Es ist vielleicht ein Fluch für so manche Musiker, dass sie auch nach längeren Solokarrieren immer noch mit der Band in Verbindung gebracht werden, mit der sie ihre ersten Erfolge hatten. Bei Eddi Hüneke war das die A-cappella-Gruppe WISE GUYS – und ich glaube, er erinnert sich ganz gerne an diese Wurzeln. Schließlich hat er für sein aktuelles Album „Träum weiter“ unter anderem auch einige ehemalige Mitsänger zu Gast im Studio. Der gemeinsam aufgenommene Song „Weißt du noch“ gehört auf jeden Fall zu den vielen Highlights von Eddis neuem Werk.
Der sympathische Kölner ist nicht nur ein toller Sänger, sondern auch ein großartiger Songwriter mit einem guten Gespür für eingängige Melodien und aussagekräftige Texte. Bei den Wise Guys hat er dies ebenso unter Beweis gestellt wie auf seinen ersten beiden Solo-Alben – und „Träum weiter“ zeigt eindrucksvoll, dass ihm die guten Ideen noch lange nicht ausgehen. „Musik, die Mut macht“ – so beschreibt der Künstler selbst seine Lieder äußerst treffend. Und wenn sich der Opener und Titelsong von den poetischen Strophen zum begeisternden Refrain steigert, macht das nicht nur Mut, sondern verbreitet auch ungemein viel Lebensfreude!
Vielfältig und passend für verschiedenste Lebenslagen geht es dann weiter – mal glücklich verliebt mit „Immer wieder neu“, mal herrlich verrückt mit der „Lebkuchensamba“ oder zutiefst entspannt und zufrieden in „Ich fühl mich gut bei dir“. Wenn ihm der Trubel der Welt mal zuviel wird, singt Eddi „Komm, wir gehen auf den Friedhof“ – und wer dann trotz allem noch nicht zufrieden ist, kann sich zumindest auf ein „Frohes Neues Jahr“ freuen.
Eine ganze Reihe talentierter Musiker sorgen für die vielseitigen und stimmige akustischen Arrangements. Neben den bereits eingangs erwähnten Sängerkollegen bekommt Eddi auch noch mehr gesangliche Unterstützung. Gemeinsam mit Jördis Tielsch singt er das bezaubernde Duett „Zwischen den Welten“, und mit Tobi Hebbelmann, der ihn schon seit längerem als Bühnenpartner begleitet, feiert er in „Das Ziel ist der Weg“ die wohltuende Normalität nach der Corona-Zwangspause. Für den Abschlusstitel „Friedenslied 2022“ hat sich Eddi dann einen ganzen Jugendchor und die junge Solistin Norea eingeladen und verbreitet mit ihnen eine der wichtigsten Botschaften unserer Zeit: „Lasst uns gemeinsam Friedenslieder singen!“
Eddis Lieder laden zum Tanzen und Mitsingen ein, wärmen Herz und Seele und machen manchmal auch einfach nur Spaß. So soll gute Musik sein!
50 Jahre stehen die Höhner schon auf der Bühne und gehören damit zu den bekanntesten Kölner Musikgruppen, die vor allem im Karneval aktiv sind. Klassiker en masse stammen aus ihrer Feder und man kennt einige davon, auch wenn man mit dem närrischen Treiben nichts am Hut hat – garantiert! Von den Gründungsmitgliedern der Band ist allerdings seit 2015 keiner mehr dabei. Und Henning Krautmacher, von 1986 bis 2022 Frontmann und Aushängeschild, hat aus persönlichen Gründen kürzlich seinen Abschied erklärt. Und das ganz emotional: Seine Ehefrau ist schwer erkrankt und er will sie nicht mehr so lange allein lassen, wie das bei vorherigen Tourneen der Fall war. Dafür haben auch die Fans großes Verständnis und es ist bezeichnend, dass die Europahalle in Trier trotz des kurzfristigen Besetzungswechsels ausverkauft war und es keine leeren Plätze in der Halle gab. Nun ist Jens Streifling, der früher bei BAP aktiv war, das dienstälteste Mitglied und der neue Leadsänger Patrick Lück legt schon seit einem Jahr eine formidable Show hin. Die Übergabe des Staffelstabs von Henning zu Patrick erfolgte reibungslos.
Die Zuschauer*innen in Trier durften eine Show erwarten, die von besinnlich bis rockig alles zu bieten hatte. Es gab wundervollen A-cappella-Gesang, akustische Songs und echten Rock’n’Roll. Dazu kamen natürlich einige Klassiker der Band. Und gemischt wurde das mit witzigen Anekdoten, heimeligen Erzählungen und einem ausgedehnten Sketch.
