Ein neues Soloalbum des 78jährigen – das ist doch mal eine gelungene Weihnachtsüberraschung. „McCartney III“ erscheint 50 Jahre nach „McCartney“, dem ersten eigenständigen Werk nach der Trennung der Beatles. Und wieder ist es komplett im Alleingang geschrieben und eingespielt.
Fünf Jahrzehnte hat er also für seine Trilogie gebraucht, die jeweils eine Wegmarke anzeigt. 1970 war es die Trennung der Beatles, 1980 das letzte Album der Wings – erschienen 1979 – und im Jahr 2020 wohl die besondere Situation des Lockdowns, die den Meister ganz auf sich allein gestellt werkeln ließ. Jeweils Grund genug, ein selbstbetiteltes Album auf den Markt zu bringen.
Auch „III“ zeigt den Künstler in neuer Kreativität. Dazu verwendete er vorhandene Songfragmente und schrieb einige neue Stücke. Schon der Beginn mit den Lautmalereien von „Long Tailed Winter Bird“ klingt beeindruckend innovativ. Teils poppig, aber auch experimentell und psychedelisch geht es weiter. Dabei hat die charismatische Stimme des Sängers großen Einfluss. Es gibt düstere Einflüsse wie auf „Deep Down“, den hypnotischen Sound von „Slidin'“, aber auch ein akustisches „The Kiss of Venus“. Das Album klingt alles andere als homogen – damit dürfte für die Fans verschiedener Epochen etwas dabei sein. Sogar ein Mellotron aus den Abbey Road Studios kam zum Einsatz.
Bemerkenswert finde ich auf jeden Fall die minimalistische und reduzierte Herangehensweise. Dass Paul hier eine One-man-show abzieht, hätte man ihm wohl im hohen Alter nicht mehr zugetraut. Klar, seine Stimme klingt nicht mehr so gewaltig wie früher. Altersspuren sind unverkennbar. Aber die Prägnanz ist weiterhin vorhanden. Und gerade das macht dieses Konglomerat von Stimmungen und Sounds aus.
„Carnival“ erschien ursprünglich im Jahr 2005 als neuntes Album von New Model Army. Es war eine schwierige Zeit für die Band. Fünf Jahre waren seit „Eight“ vergangen und die Band befand sich immer noch im Umbruch. 2004 gab es zwei Todesfälle im Umfeld: Mit Darryl Kempster starb im Juni ein langjähriger Wegbegleiter und Mitarbeiter des Merchandising-Standes. Er wurde bei einem Überfall vor einem Hotel in Südafrika im Alter von 37 Jahren erschossen. Am 4. November starb Schlagzeuger Robert Heaton mit 43 Jahren aufgrund eines Tumors.
Schon in der ersten Ausgabe setzten die Songwriter Justin Sullivan und Michael Dean ein Konzept in den Mittelpunkt, das „Leben und Sterben“ thematisierte. Das Album begann mit „Water“, auf dem der vorgeburtliche Ultraschall von Michaels erstem Sohn als Sound verwendet wird und es endete mit „Fireworks Night“, das die Band dem während der Aufnahmen verstorbenen Heaton widmete.
„‘Carnival’ war ganz anders“, sagt Sullivan im Nachhinein dazu. „Ambitioniert entworfen als eine Art eklektisch-wirbelndes Soundkarussell war es der Beginn meiner kreativen Partnerschaft mit Michael – mit einem endlosen Strom von neuen Ideen von Nelson, Dean und Dave. Vielleicht wählten wir damals mit Chris Tsangarides den falschen Produzenten. Er war nicht dafür gemacht unser Chaos zu steuern und in Bahnen zu lenken. Und die Dinge wurden durch das häufige Fehlen von Nelson und Dave, der aus familiären Gründen dabei war die Band zu verlassen, nur noch komplizierter. Wir hatten immer das Gefühl, dass ‘Carnival’ das Album war, bei dem die Aufnahmesessions, das Mixing und das Mastering den Songs nie gerecht geworden sind.”
Dem will man jetzt zum 40jährigen Bandjubiläum entgegen wirken. Konzerte waren ohnehin Fehlanzeige – warum also nicht am Backkatalog arbeiten? Die Band übergab die Originalaufnahmen an Lee Smith, den Co-Produzenten und Mixer ihrer neusten Werke. Neben dem neuen Mix wurde das Album um vier Songs und damit 14 Minuten Lauflänge erweitert. Zudem wurde die Reihenfolge der Tracks grundsätzlich umorganisiert, ohne aber den umfassenden Rahmen des Openers „Water“ und des Abschlusses „Fireworks Night“ zu ändern.
Die neuen Stücke fügen sich energisch und intensiv in das Tracklisting ein. Keine Fremdkörper, sondern bedeutsamer Bestandteil des neuen Werks: „Rumour and Rapture 1650“ wurde von Sullivan für die Theatertour von “Freeborn John”, dem Konzeptalbum von Rev Hammer, geschrieben und erzählt die Geschichte eines desillusionierten Soldaten der Parlamentsarmee. „Caslen (Christmas)“ war zunächst instrumental, von Nelson auf der Akustikgitarre eingespielt, und wurde nun mit einem Text von Sullivan erweitert. „One Bullet“ und „Stoned, Fired and Full of Grace“ sind Fans der Band als Live-Akustik-Songs bekannt, doch sie kommen auf „Carnival“ als bisher unveröffentlichte Versionen, eingespielt von der gesamten Band, zum Einsatz. Vor allem „One Bullet“ hat sich schnell zu meinem Favoriten entwickelt.
Als neues Konzeptalbum klingt „Carnival“ jetzt deutlich schärfer und rhythmisch kraftvoller als bisher. Starke Gitarren und ein energisches Schlagzeug beherrschen die Platte. Der Charakter von Protesten gegen die Widrigkeiten unserer Zeit (seien es die Not in Afrika, die Flüchtlingskrise oder die Amtsmüdigkeit der Polizei) treten stärker hervor. Und dazwischen verstecken sich Perlen wie das düster-atmosphärische „Too Close to the Sun“ und das orchestral-hymnische Keyboard von „Another Imperial Day“.
In dieser neuen Form macht „Carnival“ einen großen Sprung nach oben und entwickelt sich langsam aber sicher zu meinem NMA-Favoriten im neuen Jahrtausend. Das Artwork wurde modernisiert und die Aufmachung als Digipack ist absolut gelungen. Aus alt mach neu. Perfektes Upcycling!
Dino Brandão, Faber (Julian Pollina) und Sophie Hunger haben als Schweizer Künstler*innen ihre kulturelle Beziehung in der Vergangenheit schon häufiger auch mit Kollaborationen gepflegt, wenn Brandão beispielsweise bei den anderen als Mitglied in der Liveband dabei war. Jetzt tut sich das Trio zusammen zu einer Schweizer Supergroup und liefert ein spannendes Mundart-Album, in dem die drei auf Augenhöhe musizieren und zwölf Eigenkompositionen abliefern, die ein homogenes Ganzes bilden.
