Taylor Swift überrascht mit „Folklore“ – in vielerlei Hinsicht
Das war mal wieder ein Paukenschlag der vermutlich erfolgreichsten Künstlerin der Gegenwart. „Folklore“ kam wie aus dem Nichts. Einen Tag vor Veröffentlichung kündigte Taylor Swift das Album erstmals auf ihren Social-Media-Accounts an und in der Nacht war es bereits auf allen gängigen Portalen erhältlich. Dabei ist das letzte Werk „Lover“ nicht einmal ein Jahr alt.
Die Grammy-Gewinnerin hatte sich eigentlich auf die Tour rund um ihr letztes Album gefreut, die in diesem Sommer weltweit stattfinden sollte. Doch der Lockdown führte dazu, dass sie zuhause bleiben und sich schützen musste – wie so viele andere Menschen auch. Diese Widrigkeiten ermöglichten es ihr, andere unvorhergesehene Dinge zu tun. Und was macht die inspirierte Künstlerin? Natürlich: Sie schreibt ein neues Album.
An allen Songs hat Taylor mitgewirkt – und sie alle sind in der Phase der Selbstisolation entstanden. Jetzt könnte man vielleicht ein melancholisches, in sich gekehrtes oder depressives Werk erwarten. Doch keineswegs: Der Name ist Programm. Mit „Folklore“ liefert die Amerikanerin ein Album, das stilistisch ganz anders ist als ihre bisherigen. Keine Countrymusik im strengen Sinne, kein Dancefloor-Pop, aber auch keine fröhlichen Hymnen. Stattdessen gibt es folkloristische Singer/Songwriter-Stücke und Balladen in Reinkultur.
Das 63minütige Album mit ganzen 16 Tracks erzählt in entspannter Manier Geschichten aus der Fülle des Lebens. Musikalisch geht es in Richtung Indie-Folk und Alternative Rock. Diesen Weg hat sie vermutlich selbst bestimmt, wenn man ihren O-Ton liest: “Ich habe all meine Launen, Träume, Ängste und Gedanken hineinfließen lassen. Ich schrieb und nahm diese Musik in Isolation auf, arbeitete aber mit einigen meiner musikalischen Helden zusammen“.
Die musikalischen Helden waren Aaron Dessner, William Bowery und Jack Antonoff, aber auch Justin Vernon (Bon Iver), der den wichtigen Track „Exile“ mit ihr im Duett gestaltet.
Das erzählende Songwriting mit langsamen Stücken führt Taylor Swift in eine neue Richtung. Wunderschön und entspannt singt sie sich durch das Album und begeistert vom ersten bis zum letzten Ton. Es war ein guter Plan, mit dem Album nicht die übliche Promo-Maschinerie zu durchlaufen, sondern es noch zu veröffentlichen, während die Krise in vollem Gange ist. Als erste Künstlerin mit Weltruhm trifft sie den Nerv der Zeit und verleiht den Ideen ihrer Generation Ausdruck. Das essentielle Album für den Sommer 2020 – ohne dabei ins allgegenwärtige Jammern zu verfallen.