Zu Beginn gingen die Bandmitglieder singend durch das Publikum und trugen den „Drummer Boy“ in kölscher Sprache vor. Ein erstes Highlight des Abends und der unumstößliche Beweis, dass alle sechs auch am Mikrofon bestehen können. Eigene Songs wie „Fest der Liebe“ und „Ne besondere Kalender“ setzten das Konzert stimmungsvoll fort. Natürlich wurde auch an Henning gedacht, den man zu einem Riesenapplaus auf großer LCD-Leinwand einblendete und für einen Song integrierte. Ein feiner Zug, der viele Anwesende erfreute.
Eine atmosphärisch vorgetragene Geschichte beschäftigte sich mit dem Thema „Ausländer raus“. Was, wenn die Waren des täglichen Bedarfs den blöden Spruch ernst nehmen und sich auf den Weg in ihre Heimat machen? Wenn es plötzlich nur noch wenige Gewürze und kaum Obstsorten gibt, wenn den Autos die Ersatzteile fehlen und der morgendliche Kaffee ausbleibt? Eine schöne Moral, die nachdenklich machte und an die alte Tradition der Höhner in Projekten wie „Arsch huh, Zäng ussenander“ erinnerte.
Weiter ging es rockig mit „Wann Jeit D’r Himmel Widder Op“ und alle konnten sich an ihren Instrumenten kräftig auslassen. „Engel vun Linie 8“, „Die Türme vom Dom“ und „E levve lang“ lieferten kölsches Lokalkolorit, das wie viele andere Songs mit Bildern aus Köln – allen vorn der Dom aus unterschiedlichen Blickwinkeln – illustriert wurde. Zudem fanden sich unterschiedliche Bandmitglieder am Mikro ein, was das musikalische Geschehen ungemein auflockerte.
Doch natürlich durften auch die Klassiker nicht fehlen und Frontmann Patrick Lück zeigte sich hier ganz souverän in den viel gesungenen Stücken. Er konnte das Publikum mit „Echte Fründe“, das in der Gregor-Meyle-Version geboten wurde, ebenso begeistern wie mit „Schenk mir dein Herz“. Hier war Mitsingen und Mitschunkeln angesagt. Die erste Hälfte endete nach 65 Minuten mit „Die schönste Stross“, das eine wundervolle A-cappella-Passage enthielt.
Nach 20minütiger Verschnaufpause gab es wieder eine Anekdote mit viel Drama um ein wenig Lametta. Musikalisch wurde es immer vielseitiger und Jens Streifling begeisterte an Dudelsack, Saxofon und Klarinette. „Dat kölsche Hätz“ wurde besungen und man verwies auf die Zirkusshow VIVACE, die demnächst in Köln starten wird. Daraus gab es dann auch eine schöne Kostprobe mit singenden Marionetten.
In „Morje“ ging es um Silvester und die bekannten guten Vorsätze. Dann gab es zu den Klängen von „Scheißegal, ob du Huhn bist oder Hahn“ (ja, das Publikum war textfest) einen längeren Sketch namens „Loriot op Kölsch“. Man blieb mit „Die Karawane zieht weiter“ noch im lustigen Metier, machte dann aber eine abrupte Kehrtwende zu Eric Clapton und brachte ein hervorragendes Medley aus Songs wie „Tears in Heaven“, „Wonderful Tonight“ und „Layla“. Den perfekten Übergang zurück zu den Höhnern lieferte „Viva Colonia“ in einer Blues-Version.
Vor dem Konzertende war wieder A-cappella-Zeit. Die Band stellte sich am Bühnenrand auf und gab einige Weihnachtslieder im sechsstimmigen Satzgesang zum Besten. Hallo! Damit könnte man locker ein ganzes Kirchenprogramm füllen. Hut ab für diese Leistung, der „Gloria in excelcis deo“ als spezielle Version mit kölschen Lyrics folgte.
Die Show endete nach zweieinhalb Stunden mit den Zugaben „Hey Kölle – Du bes e Jeföhl“ (da wurden alle Anwesenden im Herzen zu Kölner*innen) und dem Abschluss „Frohe Weihnacht“. Die Höhner hatten das Publikum komplett in ihren Bann gezogen mit einer Show, die viele emotionale Momente bot. Die Weihnachtsshow ist immer ein Erlebnis – und der Termin für 2023 steht schon: am 1. Dezember in der Europahalle Trier.
The Slow Show – Ein bewegtes Wiedersehen nach langer Pause
Es war ein langer Weg bis zu dieser Tour – und doch fühlt es sich an, als „wäre man in einem großen, wunderbaren Wohnzimmer“, wie Sänger Rob Goodwin bei dem Konzert im Gloria in Köln feststellt. Über zwei Jahre mussten die Gigs von The Slow Show corona-bedingt immer wieder verschoben werden. Umso intensiver war das Erlebnis für alle Beteiligten, nun endlich wieder live spielen und erleben zu können.