Die Leadstimme wechselt, die Begleitung übernehmen die Anderen. Und gleich drei Stücke tragen den Titel „Ich liebe dich“, jeweils mit einem neuen Adressaten versehen. Musikalisch ist das Album sehr akustisch gehalten und begeistert mich vor allem an den Stellen, wenn die Drei mehrstimmige Gesangspassagen einbauen.
Zur Entstehung lassen wir die Schweizer selbst sprechen: „Während des Lockdowns waren wir alle in Zürich gestrandet, unsere jeweiligen Tourneen und Album Releases abgesagt, die Stimmung schlecht. Gerne folgten wir einer spontanen Einladung des Zürcher Radio-Senders GDS.fm, der aus seiner verwaisten Bar heraus sendete. Am Nachmittag hatten wir in Julians und Dinos WG- Küche ein ad-hoc Programm geprobt. Dieser erste gemeinsame Auftritt brachte den Stein ins Rollen. Wir waren eine Band! Am Ufer des Zürisees, wo Sophie über den Sommer in der Roten Fabrik Zuflucht gefunden hatte, komponierten wir weiter.
Am 1., 2. und 3. August gab es dort erste Konzerte unserer Liebeslieder vor Livepublikum. Direkt im Anschluss reisten wir nach Südfrankreich zur Studio-Aufnahme.Um die Unmittelbarkeit und Fragilität der Lieder zu bewahren wollten wir alles selbst einspielen. Wir wollten die Verwundbarkeit der Liebe auch hier nicht verraten. Aus der Not entwickelten sich ungeahnte Eigenschaften im Spiel füreinander. Dinos Skills als Drummer, väterlicherseits von angolanischer Rhythmik geprägt, Julians Jugenderfahrung als Punkbassist und Sophies kultivierte Lebenslüge als Jazz-Pianistin waren auf einmal unverzichtbare Werte.“
Nur die wunderbaren Streicherarrangements auf den Titeln „Ich liebe Dich, Faber“, „Ich liebe Dich, Sophie“, „E Nacht a de Langstrass“, „Derfi di hebe“ und der „Ouverture“ wurden im Anschluss von Fabers Mitmusiker Janos Mijnssen in Hamburg aufgenommen.
Ansonsten erleben wir das pure Trio in wechselnder Besetzung. Und ich muss sagen: Obwohl ich Sophies Stimme sehr mag, gefallen mir in diesem Fall die Männerstimmen mit ihrem rauen Charakter ausgesprochen gut. Ein Album, das der Kälte und Distanz unserer Zeit Wärme und Geborgenheit entgegen setzt.
Mit dem Laden des Videos akzeptieren Sie die Datenschutzerklärung von YouTube. Mehr erfahren
Die Zeit kurz vor Weihnachten ist traditionell die Zeit für etwas ungewöhnliche CD-Besprechungen. Und damit meine ich nicht nur die x-te Xmas Veröffentlichung von Interpret*in Y und Band Z, sondern auch atmosphärische Neuveröffentlichungen wie wir sie unter anderem gerade von Nick Cave und Nicholas Lens aber auch von Sigur Rós erlebt haben. Werke von musikalischer Eleganz, die wie Weihnachtsengel um uns schweben. Dabei setzen die Poor Clares of Arundel noch einen drauf. Als jemand, der (außerhalb von Corona-Restriktionen) selbst in mehreren Chören singt, weiß ich diesen Release sehr zu schätzen. Zwar instrumental umspielt, aber mit reinen Stimmen gibt es hier eine Zusammenstellung kirchlicher Gesangsstücke. Sphärisch und berührend.
Inmitten vom Lärm und Hast des Weltgeschehens feiert ein Kloster in der britischen Marktstadt Arundel (Grafschaft West Sussex) den großen, wenn auch etwas unerwarteten Erfolg des vor Kurzem bei Decca Records erschienenen Debütalbums der Poor Clares of Arundel namens „Light For the World“. Die Klarissen von Arundel, eine Gemeinschaft von 23 Nonnen, schufen einen bewegenden Soundtrack, der zur Achtsamkeit anhält und innere Ruhe stiftet.
Die überwältigenden Reaktionen des Publikums kamen für Schwester Gabriel Davison überraschend: „Wir sind begeistert, dass unsere Musik die Herzen der Menschen berührt hat und auf Platz 1 der Klassik-Charts gelandet ist. Wir hoffen, dass ‚Light for the World‘ Euch Frieden, Freude und einen Moment der Ruhe in diesen schwierigen Zeiten, die von Einsamkeit und Stress geprägt sind, bringen wird.“
Tom Lewis, Co-Geschäftsführer von Decca Records, fügt hinzu: „Ich glaube nicht, dass wir jemals eine solche Reaktion erlebt haben. Wir hörten von Menschen, die unter Tränen ihre Autos anhielten, nachdem sie die Musik und die Botschaft der Klarissen gehört hatten. Es hat uns völlig überrascht und zwar in einem solchen Ausmaß, dass wir mit der Produktion nicht mehr hinterherkamen! Ihre Musik enthält eindeutig einen musikalischen Balsam, den die Menschen ausgerechnet jetzt nötig haben.“
Die Schwestern, denen ein Leben in Isolation nicht fremd ist, sind darüber erfreut, die Musik mit einem größeren Publikum zu teilen, die für sie eine ständige Quelle der Heilung und Reflexion war. Der Gesang nimmt einen vorrangigen Platz in ihrem Alltag ein. Sie leben, arbeiten, lachen und beten nach der Lebensform der heiligen Klara von Assisi, die diese 1253 von ihrem Kloster aus in der ländlichen Umgebung der Grafschaft Sussex nahe der Stadt Arundel entwarf. Das Album enthält wunderschön vertonte Schriften der Heiligen Klara und des Heiligen Franziskus, durch die Komponist*innen James Morgan und Juliette Pochin.
Schwester Gabriel fährt fort: „Die Aufnahme war ein großes Abenteuer und wir waren dermaßen von der Offenheit und dem Respekt beeindruckt, die uns seitens Decca entgegengebracht wurde, dass unsere Ängste und Bedenken, unsere Lieder und unsere Arbeit an die Öffentlichkeit zu bringen, schnell zerstreut wurden. Wir empfinden eine tiefe Freude an unseren Gesängen und hoffen nun, dass unsere Musik viele Menschen erreicht und allen, die zuhören, Frieden, Liebe und ein Wohlgefühl bringt.“
Ich kann mich den Lobeshymnen nur anschließen. Die Stimmen weben einen schönen mehrstimmigen Klangteppich. Zwar nicht in moderner A-cappella-Form sondern vielmehr in sich harmonisch überlagernden Stimmgruppen, die ein polyphon ausgewogenes Bild erzeugen, wie es uns die Gregorianik im Mittelalter vorgemacht hat. Dabei macht man sich die Akustik einer Kapelle zu nutze, um eine sehr ruhige und sanfte Stimmung zu schaffen. Mit der instrumentalen Begleitung war ich schnell versöhnt. Manchmal zwar etwas viel Elektronik (wie in „Ubi Caritas“), dann aber mit fantastischer Klavierbegleitung („Pange Lingua“) oder mit zarten Streichern versehen.
