Man sollte meinen, dass man in den letzten 1,5 Jahren alles gesehen und erlebt hat. Egal, ob dir jetzt Nudel-Hamsterkäufe, die unzähligen Demonstrationen oder – aus musikalischer Sicht – das Comeback von Seemannsliedern, in Form der Sea Shanty Bewegung, in den Sinn kommt.
Nein, nun veröffentlichen auch noch The Offspring nach neun (!) Jahren mit „Let The Bad Times Roll“ einen neuen Longplayer. Die Frage darf gestellt werden: Braucht man so ein Album, samt Titel überhaupt noch? Hat der Punk ausgedient? Ja und nein heißt hier die Antwort. Dieses Album kommt genau zur richtigen Zeit und zeigt, dass Punkrock noch nicht am Ende ist. Dabei berufen sich Dexter Holland & Co. auf alte Stärken, lassen sich aber auch das ein oder andere Experiment in der zweiten Albumhälfte einfallen.
Wuchtig geht es los mit „This Is Not Utopia“, die Momentaufnahme Amerikas, die unerwartet politisch für die Band aus Kalifornien ausfällt. Rock Against Bush? Anscheinend ist diese Zeit bei der Band wieder neu entflammt. Der nachfolgende Titeltrack versetzt den Hörenden zurück ins Jahr 1997, als „Ixnay on The Hombre“ im CD Player auf und ab lief. Cover und Booklet der neuen Platte zeigen erstaunlich viele Parallelen zum nun bereits 9. Album der Band. „Behind Your Walls“, „Army of One“, „Breaking These Bones“ könnten mit ihren schnellen, zum Pogo anregenden Riffs allesamt aus der “Splinter”-Zeit stammen: Auch wenn Letzterer flott und antreibend ist, so haben die Lyrics einen ernsten Hintergrund, der einige Todesfälle von Dexter Hollands privatem Umfeld verarbeitet.
„Coming for You“ kommt mit seinem Mid-Tempo und mitschwingendem Basslauf fast noch als ruhig daher, bietet mit seinem Mitgröhl-Chorus allerdings ein erstes richtiges Highlight: Break down, take down Now it’s on Sold out, blow out Don’t get caught Well, no! Hell, no! What you gonna do? When they keep coming for you
Der Song wurde bereits im Jahre 2015 veröffentlicht, samt Musikvideo, in dem sich eine Horde von Clowns ordentlich auf die Zwölf gibt – äußerst brutal und sehenswert.
„We Never Have Sex Anymore”, eines der oben erwähnten Experimente, kommt mit einer gehörigen Portion Selbstironie samt Löwenzahn-Intro daher. Die Bläser und der Break-up Text sind ein schöner Kontrast zum Rest des Albums und werden bestimmt genauso konträr von ihrer Fanbase aufgenommen. Lieb es oder hass es – der Band wird es egal sein.
Die Romantik darf bei „Let The Bad Times Roll“ natürlich auch nicht fehlen. Und damit ist vielmehr die Epoche gemeint: So hat man sich kurzerhand entschlossen, Edvard Griegs „In the Hall Of A Mountain King“ zu covern und als Album-Interlude zu verwenden. Das Ganze ist zwar nicht so entspannend wie die gute alte „Intermission“ aber ebenfalls eine willkommene Abwechslung. Der zweite Coversong ist eine Piano-Version ihres Klassikers „Gone Away“, der ebenfalls auf „Ixnay on the Hombre“ vertreten ist. Die Song-Version wurde bereits vor rund zehn Jahren erstmalig live gespielt und wird bei der nächsten anstehenden Tour mit Sicherheit für einen besonderen Gänsehautmoment sorgen.
Mit „Let The Bad Times Roll” erfinden The Offspring natürlich nichts Neues. Wozu auch? Die Band verbindet Nostalgie und aktuelle Themen mit E-Gitarre, Schlagzeug, Bläsern und Piano. Auch wenn das Album textlich eher zum Nachdenken anregt, der Spaß wird vor allem durch die Musik übertragen. Das Motto? Macht das Beste aus der Situation und immer schön lächeln!
Das SWR 3 New Pop Festival geht in seine 20. Auflage und wir hatten die Möglichkeit mit SWR3-Musikchef Gregor Friedel über die Geschichte des Festivals in Baden-Baden und über das diesjährige Line-up zu reden.
Wie hat sich der SWR bzw. das SWR Festival eigentlich in dieser Region angesiedelt?
Gregor: Na ja, nach dem Zweiten Weltkrieg hatte sich diese Ecke als Hauptquartier des SWR angeboten, so kamen schon einmal die Rundfunkanstalten hier her. 1994 kam die Idee ein Festival hier in Baden-Baden zu organisieren – was jedoch anfangs gar nicht mal so gut ankam.
Bei wem genau? Den Anwohnern?
Gregor: In erster Linie bei der Stadt. Peter Stockinger, der damalige Initiator des Festivals, konnte sich dann am Ende doch durchsetzen, auch wenn es einige Zeit und Nerven gekostet hatte.
Was für Bands haben dort zu Beginn gespielt?
Gregor: Wir hatten zu Beginn einige russische Bands herübergeholt, welche alle in einer Venue spielten. Es ist schon erstaunlich, was für eine Entwicklung das Festvial über die Jahre genommen hat. In diesem Jahr füllen unsere Künstler drei Venues.
Zum Thema Künstler: Wie stellt ihr euer Line-up eigentlich zusammen? Was muss ein Künstler mitbringen, damit ihr ihn oder sie für das Festival berücksichtigen würdet? Mit Sam Fender habt ihr ja zum Beispiel einen der wichtigsten britischen Nachwuchskünstler der letzten Jahre verpflichten können.
Gregor: Also, im Jahr haben wir gut 40-50 Bands und Solokünstler im Auge, die für uns infrage kommen würden. Dabei setzen wir auf Nachwuchskünstler, jedoch nicht ausschließlich. Sam Fender, wie auch Demot Kennedy, waren da einfach große Glücksgriffe. Ich war bei einem Jeremy Loops Konzert in London und habe dort den Agenten der beiden getroffen. So konnten wir den Kontakt aufbauen und ihn letztlich verpflichten.
Wie lange hatte das Gespräch ungefähr gedauert, bis du ihn davon überzeugen konntest, dass beide dort spielen sollten?
Gregor: Da musste ich nicht sonderlich viel machen: Ich war besonders erfreut davon zu hören, dass der Agent der beiden zu mir meinte, dass sowohl das New Pop Festival, als auch das Reeperbahn-Festival in Hamburg ganz große Namen bei den Briten geworden sind. Das ist ungefähr so angesehen wie das Great Escape Festival in Brighton, falls dir das etwas sagt.
Natürlich! Die ganze Stadt wird ja quasi für ein Wochenende von Musikern eingenommen.
Gregor: Genau! Wir haben das Glück, dass wir in einer Art Sonderrolle, aufgrund unseres guten Rufs sind. Insgesamt verkauften wir in diesem Jahr 18.000 Tickets für das gesamte Festival bei einer Nachfrage von ca. 45.000 Online-Registrierungen. Das ist die zweithöchste Nachfrage nach 2017 gewesen.
Woher kommen die Leute? Sind die meisten aus dem Umland oder ist das Publikum eher weiter verteilt?
Gregor: Viele sind natürlich SWR3 Hörer, die aber nicht zwingend immer die Künstler kennen, welche wir ihnen präsentieren. Wir haben uns im Laufe der Jahre eine Zuhörerschaft aufgebaut, welche uns so weit vertraut, dass wir Qualität anbieten, als über Namen oder Packages zu gehen. So etwas freut uns natürlich.
Gab es auch einzelne Künstler, wo es nicht so gut geklappt hat?
Gregor: Sagen wir so, manche Musiker funktionieren in verschiedenen Umgebungen einfach anders. Letztes Jahr hatten wir mit der britischen Sängerin Mabel eine Künstlerlin, welche ein unglaubliches Talent besitzt. Ich habe mir ihr Konzert in London angeguckt und war komplett umgehauen. Das Publikum war der absolute Wahnsinn, was auch ein Grund war, warum ich sie unbedingt buchen. Als wir sie dann bei uns hatten, war die Atmosphäre eine andere, da die Leute sie noch nicht so kannten. Das Konzert war insgesamt gut, aber ich habe noch einmal gemerkt, wie wichtig das Zusammenspiel von Künstler und Crowd für ein einzigartiges Konzert ist.
Vielen Dank für das Interview, Gregor!
Ein besonderer Dank geht an dieser Stelle ebenfalls an Markus Laux heraus, der uns dieses Interview ermöglicht hat.
