ASP am 9. April im Kölner Gloria
Bereits eine halbe Stunde vor Beginn des eigentlichen Highlights, hält der Abend Überraschungen im Petto. In Erwartung eines fest eingeplanten Fototermins drängeln sich vereinzelte Besucher in das Kölner Gloria. Anstelle der heiß ersehnten Abbildungen, entgegnet man ihnen lediglich mit Ablehnung. Fotos wird es an diesem Abend nicht geben.
Trotz der immensen Besucherzahl und geballter Vorfreude, welche in beinahe jedem Gesicht mühelos abgelesen werden kann, startet die „Pre-Show“ von ASP mit einem unverhofften Schlag in die Magengrube. Pünktlich um 20 Uhr versetzen die ersten Klänge das Gloria-Theater in Schwingung. Leises Flüstern geht durch die Reihen, mischt sich in das Glucksen und Lachen trinkseliger Konzertbesucher und deutet bereits ab der ersten Sekunde die allseits positive Stimmung an. Im Strom von Atmosphäre und Gleichgesinnter plötzlich bricht Jubel aus, als Alexander Spreng alias ASP imposant wie man es gewohnt ist, die Bühne betritt. Diesmal jedoch mit einer Überraschung für diejenigen, die nicht nur seine musikalisch-literarischen Kunstwerke über die Jahre verfolgen, sondern auch einen aufmerksamen Blick in die Richtung des Menschen hinter ASP werfen. Schlanker, kompakter und gänzlich energetisch heißt er die Menge willkommen, nimmt sie an die Hand und leitet mit der Fürsorge eines charmanten Onkels zur bevorstehenden Reise in das Universum des Schwarzen Schmetterlings ein.
Die erste Etappe startet bereits mit einer Anzahl von zahlreichen Überraschungen. Nämlich in Form von De Profundis, einem absoluten Klassiker der frühen Bandgeschichte. Kaum werden die ersten Akkorde gespielt, kann man ringsherum in erfreute Gesichter und selbst im Halbdunkel schillernde Augen blicken. Spreng macht gerade seinen langjährigen Fans auf diese Weise ein gern in Empfang genommenes Geschenk. Leider gibt es, wie bei allen schönen Dingen im Leben, auch in dieser Hinsicht einen Haken. Schon früh lässt Spreng verlauten, dass einige Klassiker ihren Weg nicht in das Gloria und die Ohren der Zuhörer finden würden. Skeptische Blicke folgen, Hand in Hand mit verunsichertem Bangen um persönliche Favoriten aus dem Sortiment der Band. Du bist nie allein, Hunger und Me markieren die Hälfte der gemeinschaftlich begonnenen Reise. Handys, Smartphones und selbst Kameras findet man nur die ersten Minuten in der Luft wider. Eindringlich wird von Alexander Spreng mehrfach gewünscht, dass wir, die Zuschauer, die Konzertgänger, die Musikliebhaber und Freunde, ungeteilte Freude empfinden sollten, nicht etwa elektronische Gerätschaften. Tosender Applaus reflektiert sein Anliegen in einstimmiger Akzeptanz. Wie so oft an diesem Abend.
In der Zwischenzeit fällt dem wachen Auge, spontan von der Muse geküsst, eine humorvolle Interpretation der Bühnenbeleuchtung auf. Totenköpfe, knöcherne Gestalten und schaurig-schöne Bilder unterstreichen nicht nur lyrische Komponente und Inhalte dargebrachter Lieder, sondern auch das gesamte Ambiente. Wären da nicht bunt flackernde und leuchtende Lichter, die man bei genauem Hinsehen als zuckersüße Blumen begreifen kann. Na, ob das so gedacht war? Gemessen nicht nur an der überwältigenden Reaktion der Masse folgte auf halbem Wege das Glanzstück des Konzerts. Sich an ein geschicktes Katz und Maus Spiel anreihend folgt Varieté Obscur und versetzt selbst Bewegungslegatheniker in helle Aufregung. Wohin auch immer der Blick huscht, man fand nicht mehr als die strahlendsten Gesichter, in nächster Nähe ein herzerwärmendes Lächeln nach dem anderen und das mit Abstand schönste Augenpaar des Sonntagabends. Doch sind es nicht nur die Zuschauer, die von Euphorie getragen jeden Vers mtsingen. Spreng selbst scheint von einer Welle der Emotionen mitgerissen. Zwischen sicheren Ansprachen und Anekdoten, seinem charismatischen Schauspiel als intellektuelle Persönlichkeit und Entertainer, fällt es nicht schwer, auch in seinem sonst leichenblassen Gesicht, Überwältigung festzustellen. Ohne Herrn Spreng zu nahe treten zu wollen, muss an dieser Stelle festgehalten werden, dass seine aufrichtige Freude über ihm entgegen gebrachte Leidenschaft noch lange Zeit im Gedächtnis bleiben wird. Nach zwei sehr klaren Hinweisen auf ein bereits im Herbst erscheinendes Album, folgt mit 20.000 Meilen das Titellied der neuen Platte. Verglichen mit seinem direkten Vorgänger, einer Rockabilly Interpretation von Finger weg! Finger!, verblasst diese Preview merklich.
Mit Werben entlässt ASP die Zuschauer in den restlichen Abend. Wie es sich gehört rufen einheitliche Gesänge und Choräle, die mehr an die Beschwörung des Teufels erinnern, die Band noch einmal zurück auf die Bühne. Leider für gerade einmal eine einzige Zugabe, statt der eigentlich antizipierten drei Lieder. Nach insgesamt siebzehn Tracks und einem breiten Spektrum, das von Alexander Spreng und ASP abgedeckt wird, endet das Konzert. Trotz der unglaublichen Stimmung, die bereits mit Betreten des alten Lichtspielhauses einsetzt, hinterlässt die Auswahl der mitgebrachten Lieder einen fahlen Beigeschmack. „Weltunter“, „Raserei“, „Biotopia“, „Krabat“, „Denn ich bin der Meister“, „Kokon“, „Und wir tanzten“, „Ich will brennen“und viele weitere, absolut denkwürdige Meilensteine der Band fanden keinen Platz in die Setlist des Abends. Zwar machte Spreng bereits früh deutlich, dass unmöglich jeder dieser Songs gespielt werden würde – immerhin sollte an diesem Abend „alles anders“ sein – und gemessen an siebzehn Jahren emsiger Arbeit und nicht weniger als elf Studioalben grenzt es an einer Unmöglichkeit, zu hundert Prozent zufriedengestellt zu werden. Trotz dieses Wissens und zweifellos vorhandenem Verständnis, bleiben einige Besucher mit tiefer Sehnsucht zurück.