Der Name der Band ist dabei Programm: The Slow Show entschleunigen deutlich und lassen für gut anderthalb Stunden vieles vergessen. Es wird einem aber auch einfach gemacht: Die sonore Baritonstimme von Rob Goodwin entführt leicht in andere Sphären und die Arrangements der Band unterstützen dies auf ihre Weise. Dabei kommt The Slow Show mittlerweile schon seit einigen Jahren ohne Bassisten aus. Stattdessen leistet Chris Hough am Schlagzeug einiges; ist an den richtigen Stellen im Hintergrund, fast schon sanft, um kurz darauf kräftige Höhepunkte zu setzen. Frederik t’Kindt sorgt am Keyboard für die passende Untermalung, während Joel Byrne-McCullough entsprechende Gitarrensounds liefert. Live ist bei dem Konzert zudem Olivia Sawano dabei, die nicht nur an den Tasten für Bläser- und Streichersounds sowie andere Zusätze sorgt, sondern zudem den gesanglichen Gegenpart zu Rob Goodwin bildet. Manchem könnte sie vom Rundfunk Tanzorchester Ehrenfeld bekannt sein.
Alles zusammen ergibt den typischen Slow-Show-Sound: minimalistisch, mit einer dichten Atmosphäre; gleichzeitig mit einem teilweise bombastischen, fast schon pathetischen Sound, der sich um den Gesang und die Rezitationen Goodwins legt. Thematisch geht es um Liebe, Leiden, Leben und Tod, Verlust und Gewinn, aber auch um politische Aspekte, wobei die Lyrics betont poetisch, aber einfach gehalten sind. Durch alles schimmert ein Funke Hoffnung hindurch, der für verzückte Gesichter sorgt. Blickt man sich im vollgepackten Gloria um, sieht man lächelnde Münder, geschlossene Augen und mal ein leichtes Mitwiegen zum Klang, mal ein ausgelasseneres Tanzen. Dabei ist es erstaunlich ruhig im Saal: Aller Augen (und oft auch Smartphones) sind auf die Bühne gerichtet, zwischen den Songs braust der Applaus auf, begleitet von einigen wenigen Rufen und Jubeltönen, als würde niemand die aufgebaute Atmosphäre stören wollen.
Dabei ist auch schon im Vorfeld des Auftritts die Aufmerksamkeit des Publikums auf die Solo-Künstlerin gerichtet: Jenny Thiele, vielen als Keyboarderin der Kölner Band Fortuna Ehrenfeld bekannt, läutet mit einem rund 30-minütigen Set den Abend ein. Sie switcht gekonnt zwischen Tasten und Gitarre, begleitet vom Drum-Loop; zwischendurch kommt auch der gesamte Sound aus der Konserve, was der Darbietung aber sicherlich keinen Abbruch tut. Die Musikerin, deren neues Soloalbum in Kürze erscheint, überzeugt mit englischsprachigen Songs inklusive Tanzeinlagen in Overall und Discokugel-Helm. Im Herbst/Winter ist sie nicht nur mit Fortuna Ehrenfeld, sondern auch Solo auf Tour.
Anderthalb Stunden lang geht das Set von The Slow Show, die damit auch einen Querschnitt ihres bisherigen Werks liefern: Alle vier Alben und einige frühe Songs des Quartetts aus Manchester sind mit vertreten. Dabei verliert Rob Goodwin nur wenige Worte zwischen den Songs, doch der gesamten Band merkt man Spielfreude und Dankbarkeit für die nun endlich stattfindende Tournee deutlich an. Man könnte auch sagen: Das lange Warten hat sich eindeutig gelohnt.
Wer an Progressive Metal und Djent denkt, der rechnet mit Musik von Musikern für Musiker – und sonst für sehr wenige. Polyrhythmen, undurchsichtige Songstrukturen und meist aggressive Vocals erschweren den Genuss für den unbedarften Hörer. Monuments verschmelzen diese Elemente nun auf ihrer aktuellen Platte „In Stasis“ mit eingängigen Vocals und packenden Refrains. Das schafft Zugänglichkeit und reißt live auch den Letzten vom Hocker.
Monuments, das ist eine 2009 gegründete Progressive Metal-Band aus UK, die gemeinsam mit Genregiganten wie Periphery und Tesseract die Teildisziplin des Djent definierte. Nach diversen Lineup Änderungen scheinen die Briten mit Andy Cizek nun endlich das letzte noch fehlende Puzzleteil gefunden zu haben. Mit dem 2022 erschienen vierten Studioalbum „In Stasis“ liefern sie dafür höchst eindrucksvoll den Beweis.
Das MTC in Köln ist an diesem Samstagabend ausverkauft und gerammelt voll. Es ist eine von diesen Locations, die nicht viel brauchen, um eine familiäre und herzliche Atmosphäre zu liefern – am allerwenigsten eine Heizung. Dicht gedrängt, schwitzend erwartet das Publikum ein Feuerwerk und wird nicht enttäuscht. Die Energie des Raums kann man förmlich mit Händen fassen.
