Die Toten Hosen und „Der Krach der Republik“ am 23.06.2013 in Bosen / St. Wendel, Festwiese Bostalsee

Es ist schon einige Jahrzehnte her, dass das saarländische Städtchen St. Wendel große Rockkonzerte erlebt hat. Ich kann mich aber noch gut an die Open Airs im Bosenbachstadion erinnern, beispielsweise 1989 mit Joe Cocker und Bap. Nun sollte der Bostalsee zur neuen Pilgerstätte für Musikfans werden. Gleich drei Konzerte standen auf dem Programm: Freitags gab sich Xavier Naidoo die Ehre und samstags feierte Campino von den Toten Hosen mit 25000 Fans seinen 51. Geburtstag. Am Sonntag schließlich waren nochmal die Toten Hosen dran – wieder vor ausverkaufter Kulisse, allerdings mit anderen Supportbands.

Die Sommerkonzerte „Der Krach der Republik“ führen die Düsseldorfer Band durch ganz Deutschland und angrenzende Nachbarländer. Wer hingeht, darf eine der größten Show-Produktionen erwarten, die man hierzulande in den letzten Jahren erleben konnte. Vor der beschaulichen Kulisse des Sees war eine riesige Bühne aufgebaut, das beschauliche Örtchen Bosen befand sich im Ausnahmezustand. Trotzdem klappte alles relativ reibungslos. Eine gut durchdachte Verkehrsführung, perfekte Infrastruktur auf dem Gelände. Es hieß, freitags sei alles noch etwas chaotisch gewesen, doch am Sonntag war davon nichts zu spüren – mal abgesehen von der unvermeidlichen Stauzeit, wenn Tausende auf einmal von der Autobahn kommen. Sogar Petrus spielte mit, schickte zwei kleine Schauer am Nachmittag und ansonsten viel Sonne. Der aufgehende Regenbogen genau über der Bühne sollte ein gutes Omen für den Konzertabend sein.

Es begann mit Wölli, dem ehemaligen Schlagzeuger der Hosen (bis 1999), und seiner „Band des Jahres“, von Campino höchstpersönlich angesagt. Nun ja, es hätte den Zuschauern wohl besser gefallen, wenn der Hosen-Frontmann auch ein Liedchen mit geträllert hätte. Die stimmlichen Fähigkeiten von Wölli alias Wolfgang Rohde ließen doch sehr zu wünschen übrig. Aber so ist das nun mal im Punk – Hauptsache Spaß, laute Töne und Texte mit wenig Inhalt. Das hat Wölli bestens drauf und unterhielt das Publikum für einige kurzweilige Minuten. Als Frontmann scheinen ihn die Rückenprobleme auch nicht mehr zu plagen, die das Ende seiner Schlagzeugkarriere verursachten.

Zweiter Supportact waren die Donots aus dem Münsterland. Die Band aus Ibbenbüren kann schon ihr 20jähriges Bestehen feiern. Wer hätte das gedacht bei dem Quartett, das das Nichts-Tun von Beginn an zum Motto auserkoren hat? Die mittlerweile neun Studioalben sprechen allerdings eine andere Sprache und die Anzahl der hymnischen Alternative-Punk-Pop-Songs ist schon lange Legion. Wer zudem die hyperaktiven Burschen mal live erlebt hat, weiß um die Begeisterung, die sie auslösen können. Und das klappte auch am Bostalsee ausgezeichnet und sorgte für erste Circle Pits.

Weiter ging es mit Kraftklub und damit blieb der ganze Tag fest in deutscher Hand. Das Quintett stammt aus Chemnitz und macht intelligenten Indiepop mit deutschen Texten und sehr, sehr viel Spaß. „Scheissindiedisco“ singen sie oder lassen an anderer Stelle auch gerne mal den Rapper raushängen. Das Publikum ging super mit. Vor allem die Hymne „Ich will nicht nach Berlin“, die es mal beim Bundesvision Song Contest zu hören gab, erschallte auch hier aus allen Kehlen. In Kraftklub steckt ein enormes Livepotential.