Das SWR New Pop Festival 2019 ist keine zwei Wochen mehr entfernt und bereits restlos ausverkauft. Bei uns habt ihr allerdings noch die Chance Tickets für die Konzerte von den britischen Shootingstars Dermot Kennedy (2×2 Tickets) und Sam Fender (1×2 Tickets) zu gewinnen.
Unsere Gewinnspielfrage lautet: Seit wann findet das Festival unter dem Namen SWR New Pop Festival statt?
Schreibt dazu einfach eine E-Mail mit dem Betreff “Gewinnspiel” an mbrueser@musicheadquarter.de, inklusive der richtigen Antwort, eurer Adresse + Telefonnummer sowie eurem Konzertwunsch (Sam Fender oder Dermot Kennedy)!
Alle Gewinner werden am Freitag, den 6.9.2019, telefonisch benachrichtigt.
Der Rechtsweg ist bei unseren Gewinnspielen ausgeschlossen.
Margate ist eine verschlafene Kleinstadt an der Ostküste Großbritanniens. Das Durchschnittsalter der Einwohner dürfte weit über 40 Jahren liegen und abgesehen von einzelnen Pubs hat die neue Heimat von Pete Doherty nicht wirklich viel zu bieten. Und doch hat die Dorfmetropole ihm sichtlich gutgetan. Glich er bei seinem Auftritt in der Live Music Hall vor zwei Jahren als eine Parodie seiner selbst, überzeugt der Gitarrist der Libertines heute mit anderthalb Stunden spontaner und hochwertiger Unterhaltung. Vielleicht nicht ganz so chaotisch wie früher, dafür aber technisch um Längen besser.
Die Kantine, eine gemütliche 500-Mann Location mitten in einem Industriegebiet in Köln, ist heute Konzertstätte für Doherty und seine Band, die Puta Madres. Es ist das erste Mal, dass Doherty mit einer europäischen Konstellation auf Tour ist. Große klangliche Unterschiede sind bei Last of the English Roses oder bei Hell To Pay at the Gates of Heaven aber nicht wirklich festzustellen. Die Band wirkt gut eingespielt und Doherty aufgeräumter denn je: Lediglich einmal wirft er sein Mikrofon auf den Bühnenboden, sein Gesicht bleibt davon zum Glück verschont. Mal. Dafür unterhält der 40-Jährige mit kurzfristig angeräumten Akustikeinlagen und Mundharmonika-Solos. Gelassen blickt er immer wieder auf die gut 450 Besucher, die zwei Jahrzehnte Doherty aus vollen Kehlen mitsingen. Da tut es ihm auch nichts ab, dass seine Freundin Nathalie, die Keyboarderin der Band, eine Regenbogen-Flagge mit der Aufschrift “Lesbians love Nathalie” geschenkt bekommt. Versuchen kann man’s ja mal.
So plätschern gut 20 Songs dahin, welche lediglich von dem Gedränge der Leute gestört werden, die sich entweder Bier nachfüllen wollen oder wegen zu viel Bier nicht mehr stehen können und Richtung Ausgang einfach Menschen umrennen. Insgesamt ist das aber jammern auf sehr hohem Niveau. Die 90 Minuten, welche Doherty auf der Bühne steht, sind zum Schwelgen, Singen und Trinken da. Paradise Is Under Your Nose bildet als einer der Abschlusssongs das absolute Highlight diesem Best-of aus Babyshambles, Libertines und Dohertys Solomusik.
Einer der Top-YouTube Kommentare unter einem von Dohertys Songs war: Er sieht aus wie ein Teenager und ein Frührentner zugleich. Dieser zugegeben pauschale Beitrag über seinen ist-Zustand enthält auch ein Stück Wahrheit. Die grauen Haare, der Attitüde bleibt weiter kindlich – also genau das, was Doherty immer ausgemacht hat. Bleibt zu hoffen, dass es auch für die nächsten 40 Jahre so bleibt.
Eine Welle an herausragenden Bands und Musikern schwappt momentan von Australien über den europäischen Musikmarkt. Neu hinzu kommt das nächste Meisterwerk von PLGRMS aus Sydney, die mit ihrer Single “Daylight” Lob aus allen Musikecken für ihren erfrischen Sound erhalten: “Daylight beschreibt ein Gefühl, ein Zu-sich-selbst-kommen, ein Menschwerden” erklärt Sänger PLGRMS Jacob Pearson. “Es geht darum, die Person zu sein, die du sein musst, um dich aus der Dunkelheit zu befreien.”
Reingehört:
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Dave Hause, ehemaliger Sänger der Punkband „The Loved Ones“, hat alle musikalischen Herausforderungen stets angenommen und mit musikalischer Meisterhaftigkeit bestanden – von Band Break-ups bis hin zu Schwierigkeiten bei seiner Solo-Karriere. Jedoch Vater von Zwillingen zu sein, war laut ihm seine größte Aufgabe. Grinsend kratzt er sich am Kopf, als er erzählt, wie er hier in Großbritannien den Anruf erhielt, dass seine Familie doppelten Zuwachs bekommt.
Das Londoner Scala Theater, nahe dem King’s Cross Bahnhof, ist an diesem Abend sehr gut gefüllt. Gut 600 Leute passen in dieses altehrwürdige Theater, das ein wunderbar alt-rustikales Ambiente für den heutigen Abend bietet. Um 20:30 Uhr kommen ohne weitere Ankündigungen Hause und seine Gefolgsleute auf die Bühne und läuten das Konzert mit The Ditch ein. Ein wunderschönes Intro könnte man meinen, wäre da nicht Daves immer wieder abrupt abbrechender Gitarrensound. Nach gut einer Minute wendet sich Hause zögernd von der Menge ab, um sich seinem Amp, Marke Orange, zuzuwenden.
„If we were in Germany right now, I’d have at least three tech guys around me to fix this problem!“ Zu blöd, dass im Vereinigten Königreich darauf verzichtet wird. So dauert es einige Minuten, bis Hause seine Gitarre wieder zum Laufen bringt.
Seine neue, alte Band „The Mermaid“ steht der musikalischen Untermalung unglaublich gut zu Gesicht. Seit „Bury Me in Philly“ begleitet ihn die Gitarre, Bass, Keyboard und Schlagzeug auf seinen Tourneen durch die USA sowie Europa und geben seinen Shows das gewisse Etwas. Gerade bei schnellem Up-Tempo Nummern wie Autism Vaccsim Blues kann Daves Bruder Tim sein Gitarren-Skills auspacken und mit einem wunderschönen Solo glänzen.
Dem ehemaligen Frontmann von „The Loved Ones“ kann an diesem Abend nichts die Laune verderben: Immer wieder bedankt sich Hause artig bei den Londonern und beteuert mehrmals seine Liebe zu der Stadt. Cmon Kid und With You runden das Main-Set nach gut einer Stunde ab, bevor es zum Verschnaufen kurz von der Bühne geht.
Der musikalische Höhepunkt bietet We Could Be Kings, welcher aus mehreren hundert Kehlen und Fäusten untermalt wird. Der Song, der die guten, alten Hätte-Wäre-Wenn-Momente aufarbeitet, hat immer wieder etwas Magisches an sich. Nach 80 Minuten Dauergrinsen beendet ein sichtlich ermüdeter Hause das Konzert und bedankt sich noch einmal artig bei seinen Fans. Viel besser kann man einen Freitagabend in London nicht einläuten.
Canadian music is on the rise! One of these aspiring bands is Quebec’s finest Synthie Pop duo Fjord who are about to start their first tour across Germany. MHQ-editor Marc Brüser had the great opportunity to talk to Louis-Étienne Santais shortly before their kick off show in Mainz.
I know that this a hard opening question, but how would you describe Fjord in your own words?
Fjord is the product of a long time friendship and musical collaboration between Thomas and I. We wanted to create music that conveyed an idea of ethereal landscapes, open skies, and that somehow had deep connections to our personal experiences as well. That’s pretty much what Fjord, as a band and as a name, means for us.
Which Fjord song would you recommend to a person that has never heard of you before?
I think that “Lay Down Your Veil” is a good synthesis of the music we’ve released so far.
How important is the German music market for Canadian bands in general?
As a whole, we think the German music market should be one to prioritize not only for Canadian bands but for bands from every corner of the world (as long their musical style is somewhat popular in Germany!). We think it’s a very culturally strong scene and the fact that the audience is still willing to buy music and physical CDs is fascinating.
Your tour across Germany is about to start. Do you have any stories that pop up when you think about touring in Germany?
It’s our first time touring outside of Canada, so stories have yet to be made! But, as we are a bunch of goofs that have been friends forever, I’m sure we’ll have plenty to say at the end of this tour!