Das Booklet ist schön gestaltet – allein das Cover einer Schwester mit Kopfhörer im Stil eines Kirchenfensters gefällt mir sehr gut – und enthält viele der verwendeten Texte in lateinischer Originalsprache mit englischer Übersetzung.
Mit der Veröffentlichung von „Light For The World“ teilen die Schwestern ihr Ethos der Freundlichkeit, Ruhe und Meditation durch Musik und ermutigen die Zuhörer, zu den Wurzeln der Achtsamkeit zurückzukehren. Das Gruppenfoto im Booklet zeigt, dass viele der Sängerinnerinnen schon gesetzteren Alters sind. In der Musik klingen sie aber alle sehr jung. So wirkt guter Chorgesang! Ein Album zum Runterkommen, wenn der Weihnachtsstress mal wieder überhand nimmt.
Mit dem Laden des Videos akzeptieren Sie die Datenschutzerklärung von YouTube. Mehr erfahren
Nick Cave ist auch im Lockdown nicht zu stoppen – oder gerade dann nicht. Während wir kürzlich sein Streaming-Event „Alone at Alexandra Palace“ als durchaus kontrovers diskutierte live-CD besprochen haben, ist er jetzt schon wieder mit einem äußerst anspruchsvollen Werk am Start. Hier als Librettist in seinem zweiten Opernprojekt mit dem belgischen Komponisten Nicholas Lens.
Nach ihrem gemeinsamen Projekt „Shell Shock“ aus dem Jahr 2014 taten sich Lens und Cave während des Lockdowns zusammen für das neue Werk „L.I.T.A.N.I.E.S.“ Cave schrieb zwölf Litaneien – „Bittgebete an einen göttlichen Schöpfer“ –, die der Komponist Lens nach eigenen Worten in eine „bescheidene Kammeroper aus Nachtträumen“ verwob.
Dabei sind 12 Stücke entstanden, die klassisch wie gleichsam modern und zeitlos sind. Sie werden von herausragenden Sänger*innen wie Clara-Lane Lens und Nicholas L. Noorenbergh vorgetragen und tragen die magische Atmosphäre einer einsamen Großstadt in der Stille des Lockdowns in sich. Lens begann, seine Heimatstadt Brüssel mit dem Fahrrad zu erkunden, sah ungewohnt leere Straßen, genoss die saubere Luft, merkte auf ob der überraschenden Ruhe und erinnerte sich schließlich an einen völlig anderen Ort: an Yamanouchi, Kamakura, eine grüne Hügellandschaft in der japanischen Kanagawa-Präfektur, wo die ältesten und ehrwürdigsten Rinzai-Zen-Tempel der Welt stehen.
„Die Idee zu L.I.T.A.N.I.E.S war tatsächlich damals dort entstanden – in der natürlichen Stille, die aus dem verregneten, leuchtend grünen Wald aufsteigt, der diese Tempel aus dem 13. Jahrhundert umgibt“, sagt Lens. „Und da mein Gedächtnis in musikalischen Phrasen arbeitet, war die Komposition von L.I.T.A.N.I.E.S meine Art, mich auch an den Frieden zu erinnern, den ich bei meinem Besuch in Japan gefunden hatte.“
Nick Cave, den Lens als Texter im Sinn hatte, musste nicht lange überredet werden: „Ich sagte sofort zu, schlug nach dem Gespräch als Erstes nach, was eine Litanei ist – eine Abfolge von religiösen Bittgebeten – und erkannte, dass ich zeit meines Lebens nichts anderes geschrieben habe.“
Die elf Instrumentalisten nahmen ihre Parts einzeln in Lens’ Haus auf, um den Pandemievorschriften zu genügen. Das Ziel ihrer Arbeit ist dennoch deutlich spürbar. Obwohl jedes musikalische Gebet für sich steht, sind sie im gemeinsamen Konzept verwoben.
Das Ergebnis ist eine ungewöhnliche Oper im modernen Sinn, die nichts mit Pathos und epischem Gehabe gemein hat. Stattdessen sind zwölf musikalische Kunstwerke entstanden – im Zusammenspiel des Kammerorchesters mit erzählenden und flehenden Stimmen. Es sind bewegende Bittgesänge in seltsamen Zeiten.
„Odin’s Raven Magic“ fußt auf den Wurzeln von Sigur Rós in der Orchester- und Chortradition und ist eine Kollaboration zwischen der Band, Maria Huld Markan Sigfúsdóttir, der isländischen Musiklegende Hilmar Örn Hilmarsson und Steindór Andersen, einem der angesehensten isländischen Kantors traditioneller epischer Erzählungen.
Die Klangkünstler aus dem isländischen Reykjavík sind schon seit langem bekannt für ihre melancholischen, tragenden und experimentellen Kunstwerke voller Dramatik und hypnotischer Wirkung. Das neue (achte) Album treibt dieses Konzept auf die Spitze: „Odin’s Raven Magic“ ist ein Werk, auf das man sich einlassen muss. Es hat Längen und durchaus nervige Passagen, wenn die Solisten zu verschwurbelt singen oder ihre Stimme in die Höhe treiben.
Die orchestralen Momente aber sind eine Wucht. Vor allem das virtuose Glockenspiel auf einer Marimba nimmt mich jedes Mal wieder gefangen. Die Edda und die hier verwendete Sage um Odins Rabenmagie sind hervorragend umgesetzt. Nicht so mittelalterlich, wie erwartet, stattdessen mit orchestraler Eleganz. Die Chöre gefallen mir einen Tick besser als die Solo-Kantoren, aber das dürfte Geschmackssache sein. Man muss sich damit abfinden, die Erkennungsmerkmale der bekannten Band nur vereinzelt wahrzunehmen. Atmosphäre und cineastische Breite sind aber sehr stimmig.
Das Album wurde bereits vor 16 Jahren in Paris live aufgenommen. Das merkt man aber nur am Schluss-Applaus. Fans haben sich lange nach einem Release gesehnt – vor allem als erste Auszüge im Internet aufgetaucht sind. Jetzt kann man das Klangerlebnis endlich in seiner ganzen Reinheit genießen. An manchen Stellen ist Durchhalten angesagt – aber es lohnt sich.
