Gegründet vor 50 Jahren kann man sich die AOR- und Progressive Rock-Welt ohne die Band aus Chicago gar nicht vorstellen. Muss man auch nicht, denn das Quintett ruht sich nicht etwa auf den Klassikern aus, sondern fertigt in zwar großen aber dennoch gut wahrnehmbaren Abständen solide Studioalben mit neuer Musik. Die 70er Jahre waren die Hochphase der Band. Perfekter Rock für Erwachsene, bombastische Progalben, quasi Soundschicht auf Soundschicht gestapelt. „Boat On The River“ sollte jeder kennen, aber auch „Mr. Roboto“. Das Album „Kilroy Was Here“ (1983) ermöglichte den Sprung in den Mainstream, war gleichzeitig aber auch ein tiefer Einschnitt. Viele potentielle Fans verbanden den Namen der Band jetzt eher mit dem Discohit als mit den Heroen des AOR.
Viele Besetzungswechsel und zwei Reunions später gab es 2017 das geniale Konzeptalbum „The Mission“. Man muss den Jungs um James Young und Tommy Shaw zugutehalten, dass eine Rückbesinnung auf die musikalischen Wurzeln immer drin ist und diese Science Fiction -Story um eine Marsmission im Jahr 2033 gehört auf jeden Fall zu den besten Alben der Band. Vier Jahre später legt man mit „Crash of the Crown“ noch eine Schippe drauf. Kein Konzeptalbum im eigentlichen Sinn, aber thematisch verknüpfte Songs, in denen es um Hoffnung, ums Weitermachen, um einen Neuanfang geht. Ein Album, das einerseits zur wechselvollen Bandgeschichte passt, zum anderen aber auch die Situation nach der Pandemie beschreibt.
Schon der Anfang mit „The Fight Of Our Lives“ macht glücklich: Melodische Gitarren, polyphone Gesangspassagen, ein verspieltes Keyboard – da schlägt mein Progger-Herz doch direkt höher. Vor allem wenn dieser kurze Eröffnungstrack in das nicht minder grandiose „A Monster“ überleitet. In vielem erinnern Styx an erfolgreiche Neoprogger wie Spock’s Beard und treffen damit genau meinen Nerv. „Hold Back The Darkness“ zeigt andere Qualitäten: Eine feine Gitarrenballade mit filigranem Gesang. „Save Us From Ourselves“ erzählt eine Geschichte mit Spoken-words-Passagen. Gerade der stetige Wechsel an den Vocals bringt spannende Facetten ein.
Die zweite Hälfte des 43minütigen Albums bringt den klassischen Styx-Rocksound mit epischen Gitarrensongs und einem schönen Piano wie in „Coming Out The Other Side“. Obwohl sich Styx im Verlauf des neuen Albums immer wieder mit düsteren Themen befassen, schimmert doch bei sämtlichen Tracks das sprichwörtliche Licht am Ende des Tunnels durch. Man hört, dass sie alles dafür tun wollen, den Blick auf die Zukunft zu richten, sich weiter zu bewegen, an einer positiven Vision festzuhalten. Ein Stück wie „To Those“ dürfte Freunde von Yes begeistern. So hymnisch klingen die Briten leider schon lange nicht mehr. Mit „Stream“ schließt ein nachdenklicher Song das Album gekonnt ab – allerdings wie ein Cliffhanger mit Lust auf mehr. Hoffentlich dauert es nicht zu lange bis zum nächsten Output.
Fazit: Es gibt wenig zu meckern. Die Rock-Veteranen von Styx legen hier (mal wieder) ein grandioses Album vor, das sich stilistisch durch die Jahrzehnte zieht und Freunde guter filigraner Rockmusik begeistern dürfte.