I saw that you have uploaded a cover of “Hey Hey, My My” by Neil Young on your YouTube account two years ago. Who are your biggest influences when you think about the 1970s and 1980s Rock Music?
Neil Young# is undoubtedly amongst those! But, to this day we still are influenced by Pink Floyd, Eric Clapton, Paul McCartney& Wings, Fleetwood Mac, some classic Led Zeppelin, Allan Parson, and many more!
What do you think about the Canadian music scene in general with aspiring bands such as Arkells and The Glorious Sons for example?
In general, we think that the Canadian music scene’s pretty much flourishing. While Canada has had a stellar rise to the forefront of the mainstream scene (with the likes of Drake, The Weeknd, Justin Bieber, etc.), we personally are a lot more enthusiastic about the indie/electronic scene. Arkells and The Glorious Sons are both really interesting and very solid projects that could really go far. So are folks like Jacques Greene, Charlotte Day Wilson, Ryan Hemsworth, Harrison Brome, Milk & Bone, etc. There are so many good bands!
FJORD Tour Dates 2019
Mainz – Fr 05/03 – Schon Schön *
Hannover – Sa 05/04 – Cafe Glocksee *
Stuttgart – So 05/05 – Keller Klub *
Munich – Mo 05/06 – Milla *
Vienna – Di 05/07 – Das Werk *
Berlin – Wed 05/08 – Cassiopeia *
Hamburg – Thu 05/09 – Hafenklang *
Dresden – Sun 05/12 – Beatpol *
* w/ Maps & Atlases
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Hamburger, Liedermacher, Kind der 80er – DEVE hat viele Gesichter. Tourte der Musiker damals noch mit Bandanhang durch die Clubs in Deutschland, hat er sich nun quasi selbständig. Mit „Du.Alles“ bringt DEVE nun seine erste EP heraus. Die kann sich durchaus hören lassen. Im Interview erzählt er MHQ-Redakteur Marc Brüser, wie es zur Entstehungsgeschichte kam und warum er dankbar für Artikel 13 ist.
Du machst ja schon seit einigen Jahren Musik. Wie kam es zur Idee deines neuesten Projekts? Und wie war der Entstehungsprozess zu deiner EP
DEVE: Ich mach den musikalischen Teil zusammen mit meinem Produzenten aus Wiesbaden, Niklas Kleber, nun seit anderthalb Jahren. Das war halt alles sehr sessionbasiert. Für mich ist diese Kollaboration eine Art Neustart, davor war ich viele Jahre als Singer/Songwriter aktiv.
Wie lange hast du das gemacht?
DEVE: Seit 2005. Das ging mit Anfang 20 los in verschiedensten Projekten: Mal solo, mal mit Band. Aber so richtig umsatzstark war das nie, deshalb konnte man das nie so richtig weiterführen, wie man es gerne gehabt hätte. Daher habe ich dann 2015 für mich entschieden einen Neustart zu machen. Der ist dann schließlich in diesem Projekt gemündet.
Ich habe bereits deine Single „Jedesmal“ gehört, wo wirklich unzählige Anspieler an das Jahrzehnt versteckt waren. Allen voran das Cover mit dem DeLorean vorne drauf.
DEVE: Nicht nur vorne drauf. Im Musikvideo auch mitten drin.
Welchen Einfluss hatten die 80er auf dich?
DEVE: Insgesamt war es einfach ein sehr prägendes Jahrzehnt, schließlich bin ich auch Anfang der 80er geboren. Hinsichtlich der Künstler könnte ich Michael Jackson oder Prince jetzt nennen. Dazu sind wahnsinnig viele Genres entstanden. Natürlich war auch viel Schrott mit dabei, aber die Innovation war wirklich durchweg präsent, gerade auch in der deutschen Musik. Den Sound hörst du auf jeden Fall auf der EP heraus.
Ist für die EP bereits eine Tour geplant?
DEVE: Eine Tour haben wir noch nicht geplant. Wir wollen die Reaktionen erst einmal abwarten und danach kann man immer noch weiter schauen.
Welchen Song würdest du denn einer Person empfehlen, die dich noch nie gehört hat?
DEVE: Puh,..schwierige Frage. Es kommt wohl sehr auf die Person an. Dir würde ich zum Beispiel „Wenn es regnet“ empfehlen. Der Sound ist halt klassischer Elektro Pop, obwohl ich es selbst nicht so gerne hab in Schubladen zu denken. Der Sound ist stark geprägt von Niklas, aber die Texte kommen von mir. Es ist eine Symbiose von uns beiden.
Du bist ursprünglich aus Hamburg. Hat dich die Stadt bei der Produktion der vier Songs auch mit beeinflusst?
DEVE: Es ist richtig, dass ich aus dem Großraum Altona komme und die Stadt mch schon sehr geprägt hat. Bei der Produktion von der EP muss ich aber sagen hatte Hamburg eher eine sekundäre Rolle. Ich war dafür ja schließlich bei Niklas in Hessen. Wenn ich aber über das allgemeine Künstlerdasein spreche, ist Hamburg selbstverständlich eine der wichtigsten Musikstädte in Deutschland. Hier hast du einige größere, aber auch viele kleinere Möglichkeiten zu spielen. Einen meiner ersten Gigs hatte ich zum Beispiel im Knust, sehr empfehlenswerter Laden. Mein größtes Konzert war auf dem Heiligen Geist Feld auf St. Pauli, wo ich auf einer Demo mit meiner Band gespielt. Das war mega. Da standen locker 10.000 Leute vor unserer Bühne. Aber das DEVE Projekt ist nicht so durch Hamburg geprägt. Chima, den du auf dem Song „Wir können alles sein“ hörst ist Frankfurter, auch ich habe hessische Wurzeln. Branchentechnisch ist es hier natürlich interessant für Künstler, obwohl Berlin da noch etwas größer ist.
Wie habt ihr denn die Vermarktung vorangetrieben? Seid ihr gesignt bei einem Label?
DEVE: Klar, das Label nennt sich „das Kombinat“ und ist ansässig in Hamburg. Ich bin immer noch davon überzeugt, dass es gut ist ein Label im Rücken zu haben. Heutzutage ist es ja auch nicht unwichtig deine Produktionskosten im Hinterkopf zu behalten. Zum Beispiel ob man wirklich 2000 CDs produzieren will oder über Vinyl überhaupt nachdenken sollte?
Wenn du jetzt zum Beispiel Influencer siehst, die teilweise eine Pizza backen und dadurch mehr Aufrufe bekommen als manches Musikvideo. Meinst du, dass man dann umdenken müsste?
DEVE: Hinsichtlich der Plattformen habe ich mir bereits alles eingerichtet, inklusive Instagram Seite. Obwohl ich da immer etwas hin und hergerissen. Man will eigentlich nur seine Musik teilen und trotzdem sich gleichzeitig auch präsentieren. Da trenne ich Privates von Beruflichem/Musikalischem. Das Absurde ist, dass ich das immer mehr das Gefühl bekomme, dass die Leute eher wissen wollen, wie’s bei dir zuhause aussieht. Nicht umsonst sind Klatschseiten voll mit privaten Urlaubsbildern. Ich bin der Meinung, dass das bei der Musik vollkommen egal ist. Aber klar, wenn du ein Influencer bist, kannst du die Leute auch mit an die Kasse mitnehmen. Bernhard Hoecker hat das einmal hervorragend bei „Zimmer frei“ begründet, warum er zum Beispiel bei Social Media sehr bewusst nur sich zeigt. Er will einfach seine Familie außen vorhalten, da sie nicht in der Öffentlichkeit stehen und dementsprechend auch nicht in Szene gesetzt werden sollen.
Der Umgang mit sozialen Medien unterscheidet sich natürlich sehr stark auch noch einmal im jeweiligen Land. Deutsche sind was den Datenschutz generell angeht sehr vorsichtig habe ich das Gefühl. Wie stehst du eigentlich persönlich zu Artikel 13?
DEVE: Ich bin persönlich sehr dankbar für die Entscheidung und sehe Uploadfilter hierbei weniger problematisch. Das Urheberrecht eines Künstlers muss geschützt werden. Wenn man die ganze Sache genauer betrachtet, geht es vielmehr darum, dass große Konzerne wie Google und Facebook mit der Musik von anderen einen riesen Umsatz machen und nichts davon abgeben. Meiner Meinung nach waren die Demos reine Panikmache. Die Leute haben da tatsächlich für große Konzerne demonstriert. Dabei sollen diese Unternehmen auch eine Verantwortung übernehmen und Künstler entsprechend entschädigen. Die momentane Situation ist auf jeden Fall verbesserungswürdig.
