Über das Leben, die Nacht und das Brüdersein
Den Schauspieler Wotan Wilke Möhring kennt man inzwischen vor allem als Kommissar Thorsten Falke im Tatort. Doch auch musikalisch war und ist er überaus aktiv – vor allem mit Punk und Filmmusik. Cineasten kennen ihn zudem aus Filmen wie „Otto, der Katastrofenfilm“, „Das Experiment“ und „Männerherzen“.
Mit Sönke Möhring hat Wotan Wilke einen fünf Jahre jüngeren Bruder, der ebenfalls das Schauspielfach gewählt hat. Spätestens seit seiner Rolle in Quentin Tarantinos „Inglourious Basterds“ ist er seinem großen Bruder ein Stück weit ebenbürtig. Ob das einen Konkurrenzkampf aufheizt? Zumindest sind die beiden auf dem Cover ihrer gemeinsamen Biografie „Rausch & Freiheit“ in gequälter Eintracht zu besichtigen. Der Untertitel „Über das Leben, die Nacht und das Brüdersein“ spricht Bände.
Definitiv sind es zwei Persönlichkeiten, die mich sehr interessieren. So macht es absolut Sinn, sich diesem Buch zu widmen. Ich muss allerdings gestehen, dass ich mich anfangs damit sehr schwer getan habe. Zunächst beschreiben die beiden einen gemeinsamen Sommer in New York, später dann das Leben in Berlin. Das alles wirkt bisweilen sehr konfus und ich hatte häufig Mühe, den roten Faden nicht zu verlieren.
Es geht um Höhepunkte, Niederlagen, Brüche und Versöhnungen: Wie sie im Ratinger Hof in Düsseldorf gemeinsam feiern, Autos knacken, wie sie in den USA in einer Kleinstadt in einem Sozialprojekt arbeiten, in New York die Geburtsstunde der House-Musik erlebten und Sönke dort bei einem LSD-Trip fast ums Leben kommt. Sie erzählen von der Zeit beim Bund als Fallschirmjäger und von dem Rausch im freien Fall und wie sie ins Techno-Berlin der 1990er Jahre eintauchen. Diese Geschichten sind ein Trip durch die Popkultur und erzählen zugleich vom Leben zweier Brüder, die ihren Weg suchen – einzeln und gemeinsam.
Man erfährt sehr wenig von Hintergründen aus dem Filmgeschäft, aber viel aus dem Alltag zweier bisweilen recht chaotischer Menschen, verknüpft mit dem Konkurrenzkampf zweier Brüder, die sich gegenseitig übertreffen wollen. So ist es ein kluger Schachzug, eine Doppel-Biografie zu schreiben. Die unterschiedlichen Sichtweisen auf das gleiche Ereignis werden gekonnt als Stilmittel eingesetzt und machen die Erzählung an manchen Stellen sehr spannend.
„Bei Drehbüchern heißt es immer: Du musst die Geschichte in ein bis zwei Sätzen zusammenfassen können. Ich versuch das mal für dieses Buch: Es ist ein Brüderbuch – die Geschichte zweier ungleicher Brüder, die, jeder auf seine Art, ihre eigenen Grenzen sprengen, und dabei den Wert des anderen erkennen. So in der Art. Oder vielleicht auch ganz anders.“ Diesen beschreibenden Worten von Wotan Wilke Möhring ist nichts mehr hinzuzufügen.