Joan Baez – Jens Rosteck zeichnet das Porträt einer Unbeugsamen
Die beispiellose Laufbahn von Joan Chandos Baez, der musikalischen Galionsfigur der Bürgerrechtsbewegung, der moralischen Geradlinigkeit, des uneingeschränkten Pazifismus und der US-amerikanischen Gegenkultur, umspannt mittlerweile annähernd sechzig Jahre. Dieser Tage ist nun eine umfassende Biografie erschienen, mit der Jens Rosteck aus Offenburg ein fundiertes Lebensbild der Ikone des Protestsongs zeichnet.
Jens Rosteck, 1962 geboren, lebte lange in Frankreich, wo er unter anderem eine Reihe von viel beachteten Biografien verfasste, etwa über Jane und Paul Bowles, Lotte Lenya und Kurt Weill, Oscar Wilde, Hans Werner Henze und Bob Dylan. Der promovierte Musikwissenschaftler, Kulturgeschichtler, Pianist, Herausgeber und Autor von Städteporträts wohnt heute im Badischen, in Offenburg. Zuletzt publizierte er die maßgeblichen deutschsprachigen Monografien über Édith Piaf (2013) und Jacques Brel (2016).
Zu Beginn seiner Joan Baez-Biografie beschreibt er einige wunderbare Momentaufnahmen, die die Faszination der Künstlerin im Jahr 1978 ebenso wie im Jahr 2003 zeigen. Gerade der Begegnung mit Wolf Biermann in der ehemaligen DDR widmet er einige Seiten, um aufzuzeigen, dass Joan schon damals nicht bereit war, sich von einem System vereinnahmen zu lassen sondern immer ihr eigenes Ding machte.
Dann geht es mit einfühlsamen und kompetenten Worten zurück in die Vergangenheit. In eine Kindheit mit vielen Umzügen und einem ambivalenten Dasein. Joan erfährt die Standhaftigkeit ihres Vaters, der als Wissenschaftler nicht in der Rüstungsindustrie arbeiten will, erfährt aber auch familiäre Enge, der sie nur mit der Entdeckung der Musik entfliehen kann. Der Leser erlebt den Aufstieg zur Folksängerin mit dem fulminanten Debüt in Newport. Dem Autor ist es dabei besonders wichtig, ihr Charisma ausführlich zu beschreiben und wie sie Menschen in ihren Bann zieht.
Natürlich spielt das kongeniale Gespann Joan Baez / Bob Dylan eine Rolle, die „Queen und ihre Kronprinz“ – und Dylan kommt dabei nicht gerade gut weg. Allerdings sind es die Interpretationen seiner Songs, die sie bekannt machen. Begegnungen mit John Lennon und Martin Luther King werden beschrieben – und wie sich Joan von der Folk- zur Protestsängerin wandelt.
Politische Ambitionen gibt es einige. Und diese passen nicht immer in ein statisches Bild von rechter und linker Politik. Joan unterstützt Kriegsdienstverweigerer, tritt in Woodstock auf, besucht auf einer gefahrvollen Reise den Nordvietnam. Als sie sich später aber öffentlich über Menschenrechtsverletzungen in Vietnam beklagt, wird sie plötzlich zum Feindbild der Linken. Schließlich wendet sie sich stärker Europa zu, wo sie erfolgreicher ist als in den USA. Eine Situation, die erst mit dem Auftritt bei „Live Aid“ in Philadelphia geglättet wird.
Jens Rosteck hat eine äußerst spannende Biografie verfasst, die sich zugleich mit amerikanischer Geschichte und politischen Befindlichkeiten befasst. Die starke Persönlichkeit von Joan Baez steht dabei immer im Mittelpunkt und man folgt den Anekdoten und Mythen gern, die sich um ihre Person ranken.
Das Buch ist so schon prägnant und umfassend genug, doch der Autor setzt noch einen drauf, verfasst ein Essay zu verschiedenen Liedern, bietet eine ausführliche zeitgeschichtliche Chronik und liefert einen Blick auf das Leben von Joan Baez im neuen Jahrtausend. Am Ende steht ein fundiertes Lebensbild – großartig!