Vielen Dank für das Interview!
DEVEs nächster Gig findet am 14.04.2019 Mojo Jazzcafé, Hamburg.
Ein großer Dank geht auch an Jascha Farhangi, der das Interview ermöglicht hat!
Alec Benjamin nennt sich selbst schlicht einen „Erzähler“. Inspiriert von Eminem, Paul Simon und Citizen Cope, erschuf der in Phoenix geborene und heute in Los Angeles lebende Musiker einen cineastischen Lo-Fi-Sound, der ihm aus dem Stand eine große Aufmerksamkeit bescherte – und im Alter von 18 Jahren bereits einen Plattenvertrag. Darauf ruhte sich Alec aber nicht aus: Er performte „Parkplatzshows“ außerhalb von Shawn Mendes- und Troye Sivan-Konzerten und verteilte unermüdlich Visitenkarten, um seinen Zuhörern ein greifbares Andenken mit auf den Weg zu geben und seine Marke von Grund auf bekannt zu machen. Wohl wissend, dass einige der Zuhörer im Anschluss online nach ihm suchen würden, machte es Alec zu seiner Mission, kontinuierlich alle zwei Wochen einen neuen Song in seinem YouTube-Kanal hochzuladen und so einen Katalog aufzubauen, den seine Fans anhören konnten. Über den Verlauf von sechs Monaten spielte er mehr als 165 Shows und brachte es mit seiner Beharrlichkeit und einer beherzten D.I.Y.-Attitüde auf 150.000 YouTube-Abonnenten. So einzigartig sie klingen mag, steht Alecs Erzählung doch erst ganz am Anfang. Davon sollte man sich im Februar live überzeugen lassen.
Der alte Pick-up wirbelt den Staub der Landstraße auf, als er an diesem Sommertag die Piste herunterdonnert. Auf der offenen Ladefläche sitzt eine Hand voll Wegelagerer auf ihrem Weg zur nächsten Kaschemme für sie für einen Fünfziger die ganze Nacht Musik machen werden. Eine Akustikgitarre setzt ein, die Stimme erzählt über das Leben, die Liebe, Heimat und die Vergangenheit. Musik, die vielleicht von Johnny Cash, Woodie Guthrie oder Bob Dylan sein könnte. Oder eben von den Scarlet Scallywags, der deutschen Antwort zu allen US-Roadtrip-Songs und tabakkauenden Hobby-Ranchern.
Die Scarlet Scallywags, das sind Patrick Hagedorn, Bianca Freitag, Benedict Dahm und Lea Frölunda. „Malochermucke“ nennen sie die handgemachte und ehrliche Musik, die sie auf ihrer Debüt EP „Dust & Duty“ zelebrieren. Die fünf Songs, alles Klassiker aus dem Folk und Country, versetzen einen vielleicht nicht direkt nach Nashville, Tennesse, aber auch sicherlich nicht in den Musikantenstadl. Sänger und Banjospieler Benedict überzeugt mit seiner leicht angekratzten Stimme, als er bei Wagon Wheel über die ewige Reise nach seiner Liebsten singt. Patrick Hagedorn, zweiter Sänger und überzeugender Mundharmonikaspieler, kommt mit Working Men noch kratziger davon. Vor allem der Männerchor in der Mitte weiß zu überzeugen. Man wundert sich ob es bei Bandproben nicht nur Whiskey, sondern auch Straßenteer aus dem Kanister zu trinken gibt. Das absolute Highlight ist jedoch das Simon & Garfunkel Cover The Boxer, der mit wunderschönen „Lie la lie“ Gegröle bestechen kann und direkt Lust auf einen rauchigen Single Malt macht.
Alles in allem ist „Dust & Duty“ genau das, was es verspricht. Arbeiter- und Roadtripmusik mit einem Touch Klischee behaftet, der aber nur bei genauem hinhören auffällt. In diesem Sinne: Nicht lang schnacken, Kopf innen Nacken.
“Ich mache das nicht nur für mich. Ich bin die Stimme einer verdammt wütenden Jugend, versteht ihr?“ Yungblud, aka Dominic Harrison, hört sich an diesem Donnerstagabend wie ein Prophet an, der die frohe Botschaft der Revolte wieder nach UK bringt. Heute hören 700 Jünger zu, die dem 21-jährigen frenetisch zujubeln. Kurzzeitig wird man zurückgesetzt in eine Zeit, an der Rock ‘n‘ Roll noch bessere Zeiten erlebt hatte. Irgendwie kommt es einem manchmal so vor, als ob der britische Rock es verpasst hätte, seine rebellischen Werte ins 21. Jahrhundert zu transportieren: Der Indiewelle sei Dank, tanzen doch die Kids von heute eher zu Synthie-Pop, anstatt zu Gitarren Riffs und trinken irgendwas mit Spritz anstatt rot-weiß gestreifte Dosen in den Straßen Londons.
Yungblud, der sich einen Scheiß über die Neureichen und Schönen der Stadt schert und immer wieder betont wo wer herkommt, versetzt die Jugend zumindest teilweise in eine Zeit zurück, in der Smartphones, generell Telefone, auf Konzerten nichts verloren hatten. Sobald der 21-jährige aus Dorncaster die Bühne betritt, schnellen zwar immer noch mehr Bildschirme als Hände in die Höhe, aber zumindest knallen Ellenbogen aneinander und 17-jährige Halbstarke öffnen und schließen Pits, wie in den Zeiten der Sex Pistols und The Clash. Songs wie I Love You, Will You MarryMe und California sind genau die richtige Medizin anscheinend nach einem anstrengenden Schultag. Mit erhobenen Zeigefinger wird gegen Brexit, Teresa Mey und das System im Allgemeinen gewettert und mit Polygraph Eyes das Partyleben in der UK kritisch hinterfragt. Dazu gibt es Rumgeknutsche mit den Bandkollegen und Tanzeinlagen, die man sonst nur im Ballett sieht. Yungblud ist Schauspieler, Entertainer und ein verdammter Prophet in einem. Eine selbstkreierte Comicfigur aus einem Horrorbuch, die er verinnerlicht hat. Da ist es auch nicht verwunderlich, dass das einzige Cover des Abends Rape Me von Nirvana ist.
Nach gut 70 Minuten geht das Licht wieder an und die Show ist vorbei. Mehr als genug für die 700 Fans in der Halle, der Schweiß steht vor allem den vorderen Reihen im Gesicht. Dieser Abschluss wird in letzter Zeit häufig bei Berichten verwendet, aber verdammt noch mal: Das ist das letzte Mal, dass man diesen Künstler in solch einer kleinen Halle sehen wird. Und jeder einzelne Besucher, egal ob verstörtes Schulkind oder besorgtes Elternteil („Where the fuck am I?“, ertönt von einem britischen Mittfünfziger gleich zu Anfang) – sollte froh darüber sein, dass solche Musik mehr Menschen finden wird
Am Mittwochabend füllt Ed Sheeran’s Konzert die Trabrennbahn restlos. Das Konzert ist schon seit Monaten ausverkauft und auch die derzeit herrschenden 35 Grad halten die 80.000 Menschen nicht davon ab ihn knappe zwei Stunden Live zu bejubeln. Während Jamie Lawson und Anne-Marie einen ausgelassene Einstig liefern, geht die Sonne langsam unter und unter ohrenbetäubendem Jubel betritt der rothaarige Brite die Bühne.
Das Publikum ist wie zu erwarten hauptsächlich weiblich, aber auch der ein oder andere Mann ist darunter – Ed Sheeran teilt sie liebevoll in die „Boyfriends“ und Hero-Daddys“, welche ihre Töchter begleiten, ein. Insbesondere sein authentisches Auftreten während des Konzerts zeichnet den Londoner aus. Es ist eine wahre One-Man-Show, in der man zwischendurch den Eindruck hat eine ganze Band begleitet ihn, so gekonnt spielt er alle sein Gesänge, Gitarren und Beats auf seinem Loop-Pedal selbst ein.
Auf eine große Bühnenshow verzichtet der 27-Jährige größtenteils: keine Pyrotechnik dafür große LED Bildschirme, die auch aus den letzen Reihen einen guten Blick ermöglichen. Viel wichtiger ist ihm allerdings der persönliche Kontakt zum Publikum: Das erklärte Ziel ist, alle sollen singen und tanzen und das möglichst laut und enthusiastisch und sich nicht darum kümmern was andere denken könnten. Jeder wird mit einbezogen und das gelingt ihm von Anfang an.
