Die Stone Temple Pilots bringen die Kölner Live Music Hall zum Kochen
In den vielerorts instabilen Zeiten, die wir im Moment erleben, ist es schön auf Konstanten zu treffen. Die Stone Temple Pilots sind eine solche Konstante. Mit der Veröffentlichung ihres Debütalbums „Core“ gelingt der Band 1992 auf Anhieb der Durchbruch. Nach vier weiteren erfolgreichen Studioalben geben die Stone Temple Pilots 2003 aufgrund interner Differenzen ihre Auflösung bekannt, um 2008 erneut zusammenzufinden und 2010 ihr sechstes Album zu veröffentlichen. Nach dem tragischen Tod ihres legendären Frontmannes Scott Weiland 2015 übernimmt für kurze Zeit der inzwischen ebenfalls verstorbene Chester Bennington von Linkin Park das Mikrofon. 2017 findet die Band über ein Casting in Jeff Gutt schließlich einen neuen Leadsänger, der erstmals auf ihrem im März 2018 erschienenen, wie bereits sein Vorgänger ebenfalls schlicht „Stone Temple Pilots“ betitelten Album zu hören ist. In der Besetzung Dean DeLeo an der Gitarre, Schlagzeuger Eric Kretz, Robert DeLeo am Bass und eben Jeff Gutt sind die Grunge-Heroen aktuell für drei Termine in Deutschland unterwegs. Nach Berlin ist Köln heute ihre zweite Station, der morgen noch Frankfurt folgt.
Dieser Dienstag wird zum heißesten Tag der Woche. In der Spitze werden in der Domstadt 35 Grad gemessen. So führt unser erster Weg in der Live Music Hall auch direkt zum Bierstand. Aber offensichtlich hat selbst hier die Kühlung schon vor den Temperaturen kapituliert, denn das Bier ist bestenfalls laukalt. Also vertreiben wir uns die Zeit mit der Vorgruppe. Die heißt Walking Papers, kommt aus Seattle und dürfte hierzulande weitestgehend unbekannt sein. Dabei gehörten bei Gründung der Walking Papers vor sieben Jahren ein gewisser Duff McKagan von Guns N’Roses und Barrett Martin von den Screaming Trees zum Line-Up. Auf die beiden müssen die Kölner leider verzichten. Stattdessen ist das ursprüngliche Quartett inzwischen zum Sextett angewachsen und überzeugt eine halbe Stunde lang mit feinstem Bluesrock. Zudem ist Sänger Jeff Angell eine beeindruckende Rampensau, der zum Ende des Auftritts von der Bühne springt und quer durch die Live Music Hall spaziert. Ein Auftritt, der im wahrsten Sinne des Wortes aufhorchen lässt.
Um kurz vor 21 Uhr ertönt dann das Intro von „Trippin‘ On A Hole In A Paper Heart“ und die vier Stone Temple Pilots betreten unter dem Jubel der geschätzt 1.000 Fans die Szenerie. Im Gegensatz zum Bierstand gibt die Klimaanlage im Inneren der Halle alles und macht die Temperaturen halbwegs erträglich. Warum Jeff Gutt und Robert DeLeo auf der Bühne eine Sonnenbrille tragen, erschließt sich mir allerdings nicht. Sei’s drum. Hinein ins Vergnügen. Auf die Frage, was die Fans während der kommenden Tour erwarten dürfen, hatte Robert DeLeo geantwortet: „Nach so langer Zeit voller Erfahrungen im Leben fühlen wir uns verpflichtet, tief in einem Katalog zu graben, der über 30 Jahre gewachsen ist. Dabei versuchen wir, jene Songs zu berücksichtigen, die wir noch nicht live gespielt haben. Wir wollen auch den Leuten, die uns in der Vergangenheit erlebt haben, die Chance geben, Songs zu hören, die wir auf früheren STP-Shows nicht gespielt haben. Wir wollen diese Lebenszeiten mit unseren Performances feiern!“.
Und so eröffnen mit „Wicked Garden“, „Crackerman“ und „Vasoline“ auch gleich drei Kracher aus der frühen Schaffensphase der Band das Set. Im Publikum sieht man viele Träger alter Tour-Shirts, die über diesen Auftakt sichtlich begeistert sind. Vor mir steht jemand im Shirt der 1994er „Purple“-Tour und es passt sogar noch. Hut ab! Jeff Gutt erinnert optisch tatsächlich ein wenig an Scott Weiland und hat neben einer überzeugenden Bühnenperformance auch eine ähnliche Stimme zu bieten. So ist in gleich zweierlei Hinsicht zu hoffen, dass er länger bleibt als sein Vorgänger. Und zu „Glide“ legt er auch endlich die etwas angeberische Sonnenbrille ab. So zieht die Band mit „Big Empty“, zu dem sich Gutt ein Bier aus dem Publikum reichen lässt (das er dann locker auf ex trinkt), einer grossartigen Gänsehaut-Version von „Plush“ und „Meadow“, der ersten Single ihres aktuellen Albums, eine musikalische Schneise durch die schwül-schwere Luft in der Live Music Hall. Die Stone Temple Pilots halten was Robert DeLeo versprochen hat und spielen sich einmal quer durch ihren Backkatalog, der ja schon immer mehr zu bieten hatte als „nur“ Grunge und in dem neben Psychedelic-Elementen und Blues auch Anleihen im Pop zu finden sind.
Als mit „Interstate Love Song“ dann mein ganz persönlicher Favorit folgt, verlange selbst ich meinem bereits komplett durchgeschwitzten T-Shirt nochmal alles ab. Jeff Gutt schmeißt sich sogar zu den Fans in die ersten Reihen, die ihn in die Luft heben, wo er scheinbar schwebend „Roll Me Under“ ins Mikrophon brüllt. Das Main Set endet so wie es begonnen hat, nämlich mit „Trippin‘ On A Hole In A Paper Heart“, diesmal in der Full Band-Version. Zurück bleibt eine im doppelten Sinne kochende Halle – was die Temperaturen und die Stimmung angeht. Bei den beiden Zugaben „Dead & Bloated“ und „Sex Type Thing“ sind dann alle im Feiern vereint – die alten T-Shirt-Träger und die jungen Neu-Fans, die zum Teil noch gar nicht auf der Welt gewesen sein dürften, als die Stone Temple Pilots ihren Siegeszug begannen. Nach 80 ebenso kurzen wie kurzweiligen Minuten verabschieden sie gemeinsam eine Band, die an diesem Abend in Köln nur glückliche und verschwitzte Gesichter zurücklässt und bewiesen hat, dass altes Eisen eindeutig anders klingt. Der einzige, der am Ende des Konzerts noch aussieht wie aus dem Ei gepellt, ist Robert DeLeo. Und seine Sonnenbrille hat er auch noch an.