israelischen Musikers ohne seine Band The Mojos. Der Künstler unterstreicht auch mit seinem neuen Werk, dass er zu den faszinierendsten Stimmen und vielseitigsten Geschichtenerzählern seiner Generation gehört. Musikalisch bewegt er sich zwischen Folk, Blues und Rock – gerne mal mit mysteriösen Einsprengseln. So entsteht eine kaleidoskopartige Vielfalt, der man sich nicht entziehen kann.
Asaf Avidan lässt die Musikrichtungen verschmelzen, als sei es ein Kinderspiel – mit einer Stimme, die man überall wiedererkennt. Für die Produktion wählte er Mark Howard, der u.a. an Bob Dylans „Time Out Of Mind“ und Tom Waits‘ „Orphans“ gearbeitet hat (zwei von Asafs Favoriten). Asafs persönlicher Ansatz bei der kreativen Arbeit war, das Studio zu verlassen, die Instrumente und das Equipment und auch die Musiker mitzunehmen, wo auch immer es hingeht. In diesem Fall begleiteten ihn Jim Keltner, Schlagzeuger der Superstars (John Lennon, Elvis Presley), und Larry Taylor, Bassist der legendären Canned Heat, The Monkey und Jerry Lee Lewis.
Das ganze Album ist voller Melancholie und Schwermut. Man muss sich damit abfinden, dass Songs wie „Good Girls Are Falling Apart“ und „A Man Without A Name“ zu Tränen rühren. Und Asafs weinerliche Stimme tut ihr Bestes, um diese Stimmung zu halten.
Manche Songs sind eine Hommage an den Pop der 50er, andere verneigen sich vor dem Big-Band-Jazz der 30er. Folk-Balladen im Stil der 60er treffen auf Blues-Dramen und üppige Synthesizer. „The Study On Falling“ ist wirklich Entertainment für die Ohren, wenn man sich denn darauf einlässt und keine Mainstream-Unterhaltung erwartet. Auf jeden Fall ein spannendes Album zum Jahresbeginn mit einem wirklichen Ausnahmesänger.
Es hat einen Hit wie „Losing My Religion“ gebraucht, damit R.E.M. von der alternativen College Band, die höchstens mal als Geheimtipp gehandelt wurde, zur weltweit gefeierten Rockband werden konnten. Und dann ging es Knall auf Fall: Nach dem Überraschungshit „Out Of Time“ (immerhin schon das siebte Album der Band) verkaufte sich der Nachfolger „Automatic For The People“ weltweit 18 Millionen Mal.
Auf dem Album finden sich die Klassiker „Drive“, „Everybody Hurts“ und „Man On The Moon“, daneben Fan-Lieblinge wie „Find The River“ und mein Favorit „Nightswimming“. Auch nach 25 Jahren fällt beim Durchhören auf, dass hier keine Ausfälle zu verzeichnen sind. Was für ein großartiges Werk! Und es macht absolut wehmütig, wenn man auf den gängigen Streaming-Diensten mitbekommt, dass kaum noch ganze Alben gehört werden, sondern höchstens einmal typ- oder themenbezogene Playlisten. Was heißt das für die Zukunft, wenn die Kids jetzt schon aus lauter Ungeduld nach wenigen Sekunden jeden Song weg skippen?
Universal Music verstehen es wenigstens, das 25jährige Jubiläum des Albums gebührend zu feiern. Es erscheint (in der günstigeren Variante, die mir zur Review vorliegt) als wertig aufgemachte Pappbox. Darin vier Fotos der Protagonisten, ein großformatiges Poster, ein Booklet mit Liner Notes von Journalist Tom Doyle und zwei CDs im Pappschuber.
CD 1 enthält das remasterte Album in vollstem Glanz. Wie gesagt: Immer noch ein Genuss! CD 2 ergänzt das Set um eine Liveaufnahme vom 19.11.1992 im 40 Watts Club zugunsten einer Greenpeace-Veranstaltung, die bisher nur als Bootleg erhältlich war. Ein energiegeladener Gig aus damals aktuellen Hits und Klassikern, ergänzt um die ungewöhnliche Coverversion „Love Is All Around“.
Zusätzlich enthält die 3CD+Blu-ray Deluxe Edition eine ganze Menge bisher unveröffentlichten Materials. Die Band hat 20 bisher noch unbekannte Demos von den Albumaufnahmen ausgewählt, darunter auch der vollkommen fertige, aber nicht veröffentlichte Track “Mike’s Pop Song” und das sagenumwobene “Devil Rides Backwards”.
Die Deluxe Anniversary Edition befindet sich in einer 12” x 12” Box mit abnehmbarem Deckel und enthält ein 60-seitiges Buch mit bisher noch nirgends gezeigten Fotos von Anton Corbjin und Melodie McDaniel, sowie einen ausführlichen, neuen Begleittext von dem schottischen Musikjournalisten Tom Doyle, der neue Interviews mit allen vier Bandmitgliedern geführt hat. Des Weiteren enthält das Set eine Blu-ray mit dem Dolby Atmos Mix und ein high-resolution Master von Automatic For The People, sieben Musikvideos und das original EPK-Video von 1992. Automatic For The People ist außerdem auf 180g-Vinyl erschienen (mit Download-Card) und in allen Download- und Streamingportalen erhältlich.
