40 Jahre gehen nicht spurlos vorüber
Angepriesen als die Musiksensation 2021 erreicht das „neue Album“ von ABBA im Handumdrehen die Spitzenpositionen der Musikcharts in mehreren Ländern. Ein Album von ABBA fast 40 Jahre nach ihrer Auflösung, das klingt so fantastisch, dass auch ohne das ganze Werbe-Tamtam das Album auf die Pole Position geschnellt wäre.
Aber wie klingt das Album, der mittlerweile über 70-Jährigen? Für mich in erster Linie wie eine Fortsetzung des Vorgängers „The Visitor“ (1981). Die Burner wie in den 1970ern fehlen zwar, aber die Melodien gehen dennoch ins Ohr. Höhepunkte vermisse ich aber. Vieles klingt wie Variationen von bereits irgendwo irgendwann Gehörtem. Natürlich klingen die Stimmen der vier Skandinavier (Benny, Björn und Agnetha aus Schweden und Annafrid aus Norwegen) nicht mehr so fest wie damals – auf schrille Töne und das Ausreizen aller Oktaven wurde verzichtet -, aber immer noch bewundernswert, wenngleich mit Sicherheit digital nachbearbeitet wurde.
Digitalisiert sind auch die Fotos der Bandmitglieder*innen im Inlay. Sie zeigen nicht die echten Personen, sondern nur ihre Avatare. Man erhält quasi einen Einblick in die fürs nächste Jahr angekündigten Shows, wenn auf den Konzertbühnen nur ihre Hologramme zu sehen sein werden. Ein einziges Foto im Inlay zeigt die Band bei den Aufnahmen im Studio. Spätestens hier, ungeschminkt, sieht man, dass 40 Jahre nicht spurlos an ihr vorübergegangen sind. Björn und Benny tragen Wollmützen, was chic aussehen mag, vielleicht aber die inzwischen lichte Haarpracht verbergen soll. Agnetha mit Brille erinnert mich in dieser Pose und Optik an die Schauspielerin Diane Keaton aus einer Szene in „Was das Herz begehrt“.
Nachvollziehbar wird hiermit aber auch, dass ich 2018 bei meiner Skandinavienrundreise Agnetha nicht auf Anhieb erkannt habe (nachzulesen in meinem Roman „Jenseits von Schweden – unterwegs mit Maria“). Im Traum hätte ich damals nicht geglaubt, dass Agnetha den Pferdehof wieder gegen ein Studio eintauschen würde. Agnetha wahrscheinlich auch nicht.
Mein Favorit ist die vorab ausgekoppelte Single „I still have faith in you“ sowie „Keep an eye on dan“ und „No doubt about it“. Irgendwie hört sich auch der Rest ganz nett an, aber so richtig will der Funken bei mir nicht zur meiner ersten Lieblingsband als Teenager überspringen. Der Zauber ist verflogen, das Ganze ist nicht mehr als ein Publicity-Gag. Geldnöte kann für die Multimillionäre nicht der Ansporn gewesen sein. Vielleicht sind ABBA hiermit aber auch Vorreiter einer ganzen Welle von Avatar-Konzerten. Man stelle sich vor, man besucht wieder ein Konzert der Beatles. Die heutige Technik kann selbst Tote wieder auferwecken.
Dem Pappschuber liegt noch das CD-Cover als Poster bei. Aus Nostalgie habe ich mir noch die Analog-CD zugelegt. Man will schließlich nicht seine ABBA-Sammlung mit einem MP3-Album vervollständigen.