Wacken 2014 – 25 jährige Jubiläumsfeier in sengender Hitze
Es war mal wieder soweit, der Schlachtruf „Wackääään“ schallte durch ein knapp 1.700 Seelendorf in Norddeutschland. Auf dem Lande, wo Kuh und Schwein sich „Gute Nacht“ sagen, fand das 25-jährige Jubiläum des längst Kult gewordenen Metal-Festivals Wacken Open Air statt. Ein guter Grund zu feiern und ein Grund mit den größten Bands einen Knallergeburtstag hinzulegen möchte man meinen. Die Karten waren im vergangenen Jahr bereits innerhalb von weniger als 48 Stunden ausverkauft, ohne dass überhaupt eine Handvoll Bands feststanden. Der Ruf eilte dem Festival wie immer voraus und somit war der Vorverkauf ein Selbstläufer.
Man hoffte bis zum Ende das Line Up würde noch DEN Überraschungsgast raushauen, der einen aus den Latschen kippen lässt… aber es blieb bei Hoffen. Das Line Up konnte sich sehen lassen aber – und ja, hier gehen die Meinungen auseinander aber ich finde – für ein Jubiläum war es eher schwach aufgestellt.
Allerdings konnte man hinsichtlich der Organisation nicht meckern. Bei Anreise, Campingplatzordnung, Toilettensituation und Duschsituation gab es nichts zu beanstanden. Und von wegen an einem Festival wird nicht geduscht! Bei der Hitze war die Schlange vor den Männerduschen sogar fast doppelt so weit wie bei den Frauenduschen.
Wer wollte konnte Mittwoch schon Liveauftritte ansehen, wir hingegen entschieden uns dafür das Wackendorf unsicher zu machen. Unser alljährliches Frühstückszelt auf der Einfahrt eines Einwohners wollten wir schon einmal besuchen, doch zu unserer bösen Überraschung gab es das dieses Jahr überhaupt nicht mehr. Letztes Jahr hatte sich zumindest noch ein Motorradclub eingemietet – doch dieses Jahr… nichts. Viele der Stände sahen mittlerweile neu und professionell besetzt aus. Schade, der Flair ging ein wenig flöten. Auch der Unfall, der sich außerhalb Wackens ereignete, als ein Taxi einen 19-jährigen totfuhr hob die Stimmung nicht unbedingt. Also Kräfte sparen und ab ins Zelt.
Der Donnerstag startete mit sommerlicher Hitze hinsichtlich des Wetter als auch Line Ups. Auch am Einlass ging es hitzig zu. Dass Nieten mittlerweile an dem Metal Festival verboten sind, ist ja kein Geheimnis mehr und brav wurden nur noch Flachnieten getragen… wenn überhaupt. Doch nun gab es noch Probleme mit Portemonnaie-Ketten, die letztes Jahr nach unserer Erfahrung noch getragen werden durften, dieses Jahr aber als gefährlich eingestuft wurden (uns wurde sogar der Absatz in der „Hausordnung“ gezeigt, in dem eine genaue geduldete Länge definiert wurde). Die Optik leidet immer mehr und das betrübt, denn auch Metaller sind eitel! Doch die Geschichte geht weiter, denn 2 Meter hinter der Einlasskontrolle gab es Ketten jeglicher Länge und Stärke zu kaufen. Angeblich wurden diese nicht ausgehändigt, sondern man sollte nur einen Coupon erhalten, den man außerhalb des Geländes gegen die Ware eintauschen konnte. Immer wieder was neues, habe ich persönlich aber in fast 20 Jahren Festivalerfahrung noch nicht erlebt.
Bülent Ceylan begrüßte mit seiner Comedy-Show die späteren Ankömmlinge. Man kann seinen Humor mögen oder auch nicht, es ist stark Geschmackssache, aber über die Qualität der Show ließ sich nicht streiten. Doch dann kam das Erfreuliche: Die Auftritte u.a. von Hammerfall, Steel Panther, Accept und Saxon. Hammerfall zelibrierten ihr Comeback mit ein wenig Pyro und guter Show. Spätestens zu „Horns On Fire“ sang die gewaltige Masse vor der Bühne mit.