Den Abend eröffnen The Dali Thundering Concept, ein Pariser Quartett, das sich an einem Spagat aus Deathcore und Progressive Metal versucht. „God is dead“ heißt der erste Song. Den riffhungrigen Zuschauern wird schnell klar: Die Fahrtrichtung des Sets ist definiert. Spielend leicht, so scheint es, wird eine höchst explosive Mischung aus brachialen Riffs, brutalen Drums und erbarmungslosen Vocals vorgetragen. Alles eingefasst in merkwürdigste Taktarten, Tempiwechsel und gespickt mit Überraschungsmomenten. Das faszinierte und kopfnickende Publikum befindet sich auf einer konstanten (und aussichtslosen) Suche nach der „1“. Nach einer knappen halben Stunde ebnet ein unerwartet emotionales Finale den Weg für den Mainact.
Monuments betreten die Bühne, sie eröffnen mit „Cardinal Red“. Keine drei Sekunden später brennt die Luft, das Publikum wird von den Beinen gerissen. Eine schlicht unfassbare Energie erfüllt den kleinen Club, es ist kaum möglich, sich zu entziehen. Frontman Andy Cizek nutzt die Nähe zu den Zuhörern für diverse Crowdsurfing-Einlagen, die ihn freilich nicht von seiner absolut überzeugenden Performance abhalten. Gegen ein solches Brett aus Riffs von John Browne muss man sich erstmal durchsetzen.
Neben Songs der neuen Platte finden auch Tracks der älteren Alben ihren (berechtigten) Platz im Set. „Degenerate“ und „Regenerate“ begeistern, besonders aufgrund der überwältigenden Präsentation. Kein Bandmitglied kommt zum Stehen, die Bühnenpräsenz hätte besser nicht sein können. Trotzdem trägt Browne komplizierteste Riffs in gewohnt perfekter Umsetzung vor. Die Finger fliegen über das Griffbrett – mühelos. Wer einen Fehler findet darf ihn behalten.
Der Bass steht dem in nichts nach. Mit Werner Erkelens springt ein Niederländer live für den sonst gesetzten Bassisten Adam Swan ein, der bei dieser Tour nicht dabei ist. Gemeinsam mit dem neuen-alten Drummer Mike Malyan, dem man den Spaß an der Show zu jeder Sekunde (trotz anspruchsvollster Parts) ansieht, legt Erkelens ein durchdachtes und grooviges Fundament, das fetter kaum sein könnte.
Nach etwas mehr als einer Stunde schließt das Quartett mit „Lavos“ – doch das heisere und erschöpfte Publikum will mehr: Die Band packt „I, Creator“ aus – eine perfekt gewählte Zugabe, die auch dem Letzten noch das letzte bisschen Power raubt. Die energiegeladene Performance lässt keine Wünsche offen und überzeugt zu 100%: Progressive Metal kann mehr, als nur ein kleines Randpublikum überzeugen. In einer solchen Umsetzung ist diese Musikrichtung in Teilen sogar tanzbar – ganz sicher aber salonfähig!
Manchmal gibt es Konzerte, die so ganz anders verlaufen, als man sich das vorgestellt hat. So hatte ich keine Idee davon, was mich bei einem Konzert von Roman Lob erwartet. Der Sänger aus Düsseldorf hat vor zehn Jahren Deutschland beim Eurovision Song Contest in Baku vertreten. Damals war er gerade 21, hatte die von Stefan Raab konzipierte Show „Unser Star für Baku“ gewonnen und belegte beim ESC immerhin einen respektablen achten Platz (ja – wir waren nicht immer die Letzten im Wettbewerb).
Roman Lob lebt immer noch am Rhein, ist Sänger der Kölschrockband StadtRand und erwartet just sein zweites Kind, wie wir im Lauf des Abends erfahren durften. Außerdem ist er immer mal wieder musikalisch in der Region Trier unterwegs. Und so kam auch dieser ganz besondere Abend zustande: Vier Herzenmenschenen haben sich zusammengetan, um ihre Herzensmusik zu spielen und damit ein Herzensprojekt zu unterstützen.
Das Konzert fand im Innenhof des „Palais am Balduinsbrunnen“ statt. Der Palais e.V. ist ein Träger der Kinder- und Jugendhilfe und mit dem Erlös der Veranstaltung werden Kinder, Jugendliche und deren Familien in besonderen Notlagen und bei unverschuldeten finanziellen Engpässen unterstützt. So hatten sich zu diesem Benefizkonzert gut 150 Zuschauer im beschaulichen Innenhof inmitten von Trier eingefunden und genossen die atmosphärische Umgebung.
