Jupiter Jones im Sektor Heimat
Ein neuer Veranstaltungsort in Saarbrücken. Spannend! Hier hat sich nämlich ein Künstlerkollektiv namens „Sektor Heimat e.V.“ niedergelassen, um den Osthafen als Kulturzentrum neu zu beleben. Und wer passt besser als Gast in die freie Kulturszene als Jupiter Jones? Die Band um Nici Müller und Sven Eigner ist momentan als Trio unterwegs. Man hat sich für eine unplugged-Tour entschieden und nahm als Dritte im Bunde die neue Keyboarderin Nina Müller mit. Wie Nici direkt klarstellt: weder verwandt, noch verschwägert.
Sektor Heimat funktioniert momentan vor allem als Techno-Club. Das lässt sich zumindest aus der Deko schließen. Aber es ist auch ein gemütlicher Konzertraum für knapp 300 Zuschauer. Natürlich ausverkauft – und trotzdem genügend Parkplätze im Umfeld zu finden. Jupiter Jones hatte es sich auf der Bühne gemütlich gemacht und mit Stehlampen und schummrigem Licht quasi ein Wohnzimmer aufgebaut.
Den Anfang machte Keyboarderin Nina unter ihrem Künstlernamen WIM. Eine halbe Stunde lang präsentierte sie allein an den Tasten einfühlsamen und ruhigen Deutschpop. Melancholische Melodien am Klavier, mitunter mit elektronischen Klängen ein wenig aufgepeppt. So präsentierte WIM die Songs ihres Debütalbums „Boxer“. Der Titelsong handelt von den schwierigen Zeiten im Moment, vor allem wenn man doch lieber schmusen will statt mit erhobenen Fäusten durchs Leben zu gehen. Nach vielen eingängigen Songs gab es kräftigen Applaus und Nina konnte im Prinzip gleich auf der Bühne bleiben.
Jupiter Jones starteten nämlich nach kurzer Pause um 20.45 Uhr mit einem Intro, das die Stimmung des Abends gut wiedergab: Jedem Anfang wohnt ein Zauber inne. Und „Das Jahr in dem ich schlief“ gehört schon zu den großen Songs der Band. Tiefgründig und voll Melancholie. So ging es dann auch weiter. „Überall waren Schatten“ sowie „Und dann warten“ haben Texte mit philosophischer Gangart. Manchmal kryptisch – und Nici gibt selbst zu, dass er nicht mehr unbedingt weiß, was er sich damals beim Schreiben gedacht hat.
„Atmen“ ist seiner Tochter gewidmet, doch an diesem Abend bekam die 10jährige Zuschauerin Emily ihre Bühne, die die Karte zum Konzert zum Geburtstag bekam und ihr erstes Konzert besuchte. Schöne Momente, in denen auch die Band sichtlich gerührt war. Nina war eine echte Bereicherung fürs Bandgefüge, da sie neben den Keys auch stimmlich mit dabei war und den Sänger im Duett begleitete. Sehr harmonisch klang das – und Nico konnte sich bei „Nordpol/Südpol“ nicht verkneifen, an den denkwürdigen MTV-Auftritt mit Jana Palaske zu erinnern, als diese den Song zum Desaster werden ließ. Davon konnte in Saarbrücken keine Rede sein.
Nach „Rennen und stolpern“ gefolgt von „Mein viel und dein vielleicht“ gab es mit „Immerfürimmer“ den ersten wirklich schnellen Song des Abends. Passte auch, aber die Stimmung ging einfach Richtung Melancholie. So wurden für „Still“ wieder die Handys gezückt, wobei Nici aber darum bat, ihn nicht zu filmen sondern jemanden anzurufen und per Videocall am Song teilhaben zu lassen. So könne man die Zuschauerzahl verdoppeln. Und viele folgten der schönen Idee, wie man anhand der erstaunten Bildschirmgesichter erkennen konnte.
Nach dem stillen, fast gehauchten „Der Nagel“ und „Versickern versanden“ gab es Unruhe in den hinteren Reihen. Jemand war zusammengeklappt. Nici zeigte sofort seine Empathie und Besorgnis, unterbrach das Konzert, ließ die Lichter einschalten, damit der medizinische Notfall in Ruhe behandelt werden konnte. Dafür gab es dicken Applaus, denn in unserer egoistischen Wegschau-Gesellschaft ist das keineswegs mehr selbstverständlich. „Oh hätt ich dich verloren“ war dann irgendwie auch passend.
Natürlich kein JJ-Konzert ohne verbalen Kamp gegen AFD, Nazis und Faschismus. Klar hat man auf einem solchen Event alle Anwesenden auf seiner Seite. Trotzdem ist es wichtig, die Hymne zu skandieren: „Kopf hoch und Arsch in den Sattel“. Das einzige, was hilft. Als letzten Titel gab es die etwas launische Hommage an diese seltsame Stadt „Berlin“, in der sich der Eifeler Junge nie so richtig wohl fühlt, aber er lebt ja zum Glück in Münster.
Nach 90 Minuten gab es die einzige Zugabe: „Auf das Leben“ ist der gern zum Schluss gespielte, optimistische Aufruf, sich nicht unterkriegen zu lassen. Es war der erste Song von Jupiter Jones – und bleibt bis heute ihr Motto. Nach dem wundervollen Konzertabend entließ der Sektor Heimat uns in die kalte Luft des Kulturhafens Ost. Ein grandioser Gig mal wieder. Jupiter Jones? Immer gerne!
Setlist – Jupiter Jones am 14.1.2024 in Saarbrücken
- Das Jahr in dem ich schlief
- Überall waren Schatten
- Und dann warten
- Atmen
- Nordpol/Südpol
- Rennen und stolpern
- Mein viel und dein vielleicht
- Immerfürimmer
- Still
- Der Nagel
- Versickern/versanden
- Oh hätt ich dich verloren
- Kopf hoch und Arsch in den Sattel
- Berlin
- Auf das Leben