Von „Tunnel“ bis „Troy“ – Die Fantastischen Vier auf dem Bonner Kunstrasen

Anfang der Neunziger Jahre spielten Die Fantastischen Vier noch als Vorgruppe von Run-D.M.C. in der legendären Bonner Biskuithalle. Die liebevoll „Keksdose“ genannte Halle ist seit 1998 Geschichte und auch Run-D.M.C. haben sich inzwischen aufgelöst. Die Fantastischen Vier gibt es immer noch. Unglaublich wenn man bedenkt, dass sie in nach wie vor unveränderter Besetzung erstmals zusammen am 7. Juli 1989 auf einer selbstgezimmerten Bühne aus Europaletten in einem ehemaligen Kindergarten in Stuttgart-Wangen aufgetreten sind. Im nächsten Jahr feiern Thomas D, Michi Beck, And. Ypsilon und Smudo also schon ihren 30. Geburtstag. Gerade haben sie ihr zehntes Studioalbum „Captain Fantastic“ veröffentlicht, das mehr gesellschaftskritische Texte enthält als alle seine Vorgänger und sich gegen den weltweit zunehmenden Populismus richtet. Die Fantas sind längst mehr als nur die Spass-Hip-Hopper aus Stuttgart. Das beweist nicht zuletzt die Tatsache, dass all diejenigen, die in Bonn den Vorzug eines Gästelistenplatzes erhalten haben, um eine 5 Euro-Spende für den Verein „Laut gegen Nazis“ gebeten werden. Wir zahlen mehr als erfreut.

Mit uns sind 9.500 Fans auf den Kunstrasen am Rande der Rheinaue gepilgert. Das Konzert ist seit Monaten ausverkauft und somit das erfolgreichste seit dem Start der Open Air-Reihe im Jahr 2011. Ausgerechnet heute legt der Vorzeigesommer eine kurze Verschnaufpause ein und lässt es vor Konzertbeginn ein wenig regnen. Der guten Stimmung tut das keinen Abbruch. Dafür sorgt auch DJ Thomilla, der 45 Minuten lang Hits der letzten drei Jahrzehnte gekonnt zu einer Endlosschleife zusammen mixt. Pünktlich um 20 Uhr fällt dann der Vorhang und Die Fantastischen Vier starten mit „Tunnel“ in ihr Set. Unterstützt werden sie von einer fünfköpfigen Begleitband, in der Schlagzeuger Flo Dauner seine Felle diesmal unter erschwerten Bedingungen bearbeitet. Laut Michi Beck trommelt er gegen 39 Grad Fieber an. Zwei große Leinwände rechts und links der Bühne sorgen für gute Sicht bis in die hinterste Reihe. Die Lightshow entfaltet erst im letzten Drittel des Konzertes ihre volle Wirkung, als über Bonn langsam die Sonne untergeht. Der Sound ist klar und ausgewogen, leider wie immer auf dem Kunstrasen wegen möglicher Anwohnerbeschwerden vergleichsweise leise.

Wer auch immer die Beschwerdeführer sein mögen, sie kommen in den kostenlosen Genuss einer Best Of-Fanta 4-Setlist. Neben Stücken des neuen Albums wie „Hitisn“ oder „Endzeitstimmung“ liegt deren Gewicht vor allem auf den älteren Songs. Zu Gunsten von Klassikern wie „Sie ist weg“, „MfG“ oder „Was geht“ und angesichts des frühen Curfews um 22 Uhr (da sind sie wieder die schlafbedürftigen Anwohner) verzichten Die Fantastischen Vier sogar auf den eigentlich geplanten aktuellen Titelsong „Captain Fantastic“. Aber auch so gibt es genug zu tanzen und am Ende ist jedes Studioalbum mit mindestens einem Stück vertreten, wobei die WM-Single „Zusammen“ (mit Clueso per Videobegleitung) natürlich nicht fehlen darf. Der einzige besinnliche Moment des Abends, soweit das bei Fanta 4 überhaupt möglich ist, besteht aus „Tag am Meer“. Ansonsten stehen die Protagonisten auch mal abwechselnd im Rampenlicht. Michi Beck als Gitarrist bei „Ichisichisichisich“, Smudo als unbeholfener Tanzbär zu „Smudo in Zukunft“ oder Thomas D als „Krieger“ solo und zum Entzücken der weiblichen Fans mit nacktem Oberkörper. Während „Pipis und Popos“ hat Smudo dann wieder die Lacher auf seiner Seite, als er einen tiefen Zug Helium nimmt und wie Micky Maus auf Speed klingt. Das vorläufige Ende der Party markiert schließlich „Populär“ und beim obligatorischen Bandfoto holt Thomas D die kleine Smilla auf die Bühne, die sich im Kreis der Musiker sichtlich wohl fühlt und stolz zu ihren Eltern in die erste Reihe zurückgereicht wird.

Der Zugabenblock hält dann noch zwei weitere Meilensteine bereit. Zunächst „Die da?!“ und als krönenden Schlussakkord „Troy“, den Michi Beck zu einer emotionalen Dankesrede an die Fans nutzt. Die antworten mit langanhaltendem Jubel und „Vier“-Sprechchören. Fast erwartet man zum Abschluss noch ein Feuerwerk über dem Kunstrasen. Das eigentliche Feuerwerk aber haben Die Fantastischen Vier abgebrannt und einmal mehr bewiesen, dass sie auch nach (fast) dreißig Jahren noch eine Institution in der deutschen Hip Hop-Landschaft darstellen. Dass man dabei Spass durchaus auch mit Niveau verbinden kann, davon sollten sich solche Genre-Proleten wie Kollegah oder Farid Bang eine dicke Scheibe abschneiden.

Setlist:

  • Tunnel
  • Heute
  • Danke
  • Yeah Yeah Yeah
  • Name drauf
  • Der Picknicker
  • Was geht
  • 25
  • Ichisichisichisich
  • Einfach sein
  • Smudo in Zukunft
  • Typisch ich
  • Endzeitstimmung
  • Pipis und Popos
  • Mehr nehmen
  • Tag am Meer
  • Krieger
  • Zusammen
  • Sie ist weg
  • MfG
  • Ernten was wir säen
  • Populär
    ———————
  • Hitisn
  • Die da?!
  • Troy