Punkt 20 Uhr ging es los und Keyboarder Marco Lehnertz sowie Schlagzeuger Stefan Schoch nahmen ihre Plätze auf der kleinen Bühne ein. Marco ist bekannt als Keyboarder von Jupiter Jones, StadtRand sowie den Coverbands „Dynamite Funk“ und „We Rock Queen“. Bisher habe ich ihn nur spielen gehört, umso überraschter war ich von seiner Stimme und der Performance des Gregor Meyle-Songs „Niemand“. Vocals in deutscher Sprache stehen dem Eifeler sehr gut und es war ein gelungener Start in einen fantastischen Abend. Drummer und Perkussionist Stefan ist vor allem durch seine Mitwirkung in der Thomas Schwab Band und beim Erfolgskonzept JUST SING bekannt.
Beide hätten den Abend vermutlich locker allein gestalten können, doch natürlich wurde Roman Lob als Star des Abends erwartet und stürmte zu den Klängen seines eigenen Songs „After Tonight“ vom Debütalbum „Changes“ die Bühne. Ein stimmlich brillanter Einstieg, der davon künden sollte, was vom Rest des Abends zu erwarten war. Interessant dabei: Marco und Roman wechselten sich an den Vocals ab und beide waren großartig. Wenn Marco sang, blieb Roman meist on stage und sorgte für Stimmung. Auch das machte ihn ungeheuer sympathisch.
Die Konzeptidee war: Wir gehen zusammen auf die Bühne und interpretieren unsere Lieblingslieder. Einfach und genial! Dabei gab es eine Menge Überraschungen. Marco kam mit einem melancholischen „Fields of Gold“ und dem doch recht unbekannten „Pinguine“ – im Original von Schauspieler Tom Beck. Auch Roman wartete mit spannenden Songs auf: Da gab es das soulige „Immer noch“ des Schweizers Seven und zwei akustisch filigran arrangierte Stücke des Norweger DJs Kygo („Higher Love“) sowie des kanadischen Rappers Drake („Hold On, We’re Going Home“).
Roman erzählte von seiner Nervosität, weil er in den nächsten Tagen zum zweiten Mal Vater wird. Er verteilte Schnaps an einen Zuschauer, weil dieser nicht freiwillig im Konzert war, und probierte sich im Trierer Platt: „Quant, datt dir hei seid“. Auch Marco war zu Späßen aufgelegt und spielte auf Wunsch des Publikums „Wir sagen Danke schön“ der Flippers von seinem Handy ein.
Das war aber ein musikalischer Ausreißer, denn mit „Keine ist wie du“ (wieder von Gregor Meyle) und „Zuhause“ (Fynn Kliemann) legte Roman zwei melancholische Glanzlichter hin, was Marco mit „Schönste Zeit“ von Bosse konterte. Inzwischen war der Trierer Carlos Wagner am Saxophon zur Band gestoßen und verfeinerte die Klänge mit grandiosen melodischen Einlagen. Außerdem tauschte Stefan immer häufiger die Percussion gegen ein Akkordeon, was zu der Anekdote führte, wie seine Eltern ihn früher zum Akkordeon-lernen zwangen. Beide waren anwesend und sonnten sich kurz im Applaus.
Dann war es Zeit für Kölschrock, aber auf die ruhige Art. Von StadtRand sang Roman Lob zunächst die Ballade „Wenn do laachs“, die er für seinen Sohn Jakob geschrieben hat, und dann den ungewöhnlichen Karnevalssong „Hin un widder“, der keineswegs auf Partystimmung ausgelegt ist sondern an die fehlenden Menschen erinnern soll, die uns „von oben zuschauen“. Roman nutze die Gelegenheit, um Werbung für die Weihnachtstour von StadtRand zu machen, die beispielsweise am 16.12. in Bitburg spielen werden.
Weiter ging es mit dem Hit „Save Tonight“, den Marco interpretierte, und einer ganz speziellen Version von „You’ve Got The Love“ (Florence + The Machine) von Roman. Außerdem war es wieder an der Zeit, dass Marco die Zuschauer mit deutschen Songs zum Träumen und Feiern brachte. Es gab „Still“ von Jupiter Jones und dann mit „Ein Kompliment“ der Sportfreunde Stiller einen ausgiebigen Mitsingteil. Das Publikum blieb nur noch selten auf den Sitzen – es wurde getanzt und im großen Chor mitgesungen. Inzwischen kam die Lightshow der Kulturkarawane bestens zur Geltung und man hatte allerorten Kerzen entzündet und elektronische Teelichter aufgestellt. Die Atmosphäre war traumhaft.
Nach kräftigen zwei Stunden Konzertlänge kündigte Roman im Anschluss an Johannes Oerdings „Schön“ seinen ESC-Song „Standing Still“ an, den man auch nach zehn Jahren noch erstaunlich gut im Ohr hat. Als letzte Zugabe gab es wieder einen Oerding-Song, diesmal (für die regionalen Musiker sehr passend) „Heimat“, gesungen von Marco.