Es folgten Steel Panther, die hinsichtlich Animation eine ordentliche Kelle drauflegten. Die Botox-Superhelden der 80er erklären das Wacken zum „Titten-Festival“ und die Mädels ziehen blank. Peinlich oder einfach unverschämte 80er Party? Egal, es machte einfach großen Spaß Frontmann Michael Starr zuzusehen und seinen frechen Sprüchen zu lauschen – fast besser als Berufskomiker Bülent. Die Stimmung stieg und die Qualität des Auftrittes war so gut, dass man fast glauben wollte, es handelte sich um Playback. Die Tittenshow on stage, zu der Mädchen aus dem Publikum auf die Bühne geholt wurden und blank zogen, überzeugte dann auch noch den letzten Steel Panther Gegner mit den Waffen der Frauen.
Den Abschluss des ersten Tages bilden die alten aber noch fitten Kollegen von Saxon und Accept. Jetzt ist es vor der Bühne richtig voll und die Musiker rocken sich den teilweise nicht mehr ganz so straffen Arsch ab. Das Publikum ist selig und die paar Regentropfen, die zu Accept fallen, sind bei der Hitze mehr als willkommen.
Wer nun Donnerstag nicht genug 80er Flair hatte und erneut zurück in die Vergangenheit mochte, musste früh aus dem Zelt kriechen und schon um 11.55 Uhr Skid Row ansehen. Ich habe das leider nicht geschafft doch Endstille musste dann schon sein, denn die der letzte Auftritt am Wacken 2013 war richtig gut. Leider war in diesem Jahr der Sound schlecht abgemischt und es kam nur eine Krach-Wolke bei dem Zuhörer an. Schade dafür konnte man schnell rüber zur anderen Bühne und Five Finger Deathpunch in besserer Qualität erleben. Und auch Heaven Shall Burn überzeugten – wie immer – mit guter Laune und guter Show. Ein Circlepit, wie ihn wahrscheinlich nur die damals zu Tränen gerührten Machine Head zu Wacken 2009 zuvor gesehen hatten, machte seine zerstörerische Runde. Aber nur im weitesten Sinne zerstörerisch, denn zu Verletzungen führte der Pit nicht – auch wenn viele Veranstalter oft weis machen wollen wie böse diese Circlepits doch seien.
Bei Apocalyptica stellte sich uns die Frage wozu man zu einem Streichertrio ein Orchester im Hintergrund braucht. Die Finnen waren in der Vergangenheit ohne Orchester viel beeindruckender als mit. Denn genau das machte sie aus: 3 Finnen, die auf ihren klassischen Instrumenten Metal spielen und trotzdem die ganze Bühne zusammenrocken – das Orchester war hier witzlos. Aber da sind die Geschmäcker ja verschieden und das ist auch gut so, denn Apocalyptica konnte sich einer großen Zuhörerschaft erfreuen.
Und auch in diesem Jahr durften Motörhead das Wacken mit ihrem Auftritt bereichern. Diesmal ganz ohne Zwischenfälle, was einige Fans aufatmen ließ. Zu groß waren die Sorgen der jüngsten Vergangenheit um Frontmann Lemmy Kilmister gewesen. Irgendwie scheint die Laune zwar nicht auf dem Höhepunkt und die Musik ein wenig zu leise sein, aber man kann als Zuschauer ja eh selten genug bekommen. Im Großen und Ganzen kann man sagen „Hut ab Lemmy!“. Auf der anderen Bühne folgte nahtlos ein anderes Urgesteine des Metal: Slayer, King Diamond und W.A.S.P. An diesem Tag war so viel auf den Hauptbühnen los, dass man es kaum zu den anderen Bühnen und Belustigungen schaffte. Zu schade wer es tatsächlich nicht konnte, denn die Wasteland Warriors waren wie immer ein Augenschmaus und entführen den Besucher in eine Mad Max Endzeitatmosphäre. Das passte natürlich perfekt zur staubigen Wacken-Atmosphäre – fast kam man sich vor wie in der Wüste mit Mel Gibson.
Und dann rannte die Zeit leider auch schon auf das Finale zu. Am letzten Tag sorgte die weibliche Frontfrau von Arch Enemy für optischen Genuss als auch (für diejenigen die Arch Enemy nicht kannten) unerwartete und überraschend harte Töne. Bereits zu der frühen Mittagsstunde versammelten sich immens viele Fans, um die neue Frontfrau Alissa White-Gluz herzlich zu begrüßen. Sie dankte dies, indem sie einen guten Job ablieferte – dagegen sahen Prong auf der Bühne nebean alt aus.