Pünktlich um 20.45 Uhr enterten die Toten Hosen die Bühne. Jetzt waren alle LCD-Wände und Scheinwerfer aktiv, das Geschehen wurde von sechs Verfolgern angestrahlt – die wirklich große Show konnte beginnen. Die Vorzeichen für ihre erfolgreichste Tour standen ja auch fantastisch. Nummer-1-Alben ist man zwar seit den 90ern gewohnt, aber einen Über-Hit („Tage wie diese“), den selbst Karnevalsbands und Blaskapellen im Repertoire haben, gab es bisher nicht. Das verdankt man auch Campino mit seinem unermüdlichen Einsatz und der Medienpräsenz, die zum 50. Geburtstag noch zugenommen hatte.

Er ist einfach eine Bank auf der Bühne. Der starke Fronter, der sich ständig in Pose wirft, um die Wirkung seiner Person weiß und das Publikum fest im Griff hat. Ein Hosenkonzert der aktuellen Tour bietet ein Festmahl für alle Fans. Es gibt (bevorzugt zu Beginn) die neuen Chartbreaker wie „Ballast der Republik“ und „Altes Fieber“. Dann aber auch die Klassiker, die jeder mitsingen kann wie „Bonnie & Clyde“, „Hier kommt Alex“ (aus dem Horrorshow-Konzeptalbum), „Alles aus Liebe“ und „Wünsch dir was“. Da sitzt jede Textzeile bei eingefleischten Fans. Für die Bonus-CD des aktuellen Albums hatte man rockige Coverversionen aus mehreren Jahrzehnten aufgenommen. Davon gab es am Bostalsee „Heute hier, morgen dort“ (Hannes Wader), „Far Far Away“ und den Song einer dreiköpfigen Newcomerband aus Berlin, die man gerne unterstützen wollte: „Schrei nach Liebe“ (richtig – von den Ärzten, die schon lange keine Konkurrenten sondern höchstens gern gesehene Mitbewerber sind).

Richtig genial wurde es, als man ganz weit zurück ging. Mit Kraftklub zusammen sangen die Hosen „Opel-Gang“, später gab es auch „Eisgekühlter Bommerlunder“. Und im Zugabenblock durften selbst die „Zehn kleinen Jägermeister“ nicht fehlen. Was sollte man da noch vermissen? Natürlich „Tage wie diese“, das als Wohlfühl-Hymne vor den Zugaben erklang. Und vielleicht das Lied über die verhassten „Bayern“, das es noch kurz vor 23 Uhr gab, bevor mit „You’ll Never Walk Alone“ der Abend ausklang.

Campino und seine Truppe haben in 130 Minuten Konzertlänge bewiesen, dass sie momentan Deutschlands stärkste Liveband sind. Obwohl das letzte Album viel mit Nostalgie, Wehmut und Abschied spielt, sind doch keine Ermüdungserscheinungen spürbar. Das begeisterte Publikum sah eine große Show auf der Bühne, geniale Video-Einspieler, eine bunte Show, die jeden Anwesenden erreichte. Und es gab auch intimere Momente, die auf einem Steg im Zuschauerraum stattfanden. In drei umfangreichen Zugabenblocks wurde die Band abgefeiert. Ein positives Fazit kann man auch für das Veranstaltungsgelände treffen. Das Open-Air-Gelände am See hat seine Feuertaufe bestanden und man darf schon gespannt sein, welche weiteren Konzerte in dieser Größenordnung es geben wird.

Setlist Toten Hosen – 23. Juni 2013, Bostalsee

  • Ballast der Republik
  • Altes Fieber
  • Auswärtsspiel
  • Liebesspieler
  • Das ist der Moment
  • Alles was war
  • Heute hier, morgen dort
  • Bonnie & Clyde
  • Ein guter Tag zum Fliegen
  • Madelaine (aus Lüdenscheid)
  • Paradies
  • Niemals einer Meinung
  • Alles aus Liebe
  • Pushed Again
  • Schrei nach Liebe
  • Liebeslied
  • Opel-Gang
  • Steh auf, wenn du am Boden bist
  • Hier kommt Alex
  • Wünsch dir was
  • Tage wie diese

 

  • Call of the Wild
  • Der Bofrost Mann
  • Hang On Sloopy

 

  • Eisgekühlter Bommerlunder
  • Vogelfrei
  • Far Far Away
  • Zehn kleine Jägermeister
  • Schönen Gruß, auf Wiederseh’n

 

  • Draußen vor der Tür
  • Freunde
  • Bayern
  • You’ll Never Walk Alone