Selbstentblößung in starken Chansons
Mit „Like a Hobo“ gelang Charlie Winston im Jahr 2009 der internationale Durchbruch. Inzwischen hat der britische Singer/Songwriter aus Cornwall eine Reihe weiterer Alben veröffentlicht. Das aktuelle Werk trägt den Titel „As I Am“ und kann durchaus als Standortbestimmung durchgehen. Kein Wunder also, dass uns der Sänger recht erwartungsvoll im Porträt-Format vom Cover entgegen blickt.
Das fünfte Album von Charlie Winston, entstand in einer ganz besonderen Situation: hinter verschlossenen Türen und unter dem ständigen Gebot der sozialen Distanzierung und der Einhaltung von Präventionsmaßnahmen. Ein glückliches Paradoxon, denn der englische Sänger tritt hier ohne Maske auf und war eigentlich nie ein Freund der Selbstentblößung.
Der Titel des Albums hat für Charlie den Wert eines Mantras: „Es ist eine Art, mich daran zu erinnern, wer ich jetzt bin, und dass Loslassen nicht gleichbedeutend mit Aufgeben ist“. Daraus ergibt sich eine große Inspiration für 14 neue Songs nach vier Jahren Pause und einer Gesamtlänge des Albums von 53 Minuten, was in der schnelllebigen Gegenwart wahrlich nicht selbstverständlich ist.
Neu ist die fruchtbare Zusammenarbeit mit dem französischen Superstar und Hitmacher Vianney. Winston hatte seit jeher ein Faible für französische Chansons und sagt selbst, dass er von Jacques Brel stark inspiriert wurde. Er hat lange in Frankreich gelebt, bevor er 2014 nach London zurückkehrte.
Der Opener „All That We Are“ gibt eine nachdenkliche Richtung vor. Charlie singt eindringlich und mit agiler rhythmischer Begleitung. „Algorithm“ kommt ebenfalls im Uptempo und mit Winstons charismatischer Stimme. Ein starker, akustischer Start, der in die Melancholie von „Exile“ mündet.
Für das beschwingte „Don’t Worry About Me“ hat Winston sich Ibrahim Maalouf mit an Bord geholt. „Shifting Paradigms“ enthält ein Feature des Liedermachers Vianney und besticht durch den Kontrast beider Stimmen. Ein großartiges Zusammenspiel, vor allem wenn sie zweistimmig erklingen.
Sehr stark kommt die Pianoballade „I Will Never Hold You Back“ und etwas überraschend gibt es in „Letter From My Future Self“ einen prägnanten Sprechgesang, der einen fiktiven Brief aus dem Jahr 2063 vorträgt. Mit „Unconscious“ beendet ein fast siebenminütiger Song das Album, bei dem Charlie von klassischen Pianoläufen begleitet wird. Sehr atmosphärisch und getragen.
Der Singer/Songwriter legt hier ein sehr persönliches Album vor, das zwischen Pop, Folk und Chansons schwankt, dabei aber dennoch wie aus einem Guss klingt. Absolut stark!