Erweiterte Neuauflage eines Kultalbums

Ursprünglich erschien das Album „Classic Rock“ des London Symphony Orchestra im Jahr 1978. Damals war ich neun Jahre alt und habe vor allem Vader Abraham und die Schlümpfe gehört, nun gut. Die Aufnahmen verschafften dem renommierten Orchester weltweite Aufmerksamkeit in einem ganz neuen Musiksegment und führten zu einer umjubelten Tournee mit einem Publikum, das vorher einen großen Bogen um Streicher und Holzbläser gemacht hatte.

Das Projekt war so erfolgreich, dass bis 1985 ganze sechs Alben erschienen sind, die Rock- und Popsongs in die klassische Musikrichtung überführten. Das Genre „Crossover“ war erfunden, das bis heute sehr erfolgreiche Blüten treibt. Das ursprünglich von den Produzenten Don Reedman und Jeff Jarratt entwickelte Konzept avancierte zu einem bahnbrechenden Phänomen und wurde in Großbritannien mit Platin ausgezeichnet.

In drei Stunden und elf Minuten Gesamtlänge werden nun bei der Neuauflage 32 dieser zeitlosen Titel in remasterter Form auf drei Silberlinge gepresst und um sechs brandneu eingespielte Titel ergänzt. Damit bekommt man die ganze Breitseite von Rockmusik aus sechs Jahrzehnten.

Das Album startet mit einem sanft instrumentierten „Human“ von Rag ’n‘ Bone Man und es folgt das unvermeidliche „Viva La Vida“ (Coldplay), das die orchestrale Umsetzung schon im Original-Arrangement mit sich trägt und hier auf die Spitze treibt. Adeles „Hello“ passt mit getragener Schwere in diese Linie. Dann fährt Queens „Somebody To Love“ groß auf, das durch bombastische Chöre der Royal Choral Society ergänzt wird.

Nach diesem starken Quartett läutet „Whola Lotta Love“ die Zusammenstellung der bekannten, zum Teil über 40 Jahre alten Klassiker ein. Die Highlights habe ich noch von meinen Musikkassetten aus den 80er Jahren im Ohr: „Life On Mars“ und „Baker Street“, „Bohemian Rhapsody“ und „Stairway To Heaven“ in fulminanter Größe, „Another Brick In The Wall“ und „Get Back“. Bei „Nights In White Satin“ ist Justin Hayward himself mit an Bord und „Pinball Wizard“ wird durch die Mitwirkung von Pete Townshend als Vokalist verfeinert.

Auch mit der Verklärung einiger Jahrzehnte ist nicht alles perfekt, was das LSO hier eingespielt hat. Oft überlagern die Koloraturen den Song so stark, dass man ausrufen will: weniger wäre mehr. „Life On Mars“ hat mir beispielsweise als Ballade immer besser gefallen. Doch das sind nur Marginalien, schließlich wollte das Orchester sich in epischer Breite zeigen – und das ist allemal gelungen.

Nach Aussage der Verantwortlichen hat sich das Orchester sehr gefreut, mit neuen Aufnahmen in die erweiterte Neuauflage mit einbezogen worden zu sein. Die 38 Stücke strotzen dann auch vor Spielfreude und wirken wie aus einem Guss. Wer auf Classic-Crossover steht, bekommt hier einiges geboten: die Originale aus der Anfangszeit in neuer Qualität und eine Überführung des Konzepts in die Gegenwart. Sehr gelungen!