Musikalisch zieht Ed Sheeran alle Register – von den bekannten Radio Hits wie „Perfect“, „I See Fire“ und „Photograph“ bis hin zu den unbekannteren und älteren Songs wie „The A Team“ und „Bloodstream“. Ein besonderes Highlight waren seine beiden Zugaben „Shape Of You“ und „You Need me, I Don’t Need You“, für die er sich extra umzieht und im FC St. Pauli Trikot wieder auftaucht. Einer der vielen Hinweise, wie sehr er es genießt in Deutschland und insbesondere Hamburg aufzutreten. So betont er mehrmals, wie besonders die deutschen Fans sind. Musik Fans sind hier wirklich Musikfans, die kommen um die Gigs zu hören. Das zeigt sich vor allem während seiner Ansage: Es ist es mucksmäuschenstill still, wenn Sheeran das Wort ergreift und jeder hört zu. Das ermutige ihn hier Songs zu spielen, die er sonst nicht auf Konzerten spielen würde. Was für ein Lob an die deutschen Fans! Schließlich verabschiedet er sich mit einem lauten „Dankeschön, Hamburg!“. Zurück lässt er eine Menge die kurz wie paralysiert wirkt nach einem so mitreißenden Konzert.
Wenn Punkrock-Musiker verzerrte Gitarren gegen einen Akustik-Sound austauschen, hat das immer etwas Interessantes an sich. Das heißt nicht, dass die daraus entstandenen Werke sonderlich technisch versiert sein müssen oder ob gar ein Song wie, sagen wir, Tony Sly’s Version von „Fiona“ bei jedem Künstler funktionieren muss. Unumstritten ist jedoch, dass Rise Against Frontmann Tim McIllrath ein Händchen dafür hat, Liedern neues Leben einzuhauchen, wie er es bei dem sehr persönlichen Song des leider verstorbenen „No Fun At All“ – Sängers gemacht hat.
„The Ghost Note Symphonies“ heißt das erste veröffentlichte Akustikalbum von Rise Against in 17 Jahren Bandgeschichte and counting. Deshalb verwundert es umso mehr, dass es ‚nur‘ zehn Songs auf das Album geschafft haben. Noch interessanter ist die Wahl Descendents Drummers Bill Stevenson als Produzenten, der in so einem Bereich noch nie gearbeitet hat. Hinzu kommt, dass nicht gerade typische Rise Against Songs zur Neuinterpretation ausgesucht wurden: Kein „Prayer of the Refugee“, kein „Ready To Fall“, kein „Give It All“. Dafür Klassiker wie „Like The Angel“, „Voices Off Camera“ oder „The Violence” von ihrem letzten Album „Wolves“. Allein das „Vol. 1“ weist darauf hin, dass weitere Songs höchstwahrscheinlich folgen werden. Und das sollten sie.
Die anfängliche Skepsis schwingt um in pure Begeisterung: Auch wenn einzelne Songs wie „The Violence“ oder „Audience of One“ ein wenig minimalistisch gehalten wurden, kommen die Lyrics und die Stimme umso deutlicher hervor. Neben der Akustikgitarre begleiten meistens Streicher die Refrains und Bridges der einzelnen Songs, besonders gut in Szene gesetzt bei „Savior“. Der Laut McIllrath bekannteste Song der Band sticht so heraus, dass „Wait For Me“ und „Miracle“ ein wenig untergehen. Den Höhepunkt bildet „Far From Perfect“, der definitiv in die Setlist der kommenden Konzerte ihrer „Mourning In America“ – Tour aufgenommen werden sollte. Kopfkino macht sich breit, wenn tausende Stimmen folgende Zeilen brüllen.
„We are far from perfect
But perfect as we are
We are bruised, we are broken
But we are goddamn works of art
Works of art“
„The Ghost Symphonies“ ist die perfekte Symbiose zwischen Politik und Emotionen, verpackt in Geige, Gitarre und der eindringlichen Stimme von McIllrath, der in einer erzkatholischen Schule geformt und geschustert wurde und so seine Passion zum Punkrock entdeckte. Und anscheinend auch zur Akustikgitarre.
Spätestens seit dem Durchbruch der Krefelder Callejon ist der deutsche Metal- und Hardcore – als Überbegriff – im Populären angekommen. Seitdem finden sich immer mehr Formationen von Köln bis nach Berlin, von Hamburg bis zum Bodensee um zusammen und Hardcore zu einer Renaissance zu verhelfen.
So auch die Siegener Combo WHITERIVER. Das Quintett, das unter der Flagge von Redfield Digital läuft, steht mit Album Nummer zwei, „The Warmth“ in den Startlöchern. Konnte schon das Debüt „A Beautiful Place To Hide“ durchaus überzeugen, hat die Band nach dem Sängertausch einen wesentlich glatteren und ‚weinerlichen‘ Sound (gut zu hören beim damaligen „Set and Setting“), der damals den Unterschied zwischen einem ordentlichen und guten Debütalbum machte.
Nein, der Wechsel am Mikrofon hat sich ausgezahlt für Whiteriver: Die erste Single Fall klingt zum Beispiel so, als ob Metalheads mit einer Peitsche hinter dir im Pit stehen und dich anfeuern weiter Fäuste auszuteilen. Der ruhige Mittelpart bietet dazu einen schönen Kontrast, ehe zu Hiversogar eher Feuerzeuge als Fäuste in die Luft gehen könnten. Dass die lauteren Parts der Band besser stehen hört man allen voran bei Wasted, die mit Tempowechseln und peitschenden Strophen erste Circle Pits an frühen Nachmittagen des With Full Force oder Reload Festival auslösen könnte. Sänger Anatoly Kalyuk hängt dabei ein wenig zwischen den Welten und kann sich nur nicht ganz entscheiden, ob er nun shouten oder in den Gesang übergehen will, was dem Ganzen jedoch keinen deutlichen Abbruch tut. Auf dem einminütigen Titeltrack von Warmth, folgt der musikalische Höhepunkt des Albums: Die nahezu prophetische Anklage an die Gesellschaft im Pre-Chorus von On Par, gefolgt von runterbrechenden Gitarrenwänden, geben einem das Bedürfnis mit der bloßen Faust Mauern einzureißen.
So zieht sich das zweite Album von Whiteriver über insgesamt zwölf Songs und klingt dabei sowohl sound- als auch stimmtechnisch ausgereifter und runder als der Erstling. Bleibt nur zu hoffen, dass das lokale und regionale Konzertveranstalter auch so sehen und dem Fünfer eine Chance geben.
Der Nachholtermin steht fest: Das neue Datum für das zweite Berlin-Konzert der Toten Hosen im Rahmen ihrer „Laune der Natour 2018“ findet am 29.8.2018 statt. Sänger Campino hatte vor dem eigentlichen Konzert einen Hörsturz erlitten, sodass die Show kurzfristig abgesagt werden musste.
Rise Against haben sich mit ihrem mittlerweile siebten Album „Wolves“ mehr auf ihre Ursprünge in der Melodic Hardcoreszene bezogen. Die Chicagoer denken nicht daran auf die Bremse zu treten. Monotonie? Fehlanzeige. Dafür sorgen abwechslungsreiche Konzerte mit unterschiedlichen Setlisten und genügend Pausen, welche man mit der Familie oder Freunden verbringt. MHQ-Redakteur Marc Brüser hatte die Möglichkeit mit Bassist Joe Principe kurz vor ihrem Auftritt bei “Rock am Ring 2018” ein Interview zu führen.
Erst einmal danke, dass du dir so kurz vor deinem Konzert noch die Zeit genommen hast mit uns zu quatschen. Wie geht’s soweit?
Joe: Sehr gut, danke! Noch machen alle Knochen mit, wir sind ja erst am Anfang unserer Tour und haben bisher erst den Gig bei „Rock im Park“ hinter uns. Wir spielen unter anderem noch in Budapest, Prag und auf dem Hellfest in Frankreich.
Gibt es großartige Unterschiede zwischen den Fans, wenn es um den Ländervergleich geht?
Joe: Nicht wirklich. Alle Fans von uns sind, was den Charakter angeht, ziemlich ähnlich gestrickt: Offene und tolerante Menschen, die sich für die Probleme der Welt interessieren. Gleichzeitig haben sie auch ähnliche Vorlieben, was die Alben angeht. Für viele sind The Sufferer & The Witness und Appeal To Reason, die Alben, welche Rise Against ausmachen.
Das sieht man ja auch in eurer Setlist, dort finden sich immer wieder Songs beider Alben wieder, die keine Singles sind.
Joe: Stimmt. Survive ist einer dieser Songs, von denen wir uns live nicht trennen wollen. Für mich persönlich sind es aber auch Chamber The Cartridge und Collapse. Die Lieder bringen immer einen unglaublichen Spaß beim Spielen mit.
