„Opus Sanctus“ – Popmusik im sakralen Gewand

Das größte Problem in der heutigen Chorlandschaft ist es, dass die Chöre gnadenlos überaltern. Ich selbst singe seit 30 Jahren in einem Männerchor und bin immer noch das jüngste Mitglied. Das gibt zu denken! Zum Glück findet aber ein Umdenken statt, was die Chorliteratur angeht. Populäre Titel wie „Auf uns“, „Tage wie diese“ oder „Ein Kompliment“ halten Einzug in die Welt der Ensemblemusik. Und dabei sind es nicht mehr nur die kleinen A-cappella-Gruppen, die solcherart Musik zu Gehör bringen, sondern durchaus stimmgewaltige Massenchöre. Das mag im ersten Moment befremdlich klingen, ist aber eigentlich ganz logisch. Als die Chormusik im 19. Jahrhundert salonfähig wurde, war es auch die damalige Populärmusik, die gesungen wurde.

Mehrstimmige Chormusik also als deutsches Kulturgut – das funktioniert besser, als man denkt. Opulente Melodien, ein basslastiges Rhythmuskonstrukt. Dem kann ich gut zuhören. Was allerdings meist auf CD gepresst wird, ist die Kehrseite der Medaille. Da wird nicht a cappella gesungen, und erst gar nicht polyphon. Viele Werke, die es in die Charts schaffen, enthalten zwar stimmgewaltigen, aber einstimmig vorgetragenen Gesang, der von orchestraler Instrumentalmusik begleitet wird. Das muss man leider auch bei Opus Sanctus in Ansätzen erleben.

Wie sich der Chor genau zusammensetzt, geht es aus dem Booklet leider nicht hervor. Die besten Chorsänger Deutschlands sollen sich zu einem sakralen Chor vereint haben. Aber wo wurden diese gesucht? Zumindest sind einige gute Stimmen zusammen gekommen. Die vorgetragenen Arrangements erklingen dann auch tatsächlich meist mehrstimmig, wobei man aber manchmal eine Melange aus Quinten und Terzen ausmacht. Nicht immer. Einige Passagen sind durchaus virtuos, beispielsweise der Schluss von „Auf uns“, der energische Vortrag von „Gewinner“ und die Stimmgewalt hinter „Echt“ und dem emotionalen „Schönste Zeit“.

Aber das funktioniert nicht immer. So dürften Titel wie „Geboren um zu leben“ manchem die Haare zu Berge stehen lassen. Leonard Cohens „Hallelujah“ hätte ich im englischen Original belassen. Die krampfhafte textgetreue Übersetzung ist bisweilen doch sehr gruselig. Bei Adel Tawils „Lieder“ geht die Melodie leider hinter dem lauten Orchester-Gehabe unter. Und „Atemlos durch die Nacht“ kann auch die getragene Chorversion nichts Neues mehr abgewinnen. Der Schmalz, den die von Michael Hirte an der Mundharmonika begleitete Version von „Ave Maria“ verbreitet, führt dann zum nächsten Punktabzug. Mir zumindest erscheint es unnötig, halbherzig einige Kirchenlieder in die Tracklist zu mischen, nur um den Namen Opus Sanctus zu rechtfertigen.

Pop- und Rockklassiker werden zu Kirchenmusik. Muss das sein? Sicher nicht für jeden Fan der Originale, aber ich komme nicht umhin, den Arrangeuren und dem Chor meinen Respekt zu zollen. Die Titel werden mit Energie und spritzig vorgetragen. Da darf jeder alternde Männerchor gerne mal rein hören. Jetzt noch die Instrumente weglassen – und gut.

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