Die „Vier Jahreszeiten“ in modernisierter Form
Bei solchen Releases stellt sich mir oft die Frage: Darf man das? Ist es nicht Blasphemie, in den großen Werken alter Meister rumzupfuschen? Max Richter hat es schon wieder getan! Bereits vor einer Dekade sorgte er mit seiner Neuinterpretation von Vivaldis „Vier Jahreszeiten“ für Furore in der Klassik-Szene. HIER findet ihre unsere Review aus dem Jahr 2014. Die Neukomposition stürmte damals die Klassik-Charts und kaum jemand störte sich an den neuen Klängen und der Verwendung elektronischer Instrumente.
Jetzt aber ist eine erneute Revision angesagt. Gemeinsam mit der Geigerin Elena Urioste und den Musikern des Chineke! Orchestra hat Richter „The New Four Seasons“ eingespielt – und das in einer Neufassung für historische Instrumente. Mit Darmsaiten und Vintage-Synthesizern setzt Richter auf einen „raueren, punkigeren Sound“.
Der Komponist hatte sich vor einigen Jahren mit diesem Werk auseinandergesetzt, das er selbst liebte und zugleich nicht mehr hören konnte, weil es überall zu hören war. Er begab sich auf eine „persönliche Bergungsmission“ und schöpfte aus Vivaldis musikalischer DNA etwas Neues. Und dieses „Recomposed“-Album findet weiter neue Hörer, so wurde es als Soundtrack erfolgreicher Fernsehserien genutzt, etwa in „Bridgerton“ und „The Crown“.
In den letzten zehn Jahren hat Richter „Recomposed“ immer wieder performt. Nun hat ihn eine Aufführung auf historischen Instrumenten zu einer „Reise durch die Partitur in Vivaldis eigenen Farben“ inspiriert. So trifft eine barocke Klangpalette auf einen Moog-Synthesizer aus den 70er-Jahren.
Für mich ist seine neue Interpretation einfach genial und sie atmet absolut den Geist des Originals. Auf diese Weise kann man auch junge Hörer für ein in die Jahre gekommenes Werk begeistern. Max Richter hat ein Händchen dafür, diese wundervolle Musik mit stilvollen Mitteln aufzupeppen, ohne ihr den klassischen Charme zu nehmen. Daher die Antwort auf eingangs gestellte Frage: Ja! Wenn jemand darin rumpfuschen darf, dann Max Richter.