Mit dem Laden des Videos akzeptieren Sie die Datenschutzerklärung von YouTube. Mehr erfahren
Sehr ungewöhnlich fängt das neue Album von Marie Chain an: mit einer Roboterstimme, die zu orchestraler Musik ein „Manifest der Freiheit“ verliest. So beginnen große Werke – und Marie Chain (Sängerin, Songwriterin und Pianistin aus Berlin) tut alles, um sich hier einzureihen. Der Titelsong „Freedom“ gibt soulig und tanzbar die Richtung vor. „Ich wollte ein Lied, das Diversität und Einzigartigkeit feiert”, sagt sie dazu.
Ähnlich abwechslungsreich geht es weiter. Marie Chain hat das Zeug zur nächsten deutschen Soul-Diva und ist gleichzeitig ein Kind des Pop. Musik der 50er und 60er, etwa von Ray Charles oder Etta James, inspirierten sie ebenso wie der Sound der 90er. Dass das kein Widerspruch sein muss, beweist die Künstlerin auf ihrem neuen Album. Das Klavier und ihr kerniger Soulgesang ziehen sich wie ein roter Faden durch ihr neues Album, das sowohl mit Pop als auch mit einem Hauch Jazz flirtet und an Filmmusik erinnert. Es ist nur logisch, dass Marie Chains Genre-Mix ebenso Grenzen sprengt wie sie selbst: der Glamour von Vintage Soul und die Emotionalität von Blues treffen bei ihr auf die Leichtigkeit von House.
Marie hat eine ausdrucksstarke Stimme zwischen dem Soul von Amy oder Adele und dem organischen Disco-Pop von Cher. Damit bewegt sie sich selbstbewusst und zielsicher durch die Genres, bietet Musik zum Träumen und Tanzen – und liefert uns trotzdem ein homogenes Album mit schwermütigen und luftigen Momenten. Ihr Talent als Songwriterin am Piano zeigt sie in „All We’ve Got“ und „A Song For You“, dann wird es jazzig-beschwingt mit „Secret Melody“ oder ganz James-Bond-mäßig in „Judgement Day“. Diese starke Stimme kann sich einfach jedes instrumentale Gewand anziehen – und das macht dieses Album so einzigartig. Ganz groß!
Mit dem Laden des Videos akzeptieren Sie die Datenschutzerklärung von YouTube. Mehr erfahren
Was macht eine Sängerin und Songwriterin, wenn sie wochenlang Zuhause ist und nicht auftreten darf? Klar, Lieder schreiben! Was sonst? Die EP „Amnesie“ ist sozusagen das Corona-Baby von Julia Kautz und dreht sich monothematisch um eine sehr schmerzhafte Trennung. „Jeder der sechs Songs behandelt eine andere Phase des Liebeskummers“, erklärt die Münchner Sängerin und Songwriterin. „In diesem Mini-Album habe ich mein Herz geöffnet, wie nie zuvor. Ich habe diese Songs geschrieben, um mich selbst zu therapieren, aber vor allem, um anderen, die Ähnliches erlebt haben, Mut zuzusprechen!“
So erzählt der neue Track „Silvester/Schnee“ vom Moment des Hinfallens, „Leonie“ beschreibt die Realisation des Erlebten, im Titeltrack „Amnesie“ geht es ums Vergessen und in den Songs „So viele Menschen“, „Liebe diese Liebe“ und dem ebenfalls neuen und letzten Track der EP „Flüssiger Sonnenschein“ ums Wiederaufstehen.
Julia Kautz schöpft ihre Inspiration aus einem ereignisreichen Vorleben: Bevor sie sich voll und ganz auf ihre Karriere als Künstlerin und Songwriterin konzentrierte, interviewte sie als Chefreporterin der BRAVO die größten Popstars der Welt wie Lady Gaga, Katy Perry, Bruno Mars und viele mehr. Heute schreibt sie nicht nur Songs für sich selbst, sondern auch für andere Künstler wie Max Mutzke, Cassandra Steen oder Wincent Weiss.
Die EP erzählt ihre schmerzliche Liebesgeschichte in sechs Songs und gut 20 Minuten Länge. Das reicht aus, um einen positiven Eindruck von Julia zu bekommen. Sie singt mit klarer Stimme – ähnlich wie Alexa Feser -, während die Stücke stark ausproduziert und mit rhythmischen Finessen versehen sind. Gefühlvoll erzeugt „Leonie“ Gänsehaut mit dem Hilfeschrei an die unbekannte Rivalin. Und „Amnesie“ lässt die Wahrheit auf verstörende Art und Weise zu Tage treten.
Julias aktuelle EP ist trotz aller Kürze ein intensives Musikerlebnis. Manche Stories sind halt schnell erzählt, wenn man sich auf das Wesentliche konzentriert. Sehr überzeugend!
Mit dem Laden des Videos akzeptieren Sie die Datenschutzerklärung von YouTube. Mehr erfahren
„Fühlt sich gut an mutig zu sein,“ ist die zentrale Aussage der neuen Single von Sängerin und Songwriterin Kate Louisa. Lass die alten Geister der Vergangenheit hinter dir und geh befreit in die Zukunft. Kate Louisa erzählt ihre Auseinandersetzung mit der Vergangenheit anhand einer Feier, zu der sie ihre Geister einlädt und diese symbolisch zu ihren Freunden macht.
Kates Stimme klingt fest und klar. Sie Pop-Balladen und Uptempo-Nummern ohne falsche Melancholie mit ausdrucksstarken Vocals. Dazu hat sie einen durchaus feurigen Groove wie in „Großstadtfieber“ oder „Raketen“.
Doch es gibt auch zwei ruhige Stücke auf der EP: „So viel für mich“ erzählt liebevoll vom Loslassen eines geliebten Menschen und „Tills Bar“ lässt uns das Gespräch zwischen zwei Freunden verfolgen, die sich über Geborgenheit und „sich fallen lassen“ austauschen.
So erzählt Kate Louisa Geschichten aus ihrem Leben. Fünf Stück an der Zahl, die Lust machen auf das Debütalbum, das im Frühjahr erscheinen soll.
Mit dem Laden des Videos akzeptieren Sie die Datenschutzerklärung von YouTube. Mehr erfahren
Lahav Shani ist ein weltberühmter Pianist und Dirigent aus Israel. Was würde also besser passen, als im Beethoven-Jubeljahr 2020 eine CD auf den Markt zu bringen, die ein Klavierkonzert und eine von Shani dirigierte Sinfonie vereint?
Gemeinsam mit dem Rotterdam Philharmonic Orchstra interpretiert das Multitalent Ludwig van Beethovens Klavierkonzert Nr. 4 in G-Dur (op. 58), an dem der große Meister von 1805 bis 1806 gearbeitet hat. Das sinfonische Konzert vereint das Piano und große orchestrale Momente zu wunderbaren musikalischen Momenten. Mal zart, mal mystisch, mal heiter.
