Peter Schmidt: On Tour mit einem autistischen Weltreisenden

Dr. Peter Schmidt ist promovierter Geophysiker und wechselte vor einigen Jahren in die IT Branche. Inzwischen arbeitet er für die Softwareabteilung einen Pharmakonzerns – und er schreibt Bücher. Das wäre jetzt nichts Besonderes, wenn es da nicht ein Alleinstellungsmerkmal gäbe: Peter Schmidt ist Autist mit ausgeprägtem Asperger-Syndrom. Seit 2012 hat er bereits verschiedene autobiographische Romane geschrieben, die das Leben aus der Sicht eines Autisten beschreiben. Es sind faszinierende Einblicke in eine Denkweise, die sich uns in Ansätzen erschließen kann, die wir aber vermutlich niemals ganz verstehen werden.

Inzwischen ist Peter Schmidt viel rumgekommen. Sein neustes Buch trägt den Titel „Der Straßensammler“ und widmet sich dem Hobby, das Schmidt bereits seit seiner Kindheit verfolgt. Er sammelt Straßen. Nicht physisch in seinem Wohnzimmer, sondern indem er sie bereist. Und da wird nicht gekleckert, sondern geklotzt. Denn es sind vor allem die großen, zum Teil legendären Autorouten, die er sich für seine Sehnsucht ausgesucht hat. Und wer weiß, dass Autisten eine sehr strukturierte Welt brauchen und alle unvorhergesehenen Dinge Gift für ihr Befinden sind, dem ist auch klar, dass der Autor sich ein sehr gefährliches Hobby ausgesucht hat.

Nun denn. Das Buch enthält Reiseberichte aus aller Welt. Und kurioserweise wird schnell klar, dass die Herausforderungen seiner Reisen (mal abgesehen von der Sprache) eigentlich überall gleich sind. Egal, ob er sich in Asien, Südamerika oder Australien aufhält. Er hat Schwierigkeiten, sein Gegenüber anhand von Gestik und Mimik einzuschätzen. Er verzweifelt, wenn der Reiseführer etwas in seinen Augen Falsches aussagt oder eine Sehenswürdigkeit nicht findet. Das Unvorhergesehene kann zum Problem werden.

An den seltsamen, manchmal etwas holprigen Sprachstil hat man sich schnell gewöhnt. Und es macht einfach Spaß, dem Protagonisten um die Welt zu folgen. Sein Fernweh und die Lust, die Straßen der Welt einzusammeln, sind stärker als Furcht vor den Unwägbarkeiten. Also zieht er los, durchquert Eiswüsten, gerät auf dem offenen Ozean in Seenot und beobachtet in Syrien den beginnenden Bürgerkrieg. Panik kommt aber erst auf, als am Highway 95 die Cola ausgeht. Mit solchen Katastrophen kann keiner rechnen.

Die Tour rund um den Globus aus der Perspektive eines Autisten ist voll von bizarren Erlebnissen und verblüffenden Einsichten. Es entstand ein philosophisches Reisetagebuch, gegliedert nach Kategorien wie der legendärsten, staubigsten, stürmischsten oder engsten Straße. So muss man die 288 Seiten mit viel Fotomaterial auch nicht von vorn nach hinten am Stück lesen, sondern kann sich ebenso gut eine spannende Überschrift suchen und das entsprechende Kapitel gesondert konsumieren. Oder aber man nutzt das Buch für die eigene Reiseplanung – damit erhält man eine Sicht der Welt, die sonst kein Reiseführer bietet.