Die Zuschauer spürten, dass sie Zeuge eines ganz besonderen und so nicht mehr zu wiederholenden Konzertabends geworden waren und verblieben noch lange bei Wein und Bier in der lauschigen Sommeratmosphäre des Palais. Es war ein Abend fürs Herz und für viele vermutlich unvergesslich. Eine Neuauflage im nächsten Jahr? Auf jeden Fall wünschenswert!
Songliste – Benefiz Sommer Open Air, 5.8.2022
Niemand (Gregor Meyle) – Marco
After Tonight (Roman Lob) – Roman
Fields of Gold (Sting) – Marco
Immer noch (Seven) – Roman
Pinguine (Tom Beck) – Marco
Higher Love (Kygo) – Roman
Hold On, We’re Going Home (Drake) – Roman
Für immer ab jetzt (Johannes Oerding) – Marco
Keine ist wie du (Gregor Meyle) – Roman
Zuhause (Fynn Kliemann) – Roman
Schönste Zeit (Bosse) – Marco
Wenn do laachs (StadtRand) – Roman
Hin un widder (StadtRand) – Roman
Save Tonight (Eagle-Eye Cherry) – Marco
You’ve Got The Love (Florence + the Machine) – Roman
Kasalla aus Kölle haben sich innerhalb von elf Jahren zu einer der meist gebuchten und erfolgreichsten Mundart-Bands entwickelt. Einen großen Teil ihres Erfolgs haben sie ihrer bodenständigen und modernen Art zu verdanken, aber natürlich begeistert besonders die Musik ihre Fans und eine breite Zielgruppe. Die Texte treffen den aktuellen Zeitgeist, berühren die Menschen und regen zum Mitsingen an. Die Melodien zeichnen sich durch eine musikalische Vielfalt aus, die sich zwischen den Genres Chanson, Folk, Rock, Elektro, Funk und neuerdings sogar Rap bewegt.
Das aktuelle Album hat ein geniales Cover. Es zeigt Flo Peil, Basti Campmann, Rene Schwiers, Sebi Wagner und Nils Plum mit Wolfsgesichtern und im Hintergrund den roten Vollmond über der Stadt. Ein starkes Statement – wie eine Gruppe von Werwölfen, die endlich wieder zu musikalischem Leben erweckt werden wollen. Es war auch eine schwere Zeit für Kasalla. Nicht nur, dass sie ihren Kölschrock nicht vor Publikum spielen konnten – auch die beliebten Karnevalsveranstaltungen fielen komplett weg. Was ist der Kölner ohne Karneval? Nur ein halber Mensch.
Das neue Album sollte bereits vor zwei Jahren erscheinen, aber da die großen Stadionkonzerte immer wieder verschoben werden mussten, entschied man sich für den Release einzelner Songs und schiebt jetzt (endlich) das komplette Album nach. 18 Stücke in altbekannter Qualität und mit einer Gesamtlänge von 78 Minuten. Wenn es viel Neues zu besingen gibt, muss natürlich die komplette CD-Länge ausgenutzt werden.
Schon der Opener und Titelsong liefert einen rockigen Start. Die kölsche Sprache ist uns durch Wolfgang Niedecken sehr vertraut und Kasalla klingen hier wie BAP und BRINGS zu ihren besten Zeiten. Da schwingt immer auch ein Stück Melancholie mit, wenn die Wölfe auf der Suche nach ihrem Rudel aus Fans sind. Gitarrenriffs, chorische Passagen, eine starke Produktion – endlich geht es wieder los. „Immer noch Kasalla“ ist eine Standortbestimmung, die balladesk mit polyphonen Passagen beginnt und sich dann zum Rapsong entwickelt. Man kann sich vorstellen, wie damit künftig die Stadion gerockt werden.
In ihrer musikalischen Vielfalt sind die Fünf kaum aufzuhalten. Neben dem klassischen 80er-Rock gibt es ruhige Momente wie in „Bunte Hungk“ und „E janz klei Besje“, die Hymne „Leuchtrakete“, das optimistische „Typ em Speejel“ – alles mitreißend und in den fröhlichen Kölner Dialekt verpackt. Für „Jröne Papajeie“ arbeitete man mit Eko Fresh zusammen und ruft zu Toleranz und Diversität auf.
Kaum ein Song dauert unter vier Minuten. So leben Kasalla endlich wieder ihren ganzen musikalischen Glanz aus und versprühen ihre Ideen in voller Länge. Bringt ja eh nix, sich an Radioformate zu halten, wenn die Sender einfach die Schublade „Karneval“ aufmachen und die Band dort verorten, auch wenn sie so viel mehr zu bieten hat. Mit ihrem neuen Album bleibt die Band auch nach der Corona-Zwangspause „Immer noch Kasalla“!
