Ein weises Spätwerk zum „Buch der Psalmen“
Bekannt wurde Paul Simon als Teil des weltbekannten Duos Simon & Garfunkel, das in einem Reigen aus Trennung und Reunion gefühlt ewig existiert hat, aber doch im Jahr 1970 sein letztes reguläres Studioalbum veröffentlichte. Danach war es vor allem Paul Simon, der auch solo seine Weltkarriere fortsetzen konnte. Das Album „Graceland“ ist legendär und erfuhr 2018 eine Remix-Neuauflage. Im gleichen Jahr gab der damals 77jährige das Ende seiner Bühnenkarriere bekannt. Inzwischen ist er 81 und werkelt immer noch an neuen Releases.
2018 erschien „Into The Blue Light“, fünf Jahre später ist es jetzt eine Veröffentlichung mit religiösem Inhalt: „Seven Psalms“. Hintergrund ist das biblische „Buch der Psalmen“ und die Entstehungsgeschichte ist mehr als kurios. Simon sagt nämlich, dass ihm die Idee im Traum gekommen sei und er in vielen Nächten zwischen 3.30 und 5.00 Uhr aufgewacht sei, um die Lyrics niederzuschreiben.
Ich muss sagen, dass mich der Release zunächst überrascht hat, denn ich hatte getragene Songs erwartet, die mit einem klassischen oder gregorianischen Touch serviert werden. Aber weit gefehlt! Paul Simon besinnt sich auf seine Kernkompetenzen und hat ein wundervolles Gitarrenalbum abgeliefert, das man seiner Ansicht nach nicht in die sieben Psalme zerstückeln, sondern am Stück hören soll. So umfasst der einzige Track auch ganze 33 Minuten (die im Vinylformat zweigeteilt werden – und nur hier hat man die Möglichkeit, die Stücke einzeln anzuwählen).
Mit dem grandiosen Gitarrenspiel und Pauls charismatischer Stimme ist das Album sehr meditativ gehalten. Oft schleichen sich esoterische Passagen ein und der spirituelle Wert ist allgegenwärtig. Simon singt über Gott und die Liebe, berichtet von seinem Selbstverständnis und der musikalischen Karriere, zeigt Davids Harfe als Inspiration und blickt im letzten Teil „Wait“ auf sein Leben zurück, um zugleich die Transzendenz des nachfolgenden Lebens vorauszuahnen.
Ich finde es wunderbar, wie entspannt und selbstzufrieden Paul Simon im Alter wirkt. Weise wie eine Eule, wobei das Cover von Thomas Morans Kunstwerk „Two Owls“ inspiriert ist. Musikalisch wird der Meister von Instrumenten wie Flöte und Streichern, aber auch den extravaganten Chalumeau und Theorbo begleitet. Auf vokaler Seite kann man bei vier Stücken die fantastische A-cappella-Formation Voces8 hören und bei „The Sacred Harp“ und „Wait“ wird er im Duett von seiner Frau Edie Brickell – ebenfalls eine überragende Songwriterin – unterstützt.
Das Album erinnert an die Spätwerke von David Bowie und Leonard Cohen. Definitiv ein großes Album!