Etwas länger als die drei Klaviersätze dauert die siebte Sinfonie. Es soll eine Abrechnung Beethovens mit der Politik Napoleons gewesen sein. Kein Wunder, dass die Erstaufführung als Benefizkonzert zugunsten der antinapoleonischen Kämpfer stattfand.
Das Booklet der CD ist mit hohem Informationsgehalt versehen, wie wir das von Warner Classics gewohnt sind. In englischer, französischer und deutscher Sprache erhalten wir Infos zu Werk und Interpretation.
Die Chemie zwischen Shani und dem holländischen Orchester ist absolut stimmig. Der Dirigent und das Philharmonische Orchester Rotterdam dringen in dieser Einspielung tief in die musikalischen Texturen der Werke ein und schaffen so eine nie dagewesene Transparenz zwischen melodischen Motiven und Begleitstimmen.
Die Einspielung wirkt sehr atmosphärisch und berührend. Ein schöner Abschluss für ein persönliches Beethoven-Jahr, wenn die geplanten Konzerte schon weitestgehend ausgefallen sind. Der „erste Popstar der Geschichte“ (wie manche Fans sagen) hätte sich würdige Feiertage zum 250. Jubeltag verdient. So bleibt zumindest die Musik – in genialer Form präsentiert.
Gerade einmal 30 Minuten brauchen Aviv Geffen und Steven Wilson für ihre Reise durch die Welten des Artrock. Und dabei lassen sie kein Genre aus. Schon der Titelsong als Opener klingt wie frisch aus den 80ern importiert. Tears For Fears und die Pet Shop Boys lassen grüßen. Dabei geht der Track ohne Umschweife direkt ins Ohr – als sei er schon immer dort gewesen. Auch das hymnische „Under My Skin“ schlägt mit orchestralen Elementen und breiten Keyboardflächen in diese Kerbe.
Der Einfluss des Proghelden Wilson ist nicht mehr so groß wie zu Anfangszeiten des Projekts. Alle Songs wurden vom israelischen Superstar Aviv Geffen geschrieben und komponiert – bereits im Jahr 2009 hat er allein die kreative Führung übernommen. Allerdings steuert Wilson die Vocals zum Triple „Over & Over“, „Falling“ und „White Nights“ bei und glänzt bisweilen an der Rhythmusgitarre.
„Garden Of Sin“ liefert die melancholische Seite von Aviv, während „Over & Over“ eine feine Gitarrenballade aus Steves Kehle erklingen lässt. Beide auf ihre Art mit prägnanten und sonoren Gesangslinien. Dazu kommt mit „Falling“ ein typischer Artrock-Song, der voll auf Wilson zugeschnitten ist und von ihm genial interpretiert wird.
„For The Music“ bietet zwar nur ein kurzes Vergnügen, dafür aber optimalen Genuss. Auch wenn das Duo als solches nur noch sporadisch zusammenarbeitet, liefern sie hier doch wieder neun feine Perlen virtuoser Popmusik. Die melancholische Grundstimmung passt dabei perfekt in die heutige Zeit. Stark und bedeutungsvoll!
Mit dem Laden des Videos akzeptieren Sie die Datenschutzerklärung von YouTube. Mehr erfahren
Das letzte Studioalbum „Jetzt!“ ist im Jahr 2019 erschienen. daher sollte 2020 ganz im Zeichen des 50jährigen Bühnenjubiläums stehen. Pustekuchen. Die Tour wurde auf 2021 verschoben – und statt dessen gab es zwei Compilations mit Best-of-Charakter. Zum einen war da im Juni „Erinnerungen 2“, die Fortsetzung der „Greatest Hits“ CD aus dem Jahr 2017. Und zum Weihnachtsgeschäft gibt es eine Zusammenstellung der wichtigsten Duette aus einer Karriere über fünf Jahrzehnte – oder zumindest bis zurück ins Jahr 1977, aus dem die älteste der Aufnahmen („Making It Better“ mit Johnny Tame) stammt.
Zunächst fällt mir aber die schöne Aufmachung des Digipacks auf. Der Silberling ist ganz in schwarzer Vinyl-Optik gehalten. Das kommt gut rüber. Und ganz besonders gefällt mir das Booklet, das nicht herkömmlich durchzublättern ist sondern in der Mitte geteilt wird und sich nach zwei Seiten öffnen lässt. Jede Seite also ein schönes „Duett“ mit Infos zum Song, einer Vorstellung der Duettpartner und diversen Zitaten der beteiligten Musiker.
Jetzt ist das Album – deutlich gesagt – nicht wirklich innovativ und weist einige Längen auf. Vor allem da, wo es nicht um die bekannten Hits geht sondern um weltmusikalische Ausflüge wie bei „Tribal Voice“, „Wapi Yo“ und „Sodade“, sind die normalen Hörgewohnheiten stark durchbrochen. Aber gerade das macht dieses Album so besonders.
Als Musiksammler kann ich nachvollziehen, dass man von manchen Interpreten alles (und damit meine ich: alles!) im Regal stehen haben möchte. Man macht sich also auf die Suche nach Kollaborationen, Sammlerstücken und einzelnen Singles, nur weil der geliebte Künstler da irgendwo unter „ferner liefen“ drauf vertreten ist. Umso schöner, wenn gesuchte Stücke in einer solchen Zusammenstellung gesammelt erscheinen. Damit hat man doch viel Zeit (und einige Groschen auf Ebay) gespart.
Hier finden sich Duette mit Johannes Oerding, Jennifer Weist, Laith Al-Deen und Wolfgang Ambros. Alles sehr passend. „Sie brauchen keinen Führer“ im Verbund mit Udo Lindenberg ist legendär. Und die Sanftheit einer Katie Melua bei „Dreams On Fire“ aus dem „MTV unplugged“ passt engelsgleich zu Maffays rauer Stimme.
Ganz zum Schluss kommt „Für immer jung“, der von 170 Stimmen eingesungene Fansong, der nach einem Aufruf im Sommer entstanden ist. Eine gelungene Aktion zum Jubiläumsjahr, das so zumindest ein wenig Glanz bekommt.
Mit dem Laden des Videos akzeptieren Sie die Datenschutzerklärung von YouTube. Mehr erfahren
Melancholisches Klavierspiel trifft auf kühle elektronische Elemente, zarte Stecknadel-Passagen auf große Popmomente: I Want Poetry sind leidenschaftliche Grenzgänger, die selbst scheinbare Widersprüche zu einem harmonischen Ganzen vereinen. Ihre Musik entsteht im stilistischen Niemandsland, in dem sie modernen Indie-Pop, ätherische Ambient-Elemente und dramatische Neoklassik-Einflüsse aufeinanderprallen lassen, um all dies zu etwas völlig Neuem zu verschmelzen. In kürzester Zeit hat sich das Dresdner Duo (Till Moritz Moll und Tine von Bergen) den Ruf als eine der spannendsten Formationen innerhalb der europäischen Indie-Pop-Szene erarbeitet.