Mit dem Laden des Videos akzeptieren Sie die Datenschutzerklärung von YouTube. Mehr erfahren
Dass Wolfgang Niedecken ein Faible für die Musik von Bob Dylan hat ist schon seit Beginn seiner Karriere mit BAP bekannt. Zu dieser Zeit war er oft allein mit Gitarre und Mundharmonika unterwegs, was ihm schnell den Spitznamen „kölscher Dylan“ einbrachte. Er machte dieser Zuschreibung alle Ehre, indem er schon früh kölsche Texte zu Liedern von Dylan verfasste und 1995 ein ganzes Soloalbum mit neu getexteten Dylansongs namens „Leopardefell“ veröffentlichte.
Im Jahr 2017 ist Niedecken im Auftrag des TV Senders ARTE zu einer Reise auf den Spuren von Bob Dylan aufgebrochen. Kreuz und quer durch die USA, wo er mit vielen ehemaligen Weggefährten, Fotografen, Journalisten und Musikern gesprochen hat, die kompetent über Bob Dylan’s Amerika Auskunft geben konnten. In der KiWi Musikbibliothek erschien schließlich 2021 ein spannendes Büchlein, das den Titel „Wolfgang Niedecken über Bob Dylan“ trug. Im Booklet zum CD-Release „Dylanreise“ erzählt Niedecken nun von der Tour zu den Originalschauplätzen und von der Arbeit am Buch, das er als Fan für Fans geschrieben hat.
Als es im vergangenen Jahr keine Chance auf BAP-Konzerte gab und alle Pläne in die Tonne gekloppt werden mussten, ergriff Wolfgang die Gelegenheit beim Schopf und konnte auf eine kleine Tour in einer Mischung aus Lesereise und Songwriter-Session gehen. Da vieles davon als Open Air und vor sitzendem Publikum stattfand, konnte man die Locations dann doch ganz ordentlich füllen. Wer es trotzdem verpasst hat, bekommt jetzt mit dem 3CD-Release „Dylanreise“ einen hinreichenden Eindruck.
CD 1 und 2 geben das Programm wieder, das aus Texten aus Niedeckens Buch bestand, zu denen sich dann 16 Songs gesellten, die wahlweise auf Englisch, in kölscher Sprache oder in einer Mischung aus beidem zu Gehör gebracht wurden. Viele hätten vermutlich eine live-CD der Tour erwartet, doch „Dylanreise“ ist tatsächlich ein Studiowerk. Schade eigentlich – aber vielleicht kommt ja noch ein DVD Release.
Die Songs sind allesamt neu aufgenommen – mit Niedecken an Gitarre und Mundharmonika sowie Mike Herting am Piano. Auch gesanglich liefert Herting entsprechende Unterstützung im Backing. Die Songs sind nicht alle von Bob Dylan. „Sinnflut“ ist beispielsweise eine Eigenkomposition aus dem Jahr 1979 und „Leev Frau Herrmanns“ stammt gar aus 1977.
Ganz groß in Sachen Dylan wird es aber mit Stücken wie „The Times They Are A-Changin“, „Wie ’ne Stein (Like A Rolling Stone)“, „Quinn, dä Eskimo“ und „Only A Hobo“. Dazwischen erzählt Wolfgang mit seiner charismatischen Stimme von Kneipengig-Erfahrungen, von seinen Berührungspunkten mit Dylans Musik, von dessen erstem Deutschland-Gig und vielen anderen Anekdoten.
Eine coole Sache übrigens, dass auf CD 3 nochmal alle Songs ohne Zwischentexte auftauchen und noch um drei Bonus-Stücke aus Niedeckens Dylan-Katalog erweitert wurden (unter anderem „Knocking On Heaven’s Door“ und „The Christmas Blues“). Denn sind wir mal ehrlich: Die Scheiben mit den Lesetexten hört man sich auf jeden Fall einmal an. Vielleicht auch noch ein zweites oder drittes Mal. Doch irgendwann will man die Musik genießen und ist genervt, nach jedem Track einmal auf die Skiptaste drücken zu müssen.
Der Digipack mit den drei Silberscheiben ist sehr wertig aufgemacht und enthält Fotos von Niedecken sowie seinem Compagnon Mike Herting an Piano und Backing Vocals. Zudem sind Wolfgangs Liner Notes zu den Hintergründen des Albums sehr informativ. Für Fans von Dylan und Niedecken ist der Release essentiell – für alle Anderen auf jeden Fall empfehlenswert!
