Im Wohnzimmer von Angus & Julia Stone

2006 erschienen Angus & Julia Stone mit der EP „Chocolate And Cigarettes“ erstmals auf dem musikalischen Radar und wussten mit ihrer Mischung aus Folk, Blues und dezentem Rock auf Anhieb zu begeistern. Mit seinem erst vor wenigen Tagen veröffentlichten Album „Cape Forestier“ besinnt sich das australische Geschwisterpaar stärker denn je dieser Wurzeln und passend dazu steht ihre aktuelle Tour unter dem Motto „Living Room Sessions“. Damit wollen Angus & Julia Stone den Geist des Wohnzimmers ihrer Eltern wieder aufleben lassen, in dem sie als Kinder mit dem Musikmachen begannen. So sticht beim Betreten der Kölner Philharmonie auch sofort die „Bühne auf der Bühne“ ins Auge. Eine wie aus der Zeit gefallene viereckige Fläche mit einem Sofa, Teppichen, Stehlampen und einer Menge darüber baumelnder Lampions, die abwechselnd mal in Blau, mal in Weiß und mal in Lila leuchten.

Köln hat an diesem Tag einen fast schon sommerlichen Pfingstmontag erlebt und so warten die Fans entspannt und in bester Laune, bis sich Angus & Julia Stone um kurz nach 21 Uhr zunächst alleine die Ehre geben und mit „Santa Monica Dream“ in ihr Set starten. Julia trägt passend zum festlichen Anlass ein Glitzerkleid. Später beschwert sie sich darüber es sei ein wenig kratzig, woraufhin Angus ihr versichert, dass sie grossartig aussieht. Überhaupt gehen die Geschwister sehr süß miteinander um und man nimmt ihnen ab, dass dies mehr als nur Show ist. Zum folgenden „Losing You“ gesellen sich dann auch ihre drei Begleitmusiker zu ihnen, wobei Gitarrist Ben Edgar wie eine Reinkarnation von Tom Petty aussieht. Es folgt eine 100 Minuten lange Zeitreise durch die bisherigen sechs Alben, von denen jedes mit mindestens einem Song vertreten ist. Bei „Nothing Else“ glänzt Julia Stone an der Trompete und erntet Begeisterungsstürme. Später stellt sie noch ihre Künste an der Gitarre, der Mundharmonika und dem Piano unter Beweis und man bekommt eine ungefähre Ahnung davon, was sich früher im Wohnzimmer der Familie Stone abgespielt haben muss.

So zaubert das Quintett eine intime Atmosphäre in die ehrwürdige Philharmonie, deren Sound über jeden Zweifel erhaben ist. Gut, das durfte man erwarten. Die Kölner lassen sich von den sanften Melodien in eine imaginäre Welt entführen, die mal zur Hochzeit von Mama Stone einlädt und mal einer alten Freundin namens Daisy huldigt, die an ihrem Drogenkonsum gestorben ist. Es herrscht eine andächtige Stille und während mancher Songs kann man förmlich eine Stecknadel fallen hören. Dazu gehört beispielsweise das Miley Cyrus-Cover „Flowers“, dessen Intro von Angus Stone gepfiffen wird. Seine Schwester bedankt sich vor „The Wedding Song“ auf Deutsch bei den Fans für ihr Kommen („Schön, dass ihr hier seid“) und man kann gar nicht anders als die beiden da unten auf der Bühne gedanklich in den Arm zu nehmen und feste ans Herz zu drücken. Für die emotional ohnehin ständig auf der Überholspur lebenden Kölner gar kein Problem. Nach dem Ende des regulären Sets, das von „Big Jet Plane“ markiert wird, gibt es minutenlange stehende Ovationen.

Das Konzert endet schließlich so wie es begonnen hat: Leise. Die Fünf versammeln sich am vorderen Bühnenrand um ein Mikrophon und zelebrieren eine wunderschöne Version des schon im Original wunderschönen „Harvest Moon“ von Neil Young. Der Rest ist Jubel und die stille Freude darüber einen Abend erlebt zu haben, der noch lange nachhallt. Angus & Julia Stone haben es geschafft mit ihren Songs die Fans dort abzuholen, wo sie mit ihren ganz persönlichen Befindlichkeiten gerade stehen und ihnen mit ihren Geschichten eine Auszeit vom alltäglichen Wahnwitz dieser Welt zu bescheren. Alle, die ein bißchen australisches Lebensgefühl gerade gut gebrauchen können, sollten sich die noch folgenden Konzerte in Stuttgart, Hamburg und Berlin nicht entgehen lassen.