„Jeder Song auf Human Touch beschreibt einen anderen Aspekt der menschlichen Berührung: der Gefühlsrausch, wenn man einander zum ersten Mal berührt, die Begegnung mit dem Inneren Selbst, und dass wir alle verbunden sind, miteinander, mit der Natur, mit allem was uns umgibt. Wir können nicht anders, als berühren und berührt zu werden.“, sagt Tine von Bergen.
Das Album liefert große Gefühle und sphärische Songs. Besonders Tines eindringliche Vocals wissen zu begeistern und die Poesie in den Lyrics ist bezaubernd. Allerdings wirkt der elektronische Klangteppich bisweilen auch zu mystisch und in sich selbst versunken. Die Stücke erzeugen ein Gefühl von nordischer Kälte und skandinavischer Weite. Das kann schon ein wenig schwermütig machen in diesen Zeiten, da der erneute Lockdown bevorsteht und sich soziale Kontakte auf ein Minimum reduzieren. Einige Farbkleckse hätten dem verträumten Popalbum daher vielleicht gut getan.
Mit dem Laden des Videos akzeptieren Sie die Datenschutzerklärung von YouTube. Mehr erfahren
Roadwolf aus Österreich haben sich bisher vor allem als Liveband einen Namen gemacht. Und da war das Echo äußerst positiv. Die treue Fanbase wartet schon lange auf ein Studioalbum – und endlich ist es soweit. „Unchain The Wolf“ lässt die Bestie von der Leine.
Dabei hören sich Roadwolf so an, als hätte es die Band schon immer gegeben. Zumindest seit den seligen 80er Jahren. So deutlich sind die Anleihen an der NWOBHM und an Bands wie Judas Priest, Saxon oder gar Iron Maiden. Dabei geht es gar nicht darum, die genannten Vorbilder zu kopieren, sondern vielmehr der Metalgemeinde den entsprechenden Wohlfühlfaktor mitzuliefern.
Der Opener „All Hell Is Breaking Loose“ prescht voll Energie nach vorne und gibt das Tempo für ein mitreißendes Metalalbum vor. Furios und kompromisslos eingespielt gibt es zehn Songs mit schmissigen Hooks und einem soliden Riffgewitter. Shouter Franz „Franky“ Bauer ist stimmlich ganz weit vorne. Das wird nicht nur bei den unzähligen Tempo-Nummern deutlich, bei denen er in rockigen Höhen schwelgen kann, sondern auch bei der Bandhymne „Roadwolf“.
Ebenso bewegend sind die virtuose Gitarrenarbeit von Valentin Strasser und das Rhythmusgerüst, das Christoph Aigner und Emanoel Bruckmüller beisteuern. „M.I.A.“ klingt dabei ebenso fantastisch wie das epische „Straight Out Of Hell“. Lückenfüller sucht man hier ohnehin vergebens.
14 Jahre waren eine lange Vorlaufzeit, doch das Ergebnis hat sich definitiv gelohnt. Inzwischen ist das Quartett souverän genug, um hier ein Debüt abzuliefern, das bestens produziert ist und wie ein Release altehrwürdiger Metaller klingt. Dabei bewahren sich die Österreicher durchaus ihre Eigenständigkeit, was nicht zu letzt an den Texten liegt: mit Songs von Freiheit und Unabhängigkeit schicken sie ihre Fans auf einen Roadtrip von legendärem Format. Daneben werden aber auch mystische Geschichten im Stil eines H.P. Lovecraft erzählt. Das Konzept der Wölfe ist absolut stimmig. Man darf gespannt sein, was da noch kommt.
Mit dem Laden des Videos akzeptieren Sie die Datenschutzerklärung von YouTube. Mehr erfahren
Alles, was man so sehr vermisst, wird besonders wertvoll. Das gilt im Fall von Volbeat für Fans und Band gleichermaßen: Es ist das hautnahe Liveerlebnis. Bei Rock am Ring 2020 hätte es so sein sollen. Leider Fehlanzeige. Die Hoffnung steht auf Juni 2021 – doch mit großen Fragezeichen. So muss man sich mit einem formidablen Livealbum aushelfen. „Rewind, Replay, Rebound – Live in Deutschland“ heißt das gute Teil.
Der Titel bezieht sich zum einen auf das aktuelle Album der dänischen Band mit Sitz in Kopenhagen, zum anderen auf die besondere Liebe zu dem Land, in dem sie so große Erfolge feiert: „Das deutsche Publikum nimmt schon immer einen besonderen Platz in unserem Herzen ein. Die Fans haben uns von Beginn an großartig unterstützt, und sie tun es noch. Mittlerweile sind wir zu ihren Fans geworden“, sagt Fronter Michael Poulsen. Deutschland ist ihre zweite Heimat geworden.
Der vorliegende Mitschnitt auf 2 Silberlingen wurde an verschiedenen Konzertorten der 2019er Tour aufgenommen – damals, als die Welt noch in Ordnung war. Stuttgart, Köln und Hamburg sind dabei. Bei zwei Songs wurde gar geschummelt, denn sie stammen aus Prag bzw. Denver.
Dass es ein zusammengestückeltes Konzert ist, fällt aber an keiner Stelle auf. Die Band weiß ihr Publikum in jeder Arena in gleicher Weise mitzureißen. Und das enthusiastische Publikum hört sich überall gleich an.
Die Reise geht über 15 Volbeat-Jahre, wobei der Schwerpunkt auf den drei letzten Erfolgsalben liegt. Immer noch düster und metallisch, aber mehr erzählend – im besten Tarantino-Sinn. Der hardrockende Retrofaktor kommt dabei live hervorragend rüber. Und die Fans grölen auch Cashs „Ring Of Fire“ begeistert mit. Insgesamt 27 Hits und Klassiker erfreuen das Fanherz. So geht purer Rock’n’Roll.
Das Album gibt es physisch als 3LP „Live in Deutschland“, als 2CD „Live in Deutschland“ und als Bonus für alle, die das aktuelle Album noch nicht im Schrank haben: 2CD „Rewind, Replay, Rebound“ + Best of „Live in Deutschland“ mit 16 von 27 Songs des Livealbums.
