Jolina Carl – vorwärts auf dem Weg zu sich selbst
Countrymusik aus Deutschland gehört nicht gerade zu den Chartbreakern. Da ist es schon besser, sich einen amerikanisch anmutenden Namen zu geben. Jolina Carl heißt bürgerlich Marion Huppert und stammt aus Neuss. „Forward Back Home“ ist bereits das vierte Studioalbum der Künstlerin.
Wenn man sich anhören möchte, wie stilvolle Countrymusik funktioniert, muss man sich nur Jolinas Version von „Hallelujah“ (Leonard Cohen) anhören. Mit Harmonika und Steel Guitar bekommt dieser Song eine ganz andere Richtung und bleibt sich doch treu. Extravagant und wunderschön.
Der Album-Titel „Forward Back Home“ mag im ersten Moment etwas verwirren – vorwärts und gleichzeitig zurück? Aber er bedeutet eben genau das. Jolina Carl macht mit diesen zwölf neuen Songs den nächsten Schritt forward: als Sängerin, als Songschreiberin und musikalische Gestalterin. Die eigenen Songs und die Auswahl der Fremdkompositionen und Cover-Versionen, dazu die zwei Duette mit Grammy-Winner Billy Yates und Country-Shooting Star Ray Scott aus den USA – all das besitzt höchstes Format und offenbart ihr enormes Potenzial. Dabei offeriert sie eine stilistische Bandbreite, die von Bluegrass und funkigen Rhythmen bis hin zu jazzigen Tönen und traditionellem Country-Pop reicht. Zugleich besinnt sie sich auch auf „back home“, um die eigene Welt, die vielfältigen Gedanken, die Palette an Gefühlen in Songs und Musik zu verwandeln.
„Forward Back Home“ ist bisher wohl das persönlichste ihrer inzwischen vier eigenen Alben. Jolina Carl erzählt hier Geschichten über ihren verstorbenen Vater, schildert ihre „Begegnung“ mit Johnny Cash – sie hatte einen Gastauftritt auf genau jener Farm, auf die sich die Legende immer zum Songwriting zurückzog -, singt über ihre „On-The-Road“-Erlebnisse oder über jene Werte, die im digitalen Zeitalter langsam aber sicher verloren gehen. Nahezu perfekt in dieses textliche Spektrum passen auch die drei Cover-Songs: „Get Rhythm“ von Johnny Cash in einer rockigen Version, „Valerie“ von Amy Winehouse im Bluegrass-Gewand, „Hallelujah“ von Leonard Cohen – der (bisher fehlende) Mut, letztgenannten Song endlich aufgenommen zu haben, hat sich nun vollends ausgezahlt.
Das komplette Album wurde in Nashville aufgenommen, produziert von Thomm Jutz in dessen TJ Tunes Studio. An Musikern waren einige aus der ersten Riege der Nashville Session-Cracks dabei, so zum Beispiel Mark Fain, Scotty Sanders und Pat Bergeson, die unter anderem mit Johnny Cash, Dolly Parton, Taylor Swift, Tommy Emmanuel oder Marty Stuart zusammengearbeitet haben.
Das Album eignet sich ganz klar für Country-Fans, aber auch für Musikbegeisterte, die mal einen Blick über den Tellerrand werfen wollen. Mir hat es ausgesprochen gut gefallen. Wer unsicher ist, sollte mal in „Valerie“ und „Hallelujah“ reinhören.