Lindsay Ell – sieben Phasen der Trauerbewältigung

Die kanadische Country-Rocksängerin Lindsay Ell hat schon einige mutige Entscheidungen in ihrer Karriere getroffen. Nach zwei bei kleineren Independent Labels veröffentlichten Alben schlug ihr Major-Debüt „The Project“ acht Jahre später voll ein und erreichte Spitzenplätze in den US-Indie und US-Country-Charts. Doch das war kein Grund, um sich auf dem Erfolg auszuruhen und in dieser Schiene fortzufahren. Schon mit Album Nummer 4 („The Continuum Project“) wagte sie ein Experiment und lieferte eine eigene Interpretation des kompletten Albums „Continuum“ von John Mayer. Das brachte ihr keine hohen Verkaufszahlen, aber die Bewunderung der Musikpresse. Zudem konnte man sich bei diesem Tribute ganz auf ihre fantastische Gitarrenarbeit und ihre wundervolle, starke Stimme konzentrieren.

Das neue Werk „heart theory“ ist der nächste mutige Schritt: Lidsay bekennt sich dazu, Überlebende eines sexuellen Missbrauchs zu sein, und verarbeitet diesen nach der Idee einer Trauma-Therapie. Dazu nutzt sie die sieben Phasen der Trauerbewältigung: Schock, Leugnung, Wut, Verhandeln, Depression, Austesten und Akzeptanz. Dieses Konzept verfolgt sie in sehr persönlichen, für sich selbst sprechenden Titeln wie „I Don’t Love You“, „Want Me Back“ und „Get Over You“.

„Wenn Musiktheorie die Wissenschaft der Musik ist, dann ist ‚heart theory‘ die Wissenschaft des Herzens“, erzählt die Künstlerin über ihr neues Album. „Ich hoffe, dieses Album kann ein Trost sein, wenn man ihn braucht, eine Bestätigung, wenn man sich wieder mal selbst daran erinnern muss, an sich zu glauben – oder einfach ein Blick auf das, was einen zu dem gemacht hat, was man heute ist“.

Beeindruckend sind die Ausdruckskraft und die Energie in ihrer Stimme. Man hört, dass Lindsay gestärkt aus der Situation heraus gegangen ist. Sie verkriecht sich nicht in Melancholie, sondern sie liefert kraftvolle Uptempo-Nummern, die ihr Selbstbewusstsein zeigen. Hinzu kommt die Altstimme, die bisweilen sehr tief  und standfest wirkt. Lindsay hat an elf der zwölf Stücke mitgewirkt und ihre Persönlichkeit in das ganze Album gesteckt. Das spürt man.

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