Ulla Meinecke – ein Abend voller Poesie und Gefühl in Landstuhl

Ulla Meinecke war und ist über die Jahrzehnte ihrer Karriere stets eine Persönlichkeit, die sich nie dem Zeitgeist angepasst hat. Eigentlich müsste sie eine ganz große Nummer sein. Eine Liedermacherin in einer Liga mit Reinhard Mey oder Klaus Hoffmann. Qualitativ ist sie das auch – ohne Frage. Sie war eine der ersten Vertreterinnen ernsthafter deutschsprachiger Popmusik, wurde von Udo Lindenberg entdeckt (1976 arbeitete sie als dessen Assistentin und nahm mit seiner Hilfe ihr erstes Album auf) und schrieb 1983 mit Edo Zanki zusammen ihren ersten Hit „Die Tänzerin“. Einen Song, der in seiner atmosphärischen und stimmungsvollen Ausrichtung Maßstäbe gesetzt hat. Seitdem hat die inzwischen 63jährige unzählige hervorragende Alben veröffentlicht, die aber im Radio und in den Charts kaum stattfanden. Warum? Weil sie sich nie hat verbiegen lassen und keinen hippen Trends hinterher gelaufen ist. Ulla Meinecke verdient Hochachtung dafür, dass sie nie aufgegeben hat und ihren Weg auch heute noch konsequent weiter geht.

In die Stadthalle Landstuhl kamen gestern knapp 100 Zuschauer, um die Wahl-Berlinerin mit ihrem neuen Programm live zu erleben. Es trägt den Titel „Wir waren mit Dir bei Rigoletto, Boss!“. Etwas sperrig vielleicht, wenn man den Hintergrund nicht kennt. Besagter Satz ist ein Zitat aus dem weltberühmten Film „Manche mögen’s heiß“ und stellt somit eines der berühmtesten Alibis der Filmgeschichte dar. Das Ambiente in der Stadthalle konnte dem fast entsprechen. Die Sitzplätze waren an Tischen gruppiert und mit Kerzen beleuchtet – eine sehr heimelige Atmosphäre wie in einem Kasino der 20er Jahre.

Vor dem Vorhang war Platz für Ulla sowie ihre beiden multi-instrumental begabten Mitstreiter  Ingo York und Reinmar Henschke. Ich muss gleich zu Beginn etwas zu den beiden Musikern sagen, damit das nicht zu kurz kommt: Es ist unglaublich, was die beiden leisteten und wie viele Instrumente jeder zu spielen im Stande war. Sie passten sich perfekt an die Songs an und lieferten ab, was gerade gefordert war – egal ob zwei Gitarren oder zwei Tasteninstrumente gebraucht wurden. Ingo spielte wahlweise Gitarre, Bass, Floor Drums, Mundharmonika, sogar Mouth Percussion bei diversen Songs. Reinmar lieferte Keyboards, Gitarre und Percussion ab – und beide sorgten bisweilen auch dafür, dass aus Ullas Vocals ein fantastischer stimmlicher Dreiklang wurde.

Ganz zu Beginn schuf Reinmar einen sehr sphärischen, floydesken Keyboard-Sound und das Konzert begann mit „Geh mir aus dem Licht“. Ulla Meinecke hatte das Publikum mit warmen, sehr herzlichen Ansagen schnell in ihrer Hand. Das Programm war äußerst vielseitig und bot neben poppigen Melodien auch Blues- und Jazz-Passagen sowie Stücke im Chanson- und Liedermacher-Stil. Selbst eine Prise Folkrock sollte nicht fehlen. Der Keyboard-Sound konnte zwischen Jazzpiano und 80s-Synthesizer pendeln, ohne dass dies komisch wirkte. Es gab schon einige ganz besondere Momente.

Ulla sang in atmosphärischer Erzählweise vom „Hafencafe“, postulierte gemütlich „Schlendern ist Luxus“ und verzauberte mit der irischen Volksweise „The Star Of The County Down“. Sie hatte zu vielen Stücken eine kleine Geschichte zu erzählen und brachte das Publikum oft zum Lachen. Egal ob es im Song „Zu alt“ um die moderne Selfie-Kultur ging, „Das nackte Leben“ von einem unerträglichen Paar berichtete oder ob sie herzerwärmende Werbung für Marc Cohn und seinen Song „Walking In Memphis“ machte, den sie dann auch berührend stark vortrug.

Das war nicht die letzte Coverversion vor der Pause. Es gab auch „Grapefruit Moon“ von Tom Waits, den sie als Meister des Trostes und unverzichtbaren Bestandteil jeder Notfallapotheke bezeichnete. Hier konnte Ulla mit ihrer wundervoll tiefen Stimme glänzen, die so verlebt und emotional den Waits-Song zu neuem Leben erweckte.

In der kurzen Pause konnte man sich die poetisch-zeitlose Musik ein wenig setzen lassen. Das Publikum war zum Teil schon gereifteren Alters. Man ließ sich Freude und Bewunderung ob des Gebotenen durchaus anmerken. Die Geschichten über Einsamkeit, Träume, Liebe und Hoffnung sind sehr berührend und trostvoll. Das ungemütliche Herbstwetter draußen vor der Tür konnte man so schnell vergessen.

Nach der Pause gab es einen dichten Reigen eigener Songs. Oft war es eine realistische, oft eine ironisch-nachdenkliche Sicht auf die Dinge des Lebens. „Wenn wir Glück haben“ erwärmte die Herzen, „50 Tipps ihn zu verlassen“ ließ manche Frau euphorisch mitsingen. „Lieb ich dich zu leise“ erklang wundervoll harmonisch im dreistimmigen Satzgesang. Ulla wurde zum Ende hin still und philosophisch: „Es kostet einen hohen Preis, wenn der Traum in Erfüllung geht. Es kostet den Traum.“

Nach zwei Stunden Konzertlänge war das Publikum ihrem Charme endgültig erlegen und es gab stehende Ovationen vor den Zugaben. Manch Mutiger forderte schon „Die Tänzerin“, doch zuerst gab es in Anlehnung an die kuschlige Herbstzeit den Chanson „Schlaf“. Dann erst durfte man sich den bekannten Klängen der Tänzerin hingeben, die Reinmar Henschke am Keyboard wie zu seligen 80er-Jahre-Zeiten klanglich perfekt in Nostalgie-Tönen hinlegte.

Danach hätte Schluss sein können, doch das Trio beriet sich auf der Bühne zu einer weiteren Zugabe. Ulla erzählte von Udo Lindenberg als dem Ersten, der ihr vor 29 Jahren eine Chance gab und widmete ihm den Song „Bis ans Ende der Welt“, dessen Text sie mit ihm geschrieben hat. Die Gänsehaut in der Stadthalle war spürbar. Ein wundervoller Abschluss für ein tolles Konzerterlebnis. Mancher wird überrascht gewesen sein, welchen Genuss ein Konzert von Ulla Meinecke bietet und was ihr aktuelles Programm beinhaltet. Ein Lob an die Veranstalter von Anderswelt-Event, die immer neu den Mut aufbringen, solche Künstler in die Pfalz zu bringen. Im nächsten Jahr werden unter anderem Purple Schulz, Julian Dawson und Ray Wilson am Start sein. Man darf sich jetzt schon freuen.