Anna Loos trotzt allen Kritikern und Silly bieten mit “Kopf an Kopf” ein gefühlvolles zweites Album nach dem Neustart

In den letzten Monaten machte Anna Loos vor allem dadurch Schlagzeilen, dass sie einen Shitstorm auf Facebook über sich ergehen lassen musste, in dem sie unter anderem als “arrogante Schlampe aus dem Osten” beleidigt wurde. Was der Anlass dazu war, ist wohl kaum noch nachzuvollziehen. Vermutlich waren es Neider, die ihr den privaten und beruflichen Erfolg nicht gönnen. Das Internet entwickelt manchmal ein skurriles Eigenleben. Meldenswert war auch nicht der Shitstorm an sich, sondern die ungemein coole und lässige Art, wie Anna Loos damit umging. Sie zeigte sich zugleich verletzt und kämpferisch. Das lässt mich auch gleich den Bogen zum aktuellen Silly-Album schlagen, denn hier bekommen wir ebenfalls genau diese Seiten der Schauspielerin und Sängerin gezeigt.

Anna Loos war ein Glücksgriff für Silly. Daran dürfte inzwischen kein Zweifel mehr bestehen. Die Band Silly gehört zu den musikalischen Ikonen der ehemaligen DDR und wurde vor allem durch die charismatische Frontfrau Tamara Danz berühmt. Ganze sieben Mal wurde Tamara zur “Sängerin des Jahres” in der DDR gewählt. Ihr Krebstod 1996 bedeutete auch das vorläufige Ende der vor allem im Osten beliebten Band, die danach nur mit Live- und Best-Of-Alben am Leben gehalten wurde, bis im Jahr 2007 Schauspielerin Anna Loos den vakanten Posten am Mikro einnahm. Diese stammt ebenfalls aus Ostdeutschland, ist aber 1988 in den Westen geflüchtet und hat eine beeindruckende Karriere hinter sich.

Es war ein mutiger Schritt, in die Fußstapfen von Tamara Danz zu treten und mit Silly einer musikalischen Ikone vorzustehen. Eigentlich konnte sie nur verlieren dabei, doch schon der Erstling “Alles rot” zeigte sie als fantastische Sängerin. Für das zweite Werk “Kopf an Kopf” hat sich Anna Loos auch als Songwriterin etabliert. Die Kompositionen stammen weiterhin von Ritchie Barton und Uwe Hassbecker. Hinzu kommen aber Annas Texte, die es in sich haben und die Band emotional stärken. Da gibt es starke politische Aussagen wie in “Vaterland”, das die Frage aufwirft, ob man ein Land lieben kann, das die Welt mit Waffen beliefert. Ihre Motivationskraft zeigt Loos in Texten wie “Dein Atlantis” und vor allem mit “Spring”, das sie der jüngeren Generation als Ratschlag mit auf den Weg gibt. Hinzu kommen persönliche Songs wie “Ohne dich” und “Blutsgeschwister”.

Die Musik von Silly ist ruhiger geworden. Weniger Rock, mehr gefühlvolle Tracks, in denen Annas Stimme stark in den Vordergrund rückt. Es wird klar, dass sich Silly ganz neu aufgestellt haben und hier nicht die Nostalgie-Welle reiten wollen. Doch trotz aller Innovation wird die Vergangenheit nicht vergessen: “Blinder Passagier” basiert auf Zeilen, die noch von Tamara Danz stammen. So schließt sich der Kreis. Wer die Silly der Vergangenheit mochte, der wird auch an der Reinkarnation der Band seine Freude haben. Anna Loos ist die perfekte Frontfrau, der geniale Ersatz – und bewahrt sich dennoch ihre Eigenständigkeit. Damit dürften auch einige neue Fans auf die DDR-Legende aufmerksam werden.

SILLY 1.Pressefoto 2013 farbe (Fotocredit Jonny Soares)_1500