Ansagen, lang wie ein ganzes Konzert – Brian Fallon in Dortmund
Ach, wie besinnlich die Adventszeit doch sein kann: Weihnachtsmärkte, ein warmer Glühwein, dazu noch Musik über Liebe, verflossene Bekanntschaften und das Leben mit all seinen Tricks und Tücken. So oder so ähnlich hätte man sich den Abend im Dortmunder FZW mit Brian Fallon, dem (ehemaligen?) Frontmann von The Gaslight Anthem gewünscht. Und anfangs sah es ganz danach aus. Nachdem sich Dead Swords, der zweite von drei (!) Supportacts gerade warm spielt, erreicht man das Innenleben des gut gefüllten FZWs…um direkt wieder hinauszugehen. “Wer das mag, frisst auch kleine Kinder.”, meint ein bierbäuchiger Menschen hinten links. Gut, vielleicht sollte man es nicht ganz übertreiben, aber was der bärtige Mann alleine mit einer völlig übersteuerten E-Gitarre und einem viel zu leisen Klagegesang abliefert, ist wenig überzeugend.
Anders sieht es da bei Chris Farren aus, der gut und gerne Paradiesvogel des Abends genannt werden darf, dank seines Hawaii Hemds und seiner fast schon Rocky Horror Picture Show artigen Kopie eines Sets. Sein Sound aus Funk, Rock und Punkrock, wohlgemerkt alles auf der Bühne dank Synthies selbst eingespielt, erzielt leider nicht den gewünschten Effekt einer tobenden Menge. Dem Mann aus Naples, Florida ist das egal und übertönt die Stille nach den Songs einfach mit eingespielten Ovationen. “Thank you! Another great set by Chris Farren.”, ertönt es zum letzten Mal vom sichtlich dehydrierten Flummi, dann wird es Zeit für den Hauptact des Abends…
der sich geschlagene 30 Minuten Zeit lässt, ehe das Set durch die ersten Töne von Painkillers eröffnet wird. Anders als auf Platte schlägt der Song wesentlich lauter mit einer unglaublich glatten Bassline ein, der sich sofort in den Gehörtgängen festsetzt. Es wird über das Leben, den Tod, die Sehnsucht nach Altem und Neuen gesungen. Die vorderen Reihen scheinen dennoch mit der Setlist nicht ganz zufrieden zu sein, sodass man direkt bei der ersten Ansage nach zwei Liedern dazwischenplärrt und sich erste Songs wünscht. Die Kuschelstimmung ist vorbei. Fallon lässt Leute aus Frankreich, Belgien und Italien böse auflaufen, indem er ihnen völlig desinteressiert Redezeit gibt, nur um sie anschließend wieder abzuwürgen. Das soll an der Stelle keine Kritik sein, da die Ironie immer mitschwenkt. Dennoch ist besinnlich anders. “I’m just kidding, boy. Here you can have my pick.” So einfach kann es sein, wieder Frieden zu schließen. Die Setlist besteht hauptsächlich aus Fallons Debütalbum “Painkillers.” Doch es verirren sich einige ältere Songs in den Ruhrpott, so auch unter anderem Sugar oder das großartige Black Betty and the Moon. Neben den Songs sind auch Brian Fallons Ansagen mindestens ein genau so großes Highlight am heutigen Abend. So als er stolz erzählt, dass Bruce Springsteens erste Wahl als Ersatz wäre, falls seine Stimme auf Tour versagt. Das Glitzern in seinen Augen kann man über Reihen hinweg sehen.
Die Minuten verstreichen und das Set neigt sich langsam dem Ende entgegen. Da es bekanntlich keine Zugabe auf den Konzerten vom Mann aus New Jersey gibt, sollte eigentlich nach A Wonderful Life Schluss sein. Doch dann ertönt ein letztes Mal wüstes Gitarrengezimmer aus den Boxen. Fallon, breitbeinig in Rockstar Pose, schreit dem Publikum “There’s colours in the street / red, white and blue” entegen. Die älteren Semester singen auf Anhieb mit, die Jugend guckt sich verwirrt an, der Reporter denkt sich nur: Geil, Rockin in the Free World! Eine schöne Überraschung zum Schluss und ein netter Ausstand aus guten 85 Minuten Herzensbrecher-Musik und wunderbar gemeinen Anekdoten und Ansagen.