Ein Konzeptalbum zum Leben von Amelia Earhart

Ich bin überrascht, wie lange Laurie Anderson schon musikalisch aktiv ist. Die 77 Lebensjahre hört man den gesprochenen Passagen und den charismatischen Vocals nur bedingt an. Ihr erstes Album „Big Science“ erschien bereits im Jahr 1982, allerdings blieb die Performance-Künstlerin aus dem US Staat Illinois in Europa weitestgehend unterm Radar. Ihre Arbeiten lassen sich in keine Schublade stecken. Sie nehmen Elemente aus normalerweise weit voneinander entfernten Kunstformen – Poesie, bildende Kunst, Orchestermusik, improvisierte Musik, Fotografie, Theater, Sounddesign – und verweben sie auf eine Weise, die mindestens entwaffnend und nicht selten sensationell ist. Mit ihren abendfüllenden, multimedialen Arbeiten wie „Moby Dick“ hat Anderson zu neuen Formen des Nachdenkens über Klang, Sprache und die menschliche Existenz angeregt.

Im Lauf ihrer Karriere war Laurie stets auch politisch aktiv. Sie gab nach den Anschlägen vom 11. September 2001 wichtige Konzerte in New York, gehörte aber auch zu den Künstler*innen, die die Kriegspläne der Bush-Regierung stark kritisierten. Im Lauf ihrer Karriere arbeitete sie unter anderem mit Andy Kaufman, William S. Burroughs, Peter Gabriel, Jean-Michel Jarre, John Cage, Philip Glass, Michel Waisvisz und Bobby McFerrin zusammen.

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„Amelia“ ist ein durchaus feministisches Album, zumindest wenn man bedenkt, dass es um eine Frau geht, deren historische Bedeutung meist verkannt wird. Ein Schicksal, das sie mit vielen Frauen der Geschichte teilt. Vor fast 90 Jahren versuchte Amelia Earhart als erster Mensch mit einem Flugzeug die Erde zu umrunden. Es sollte eine Reise ohne Wiederkehr werden, und auch nach all den Jahrzehnten sind noch viele Fragen offen. Zum Beispiel: Was genau geschah mit dem Kommunikationssystem, als Earhart auf einer winzigen Insel im Pazifik zum letzten Mal auftanken wollte? Und: Wo ist das Flugzeug?

Das 33minütige Konzeptalbum ist aber keineswegs ein musikalischer Wissenschaftskrimi, sondern es beschäftigt sich mit den menschlichen Hintergründen, dem emotionalen Geschehen und den Momenten, die Amelie antrieben. Es gibt sphärische Passagen, orchestrale Klänge, illustrierende Geräusche, Soundeffekte, Sprache und Gesang. Viele der 22 Tracks knacken gerade mal die Minutenmarke oder bleiben drunter. Nach echten Songstrukturen sucht mal also vergeblich. Das experimentelle Drumherum macht die Musik – die unbedingt am Stück zu hören ist – zu einem erzählerischen Meisterwerk. Faszinierend und zeitlos!