Mit dem Laden des Videos akzeptieren Sie die Datenschutzerklärung von YouTube. Mehr erfahren
Von der ungewöhnlichen Freundschaft zwischen zwei Tieren, die sich normalerweise nie begegnen würden, erzählt die Bilderbuchreihe „Das Zebra und der Kolibri“ von Claudia Opitz und Sebastian Köpcke. Zum ersten Buch „Begegnung im Dschungel“ hat der befreundete Musiker Lexa A. Thomas 10 stimmungsvolle Lieder komponiert, und mit Kindern der Berliner Kolibri-Grundschule hat das Autorenteam die Geschichte bereits als Musical auf die Bühne gebracht. Die Musik-CD mit den Liedern gibt es seit Oktober bereits im Handel.
Kurz zusammengefasst geht es in „Begegnung im Dschungel“ um ein Zirkus-Zebra, das auf einer Welttournee im südamerikanischen Regenwald verloren geht und mit Hilfe eines kleinen Kolibris wieder zurück zu seinen Zirkuskameraden findet.
Vom schwungvollen „Zirkusmarsch“ bis zum gefühlvollen Freundschafts-Duett „Zwei wie wir“ bis geben die Lieder die verschiedenen Stimmungen der Erzählung gut wieder. Die bewegte Überfahrt nach Südamerika wird mit dem Seemanslied „Übers Meer“ beschreiben, die Zugfahrt „Durch den Dschungel“ aus Sicht der tapferen Lok besungen und die Magie einer sternklaren Nacht im Regenwald mit dem atmosphärischen „Unter dem Sternenzelt“ eingefangen. Dabei überzeugen Lexa A. Thomas und auch Claudia Opitz als Sänger, stellenweise tatkräftig von einem kleinen Chor unterstützt.
Als Bonus wird das Buch von der Autorin selbst sehr lebendig vorgelesen, untermalt von passender Musik – natürlich auch komponiert von Lexa A. Thomas.
Die Lieder sind zwar eine wunderbare Ergänzung der Geschichte, jedoch erschließt sich aus ihnen alleine nicht das ganz Abenteuer der beiden unterschiedlichen Tiere. Wer also das Buch nicht kennt, sollte sich besser zuerst das Hörspiel anhören, um die Songs dann auch richtig einordnen zu können. Warum aber wurden die Lieder nicht einfach in die tolle Lesung eingebettet? – Damit wäre ein schönes musikalisches Hörspiel entstanden, das auch Kinder sofort begeistern könnt, die die Geschichte vom Zebra und dem Kolibri noch nicht kennen.
Für Freunde der Buchreihe bietet diese CD aber sicher gute musikalische Unterhaltung und ist vielleicht auch das passende Weihnachtsgeschenk!
„Tutto andrà bene“: alles wird gut. Mit diesem Slogan haben sich die Italiener in Zeiten der Isolation gegenseitig Hoffnung gemacht und ihn auf Bettlaken geschrieben vor ihre Fenster gehängt. Für Gregor Meyle, erklärter Fan des Landes von La Dolce Vita, ist dieser Satz seit jeher starker Antrieb. Damit hat der Songpoet nicht nur das ein oder andere Karrieretief überstanden, sondern auch ganz real im Frühjahr am Set von „The Masked Singer“ seine eigene Corona-Erkrankung überwunden. Und es ist tatsächlich am Ende immer gut ausgegangen für den passionierten Musiker.
Mit seiner ganz persönlichen Leichtigkeit des Seins sang er sich in der ersten Staffel von „Sing meinen Song“ in die Herzen von Millionen Zuschauern. Trotzdem ist er weiterhin eine Art „Geheimtipp“ geblieben. Damals standen zwar vier (!) seiner Alben zeitgleich in den deutschen Charts, doch er hatte keinen echten Singlehit im Radio. Das ist aber nicht Ausdruck fehlender Qualität – im Gegenteil! Es zeigt vielmehr, dass sich Gregor noch nie der Beliebigkeit des Musikgeschäfts untergeordnet hat, sondern seit seiner Zweitplatzierung in Stefan Raabs Songcontest (hinter Stefanie Heinzmann) ein solides Album nach dem anderen abliefert, die allesamt für sich stehen und jeweils als homogene Einheit wirken.
Seit 2008 war Gregor regelmäßig im 2-Jahres-Rhythmus mit einem neuen Werk am Start. Seine Fans hofften und wussten, dass dies auch 2020 der Fall sein wird. Doch diesmal gibt es kein wirklich neues Material. „Tutto andrà bene“ ist eine Zusammenstellung seiner schönsten Songs, die in besonderen Arrangements mit Piano und Streichern nochmal an Tiefe gewinnen.
Es sind ganz persönliche Melodien, die Meyle ausgewählt hat, um in einer Zeit ohne Konzerte für eine positive, fast demütige Stimmung Zuhause zu sorgen. Gemeinsam mit seinem langjährigen Pianisten Andreas Gundlach reduziert er 13 seiner Evergreens auf das Wesentliche: Klavier, Stimme, Gitarre. Als besonderes Schmankerl sind die Streicher des Solis String Quartet aus Napoli mit dabei, die Meyles Hang zur romantisch-emotionalen Stimmung Ausdruck verleihen und sich organisch in diese fast klassisch anmutenden Arrangements einfügen. Für ein wenig Sonne im Herzen und für das Wissen um bessere Zeiten, die irgendwann kommen. Dabei sind die Backing Vocals von Laura Bellon ebenso eine Bereicherung wie die filigrane Instrumentierung mit Percussion, Mandoline und Flöte.
Viele der vertretenen Songs habe ich schon lange liebgewonnen. Doch jetzt entfalten sie eine ganz andere Wirkung und werden neu zum Leben erweckt. „Niemand“, der Hit, mit dem alles angefangen hat und den die Streicher sowie Duettpartnerin Laura intensivieren. „Es kommt zu dir“ und „Hier spricht dein Herz“ als optimistische und mutmachende Pianosongs. Auch Beschwingtes wie „Hätt nix dagegen“ hat seinen Platz. Aber die melancholischen Balladen „Keine ist wie du“ und „Du bist das Licht“ sind ganz weit vorne. Zeitlos schön!
„Alles wird gut“ schließt als Quasi-Titelsong dieses wundervolle Album ab. Die Aussage ist nicht so leicht, wie sie klingt. Man hadert – in Zeiten der Pandemie, die manche schöne Gewohnheit einschränkt und die gewohnte Nähe zu lieben Menschen auf ein Minimum begrenzt. Und auch der Schrecken einer Amokfahrt hat uns in Trier einen schweren Schlag versetzt. Zugleich aber spürt man in solchen Zeiten den besonderen Zusammenhalt – und die Musik als verbindende Kunst tut ihr Übriges dazu. Gregor Meyle hat hier ein fantastisches Album abgeliefert, bei dem einfach alles stimmt. Es sollte zu Weihnachten in jedem Player laufen!
