Söhne Mannheims Jazz Department: Das hat die Welt noch nicht gehört
Die Situation des Musiker-Kollektivs ist nicht einfach, seit ihr Aushängeschild ziemlich abgedreht ist und sich in Verschwörungsmythen flüchtet. Ich will Xavier Naidoo gar nicht angreifen dafür. Es tut einfach weh, wenn jemand, der eine solch starke Stimme hat und für wundervolle Musik steht, so in die falsche Ecke driftet. Was er vermutlich bräuchte, ist ein guter Freund, der ihm die Richtung weist – aber wer soll das übernehmen bei einem Künstler mit derart großem Ego?
Die Stammband geht derweil ganz neue Wege und tut gut daran. Seit 25 Jahren singen uns die Söhne Mannheims Lieder von Liebe und Gemeinschaft, geben Hoffnung, machen Mut. Nach Charterfolgen und Stadiums-Sensationen, zahlreichen Ausflügen in Opernhäuser oder mit Big Bands nahmen sich die Söhne 2017 ein zweijähriges Sabbatical, um sich neu zu sortierten und zu erfinden.
Eine der Erkenntnisse daraus ist eigentlich gar nicht so neu: dass mit dem Gitarristen Kosho, Ralf Gustke am Schlagzeug und Bassist Edward Maclean drei Großmeister des neueren deutschen Jazz in der Rhythmusgruppe spielen, war nie ein Geheimnis. Jetzt bilden sie gemeinsam mit den Stimmen von Söhne-Sänger Michael Klimas und der Sängerin Phalleé das „Söhne Mannheims Jazz Department“. Ein echtes, wunderbares Novum.
Ihre Liebe für die Musik und den Spirit der Söhne Mannheims verbindet dieses Department mit den kreativen Qualitäten des zeitgenössischen Jazz – natürlich, organisch und mit viel Liebe. So singen und spielen sie neben gefühlvoll modernisierten und erweiterten Versionen von Klassikern aus dem Söhne-Repertoire auf diesem Debütalbum auch zwei Eigenkompositionen. Dass „Breathe“ und „Alles ist schon da“ neben den Söhne-Klassikern nicht nur Bestand haben, sondern sich bestens in den dramaturgischen Fluss fügen und auf ihre eigene Art und Weise strahlen, spricht für sich.
Besonders stark finde ich aber die bekannten Titel. „Das hat die Welt noch nicht gesehen“ entfaltet gleich zu Beginn eine entspannte Atmosphäre, die die Richtung für das Album vorgibt. Das Duett „Volle Kraft voraus“ klingt so unglaublich gefühlvoll. Die Arrangements sind kunstvoll und virtuos. So holt Edward Maclean aus den Melodien ganz neue Facetten raus.
Lasziv mit tiefer Stimme singt Phalleé „Geh davon aus“ zu einem fantastischen Basslauf. So wird der Rocksong zum nachdenklichen Monument. „Vielleicht“ lädt noch stärker zum Träumen ein als das Original – im Duett sind die Vokalisten einfach unschlagbar. Das rhythmisch versierte Jazzstück „Zurück zu dir“ lässt den Song in ganz neuem Licht erstrahlen, inklusive energischer Rap-Passagen. Und der verspielte Abschied mit „Lieder drüber singen“ wird zum melancholischen Manifest.
Die zehn Stücke stehen für sich, strahlend, eigen, voller Seele und Kraft. Und das ist nur der Anfang, ein wirklich wunderbarer. Das Söhne Mannheims Jazz Department hat noch viel vor – zuerst werden sie live spielen, ihre Musik unter die Leute bringen. Außerdem immer weiter arrangieren und noch mehr eigene Stücke komponieren. Mehr davon! Auf jeden Fall: Volle Kraft voraus.