Amplifier auf Tour mit ihrem Album „Echo Street“ – am 30.04.2013 im Substage Karlsruhe
Vorbemerkung: Meine handschriftlichen Notizen des Konzertes sind mir abhanden gekommen; insofern musste ich etwas tiefer als üblich in meinem Gedächtnis kramen.
In (meinem) näheren Umkreis fanden bei dieser Tour mehrere Konzerte von Amplifier statt. Da das Substage in Karlsruhe allerdings – mit einigem Abstand – das nach meinen Kriterien beste Venue darunter war, fiel die Auswahl nicht sonderlich schwer. Diese Entscheidung sollte ich jedoch gegen Ende des Abends noch bereuen.
Ich habe seit vielen Jahren – trotz einiger „Rückschläge“ – eine Schwäche für die Jungs aus Manchester. Mein erster Kontakt fand statt beim Eclipsed Festival in Aschaffenburg im November 2005, wo ich eigentlich heiß auf den Co-Headliner Riverside war und eher aus Pflichtbewusstsein bis zum Ende des Hauptacts ausharrte. Damals ging es vielen Besuchern ähnlich – ich kann mich noch genau erinnern, dass es bei Amplifier deutlich leerer im Colos-Saal war als bei Riverside. Ich fand ihre Mischung aus psychedelischem Rock und moderner(er) „Indiemucke“ faszinieren. Auch die – sowohl musikalische als auch persönliche – Nähe zu den von mir damals bereits verehrten (und inzwischen leider aufgelösten) Oceansize hat mich angesprochen.
Seither habe ich Amplifier nahezu 10 Mal unter den unterschiedlichsten Bedingungen gesehen – so bei einem Provinz-Festival, bei dem ich offensichtlich der einzige Besucher war, der die Band je vorher gehört hatte (Lott Festival 08), bei diversen Auftritten als Support bekannterer Bands (Opeth, Anathema) sowie auch vielfach als Hauptact. Darunter befand sich auch der „legendäre“ Gig im (alten) Substage im Februar 2007, als Amplifier ihr komplettes Debütalbum zum Besten gaben. Ihr Vorgänger-Album „Octopus“ fand ich – im Gegensatz zu den meisten Rezensenten – etwas „over the top“ und insbesondere auch zu lang. In der Mitte der 2. CD fühlte ich mich meist so, als ob ich gerade die zweite (komplette) Schwarzwälder Kirschtorte gegessen hätte. Insofern war ich sehr erfreut über den diesjährigen Nachfolger „Echo Street“, der doch in vielerlei Hinsicht erheblich „schlanker“ daherkommt. In mancher Hinsicht fühle ich mich an die grandiose „The Astronaut Dismantles HAL“-EP von 2005 erinnert.
Der Abend begann vielversprechend. Vom Support Charlie Barnes hatte ich noch nie gehört, aber offenbar gehört er zum Freundeskreis von Oceansize und Amplifier, da er von einer Zusammenarbeit mit (ehemals Oceansize-) Gitarrist Steve Durose erzählte. Er schaffte es aus dem Stand in meine TOP 3 der ungewöhnlichsten Support-Acts. Um kurz vor 9 kam er – nur mit einer unverstärkten Gitarre bewaffnet und auf Socken unterwegs – ins verdutzte Publikum marschiert, verdrängte dabei u.a. mich von meinem leicht erhöhten Platz auf einer Treppen-Stufe und begann einfach zu spielen, wobei ihm die Skurrilität seines Tuns wohl auch erst bewusst wurde, als er mitten unter uns stand. Die Stufe benutze er zudem als Bassdrum und seine Stimme vollführte mehrere (absichtliche) Stufen des Überschlagens. Danach sprang er auf die Bühne, wo der Set fortgeführt wurde. Mit Effektgeräten diverser Art schichtete er dabei mehrere Effekte loopartig übereinander: Stimme, Klatschen, Klopfen am Mikro, Keyboard-Samples usw. Ähnliches hatte ich schon in der Vergangenheit erlebt, jedoch niemals in dieser Radikalität. Auch von einer Beatbox-Variation