Noch funktioniert’s. Auch meine Kids hören mit Begeisterung das vierte Album der Hamburger Band Deine Freunde. Eben weil sie ein Stück erwachsener oder zumindest jugendlicher klingen, als das noch vor fünf Jahren beim Debüt „Ausm Häuschen“ der Fall war. Eigentlich wollte Florian Sump, ehemaliger Schlagzeuger (Echt) und heutiger Kindergärtner, nur ein Lied für seine Kita-Gruppe aufnehmen. Am Ende aber gründete er gemeinsam mit Musikproduzent Markus Pauli (Fettes Brot) und dem Moderator Lukas Nimscheck (Tigerenten-Club) die Band Deine Freunde und es entstand ein ganzes Album mit coolen modernen Kinderliedern.
Diesen Weg ist die Band bis heute gegangen und ich kann anhand der selbst erlebten Begeisterung auf zwei Livekonzerten sagen, dass sie den Nerv der Kids perfekt treffen. Mit ihren Songs wollen die drei jungen Männer Kindern eine Alternative zu sinnfreien Charthits, altbackenem Liedgut und pädagogisch wertvollen Lernliedern bieten. Über einem musikalischen Mix aus Hip-Hop, Pop und Elektro thematisieren sie singend und rappend typische Themen aus Kindersicht.
Das vierte Album trägt den Titel „Keine Märchen“ und es geht den Weg des Älterwerdens der großen Fanschar mit, indem die Titel lauter, beatlastiger und ein Stück weit härter werden. Das klingt gerne mal wie Seeed oder Deichkind und dürfte HipHop-affinen Eltern ebenfalls gut gefallen. Man kann sogar noch was lernen, wenn das Trio über die „Fontanelle“ singt. Der Titelsong „Keine Märchen“ wendet sich gegen die oftmalige Brutalität der Brüder Grimm, „Nur noch fünf Minuten“ rechnet mit allen eiligen Menschen ab und „Mein lieber Freund“ entlarvt wunderbar ironisch die nervigsten Elternsprüche.
Wer schon vom Geschrei auf dem benachbarten Kinderspielplatz genervt ist oder nur mit Ohrenschützern am Schulhof vorbei geht, der wird auch diese DVD schleunigst aus dem Player verbannen. Für alle anderen ist die Musik authentisch und frei von Peinlichkeiten. Bleibt zu hoffen, dass es dem Trio gelingt, auch weiterhin mit seinen Fans zu wachsen.
Mit dem norwegischen Frauen-Quartetts Katzenjammer hat Sol Heilo schon große musikalische Erfolge gefeiert. Die Sängerin, Songwriterin und Multi-Instrumentalistin hatte auch eigentlich gar nicht vor, eine Solo-Karriere zu starten. Aber mitten im Tour-Trubel mit Katzenjammer begann sie irgendwann, ihre eigenen Song zu schreiben – und so ist schließlich ihr Solo-Debüt „Skinhorse Playground“ entstanden.
Vom energiegeladen Folk ihrer Band ist dabei nicht viel übriggeblieben. Sol geht alleine deutlich mehr in Richtung Pop und ist auch in ihren Arrangements etwas zurückhaltender, wenn auch immer noch recht verspielt. Und sie lässt viel Raum für ruhige Töne und erschafft mit Titeln wie „I Can´t Sleep“ oder „The Dream Escapers“ oft eine eindringliche und melancholische Atmosphäre.
Der Albumtitel bezieht sich auf ein imaginäres Land, in dem sich die Sängerin seit ihrer Kindheit immer wieder in ihren Träumen bewegt. Die einzelnen Songs beschäftigen sich aber durchaus auch mit ganz realen Orten. Im Opener „America“ rechnet Sol mit der glitzernden Scheinwelt der vereinigten Staaten ab, und „When My Country Died“ drückt große Sorge um ihr Heimatland aus. Eines der schönsten Stücke des Albums ist eindeutig die wunderbare Gitarrenballade „London Is Trouble“, in der ein Menge Heimweh mitschwingt, vor allem in der Schlusszeile „And I can´t feel the snow fall on my skin.“
Zwischendurch geht es auch mal schwungvoll zu, etwa mit „Killing Karma“, ein rhythmischer Popsong, der das Zeug zum Chart-Hit hat, aber fast ein wenig zu beliebig wirkt. Dafür hat das zarte „Walk A Little Further“ seinen ganz eigenen Zauber mit seinem hymnischen Refrain und dem ausgedehnten instrumentalen Schlussteil. Dieser geht dann fast unmerklich über in den „Happy Song“, eine kleine Country-Perle zum Abschluss des Albums.
Sol Heilo bedient mit „Skinhorse Playground“ nicht unbedingt die Katzenjammer-Fans, dafür bietet sie soliden skandinavischen Pop mit spannenden Texten und viel Charme. Man darf durchaus gespannt sein, wohin ihre musikalischen Wege die Norwegerin in Zukunft noch führen werden.