Jan Böhmermann empfiehlt sich als Ministerpräsident des Saarlands

Auf seiner Tour mit dem Rundfunk-Tanzorchester Ehrenfeld hat Jan Böhmermann die ganz großen Geschütze aufgefahren. Warum auch nicht? Ist er doch bekannt dafür, mit Kanonen auf Spatzen zu schießen. Und in der aktuellen Weltlage werden die Spatzen immer größer und gefährlicher.

Immerhin hatten sich über 3.000 Zuschauer*innen in der Saarlandhalle Saarbrücken eingefunden, um den bekannten Moderator aus Bremen live zu erleben. Zunächst sah man aber vor allem einen Vorhang mit dem übergroßen Bekenntnis „Böhmermann ist Schuld“, der mit leichter Verspätung um 19.45 Uhr fiel und den Blick auf eine formidable 17köpfige Band mit Streichern, Bläsern und Backgroundgesang freigab. Vorher schon gab es als Intro politische O-Töne von Scholz und Trump, um das Publikum einzustimmen.

Dann aber war zunächst einmal das Orchester dran und überzeugte eindrücklich mit grandioser musikalischer Qualität. Hier war wirklich einiges aufgefahren – und das war erst der Anfang einer zweistündigen Show der Extraklasse. Jan Böhmermann am Mikro ist nicht unbedingt eine gesangliche Offenbarung, aber Show kann er. Und für die guten Gesangslinien hat er seine Leute mitgebracht.

Nach dem Mottosong „Faschismus is back“ ging es beispielsweise in „Right Time To Thiel“ um den Unternehmer Peter Thiel, dem Böhmermann ein Stück im James Bond Style widmete, wobei hier Thiel wohl eher als Bösewicht fungiert. Genial aber, was das Orchester aus dem Thema machte. Und überhaupt: immer wieder waren die instrumentalen Zwischenspiele allererste Sahne, wenn Böhmermann mal wieder eine Pause brauchte. Und er brauchte viele Pausen.

In seinem alter Ego als Rapper Polizistensohn gab es mit fettem Sound „Herz und Faust und zwinkerzwinker“ und später im Programm „Recht kommt“, „Ich hab Polizei“ sowie „Bürgermeister“, die Trilogie zur Gewaltenteilung. Aus dem Off meldete sich auch mal Gott zu Wort und es waren noch weitere Gäste anwesend, nämlich die Gesangstruppe Jadebuben, die erstmals in „Wir sind eins“ ein Stelldichein linker und rechter Kräfte nachspielten, die sich am Ende knutschend in den Armen lagen.

Das Orchester machte jeden Spaß mit – spielfreudig besetzt mit jungen Musiker*innen, denen man die Freude an der Performance jederzeit ansah. Das Publikum bejubelte Böhmermanns Ambitionen als Ministerpräsident des Saarlands ebenso wie die Handpuppen der Quietschbeus, die zum Dirk von Lowtzow Cover „Das ist Kunst“ bei den Vocals mithalfen.

Mit den Jadebuben ging es um Radfahrer („Warum hört der Fahrradweg hier einfach auf?“) und Lokführer („Claus Weselsky“). Dann war wieder das Orchester dran und mit viel Groove wurden vom Background und Keyboarderin Olivia Sawano die Coversongs „Vogue“, „Open Your Mind“ und „Let It Happen“ geboten. Musikalisch ganz großes Kino!

Dann ging es auch schon Richtung Finale: Mit Matthias Krämer an der Gitarre lieferte „Licht an! Licht an!“ den wichtigen Song gegen alle Faschos und für „Wirf ein Ei“ kam gar das Grundgesetz höchstpersönlich auf die Bühne.

Nach 95 Minuten machte ein ausgiebiger Zugabenblock die zweistündige Show voll. Zunächst ganz unpolitisch mit dem ewigen ESC-Song „Allemagne Zero Points“. Dann im klassischen Satzgesang anhand des hymnischen Mantras „Böhmermann ist Schuld“ und schließlich mit der Ode an den Bremer Stadtteil „Vegesack“. Und hier sang Böhmermann dann doch besser, als man ihm zugetraut hätte.

Fazit: Die aktuelle Tour bietet wirklich die ganz große Show mit fantastischen musikalischen Elementen, illustren Gästen, einem durch und durch politischen Entertainer, starken Ideen und wichtigen Parolen. Ein konzertantes Erlebnis, das die Botschaften des Politjournalisten auf die Showbühne bringt und mit dem er trotzdem Haltung (vor allem gegen Rechts) bewahrt.