Von wegen tot! Refused beweisen in Köln dass sie fucking alive sind…
„Refused Are Fucking Dead“ – so lautet das Motto der aktuellen Tour des Hardcore-Quartetts aus Schweden. Moment mal! Das hatten wir doch schon… und zwar gleich zweimal. Nach ihrem bahnbrechenden Album „The Shape Of Punk To Come“ von 1998 gab die Band erstmals ihre Auflösung bekannt. Dieser folgte 2012 eine Reunion, die aber auch nur von kurzer Dauer war. Im April 2015 veröffentlichten Refused dann mit „Elektra“ den ersten neuen Song seit ihrer Auflösung 1998 und mit „Freedom“ das erste Studioalbum seit 17 Jahren. Dem folgten ein weiteres Album („War Music“, 2019) und eine EP („The Malignant Fire“, 2020), bevor es erneut still um Frontmann Dennis Lyxzén, Gitarrist Kristofer Steen, Bassist Magnus Flagge und David Sandström am Schlagzeug wurde. „Refused Are Fucking Dead“ markiert nun den endgültigen Abgesang der schwedischen Hardcore-Legenden. Wenn man David Sandström Glauben schenken möchte, dann soll es trotzdem musikalisch weitergehen – in ähnlicher Besetzung, aber unter einem neuen Namen.
Bevor es soweit ist bekommen die Kölner Fans heute die Gelegenheit um „Maat et joot“ zu sagen. Dabei werden sie zunächst auf eine harte Geduldsprobe gestellt. Nach dem Einlass dauert es geschlagene zweieinhalb Stunden und zwei Vorgruppen bis Refused um 22.30 Uhr endlich mit „Poetry Written In Gasoline“ in ihr Set starten. Dennis Lyxzén beweist vom ersten Ton an seine gesangliche Toppklass (wie der Schwede sagt) und rennt wie ein Irrwisch über die Bühne. Der Mann ist immerhin schon fast Mitte Fünfzig – ein Altersbereich, dem übrigens auch viele der Fans im ausverkaufen Bürgerhaus Stollwerck zuzurechnen sind. Wer kann beteiligt sich am ausufernden Mosh Pit vor der Bühne oder surft rücklings durch die Menge. Die Temperaturen erreichen binnen kürzester Zeit saunaähnliche Ausmaße. Eben ganz so wie es sich für ein gepflegtes Hardcore-Happening gehört.
Zwischendurch lässt Lyxzén seinem politischen Sendungsbewusstsein freien Lauf und wettert gegen die Populisten im allgemeinen und den Orangehaarigen in den USA im speziellen. Er beschwört den Zusammenhalt der Fans und fordert sie auf dem Irrsinn auf der Welt Kraft und Vernunft entgegenzustellen und nicht aufzuhören miteinander zu reden. Dabei benutzt er das F-Wort so inflationär, dass selbst Dave Grohl vor Neid erblasst wäre. Lyxzén betont seine tiefe Liebe zum Punk und erklärt warum es nach dem Ende von Refused weitergeht „mit einer neuen Band ohne Ballast, nur begrenzt durch unsere wildesten musikalischen Hoffnungen und Träume“.
Vor dem endgültigen Abgesang nimmt die Band ihre 600 hüpfenden und schreienden Fans mit auf einen wilden Ritt durch die letzten 35 Jahre. Der makellose Stakkatosound hämmert über die Köpfe der wogenden Menge, es fliegen Bierbecher und andere undefinierbare Dinge durch den Saal und jeder hier weiß um die besondere Bedeutung des Augenblicks. Songs wie „Rather Be Dead“, „Pump The Brakes“ oder das besonders lautstark abgefeierte „New Noise“ werden wir vermutlich nie wieder live zu hören kriegen. Anderthalb Stunden lang zelebrieren Band und Fans eine Vollgasveranstaltung, an deren Ende der Boden vor verschüttetem Bier und mein T-Shirt vor Schweiß an meinem Körper klebt. Der Schlussakkord kommt viel zu schnell. Man möchte die Band irgendwie festhalten, aber das geht natürlich nicht. Stattdessen klatschen 1.200 Hände Danke – Danke für 90 unvergessliche Minuten und dreieinhalb Jahrzehnte voller Erinnerungen, die uns niemand mehr nehmen kann.
Als wir um Mitternacht wieder die laue Kölner Herbstluft einatmen und auf ein letztes Kioskbier zusteuern, wird uns die historische Dimension des Abend endgültig bewusst. Wir sind in Gedanken nochmal in dem kleinen Club, in dem wir Mitte der Neunziger bei „Rather Be Dead“ zum ersten Mal komplett ausgerastet sind. Damals öffneten sich plötzlich Türen, hinter denen sich andere Bands wie Biohazard oder Sick Of It All verbargen. Dafür dürfen wir Dennis Lyxzén, Kristofer Steen, Magnus Flagge, David Sandström und allen anderen, die jemals bei Refused gespielt haben, für immer dankbar sein. Und wer weiß? Vielleicht reißen wir in ein paar Jahren das Bürgerhaus Stollwerck mit den vier Schweden ja doch nochmal ab. In jedem Ende steckt bekanntlich ein Anfang.