Ich hätte jetzt persönlich gedacht, du würdest noch Like The Angel sagen wegen dem markanten Bass-Intro.
Joe: Wir spielen den Song sogar heute.
Um zurück auf die Festivals zu kommen: Man kann also schon sagen, dass die Stimmung überall gleich gut ist und es wenig Unterschiede gibt.
Joe: Die meisten ähneln sich schon sehr. Ein paar Unterschiede gibt es natürlich im Hinblick auf die Landschaft. Das Greenfield Festival in der Schweiz ist mir da sehr gut in Erinnerung geblieben. Du blickst von der Bühne auf diese wunderschönen Berge, das ist einfach der Wahnsinn. Aber wir haben natürlich eine Menge Spaß auf den ganzen Festivals, vor wenn wir auf befreundete Bands treffen.
Ich tippe mal, dass ihr schon Bad Religion „Hallo“ gesagt haben, die bereits heute auf der Bühne gestanden haben.
Joe: Genau. Da sind einfach so viele Freundschaften über die Jahre entstanden, die ich niemals eintauschen wollen würde.
Ich habe euch das letzte Mal vor einem Jahr im SO36 in Berlin gesehen. Das war eine der intensivsten Shows von euch, die ich bisher zu Gesicht bekommen habe.
Joe: Das ging nicht nur dir so. Wir waren nach drei Songs alle klatschnass.
Wenn du zurückblickst an die Zeit, wo ihr durchgehend in diesen Venues gespielt habt, kommen bei dir da bestimmte Erinnerungen hoch? Vielleicht sogar noch aus der Zeit, wo euch niemand außerhalb von Chicago kannte?
Joe: Also erst einmal muss ich sagen, dass ich es immer geliebt habe in diesen Clubs zu spielen. Rise Against kommen ja schließlich aus der Hardcore Szene und es waren schon damals immer sehr intensive Shows. Du hattest das Publikum keine zehn Zentimeter entfernt von dir. Ich habe diese ganze Energie jedes Mal aufgesaugt und sie beim Spielen wieder herausgelassen. Wir versuchen diese Nähe bei Festivals ebenfalls aufleben zu lassen, aber es ist halt schwer diese Energie auf 60.000 Leute zu übertragen. Das ging damals in Chicago natürlich ein wenig leichter.
Welche Bands waren eure Vorbilder in Chicago bzw. hatten die größten Einflüsse auf euch?
Joe: Mir fallen spontan zwei: Pegboy und Naked Raygun. Vor allem Letztere hatten einen enormen Einfluss auf mich und auf die anderen. Ich könnte dir keine Band nennen, die ansatzweise wie sie klingen. Sie spielen sogar immer noch, der Sänger hat Parkinson was das Ganze etwas schwieriger für sie gestaltet. Nichtsdestotrotz, live sind sie immer noch sehr gut. Pennywise, Bad Religion und NoFX könnte ich dir jetzt noch als Einflüsse nennen, die außerhalb von Chicago sind und uns auch zu dem gemacht haben, die wir heute sind.
Mit den Jahren kann es bestimmt hart sein, die Motivation aufrecht zu erhalten. Wie verhält es sich wenn ihr mal nicht auf Tour seid?
Joe: Ich halte mich vor allem zu Hause fit, spiele fast täglich in meinem Keller Gitarre. Klar, kann es sein, dass der Tourstress dich ein wenig übermannt. Aber sobald du einige Wochen zu Hause warst, juckt es jedem von uns in den Fingern und wir bekommen alle das Verlangen wieder zu spielen.
Ein großer Dank geht auch an Jördis Lüdke von Universal, die uns dieses Interview ermöglicht hat!
“D’ANGEROUS: das ist laute, ausschweifende Gitarrenmusik – gefährlich genug um mit einem Minimum an Klischees und Reminiszenzen an die Dinosaurier der letzten Dekaden auszukommen.” – so wurde uns Berlins neuer Geheimtipp in Sachen Rock ‘n’ Roll angepriesen. Grund genug für uns ein Interview mit Sänger Carl O’Sullivan und Bassist Jens Freudenberg anzufragen!
I know that this is an awful opening question, but how would you describe D’Angerous in your own words?
Carl: D’Angerous are four killer musicians that are looking to confirm that guitar music is well and truly alive! Huge bass, solid beats and kick arse melodies!!
I had a first listen to your upcoming first single “Rule The World” that has been released on June 1st. The song reminded me of 80’s Glam Rock bands like Skid Row and Mötley Crüe. Do you think that Hair Metal is about to have a revival in 2018?
Carl: Not really. “Rule the world” came about in a haze at the practice space. Freude/Ollie wrote the song, i sprinkled it with love and then recorded a demo to show the boys. The high pitch “glam vocal” was definitely what the song needed to give it a pop. Now it’s ready for everyone’s heads and ears to shake!!! What song would you recommend to a person that has never heard you before?
Freude: RULE THE WORLD! That’s why it’s the first release and our massive hello to the world. You were formed in Berlin, but you’re singer has got his roots in New Zealand. Are there certain differences between shows in Germany and New Zealand?
Carl: Not to many differences come to mind. One massive thing is that being from NZ we didn’t have international acts coming through very often. If anything I would say the NZ audiences are more animated than their german counterparts basically because when a band is crazy enough to go down to NZ and play the Fans wanted to show them it was worth it! What was the most important reason for your singer to move to Europe and why did it have to be Berlin?
Carl: I moved here with a band from New Zealand. I certainly needed to get out of New Zealand and there were a number of options on the table whether it be New York, London, Tokyo or Berlin. Although there were positives and negatives to all these places I got out voted and came here. Best decision that was made for me ever. Are there any bands or certain people that helped you along during your career (e.g. taking you with them on tour)?
Freude: Sure, especially our manager Lars and our producer Chriz! These guys believed in us when nobody in Berlin would touch a rock band with a bargepole. And for a wonder they still do! Hopefully there will be a lot to follow, bands that take us on tour around this planet! Which one of you can handle the most amount of booze during and after a show?
Carl: That’s a competition that may have to be had at some point. Let’s see if a winner can be found. I certainly have my favorites and I don’t think I’m top of the list.
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Ein Rock am Ring ohne Unterbrechungen? Lange Zeit dachten sich wohl viele Festivalfans, dass das nicht mehr möglich wäre. Die letzten Jahre haben gezeigt, dass unvorhersehbare Ereignisse wie ein Tippfehler oder ein spontaner Wetterumschwung ganze Festivaltage lahm legen können. Die Zeichen standen vor allem am Donnerstagabend nicht gut für den Nürburgring und seine Besucher: Ein Gewitter verwandelte die idyllische Eifel in einen einzigen Matschhaufen und überschwemmte Zelte in allen Arealen. Doch das Wetter meinte es gnädig mit Westdeutschlands größtem Rockfestival in diesem Jahr. Der
startet zwar mit einigen Schauern, doch spätestens bei Jimmy Eat World sind sämtliche Kleidungsstücke nicht mehr nass und die Menge kann die Band aus Arizona trocken und mit jeder Menge Spielfreude erleben. Highlight ist und bleibt natürlich das Mädchen aus “The Middle”, welches keiner bemerkt. Freudestrahlende Gesichter, soweit das Auge reicht. Milky Chance stehen dem in nichts nach. Das Duo aus Kassel, welches sich sogar mittlerweile einen Namen in den USA gemacht hat, spielen ihre Hits wie “Stolen Dance” und “Down By The River” gekonnt runter, allerdings ohne sonderliche Überraschungen.
