Jennifer Weist präsentiert sich als Solokünstlerin

Die Band Jennifer Rostock wurde im Jahr 2007 auf Usedom gegründet, doch schnell zog es das Quintett um Frontfrau Jennifer Weist nach Berlin. 2008 legte man ein beachtenswertes Debüt vor, das sich wohltuend von der Schwemme deutschsprachiger Rockbands mit weiblichen Vocals abhob. Energiegeladen und authentisch, mit ironischen Texten – auch heute noch ein Dauerbrenner in meinem Player. In wenigen Jahren haben sich Jennifer Rostock ihren Ruf als lauteste, wildeste, wahnsinnigste, unbeständigste, schrillste und kreativste Deutschrockband ehrlich erspielt.

Doch elf Jahre später war erst einmal Schluss. Am 13. Mai 2018 fand das vorerst letzte Konzert in der Berliner Columbiahalle statt und läutete eine immer noch andauernde Pause ein. Die Band hat sich offiziell nicht aufgelöst – das wird immer wieder betont. Doch ein wirkliches Lebenszeichen gibt es auch nicht. Allerdings ist Jennifer jetzt unter dem Namen Yaenniver solo unterwegs. Ihr Debütalbum „Nackt“ ist vor wenigen Tagen erschienen. Mit Jennifer Rostock ist das neue Projekt tatsächlich nicht zu verwechseln, denn es klingt erstaunlich anders.

Da wäre zunächst der Opener „Intro“ im Stil bester Deutschrap-Selbstdarstellung. Yaenniver erklärt sich selbst und ihre Intention. In gutem Flow nimmt sie schon einmal die Kritik vorweg, die sie vermutlich schnell erreichen wird: Was denn nun? Sängerin, Moderatorin, Businessfrau, jetzt auch noch Rapperin? Doch da steht Jennifer locker drüber und rappt schon mal alle Vorurteile weg, bevor sie ein recht vielseitiges Album vorlegt.

Schon der zweite Track „Halb so ich“ ist ein mitreißender Popsong, der uns die echte Jennifer zeigt, die sich nie in die Zwangsjacke einer patriarchalen Gesellschaft hat stecken lassen. Bisher hat sie ihre Überzeugung nie zurückgesteckt, auch wenn sie dafür manche Angriffe überstehen musste.

Yaenniver nimmt kein Blatt vor den Mund, singt laszive Songs wie das energische „Ich ficke jeden“ und den Anmach-Song „Sag deiner Freundin“. Sie kann ebenso stark rappen wie sie in den gewohnt rockigen Melodien durchstartet. Für eine neue, feministische Version von „Mädchen, Mädchen“ hat sie sich „Lucilectric“ Luci van Org höchstpersönlich mit an Bord geholt und für das frivol angehauchte Elektro-Duett „For Real“ geht sie in den Dialog mit Rapper Sway Clarke.

Kraftvolle Pop-Beats mit Hip-Hop-Elementen führen wie ein roter Faden durch das Album. Dabei gibt es mit den Balladen „Seebrücke“ und „Ich setz dir ein Zeichen“ auch durchaus Momente zum Atemholen.

Jennifers Texte sind gewohnt politisch und gesellschaftskritisch, ihre Songs sind eine Offensive, die den Ton mit Themen wie Wertvorstellungen, Freiheit in all ihren Facetten, Empowerment, Selbstreflexion und Lebenslust angibt. Stets mit Wortwitz und Tiefgang, mal mit einem Augenzwinkern, mal mit strenger, verletzlicher Ernsthaftigkeit – aber immer ehrlich.

Im direkten Vergleich mit der Band Jennifer Rostock gefällt mir deren Rockattitüde um 1-2 Klassen besser, doch zumindest zeigt Yaenniver hier, dass sie auch als Solokünstlerin bestehen kann, etwas zu sagen hat und locker 42 Minuten eines Debüts ohne peinliche Lückenfüller besteht.

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