Das neue Album “Between Dog and Wolf” gehört zu ihren stärksten Veröffentlichungen in den letzten beiden Jahrzehnten. Deshalb war ich sehr gespannt und reiste mit großer Vorfreude zur Centralstation Darmstadt, da klar war, dass New Model Army viele neue Songs live präsentieren werden. Man muss die Chance nutzen, denn spätestens zu den Weihnachtsshows wird man in den alten Trott zurück fallen und vermutlich die Anzahl der BDAW-Stücke zugunsten von Klassikern verringern. Wer noch die Gelegenheit hat, sollte sie nutzen, denn die Mischung aus altem und neuem Material ist absolut stimmig und im Zusammenspiel der Band glänzend in Szene gesetzt.
Die Centralstation war gut gefüllt und man musste zunächst den Opener BOMB WHATEVA über sich ergehen lassen. Aber halt – war gar nicht so schlimm wie befürchtet. Die Jungs aus Stuttgart präsentierten knapp über 30 Minuten soliden Headbanger-Rock mit Haudrauf-Attitüde, stilistisch irgendwo zwischen Motörhead und Black Sabbath. Bei den Anwesenden sorgte das zumindest für rhythmisches Kopfnicken und höflichen Applaus.
New Model Army betraten um 21.45 Uhr zu den instrumentalen Klängen von “Vagabonds” die Bühne. Dann wurde aber nicht der Klassiker gespielt, sondern man startete mit dem neuen Stück “I Need More Time”. Justin Sullivan und Co. haben sich mit dem zwölften Album selbst übertroffen – und das Publikum wusste das durchaus zu würdigen. Die Setlist bestand nicht nur in der von vielen Konzerten bekannten Mischung aus Independent Rock, Punk und folkigen Anleihen. Hinzu kamen die neuen weltmusikalischen, bisweilen psychedelischen Klänge, die vor allem durch eine starke Rhythmus-Sektion untermauert wurden. Die Mischung aus alt und neu war äußerst stimmig und man spürte deutliche Spannung im Saal, wenn Ceri Monger seinen Bass gegen ein zweites Schlagwerk austauschte, um die Stammestrommeln der Army erklingen zu lassen. Ganze neun Songs der aktuellen CD wurden im Lauf des Abends gespielt. Schön, dass die Band ausreichend von der Qualität überzeugt ist, um dieses Wagnis einzugehen.
Natürlich prägte weiterhin Justin Sullivan mit seiner Stimme den Abend. Er klagte an und schrie “No, no, no” um gleich darauf “Here Comes The War” zu proklamieren, was zu einem Highlight der Show wurde. Und danach dann ein neuer, kurioser Track, der sich der Legende um “Evil Knievel” widmet. Die Ansagen waren recht spärlich – lieber ließ Justin die Lyrics seiner Songs sprechen, die sich thematisch über die Jahre gar nicht so sehr verändert haben. In “Today Is A Good Day” hören wir die Schadenfreue über die Bankenkrise, der alte, bisher selten gespielte Song “Frightened” befasst sich mit den Ängsten der Menschen, die von Politik und Medien geschürt werden.
Sullivan will auch nach Jahrzehnten noch diesen Balanceakt bewältigen: die Menschen ob der Ungerechtigkeiten der Welt aufrütteln, ihnen aber auch die Angst nehmen und sie zur Gelassenheit mahnen. Er gehört mit seiner enormen Bühnenpräsenz und den Emotionen, die er in den Gesang legt, zu den besten Frontmännern, die ich kenne. Da ist kein falsches Pathos – man nimmt ihm jedes seiner Worte ab. Und es ist ja auch bekannt, dass die selbstgewählte Stellung als Vertreter der Arbeiterklasse und die Kritik an politischen Systemen kein Klischee sind, dem Sullivan und Army folgen, sondern Bestandteil ihrer Lebensphilosophie.
Fast 115 Minuten vergingen sehr schnell. Ein gutes Zeichen, wenn neue Songs keine Längen erzeugen. Das Publikum ist allgemein älter geworden. Nur noch wenige, die während des Konzerts die Lyrics in einem Ausdruckstanz mit beteten. Auch das Pogo-Gehabe vor der Bühne beschränkte sich auf wenige schnelle Momente. Fünf Stücke in zwei Zugabenblöcken befassten sich vor allem mit den älteren Zeiten der Band – und zum Schluss durfte natürlich das in Deutschland so beliebte “Green and Grey” nicht fehlen. Sullivan hat schließlich seine feste Meinung von Deutschland. Es sei so schön hier im Herbst. “So viele Wälder. Ihr seid ein Waldvolk!”
Setlist – New Model Army – 17.10.2013 – Centralstation Darmstadt
I Need More Time*
Today Is a Good Day
March in September*
Did You Make It Safe?*
Pull the Sun*
The Hunt
Archway Towers
Here Comes the War
Knievel*
Between Dog and Wolf*
Stormclouds*
No Rest
High
Seven Times*
Frightened
Wonderful Way to Go
—–
Get Me Out
Purity
Green and Grey
—–
Lean Back and Fall*
225
(*new song)