“I lost my marbles” – Marillion Weekend in Port Zelande
Alle zwei Jahre ist Feiertag für die weltweite Marillion-Gemeinde. Denn seit Anfang des Jahrtausends lädt die Prog-Rockband ihr Anhänger zu verschiedenen Plätzen der Welt, um dreitägige Festivals (das sogenannte Marillion-Weekend) zu feiern. Im März 2017 startet bereits das neunte Event dieser Art in Port Zelande (Niederlande), gefolgt von Stationen in Polen, England und Chile.
Marillion treten bei diesen Weekends mindestens an drei Abenden auf – und präsentieren dabei ein Programm ohne Wiederholungen. Es gibt also mindestens sechs Stunden Musik. Und hinzu kommen meist noch diverse Sessions am Nachmittag. Die große Fangemeinde kann sich hier den Marillion-Overkill holen: am Quiz teilnehmen, mit Mark Kelly joggen, Autogramme oder Selfies ergattern. Band und Fans werden in der Regel zu einer großen Familie.
Jedes Weekend steht im Zeichen eines bestimmten Albums. In 2015 war es das Meisterwerk „Marbles“, das für viele als bestes Marillion-Album gilt, seit der Schotte Fish 1988 die Band verlassen hat und durch Steve Hogarth ersetzt wurde. In meiner persönlichen Hitliste der Hogarth-Alben kommt „Marbles“ dicht hinter „Afraid Of Sunlight“ und „Brave“. Und dann ist da das ganz aktuelle Werk „F.E.A.R.“, das in 2016 die Spitzenplätze fast aller Prog-Hitlisten stürmte. Marillion gehören also noch lange nicht zum alten Eisen! Kaum eine Progband schreibt solch gewaltige neue Werke.
Aber zurück zu „Marbles“ und dem Live-Release „Marbles In The Park“. Das Album erschien 2004 in zwei Versionen: In den Läden als einfache CD mit gekappter Songauswahl, direkt bei Marillion konnte man aber eine Doppel-CD erwerben, die unter anderem auch den epischen Publikumsliebling „Ocean Cloud“ enthielt.
Die vorliegende Live-Aufnahme stammt vom Convention-Weekend (20.-21. März 2015) in Port Zelande. Das Album wurde natürlich in der Langfassung gespielt, startend mit dem emotionalen „The Invisible Man“, das Steve Hogarth in Bestform zeigt: dramatisch, emotional, schauspielernd, schreiend. Allein dieses viertelstündige Stück lohnt die extravagante Umsetzung mit riesigen LCD-Leinwänden und szenischen Elementen. Marillion wollten dem Projekt die angemessene Umsetzung geben und hatten das überdimensionale Kirmeszelt neben dem Ferienpark mit einer ungewöhnlichen Lightshow und riesigen Bildschirmen ausgestattet. Das perfekte Ambiente für eine großartige DVD-Aufnahme.
Am 20. Januar 2017 erscheint nun mit „Marbles In The Park” die beindruckende Liveshow samt atemberaubender Projektionen und Lasereffekte sowie dem hervorragenden High-Definition-Sound erstmalig als Doppel-CD, DVD und Blu-ray. Marillions Musik zielt immer auf die größtmögliche Wirkung. Mit einem enormen Klangaufwand erwecken sie Leidenschaft und Begeisterung. „Marbles“ in diesem musikalischen Gewand zu erleben ist ein Hör- und Sehvergnügen par excellence.
Das Publikum in Holland nahm Show und Musik begeistert auf, wie man auf CD und DVD hören kann. Selbst die kurzen „Marbles“-Stücke, die es sonst nie live zu hören gibt und die auf dem Album als Bindeglieder zwischen den Songs dienen, wurden lauthals bejubelt. Ruhige Stücke wie „Fantastic Place“, „You’re Gone“ und „Angelina“, die epischen Longtracks „Ocean Cloud“ und „Neverland“, ungewöhliche Rocknummern namens „Genie“, „The Damage“ und „Drilling Holes“ wurden in blendender Spiellaune dargeboten. So zelebriert man ein klassisches Progalbum!
Im Zugabenblock gab es den Titeltrack „Sounds That Can’t Be Made“ vom damals aktuellen Album und zu meiner Freude zwei Stücke von „Afraid Of Sunlight“. Wer einmal die Atmosphäre einer Marillion-Convention schnuppern will, liegt mit diesen Aufnahmen goldrichtig. Vielleicht sieht man sich dann ja mal in Port Zelande.