Die bietet allerdings Casper nach einer kurzen Pause auf dem Campingplatz. Der Rock am Ring Dauergast haut dem Publikum seine Singles um die Ohren, als würde er sich in einem Boxkampf befinden. Zwar sind Feuersalven bei “Jambalaya” ein bisschen zu viel Show, aber sein Bad in der Menge bei “Blut Sehen” und “Mittelfinger hoch” können sich verdammt noch mal sehen lassen. Trotz seiner bekannten Live-Qualitäten ist der Bielefelder der absolute Gewinner des Abends, denn 30 Seconds To Mars bleiben dem Redakteur ein Dorn im Auge. Natürlich brandet nach jedem Song Höflichkeitsapplaus auf und die imposante Lichtshow trägt ebenfalls zu einem headliner-würdigen Auftritt bei. Die Popstar-Attitüde von Leto zeigt sich jedoch gerade bei “Closer To The Edge”, als alle Fahnenträger, die durch das Konzert hindurch in der Menge zu sehen sind, plötzlich verschwinden und binnen Sekunden auf der Bühne stehen. Die Rockband hat tatsächlich im Vorfeld Fahnen verteilt um….ja was eigentlich genau? Ein imposanteres Szenenbild abzugeben? Zu tun, als ob die Hardcore-Fans von sich aus “We Love You” auf die Flagge schreiben? Klar ist das hier Jammern auf hohem Niveau, aber generell sollte das Ziel eines jeden Musikers sein, das Publikum mit seiner Musik zu überzeugen und nicht einen Deal mit Ringrockern abzuschließen, damit man für ein paar Minuten auf der Volcano Stage stehen darf. Auf der anderen Seite ist da Katie, ein Fan aus Russland, die extra für Leto & Co. zum Ring gereist ist und nach den ersten Songs Rotz und Wasser vor Glück heult. Kurzerhand holt Leto das Mädchen auf die Bühne, um ihr den Song “Dangerous Night” zu widmen. Eine schöne Geste, die genau so in den Gedanken bleibt, wie hundert Fahnenträger auf der Bühne.
empfängt die ersten Ringrocker mit strahlendem Sonnenschein und jeder Menge Gebrüll von Bury Tomorrow. Die Band aus Southampton lässt erste kleinere Moshpits an diesem Nachmittag entstehen. Kurz im Pit regnet es von allen Seiten Fäuste. Willkommen im Land der Blutergüsse und blauen Flecken! Anders sieht es
Marcus Wiebusch am Samstag mit “Deiche”
da bei Kettcar und Snow Patrol aus, die dem Publikum Entspannungspausen gönnen, in der man einfach die Sonne auf sich scheinen lassen kann und den Ring-Vibe ohne irgendwelche Unterbrechungen aufnehmen kann.
Die beiden Hauptbühnen könnten an diesem Tag nicht unterschiedlicher sein. Bieten Bullet For My Valentine nach etlichen Jahren der Langeweile wieder eine energiegeladene Show, spielen Muse als Samstagsheadliner einen Hit nach dem nächsten. So entsteht ein Mitsing-Abend, was selbst die beste Karaokebar der Eifel nicht hinbekommen würde. Untermalt werden die 90 Minuten Sing-a-longs durch eine Lichtshow, die den gestrigen Headliner in den Schatten stellt.
Die Nacht bricht an und der Großteil der Leute hat den Heimweg angetreten. Alle? Nein, eine hart gesottene Schar von Metalheads versammelt sich um dem König zu huldigen. Avenged Sevenfolds Pyroshow ist alleine ein Grund um so lange wach zu bleiben. “Afterlife” versinkt in Feuerwalzen, Minipogopits öffnen und schließen sich und halb volle Bierbecher werden als Mörser in die Luft geschossen und landen 20 Meter entfernt. Wer den Ring immer noch als unauthentisch empfindet, hätte hier die Chance gehabt, seine Meinung zu ändern. Das Highlight bietet “A Little Piece of Heaven”, das acht Minuten lang Schmerzen und Sprechchöre auslöst. Das Video auf den Leinwänden zeigt eine Liebesromanze, die in Mord, Totschlag und wildem Sex endet. Vielleicht ist das einer der Gründe warum die Band aus Kalifornien so spät dran ist, denn diese Show war definitiv nichts für zarte Seelen. Noch Stunden nach den letzten Klängen von A7X (gefolgt von Feuerwerk und einer Salve von Explosionen), ist die Feiermeute auf A5 immer noch wach. Zu blöd, dass die Vögel ab 4 Uhr den Tag anbrechen lassen und sich viele wieder in ihre Zelte verziehen. Es hätte noch stundenlang weitergehen können.
geht es an der Crater Stage ausgelassen mit den Beats von Alma in den letzten Festivaltag. Das Duo aus Schweden ist vielleicht kein typischer Ring-Act, sorgt aber für ausgelassene Stimmung. Musiktechnisch sieht es da anders bei Seasick Steve aus. Der 76-jährige Musiker aus Oakland, Kalifornien bringt den Südstaaten/Hillbillie Flair zu Rock am Ring. Nach jedem Song zeigt er stolz seine selbstgebauten Gitarren aus alten Motoren und Pappmaschee den gut 1.000 Leuten vor der Bühne. Die wohl beste Neuentdeckung des Festivals. Zu fortgeschrittener Stunde steigen Rauchwolken vor der Crater Stage auf. Ist es ein Feuer? Nein, es sind nur die unzähligen Lunten auf und vor der Bühne, die zu den Klängen von “Fledermausland”, “New Kids On The Blech” und “Koks auf Hawaii” angemacht werden. Trailerpark sind wieder beim Ring, zumindest zu 75%. Denn Basti aka DnP wird diesen Auftritt aufgrund einer “Lapalie” verpassen, die ihn in Gewahrsam gebracht hat. Ziemlich schade, denn der Auftritt der restlichen Mitglieder lässt keine Wünsche offen: Striptease, Textaussetzer und ein sichtlich irritierter Timmy Hendrix, der einen schwarzen Afghanen nach dem nächsten vor sich her qualmt und orientierungslos die Bühne auf und ab stolpert. Es gleicht an ein Wunder, dass er überhaupt noch stehen kann. Qualitativ besser wird es zur zweiten Hälfte von Rise Against auf der Volcano Stage. Es war ein Segen von Rock
Rise Against Gitarrist Zach Blair in Hochform!
am Ring, die Band aus Chicago im Eifler Sonnenuntergang spielen zu lassen. “People Live Here” und “Hero of War” vor einem riesigen, roten Feuerball zu hören, löst automatisch ein Gefühl innerer Ruhe vor dem Weltuntergang aus. Die Erde geht zu Grunde, es ist zwei Minuten vor zwölf und die Uhr tickt.
Das kann Marek Lieberberg alles vollkommen egal sein. Der mittlerweile 72-jährige freut sich wie ein kleines Kind, dass es doch noch ein Rock am Ring geben kann, das nicht von irgendwelchen höheren Mächten gelenkt wurde. Artig bedankt er sich bei den zahlreichen Fans, bevor es zum Headliner des letzten Tages geht.
Bei den Foo Fighters ist es dann weniger die Message, die Richtung Armageddon geht. Das wird Dave Grohls heiserer Stimme überlassen, die bei jedem Song wie ein röhrender Motor klingt, der nicht anspringen will. Den Music Mastermind interessiert das natürlich nicht die Bohne und so brüllt und quält sich Dave Grohl durch “All My Life”, “Times Like These” und “The Pretender”, bevor er gnädigerweise von Drummer Taylor Hawkins für einige Songs abgelöst wird. Hawkins, sichtlich erfreut darüber, die Schlagzeugstöcke gegen das Mikrofon einzutauschen, performt das Queen Cover “Under Pressure”, als ob er die Rolle des Freddie Mercury verinnerlicht hätte. Egal ob man die Foo Fighters schon etliche Male oder zum ersten Mal heute sieht. Man bekommt eine besondere Show geboten: Das Publikum muss bei “Best of You” die hohen Töne für den sichtlich erschöpften Frontmann mitsingen: “Ich habe noch nie ein Publikum richtig gebeten einen Song zu singen, weil ich es nicht kann.” Daher wird das Set auch um einige Songs gekürzt und “Everlong” wird etwas früher als erwartet gespielt, was das Festival für Muischeadquarter zum Abschluss bringt.
FAZIT
Obwohl einige Bands vielleicht insgesamt ein wenig hinter den Erwartungen geblieben sind, überwiegen klar die positiven Aspekte. Die gute Organisation, inklusive eines Kaiserwetters über 2,5 Tage konnte das Ring-Feeling endlich wieder in die Eifel zurückbringen. Hier noch eine kurze Zusammenfassung der Tops und Flops:
Bester Live-Act: Casper – Es ist schon eine besondere Ironie, dass der Bielefelder eine Sonderauflage T-Shirts von einem Twitter Post über ihn exklusiv für das
Gewinner des Festivals: Caspers Auftritt am Freitagabend auf der Volcano Stage
Festival hat drucken lassen. Darin beleidigt ein User ihn als den Untergang für Rock am Ring. “Rap am Ring” hin oder her, diese Diskussionen hat man seit über zehn Jahren und ist keiner Beachtung mehr würdig. Der Co-Headliner vom Freitag hat für mehr Moshpits gesorgt, als manche Metalband an diesem Wochenende: Hinzu kommt eine energiegeladene Show, die Doubletime hat jedes Mal gesessen und dazu nach der Ausflug in den zweiten Wellenbrecher. Daumen hoch dafür!
Festival-Enttäuschung: 30 Seconds To Mars – Vielleicht ist Enttäuschung hierbei das falsche Wort und viele Fans werden an dieser Stelle vehement widersprechen. Aber die Show glich einer Beweihräucherung von Jared Leto. Wer im Vorfeld Fahnen an – zugegebenermaßen – Fans verteilt, wo zu lesen ist, wie sehr man die Kapelle abfeiert, hat nicht wirklich etwas mit Rock ‘n’ Roll am Hut, sondern will lediglich ein schönes Bild für die sozialen Medien haben.
