Mehr als die Hälfte eines Duos
Selbst in seinem deutschen Wikipedia-Artikel wird der 75jährige Daryl Hall vor allem auf seine Beteiligung an dem großen Popduo reduziert: „Er ist eine Hälfte des Duos Hall & Oates“. Natürlich ist das richtig und beschreibt seinen Ruhm in der Musikszene, doch zwischen 1980 und 2011 hat der Sänger aus Pennsylvania auch fünf Soloalben veröffentlicht, an denen unter anderem Robert Fripp (King Crimson), Dave Stewart (Eurhythmics) und Arrangeur Michael Kamen beteiligt waren.
Die vorliegende Retrospektive „BeforeAfter“ fasst eben diese Studioalben in einem Release auf zwei CDs zusammen und ergänzt sie um einige Livetracks aus dem Online- und TV-Format „Live From Daryl’s House“, das bereits im Jahr 2007 schon lange vor Corona als monatliche Webshow startete und den umtriebigen Künstler vor allem in Kollaborationen mit Kolleginnen und Kollegen zeigt.
Am Erscheinungstag dieser Compilation startet Daryl übrigens eine groß angelegte Solotour durch die Verreinigten Staaten. Von Ruhestand im Rentenalter ist also momentan noch keine Rede. Stattdessen umgibt er sich mit Stars wie Dave Stewart, der auf dem Album auch seinen Beitrag mit dem Hit „Here Comes The Rain Again“ leistet, und dem Multiinstrumentalisten Todd Lundgren, der ihn nun auch auf Tour begleitet.
Das Album startet mit dem rockigen „Dreamtime“ vom zweiten Album. Danach wird es schon vertrackter mit dem Longtrack „Babs And Babs“ vom ersten Album, das ursprünglich schon 1977 aufgenommen, vom Label aber noch zurückgehalten wurde. „Foolish Pride“ verbreitet ein 80s Feeling, während „Can’t Stop Dreaming“ Halls Pop in die 90er führt. So wird die Vielseitigkeit des Ausnahmemusikers mehr als deutlich.
Es sind vor allem poppige Wohlfühl-Titel, die ein souliges Feeling verbreiten. Ausflüge in Richtung Rock bleiben die Ausnahme. Um sp größer ist der Spaß, wenn sich dann der Rock’n’Roll von „Sacred Songs“ in die Tracklist schummelt. Auf der zweiten Disc sticht der Funk von „Fools Rush In“ aus den Popsongs heraus und das groovige „I’m In A Philly Mood“ kommt sehr smart um die Ecke.
Zum Ende hin gibt es dann eine Reihe von Liveversionen aus besagter Web-Reihe, die den Release gekonnt abrunden. „Ich habe diese Zusammenstellung von Songs aus meinen Solo-Alben gewählt, weil sie für mich bestimmte Phasen meiner Karriere komprimiert darstellen,“ erzählt Hall. „Sie zeigt auch wie vielfältig die Ergebnisse der Zusammenarbeit mit Künstlern wie Robert Fripp oder Dave Stewart sind.“
Alles in allem ist die Zusammenstellung sehr gelungen und zeigt, wozu Daryl Hall (der bürgerlich Daryl Franklin Hohl heißt) abseits der bekannten Hall & Oates-Pfade fähig ist. Eine bemerkenswerte Retrospektive eines einzigartigen Künstlers!