machte Barnes keinen Halt. Seine 30-minütige Performance war insofern definitiv ein Erlebnis. Nach der üblichen Umbau- und Linecheck-Pause betraten Amplifier dann gegen 9:50 zu den Klängen der Pink Floyd-Hommage „Mary Rose“ die Bühne. Wie nicht anders zu erwarten, war der Sound im Substage gut und ich fand, dass der Song ein gelungen Opener war, vielleicht gerade weil er den Abend etwas weniger heftig begann. Ich hatte mich im Vorfeld nicht über die aktuellen Entwicklungen in der Band informiert – mit Ausnahme eines Standard-Blicks auf setlist.fm. Mein erster Gedanke beim Blick auf die Bühne war dann auch, dass Amplifier offenbar die „10 kleinen (politisch nicht-korrekten) Afrikaner“ umkehren wollen. Als klassisches „Power-Trio“ gestartet, hatten sie 2010/11 den oben bereits erwähnten Steve Durose aus der Konkursmasse der befreundeten Oceansize übernommen (während deren Boss Mike Vennart seither bei Biffy Clyro Hilfsdienste leistet). Jetzt standen plötzlich 5 Musiker auf der Bühne. Mal abwarten, wie es 2020 aussieht. Der (mir namentlich nicht bekannte) Neue spielte hauptsächlich Gitarre (wobei er zumeist die Fingerübungen der Kollegen doppelte), hatte aber auch Kurzeinsätze am Keyboard, an einer Tom sowie backing vocals. Er gab sich ziemlich extrovertiert, was mir eher unangenehm auffiel. Ebenfalls auffällig war im Gegenzug, dass Chef Sel Balamir wesentlich stiller war, als ich ihn in der Vergangenheit erlebt hatte.
Der Set bestand aus einer gelungenen Mischung von Titeln von „Echo Street“ und den älteren Alben – wobei das von der Band gehasste zweite Album „Insider“ wie immer in den letzten Jahren komplett ausgespart wurde. Ich persönlich finde dies schade, da einige der Songs m.E. durchaus qualitativ ebenbürtig sind und nur unter der bescheidenen Produktion der Scheibe leiden. Sei’s drum – als kleines Schmankerl gab’s noch den (mir nicht bekannten) Song „Close“, der vermutlich von einer der EPs der letzten Jahre stammt. Die Band zeigte sich gut aufeinander eingespielt. Die neuen Songs fügten sich harmonisch in den Set ein. Alles hätte glücklich und zufrieden zu Ende gehen können, wenn nicht Balamir offensichtlich stimmlich (bzw. generell gesundheitlich) nicht vollständig fit zu sein schien. An einer Stelle wies er daraufhin, dass der Gig am Vortag in Weinheim wohl sehr anstrengend gewesen sei. Dort spielte die Band (nach setlist.fm) auch den längsten Set der Tour – fast 2 1/2 Stunden. Dem musste insbesondere er wohl an diesem Abend Tribut zollen. Die Leidtragenden waren aber auch die Besucher des Karlsruher Konzertes. Trotz einer eigentlich stattlichen Länge von 110 Minuten und durchweg guter Stimmung im Substage, wurde der Set um insgesamt 4 Songs (im Vgl. zu Weinheim sowie der auf der Bühne ausliegenden „kompletten“ Setlist) gekürzt. Was mich persönlich betrifft, ist dieser Umstand wohl ein Beleg dafür, dass sich alles irgendwie ausgleicht im Leben. War „mein“ Amplifier-Konzert in Karlsruhe 2007 das mit Abstand längste der damaligen Tour, so war dieses Mal das Gegenteil der Fall. Unabhängig davon habe ich einen unterhaltsamen Konzertabend mit spannender Musik, tollem Sound und guter Stimmung verbracht – ein Umstand, der ja längst nicht als Standard anzusehen ist.
Setlist
- Mary Rose
- The Wave
- Interglacial Spell
- The Wheel
- Extra Vehicular
- Motorhead
- Interstellar
- UFOs
- Fall Of The Empire
- Where The River Goes
- Close
——
- Airborne