Mit dem Laden des Videos akzeptieren Sie die Datenschutzerklärung von YouTube. Mehr erfahren
Vor zwei Jahren erschien Steve Perrys neues Soloalbum nach einer Pause von lässigen 24 Jahren. Dabei hat der legendäre Frontmann von Journey alle überrascht. Steve Perry lief hier zu einer Form auf, wie er es zwischenzeitlich wohl auch selbst gar nicht mehr unbedingt für möglich gehalten hätte. Gleichermaßen massiv, druckvoll, aber auch ganz intim und persönlich, klingt “Traces” gerade nicht nach einem Rock-Veteran, der seine Zehen nach langer Zeit noch einmal ins alte Rock-Fahrwasser eintaucht – stattdessen hört man hier einen Künstler, der absolut aufgeht in seiner Musik und seiner Vision.
2020 legt er nochmal nach und veröffentlicht alternative Versionen und Mixe, die vor allem Perrys gefühlvolle Vocals betonen. Er lässt die große Produktion weg, um die Stücke auf ihren Kern zu reduzieren. So bekommen wir in 32 Minuten CD-Länge auf acht Songs einen Einblick in die persönliche Gefühle und das tiefe, innere Selbst. Es geht um Liebe und Inspiration – um Verlust und Erneuerung. Dabei kommt der neue soulige Charakter von Steves Stimme deutlich zum Tragen. Und doch muss man nicht auf das elegische Gitarrensolo von „Most Of All“ im Radio Mix verzichten.
Die Zugabe zu „Traces“ bietet wunderschöne Texte und eine klare Stimme, hervorragend unterstützt von einfachen, aber sehr effektiven Akustikgitarren, von Pianoläufen, zweistimmigen Passagen und Background-Gesäusel.
So bietet diese Version des Albums einen faszinierenden Einblick in Steve Perrys kreativen Prozess und ein tieferes Verständnis für die dahinter stehende Idee. Das Ergebnis ist so eindringlich und tief, dass ich meine ursprüngliche Wertung für das Album um einen Punkt erhöhen muss. Faszinierend!
Kid Clio ist das neue Kindermusik-Projekt der Sängerin Leslie Clio. Mit internationalen Hits wie „I Couldn´t Care Less“ eroberte sie die Charts. Ihr Name steht für poetisch-souligen Pop und sie hat mit ihrer unverkennbaren Stimme in der deutschen Popwelt etwas ganz Eigenes geschaffen. Nun widmet sie sich einer neuen Zielgruppe.
Ihre ausdrucksstarke Stimme kann auch ganz kindlich klingen. Und sie erreicht ihr junges Publikum mit treffenden Themen, ohne selbst Kinder zu haben. Vielmehr versetzt sie sich perfekt in die Kinderwelt: „Ich habe das, wie bei den Songs, die ich sonst schreibe, autobiographisch gemacht, also einfach aus meiner eigenen Kinderperspektive geschrieben, was mich damals interessiert hat, worüber ich heute als Kind singen würde, oder was ich heute als Kind gerne hören würde.“
Eine Ode an die Faulheit, ein Song zum Aufbauen von Selbstbewusstsein, eine Vision für die Zukunft, ein Rap zu den eigenen Wünschen und schließlich „Der Pflastersong“ als zerbrechliche Entschuldigung. Das sind in gut zehn Minuten EP-Länge fünf poppig produzierte Songs in aktuellem Sound. Es ist Leslie Clio gelungen, das Kind, das sie heute sein würde, noch einmal zu treffen und es sprechen, singen und tanzen zu lassen.
Mit dem Laden des Videos akzeptieren Sie die Datenschutzerklärung von YouTube. Mehr erfahren
Hach – wie gut das tut, mal wieder eine jubelnde Menschenmasse zu hören. Aber echt muss sie sein und nicht beliebig vom Band abgespielt wie bei diesen feierwütigen Pro7-Shows. Als die Donots aus Ibbenbüren ihre „Birthday Slams“ zum 25jährigen Jubiläum feierten, war die Welt noch in Ordnung. Das zeigt uns der jetzt erscheinende Livemitschnitt – zusammengestellt aus verschiedenen Konzerten dieser Tour – mehr als eindrücklich.
Eigentlich hatten Dontos für 2020 etwas sehr ungewöhnliches geplant: Sie wollten eine Pause einlegen. Nach den größten Clubshows ihrer Geschichte in Berlin, Hamburg, Düsseldorf, gleich zweimal an einem Tag in Wiesbaden und einem eigens aus dem Boden gestampften Festival in Ibbenbüren mit illustren Gästen wie Thees Uhlmann, Montreal oder Sondaschule, sollte das Jahr im Zeichen des Energietankens stehen. Ende 2020 steht zwar fest, dass es keinerlei Live-Aktivitäten gab, aber an das Aufladen der Akkus war nicht zu denken.
Also versammelt sich die Band im bandeigenen „Heavy Kranich“-Studio, um die Liveaufnahmen ihrer Jubiläumskonzerte aus dem letzten Jahr gemeinsam abzuhören. Es folgt kollektive Gänsehaut und die schnelle Entscheidung: „Wir müssen da ein Live-Album draus machen. Genau diese Abende, diese Erlebnisse fehlen uns in diesen Zeiten so sehr.“ Also los!
Nach einem Spaghetti-Western-Intro startet die Tracklist voll Power mit „Ich mach nicht mehr mit“, das Anfang 2015 den Wechsel der Band zur deutschen Sprache markierte. Zwanzig nach vorn treibende Songs zeigen die Feierlaune des Quintetts im Einklang mit seinem Publikum. Die Mischung geht durch die gesamte Karriere und enthält damit eine perfekte Zusammenstellung von „Wake The Dogs“, live in Berlin“ bis „Willkommen zuhaus“, live aus Ibbenbüren. An Gästen haben sich die Antilopengang („Kaputt“) und Vom Ritchie von den Toten Hosen („Superhero“) verewigt. Was für ein Spaß! Knapp über 80 Minuten dauert die große Sause mit kollektivem Ausrasten des Publikums – und das Tempo ist so gleichbleibend schnell, dass niemals Zeit für aufkommende Langeweile bleibt.
Ein Booklet gibt es nicht im Digipack zur Doppel-CD, aber fünf kunstvoll gefertigte Karten im CD-Format, die auf der einen Seite ein Bandmitglied und auf der anderen Seite eine Aufnahme der Crowd eines der fünf großen Konzerte der Jubeltour zeigen.
Die Livecrew der Donots, viele Mitglieder bereits seit vielen Jahren mit der Band unterwegs und darauf angewiesen, in den Clubs und auf den Festivals der Welt unterwegs zu sein, ist besonders bedroht. So entsteht die Idee, mit „Birthday Slams Live“ Geld für die Menschen zu sammeln, ohne die solche Shows möglich wären. Die Band spendet sowohl einen Teil der Erlöse des Albums als auch weitere Spenden über spezielle Supporter-Produkte direkt an ihre Crew. Feiner Zug!