Die volle Breitseite – Das Impericon Festival in Oberhausen
Angekommen in Oberhausen fragt man sich zunächst, wo lang nur… Am besten erstmal dem Meer aus Merchandise hinterherlaufen. Dies bewahrheitet sich dann auch und man kommt letztendlich an der U-Bahn an, die einen zum Ort des Geschehens bringt: Die Turbinenhalle. Im Laufe des Tages sollen auch noch die letzten Tickets an der Abendkasse verkauft werden, weshalb die Halle mit gut 3500 Besuchern ausverkauft ist. Bei dem Line Up nicht wirklich ein Wunder.
Gelandet möchte man sich nach einer langen Zugfahrt aus Köln doch erst mal was zu essen gönnen. Und jetzt wird schon klar, die Halle ist zu klein bzw. die Zuschauerzahl zu hoch. Nach den Konzerten ist es schlimmer als bei einem Stau auf der A 57 im Feierabendverkehr. In der großzügigen Verpflegungshalle angekommen, wird man für seine Strapazen entschädigt. Ein wirklich großes Angebot lockt und lädt zum Geld ausgeben ein. Vegane Essensstände, ein Friseur, günstige Shirts bei der Hardcore Help Foundation oder Kaffee und Kuchen: Hier bleibt wirklich kein Wunsch offen. Fühlt sich mehr nach Loolapalooza als Impericon an.
In der großen Halle angekommen wird man eines Besseren belehrt, als Carnifex die Bühne betreten und mit ihren Bassdrops scheinbar versuchen, die Halle einzureißen. Warum eine Band dieser Größenordnung allerdings schon gegen 14 Uhr verheizt wird ist mehr als fraglich. Auf jeden Fall kommt die Show an und die ersten wütenden Pits werden eröffnet. Man begibt sich in die zweite Halle und wird mit den unglaublich harten Walking Dead On Broadway begrüßt. Die bei Impericon unter Vertrag stehende Band liefert eine Show ab, mit der man absolut zufrieden sein kann. Deathcore vom allerfeinsten. Wer als Support von Emmure auf der Bühne stand, hat auch einige Ansprüche an sich selbst. Die erfüllen die fünf aber um Längen. Und direkt wieder zurück in die andere Halle. Um hier jede Band mitzubekommen, sollte man schon ein wenig sportlich sein. Die kurzen Pausen zwischen zwei Bands auf zwei Bühnen verlangen einem manchmal schon Sprints ab. Dagegen ist das Vainstream mit seinen zwei nebeneinander stehenden Bühnen fast schon eine Seniorenveranstaltung.
Die australische Party-Hardcore-Combo Deez Nuts reißt jetzt erst mal die Hütte ab. Wie gewohnt läuft Sänger JJ Peters mit kurzer Hose und Kapuzenpulli die Bühne auf und ab. Selbstverständlich eine Hand lässig im Pulli. Alle Hits werden gespielt, sowie einige neue Songs der neuen LP „Word Is Bond“ präsentiert. Jetzt braucht man eine Pause. Schnell zurück ins Schlaraffenland, erst mal eine leckere kalte Pizza für vier Euro gönnen. Chillout-Areas und Festivalbändchen gibt es hier übrigens auch. Alles großzügig gesponsert von Monster Energy. Das sollte dann auch langen an Pause. Whitechapel stehen in den Startlöchern: Und liefern einen der besten Auftritte an diesem Tag ab. Phil Bozeman schreit sich mal wieder sämtlichen Hass von der Seele und die Bassdrops von Carnifex werden noch übertroffen. Nur eine Band sollte den Boden am Abend noch mehr zum beben bringen. Doch dazu später mehr.
Es folgen nun Auftritte von Being As An Ocean und Obey The Brave, welche eine gewohnt solide Leistung zeigen und den kleinen Saal ordentlich zum kochen bringen. Being As An Ocean zauberten eine Stunde zuvor übrigens mal eben ein unglaubliches Akustik-Set aus dem Hut nachdem sie komplett ausrasteten. Sehr facettenreich die Jungs.
Wir nähern uns nun den Highlights des Abends. Das merkt man daran, dass es in der großen Halle ungefähr doppelt so voll und circa 50 Grad wärmer wird. Stick To Your Guns betreten die Bühne und holen ihr Publikum mit ihrem punkbeeinflussten Sing-Along-Hardcore von erster Sekunde an ab. „We Still Believe“ verursacht hier Gänsehaut vom allerfeinsten und sorgt für einen unvergesslichen Moment. Kommen wir nun zu einer Band, die sich nach dem tragischen Tod ihres Sängers Mitch Lucker in einem Zwiespalt sondergleichen befand. Ex All Shall Perish Frontmann Eddie Hermida trat ein schweres Erbe an. Was er hier allerdings darbietet, dürfte Mitch, selbst dort, wo er jetzt ist, vor Freude seinen stampfenden Fuß durch die Wolken treten lassen. Unfassbare Screams und Growls direkt aus der Hölle. Suicide Silence machen da weiter, wo sie aufgehört haben: Mit ungeahnter Wucht. Sie sind es übrigens auch, die Whitechapels Bassdrops noch übertreffen. Der Boden, und das ist nicht überzogen, wackelt.
Die beiden Headliner der großen Halle geben sich nun nacheinander die Ehre, wobei The Ghost Inside hier das Maß aller Dinge sind. „Dear Youth“, „Dark Horse“ und das epische „Engine 45“ sind nur einige Meisterwerke, die sie hier zum Besten geben. 50 Minuten geballte Power mit der man erst mal versuchen muss umzugehen. Caliban setzen mit ihrem Auftritt einen mehr als gelungenen Schlusspunkt des Festivals.
Alles in allem ist der Tag sehr gut verlaufen: freundliche Mitarbeiter, rücksichtsvolles Publikum (Violent Dancing sieht man kaum), gute Stimmung und erstklassige Bands machen dieses Festival zu einem perfekten Ausflug. Einzig die Größe der Halle bzw. die Anzahl der Besucher hat nicht gepasst.