Zwischendurch ermahnte stets die Wacken-Kuh mit lautem Muhen, dass genug getrunken werden solle bei der Hitze – und zwar nicht nur Bier. Allerdings sah man an einigen, dass sie diesen guten Tipp in den letzten Tagen nicht befolgt hatten. Hier und da lagen die Schnapsleichen auf der Erde und erholten sich jetzt schon vom Wochenende. Das Wacken hatte sich also mal wieder gelohnt.
Auch Behemoth zeigten sich wieder am Wacken, nachdem Sänger Adam Darski bei „Voice of Poland“ aus der Jury flog. Mit beeindruckenden Outfits und ebenso überragendem Intro zeigen Behemoth, was es heißt eine große Show abzuziehen. Mit Feuerschüsseln, umgedrehten brennenden Kreuzen, Kunstblut und nicht zuletzt einer grandiosen musikalischen Leistung zeigen die Polen wo es langgeht. Leider stimmte das Bild auf der Leinwand nicht so ganz mit dem Ton überein.
Doch auch Amon Amarth warten mit nicht wenig Bühnendeko auf. Zwei riesige Drachenköpfe zierten links und rechts die Bühnen und qualmten ordentlich weißen Dampf aus den Nüstern. Allerdings kam die Stimme von Sänger Johann Hegg so gut rüber. Ob das an der Abmischung oder der Eigenleistung lag, war nicht zu sagen. Er machte jedoch alles durch seine stets sympathische gute Laune wieder wett. Er erklomm die Drachenköpfe, feuerte das Publikum an und grinste über das ganze Wikingergesicht.
Dagegen fielen Megadeth ziemlich ab. Beim Intro fiel sogleich der Ton aus. Als dieser wieder einsetzte wünschte man sich zuerst er wäre weggeblieben. Und als der Sound dann passte, haperte es bei Dave Mustaines gesanglichen Künsten. Zwischendurch schien er ein wenig außer Atem zu sein… das hatten andere ältliche Kollegen an diesem Wochenende besser gekonnt.
Avantsia ließen diesen Ausrutscher schnell vergessen. Eine riesige Show mit großer Stimmgewalt überwältigte die vielen Fans und überzeugte auch diejenigen, die sich Avantasia nur als Lückenfüller ansahen. Die Begeisterung war überall zu sehen und zu hören. Tobias Sammet redete zwar wieder etwas viel, das macht er einfach gerne, doch musikalisch war die Gänsehaut vorprogrammiert.
Den Abschluss auf der Black Stage bildeten am Wacken Open Air 2014 Kreator. Gewohnte top Qualität mit enormer Lichtshow. Auch Van Canto auf der Partystage sorgten für gute Stimmung mit ihrem Metal a Capella. Noch ein letztes Mal gute Stimmung und Vorfreude auf das nächste Jahr in Wacken.
Eins ist klar und auch schon lange bekannt: es gibt viel Gejaule, dass das Wacken nicht mehr dasselbe ist. Viele Stammbesucher gehen schon lange nicht mehr zum Wacken Open Air. Aber es ist auch klar, dass ein wachsendes Festival ständig wachsende Anforderungen hat, vor allem was die Sicherheit betrifft. Darunter leidet traurigerweise ein Teil der Atmosphäre, was mich besonders belastet. Wenn ich nicht mehr an ein Metalfestival gehen kann wie ich möchte (sprich bei jeder einzelnen Niete wird das Maßband gezückt) finde ich das schon anstrengend. Denn viele meiner Kleidungsstücke sind nun mal nicht mehr wackentauglich. Doch denkt man mal um die Ecke, sprechen die Qualität der Shows und das Drumherum für sich. Die sanitären Anlagen und die Campingplätze waren, wie anfangs beschrieben und soweit ich das aus eigener Erfahrung beurteilen kann, gut. Die Stimmung unter den Gästen stets feuchtfröhlich ausgelassen und ich konnte in all den Jahren keine großen Zwischenfälle verzeichnen. Selbst die Polizei zog eine positive Bilanz. Was will man also mehr. Dann flex ich das nächste mal ein paar Nieten kürzer.
Solange die Veranstalter sich wieder mehr auf ihre Wurzeln besinnen und die Genres in diesem Rahmen halten werden weiterhin tausende Metalfans aus aller Welt anreisen um dieses einzigartige Erlebnis einmal selbst zu erfahren. Natürlich habe ich selbst mir für ein Jubliäum an Wacken einiges mehr erhofft, aber was nicht ist kann ja noch werden. Dann wird nächstes Jahr vielleicht das Nicht-Jubiläum gefeiert.