Die Hardcore-Punk-Urgesteine von Propagandhi haben letztes Jahr mit ihrem neuen Album „Failed States” alte und neue Fans für sich begeistern können. Da war es auch schon fast überfällig, dass die Kanadier sich in den Clubs mit ein paar Songs im Gepäck blicken lassen. Nicht alleine, sondern noch mit den allseits beliebten Shai Hulud und War On Women auf Tour kann sich Köln auf einen musikreichen Abend freuen.
Der Name von War On Women ist Programm. Benannt nach dem amerikanischen Wahlspruch der Republikanischen Partei singen und rebellieren diese Damen und Herren für mehr Frauenrechte und gegen den Sexismus in der Welt. Die aufgestaute Wut lässt sich in der Stimme von Shawna eindeutig heraus hören. Während der Rest der Band beschäftigt, ist den Mix aus Psychodelic Rock und heftigen Hardcore mit voller Aggression runterzuzocken, gibt sich Shawna rotzfrech und voller Leidenschaft. Sie springt von einem Bühnenende zum anderen und verweilt meistens in ihrem Ausdruckstanz mit finsterem Blick in Richtung Publikum. Mit neuen Fans im Rücken verlassen War On Women nach einer halben Stunde Spielzeit die Bühne.
Zu Shai Hulud braucht man nicht viel zu erzählen. Für mich gehören sie zu den vielfältigsten und besten Hardcore-Bands mit Metal-Einfluss. Anfang Februar konnte endlich nach vier Jahren Wartezeit ihr neues Album „Reach Beyond The Sun” via Metalblade Records veröffentlicht werden. Ein Album, das im Gegensatz zum Vorgänger, an Freude und Originalität nur so sprießt. Ich bin froh, dass diese Band sich wieder lockeren Rhythmen genähert hat. Es steht ihnen einfach besser. Live bin ich noch nie von Shai Hulud enttäuscht worden, warum dann heute? Diese Gefahr besteht natürlich, wie immer in der Tour-Sängerwahl, aber das Sänger-Shai-Hulud-Problem wurde schon so oft zerkaut und angesprochen, dass wir es getrost auf Seite legen können, außer, dass ich von Justin Kraus positiv überrascht bin. Er passt sich mit seiner Stimme und seinem Einsatz perfekt Matt Foxs Truppe an! Shai Hulud haben die Meute im Griff und spielen sich die Seele aus dem Leib. Auch in der Songwahl werden die knackigen und markanten Nummern ihres neuen Meisterwerks in die Hitliste unter ihre Klassiker gemischt und räumen an Groupshouts und kleinen Stage-Dives ab. Leider ist die Setlist für mich zu kurz geraten, aber ansonsten war alles top wie immer!
Nach längerer Pause betreten Propagandhi die Bühne. War das Publikum bisher immer nur halb dabei, wirkt die Essigfabrik jetzt wie eine zusammengeschweißte Front, die den Abend zusammen zum Feiern verbringen möchte. Schon beim ersten Song „Dear Coach’s Corner” schreit die Halle lauthals mit! Auch im Verlaufe des Abends scheint die Stimmung nicht zu kippen. Ob es ältere Werke von „How To Clean Everything” oder neuere von „Failed States”, diese Band hat Charisma und die Persönlichkeit, mit den passenden Fans einen Abend unvergesslich zu machen. Propagandhi haben in den letzten 20 Jahren nie ihren Charme verloren und sind im Gegensatz zu vielen Kollegen nie in eine musikalische Stagnation geraten. Jedes ihrer Alben hat immer musikalische Akzente, die im Großen vielleicht nicht auffallen, aber Live immer noch unverfälscht und originell wirken. Mit dem stätigen Fortschritt und Texten, die zum Denken bewegen, haben sie sich eine treue Gemeinschaft aufgebaut, die ihre Musiker zu schätzen weiß. Chris Hannah gibt sich an seiner Gitarre und seinem Mikro sehr entspannt und schwätzt in seiner bekannten Art in den Pausen. Er bedankt sich bei seinen Support-Acts, sowie dem erschienenen Publikum. Sein Lächeln übertragt sich auf die Zuschauer, die mit ihm und seiner Band als Zugabe „The Banger’s Embrace” und „Back to the Motor League” feiern, um die restliche Energie heraus zulassen.
Propagandhi haben diesen Abend wirklich unvergesslich gemacht und ihren Rang in der Musikwelt nochmals bewiesen. Aber auch Shai Hulud und War On Women haben Respekt für ihre Leistungen verdient. Ein klasse Abend!