Größte-Überraschung: Seasick Steve – Mit 76 Jahren es aus Amerika zu schaffen die deutschen Festivalbühnen schon am Nachmittag zu füllen. Das will was heißen. Zudem fällt der Sound des Blues-Musikers aus der Reihe und bietet den Leuten etwas Neues, was länger in den Gehörgängen bleiben wird. Für solche Acts lohnt es sich ein wenig früher das Zelt zu verlassen.
Musikhighlight des Festivals: Tim McIllrath bei untergehenden Sonne über die Probleme der Welt zuzuhören, bis er die ersten Töne von “People Live Here” spielt.
Isaac Gracie hat sich mit seinem Debütalbum und Ohrwürmern wie „Last Words“ und „Terrified“ in die Gehörgänge der Indierock und -pop Fans gespielt. Sein erstes Album erhielt rundum gute Kritiken und seine Shows in England, Schottland und Irland waren mehr als gut besucht. Nun ist der 23-jährige Musiker zum ersten Mal in Deutschland unterwegs. MHQ-Redakteur Marc Brüser hatte die Möglichkeit mit ihm vor seinem Auftritt in Berlin zu sprechen.
Isaac, vielen Dank, dass du dir die Zeit genommen hast für dieses Interview. Du bist ja momentan ziemlich gut unterwegs. Kaum hast du deine Tour in Großbritannien beendet, musstest du in den Flieger nach Deutschland.
Isaac: Kein Problem, es ist ja noch ein wenig hin bis zur Show. Da kann ich so die Zeit gut überbrücken.
Du bist gerade in Berlin, spielst deine erste Headliner Show in der Stadt. Wie waren die bisherigen Gigs in Köln und München bis jetzt?
Isaac: Was mir als erstes aufgefallen ist, ist die Warmherzigkeit der Menschen hier. Ich wurde wirklich nett empfangen. Man hat auch gemerkt, dass die Leute alle mein Album gehört haben, so wie sie mitgesungen haben.
Gibt es besondere Unterschiede zwischen deutschen und britischen Fans?
Isaac: Nicht wirklich. Beide Fans sind bei den Shows bis jetzt gut mitgegangen.
Als gebürtiger Londoner hat dich bestimmt die Stadt und ihre vielen Musikszenen in deinen Songs beeinflusst. Kannst du mir dazu irgendetwas genaueres sagen?
Isaac: Also die Stadt hat mich in Dingen wie Songwriting gar nicht beeinflusst, muss ich sagen. Da ich in Ealing lebe, was im äußersten Westen liegt, war ich auch nicht wirklich in den „Szenevierteln“ unterwegs. Meine Songs haben andere Einflüsse.
Aber du hattest schon deinen ersten Auftritt in London oder?
Isaac: Doch. Der war in Shoreditch.
Wie hieß die Location?
Isaac: Zigfrid van Underbelly. Um ehrlich zu sein, der Auftritt war nicht sonderlich gut von mir. Ein paar Freunde und meine Familie waren da. Aber ich glaube am Ende war es noch ganz lustig, auch wenn ich mich nicht mehr wirklich dran erinnern kann. Ich war ziemlich betrunken. Der Erfolg kam aber nicht durch die Konzerte. Mich kannte ja keiner. Das war auch bei den Konzerten danach so.
Wenn die Stadt und die dortige Szene keinen sonderlichen Einfluss auf dich hatten und du auch nicht mit deinen Konzerten sehr erfolgreich warst, wie wurdest du dann entdeckt?
Isaac: Das war alles zufällig. Ich habe einen Song von mir auf SoundCloud hochgeladen und die Leute mochten ihn anscheinend. Ansonsten wäre ich ja nicht hier.
Welcher Song war das?
Isaac: „Last Words”. Der Song wurde halt hochgeladen und irgendwann kam wer auf mich zu. Das wars eigentlich.
Was deine Songs betrifft habe ich immer das Gefühl, dass du in einer Schwebe zwischen Glückseligkeit und verschiedenen Grautönen bist: Auf der einen Seite sind deine Songs eher leicht verpackt, viel Akustisches ist mit dabei. Auf der anderen Seite handeln deine Texte von Depression, Angstzuständen und vergangenen Beziehungen. Wie viel davon ist aus persönlicher Erfahrung entnommen und wie viel ist Fiktion bzw. einfaches Storytelling?
Isaac: Also ich muss sagen, dass es immer eine Art Mischung ist. Du schreibst schließlich als Musiker über deine persönlichen Erfahrungen und gerade, wenn es um Beziehungsenden geht, sind das nicht immer die schönsten Erinnerungen. Man muss sich dazu das Album als Ganzes anhören um eine wirkliche Vorstellung von mir zu bekommen.
Also würdest du keinen Song herausheben?
Isaac: Hm,…vielleicht „Silhouettes“. Oder „Last Words“. Oder nein, warte….ich kann mich echt nicht entscheiden. Aber ich bin einfach froh, dass meine Musik so einen Weg eingeschlagen hat. Und ich kann nur hoffen, dass es genau so weitergehen wird.
Vielen Dank fürs Interview!
Ein besonderer Dank geht auch an Jördis Lübke von Universal, die uns dieses Interview ermöglicht hat.
Der Londoner Singer/Songwriter Isaac Gracie hat seit dem Release des gleichnamigen Debütalbums eine kontinuierliche Entwicklung nicht nur in seinem Heimatland, sondern auch in Deutschland hingelegt. Sang der 23-jährige in seiner Teenagerzeit noch in einem Knabenchor und auf den kleinsten Open Mic Bühnen Großbritanniens, steht ihm heute Abend das altehrwürdige Hackney Empire für seine Musik zur Verfügung. Das Theater im Norden Londons besticht nicht nur durch seine mittelalterliche Fassade mit Wandgemälden und Kronleuchtern, sondern auch durch eine Empore inklusive Samtsitzen von denen man einen hervorragenden Blick auf den Innenraum und die Bühne hat.
Das Hallenlicht verdunkelt sich. 900 Menschen strecken die Bierbecher und Hände in die Höhe und singen rhythmisch zu den ersten Klängen von All in Mind. Begleitet wird Isaac Gracie dabei lediglich von Bass und Schlagzeug. Doch die sind eigentlich komplett überflüssig: Isaac hätte genug Bühnenpräsenz, um eine ganze Arena zu unterhalten. Das liegt nicht zuletzt an seinem Outfit in Form von roter Schlaghose und Hawaiihemd. Abgesehen davon ist seine musikalische Qualität nicht abzustreiten. Jeder Ton sitzt wie ein Brett, was besonders deutlich bei der ruhigeren Nummer Terrified auffällt. Mit voller Band kann er es jedoch auch krachen lassen: The Death of You and I lässt den Boden Hackneys vibrieren und Füße schweben. Stroboskoplicht untermalt die Rock ‘n’ Roll Attitüde, die Gracie immer wieder durchblicken lässt. Und dennoch hat die Stimmung eine Leichtigkeit, die auf den letzten Konzertbesuchen nicht immer gegeben war. Die Zuschaer lassen sich von den Klängen über das Leben, die Trauer und das Glück über 80 Minuten und durch 15 Songs lang treiben und versinken in Tagträumen zu Revverie, bis sich der Musiker mit Running On Empty verabschiedet.
Typisch britisch bedankt sich Gracie artig abwechselnd beim Publikum sowie bei seinen Musikern und betont mehrmals wie wunderbar dieses britische Tourfinale ist. Er hatte weniger Skrupel, seinen Freunden das Kleingeld für seine Gigs aus der Tasche zu ziehen, als völlig Fremden einen Zwanziger abzuknöpfen.
Die Zugabe Last Words wird lautstark mitgesungen und von vielen Handys aufgenommen, was leider der Stimmung ein wenig schadet. Interessant ist es zu beobachten, wie die Security auf den Sitzrängen akribisch darauf achtet, dass keine Fotos gemacht werden. Immerhin geht das Publikum im Innenraum voll mit und singt die letzten Momente des Konzert alleine.
Isaac Gracie ist in diesem Monat in mehreren Städten in Deutschland zu sehen. Und eines ist sicher: So günstig wird man den Londoner Newcomer nicht mehr zu Gesicht bekommen. Denn bei seiner nächsten Tour werden es nicht mehr Clubs, sondern Konzerthallen wie das Hackney Empire sein, welche er mit seiner Musik unterhalten wird.