Danke für gar nichts – Madeline Juno in Frankenthal 2019

Am 27.10.2019 war Madeline Juno gar nicht so weit von ihrer Heimat Offenburg entfernt – und doch hat sie sich Sorgen gemacht, ob in Frankenthal genügend Karten verkauft werden, weil sie noch nie in der Gegend gespielt hat. Aber auch dort hat sich inzwischen herumgesprochen, wie stark und atmosphärisch die Konzerte der jungen Schwarzwälderin sind. Vor allem nachdem sie sich entschieden hat, nur noch in deutscher Sprache zu singen. Das Gleis 4 in Frankenthal war dementsprechend bestens gefüllt. Okay – dort gehen nur gut 200 Leute rein, aber für die Stimmung des Abends war es fantastisch. Und wenn man die Berichterstattung zur Tour verfolgt, weiß man, dass sie auch durchaus größere Hallen füllen kann.

Aufgrund der in der Nacht zuvor erfolgten Zeitumstellung hatte man (sehr rücksichtsvoll) die Startzeit 19 Uhr gewählt, um den kuschelig verteilten Zuschauern den EU-Jetlag zu ersparen. So stand die Band Varley aus Berlin als Support bereits um 19 Uhr auf der Bühne. Mit Sängerin Claire-Ann Varley, verstärkt durch Joschka Bender und Matze Heising, bot man schönen international gefärbten Indiepop. Stilistisch sehr nahe an dem, womit Madeline Juno auch mal angefangen hat. Songs wie „Phantom Studies“, „Lonely Were The Days“ und „Disease“ – die aktuelle Single, die just heute erscheint – drehen sich um melancholische Themen wie die Einsamkeit in einer fremden Stadt. Doch man muss sich keine Gedanken machen – es ging Sängerin Varley sichtlich gut und sie beendete den 30minütigen Set mit einem breiten Grinsen.

Um 19.50 Uhr kam der Moment von Madeline Juno. Die Sängerin hat schon in jungen Jahren eine erstaunliche Wandlung durchgemacht. Sie wuchs in einer Musikerfamilie auf. Der Vater ist Schlagzeuger, die Mutter Pianistin. Früh begann sie, ihre eigenen Songs zu schreiben, und stellte mit 14 Jahren die ersten Werke online. Davon erzählte sie auch im Konzertverlauf und schaute durchaus kritisch auf das jüngere Selbst. Schon das zweite (noch englischsprachige) Album klang wie von einem anderen Stern – und die Musik wirkte sehr, sehr britisch. Ein radikaler Wandel vollzog sich mit der EP „Waldbrand“. Dieses erste Versuchskaninchen führte zum Album „DNA“ (2017) und tiefgründigen Popballaden in deutscher Sprache. Das aktuelle Werk „Was bleibt“ ist erst seit September auf dem Markt, wurde von den Fans aber sehr textsicher mitgesungen.

Wer allerdings ob der erwähnten Balladenlastigkeit glaubt, dass es sich um ein ruhiges Konzert handelte, liegt falsch. Schon der Start erfolgte mit sehr rockigen und vor allem lauten Klängen. Der Song „New York“ passte perfekt als Opener, gefolgt von „Anfangen aufzuhören“ und „Gift“. Damit war klar, dass zwar ein Schwerpunkt auf dem aktuellen Album lag, aber auch die älteren Gassenhauer zu Wort kommen. Madeline animierte die Masse mit Sätzen wie: „Singt mit. Ich tanze ja auch wie ein Vollhorst hier vorne rum“, was nicht einmal übertrieben war. Voll Strahlkraft nahm sie die Bühne für sich ein und war in ihren Bewegungen genauso quirlig wie in den Ansagen.

Madeline sprach viel über sich und davon, wie sich die Bedeutung eines Songs wie „Geliehen“ mit der Zeit ändern kann. Sie erzählte, wie sie mit 16 einen sehr naiven Song über einen Typen geschrieben hat („Herzchen“) und trug diesen dann auch unverwunden und belustigt per Ukulele vor. Im Anschluss folgte der aktuellere Titel „Ohne Kleider“ über den gleichen Typen – durchaus reflektierter und mit philosophischer Aussage. So verändern sich Songs mit dem Menschen.

Foto: Danny Jungslund

Stark fand ich die Momente, in denen Madeline ihre psychische Erkrankung anklingen ließ. Sie sang von „Borderline“ und im Song „Automatisch“ von Depressionen, die sie immer wieder befallen. Viel Aufhebens musste sie darum nicht machen – es klang einfach authentisch, wie sie ihre Verfassung beschrieb und deutlich machte, dass „Melancholie nun mal ihre Lieblingsstimmung“ sei. Das wurde dann auch mit einigen Akustiksongs gefeiert, die sie ganz allein an der Gitarre vortrug.

Sie wollte das Publikum mitnehmen auf eine innere Reise und erklären, dass sie auch mal „scheiße glücklich sein kann“, wie der Titel „Vor dir“ beweist. Aber die Beziehung habe nicht gehalten – man müsse sich also auch weiterhin auf traurige Lieder einstellen. Macht nichts, denn das macht die Songs von Madeline Juno so besonders.

Nach 85 Minuten begann ein intensiver Zugabenblock mit dem Titel „Halt mich fest“, der vom zerbrechenden Kartenhaus erzählt. Zudem gab es mit „Waldbrand“ den Titel, den Madeline selbst als „ihren wichtigsten Song“ bezeichnet und mit dem ihre deutschsprachige Karriere begann. Und „Grund genug“ war für mich der passende Abschluss, weil diese Pophymne in einfachen Worten beschreibt, wofür Madelines Musik steht: Er handelt vom Loslassen und zu sich selbst finden.

Wenn die junge Künstlerin so weitermacht, wird es noch viele geniale Songs geben, in denen sie aus dem Nähkästchen ihres Liebeslebens und ihrer Gedankenwelt plaudert. Ich zumindest freue mich auf jedes neue Album und machte mich wie viele andere Zuhörer um 21.30 Uhr beseelt auf den Heimweg.

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