Ein emotionaler Familien- und Gesellschaftsroman zum Thema Klimawandel
Die Münchner Moderatorin und Schriftstellerin Amelie Fried ist seit Jahren mit ihrem Romanen und Kinderbüchern im dem Bestseller-Listen zu finden. Mit „Der längste Sommer ihres Lebens“ veröffentlicht sie aktuell einen emotionalen Familien- und Gesellschaftsroman, der vielleicht ihr nachdenklichstes Werk bisher ist.
Wie eigentlich immer bei Amelie Fried stehen Frauen im Mittelpunkt der Erzählung. Marianne, Claudia und Anouk Brenner vertreten drei Generationen einer Familie von Autohaus-Besitzern in der beschaulichen süddeutschen Kleinstadt Meutlingen. Während ihr Leben bisher von Traditionen und gesellschaftlichen Verpflichtungen bestimmt war, verändert ein Sommer für die drei Frauen alles. Claudia möchte endlich aus dem Familienbetrieb aussteigen und kandidiert für das Amt der Bürgermeisterin, was nicht nur unter den Bürgern der Stadt und den Angestellten des Autohauses, sondern auch in der Familie selbst gemischte Reaktionen hervorruft. Als die bisher brave und angepasste Anouk sich radikalen Klimaschützern anschließt und an ihrem 18. Geburtstag nicht zur Familienfeier erscheint, sondern bei einer Straßenblockade mitmacht, gefährdet dies nicht nur Claudias Kandidatur, sondern lässt auch die Familie fast zerbrechen.
Während Claudia einerseits Verständnis für ihre Tochter aufbringt und darum kämpft, den Kontakt zu ihr nicht ganz zu verlieren, muss sie sich andrerseits öffentlich von ihren extremen Aktionen distanzieren. Ihr Mann Martin dagegen kann mit Anouks Verhalten und den Folgen für die Familie und das Autohaus nicht umgehen, und der pubertierende Sohn Julian sitzt sowieso zwischen allen Stühlen.
Marianne schließlich, die ihr Leben dem Wohl des Familienbetriebes gewidmet hat und für viele immer noch die heimliche Bossin ist, erkennt durch die Begegnung mit einer alten Jugendliebe, dass man auch im Alter noch mal neu anfangen kann. All das spielt sich in einem nicht enden wollenden heißen Sommer ab, der es schwer macht, den Klimawandel zu ignorieren.
Die Ereignisse werden überwiegend aus der Sicht von Claudia erzählt, aber zwischendurch auch aus Martins und Mariannes Perspektive. Dies führt gerade bei Marianne dazu, dass man die anfangs sehr unsympathische Figur immer mehr versteht und zunehmend ins Herz schließt. Auch Martins Motive werden aus seiner Sicht verständlicher, aber zum Sympathieträger wird er dennoch nicht. Leider beschränkt sich die Autorin bei Anouk darauf, ihr Handeln von außen zu beschreiben und so bleibt uns diese junge Frau mit ihrem teilweise extremen Verhalten ein Stück weit fremd. Auf jeden Fall wirft der Roman aber einige existenzielle Fragen auf: Wie wichtig sind Traditionen und Erwartungen anderer Menschen? Sind übergeordnete Ziele es wert, dafür sein bisherige Leben und familiäre Beziehungen zu opfern? Und lohnt es sich, für seine Lebensträume zu kämpfen, auch wenn alles um einen herum zu zerbrechen droht? Auf all diese Fragen gibt es wohl nur ganz persönliche Antworten. Amelie Fried findet für ihre Figuren am Ende Lösungen – aber sie lässt den Leser auch mit einigen Fragen zurück.
„Der längste Sommer ihre Lebens“ hat mich weit mehr gefesselt, als ich vorher erwartete hätte. Als leichte Sommerlektüre – wie es das Titelbild suggeriert – eignet er sich definitiv nicht, aber der Roman ist auf jeden Fall lesenswert und leider auch sehr aktuell.