Mit dem Laden des Videos akzeptieren Sie die Datenschutzerklärung von YouTube. Mehr erfahren
Es muss im Jahr 2008 gewesen sein, als sich „Deutsche Welle TV“ bei mir meldete. Wir hatten ein Konzert mit unserem Vokalensemble und sie wollten eine Reportage darüber bringen. Motto: Rheinland-Pfalz hat prozentual gesehen deutschlandweit die meisten Chorsänger. Die fünfminütige Doku beginnt mit Aufnahmen eines verlassenen Dorfes, meines Heimatorts. Man hatte sich die ältesten Gebäude und leere Straßen für ein Stimmungsbild ausgesucht. Die Idee dazu: „Was soll man hier schon Anderes machen als zu singen?“. Wir konnten darüber lachen, denn schließlich ist Singen unser liebstes Hobby – aber auch nicht mehr. Ich kann aber nachvollziehen, wie es Daniel Dickopf, Sänger und Hauptsongwriter bei den Wise Guys und den Alte Bekannten, gegangen sein muss, als der WDR eine Doku über die Auflösung der Wise Guys sendete. Die Aufnahmen waren einseitig zusammen geschnitten und zeigten eine zerstrittene Band. Alles Positive wurde vorsorglich weggelassen, um die Tendenz des Beitrags nicht zu stören.
Davon berichtet Dän, wie ihn Fans und Freunde liebevoll nennen, sehr offen in seinem Buch „Sommer ist, was in deinem Kopf passiert – Kneipengespräche über Gott und die Welt“. Dass Kneipengespräche einen äußerst philosophischen Charakter haben können, weiß wohl jeder, der mal morgens um drei Uhr als Letzter in der Lieblingskneipe saß – mit zugezogenen Vorhängen, weil die Sperrstunde schon längst vorbei war – und mit dem Wirt in politische Diskussionen verfiel. Grundlage dieses Buches sind ähnliche Situationen: Daniel Dickopf wollte keine herkömmliche Biographie schreiben. Er ließ sich aber von dem Theologen und Journalisten Bernd Becker zu einer Interview-Reihe überreden, die an 6-7 Abenden in verschiedenen Kölner Kneipen stattfand, von dem Co-Autor mitgeschnitten und inhaltlich zusammengefasst wurde. Das Ergebnis ist ein eindrucksvolles Taschenbuch mit Geschichten aus Däns Karriere und mit tiefen Einblicken in seine Ansichten und Gefühle.
Es geht um die unterschiedlichsten Themen, aber natürlich spielt Musik immer eine herausragende Rolle. Dän berichtet von seinen musikalischen Anfängen, den ersten Auftritten der Wise Guys, der Freundschaft und den späteren Streitigkeiten. Dabei ist er grundehrlich und versucht, nichts zu beschönigen. Trotz seiner oft subjektiven Sichtweise schwingt auch immer das Verständnis für die Kollegen mit. Dann geht es um vermeintlich Alltägliches im Musikerleben: Woher die Ideen für die Songs kommen, wieviel Autobiographisches in den Texten steckt, warum man auch nach Jahrzehnten auf der Bühne noch Lampenfieber hat, wie Nähe und Distanz zu den Fans entstehen und das tägliche Leben beeinflussen. Solche Hintergründe sind absolut faszinierend – vor allem wenn man nur die Künstlerseite eines Sängers kennt.
Was in Däns Kopf passiert, ist nicht immer nur „Sommer“. Er berichtet authentisch von seinen Depressionen. Das kann Mut machen, vor allem in solch schwierigen Zeiten wie den gegenwärtigen. Ohne Corona hätte es das Buch vielleicht (noch) nicht gegeben. Bei bis zu 150 Auftritten pro Jahr bleibt nur wenig Freizeit für solche Projekte. Wie aktuell das Buch ist, merkt man, wenn Dän von seinen Aktivitäten im Jahr 2020 spricht. Er hat viele seiner Lieblingslieder erstmals instrumental aufgenommen und es wird zwei neue Kinderlieder-CDs geben: eine jetzt im Herbst, eine in der ersten Jahreshälfte 2021. Die Pandemie-Krise macht kreativ. Und Kinderlieder sind dankbare Möglichkeiten, da Dän sie nicht live auf der Bühne ausprobieren muss.
Fans der A-cappella-Musik und Chorsänger kommen hier voll auf ihre Kosten. Es gibt wertvolle Tipps zu Straßenmusik und anderen Auftritten. Man bekommt ein Gefühl dafür, wie es ist, vor 70.000 Menschen zu spielen. Dän lehnt sich auch weit aus dem Fenster und beschreibt die Eigenschaften der Menschen in verschiedenen Städten – natürlich nur was ihre Funktion als Publikum angeht.
Ganz zum Schluss gibt es auch klare politische Aussagen. Gegen die AFD, gegen Heimatstolz, für Weltoffenheit und starke Gefühle. Daneben ist Dän der Lokalkolorit aber wichtig. Das Verhältnis der echten Kölner zu ihrer Stadt ist nun einmal ein ganz besonderes. Dän erzählt vom Karneval, von den vielen Liedern über die Stadt, von Bands und Einzelpersonen. Entdeckt wurden die Wise Guys von den Höhnern, die ihre Karriere zu Beginn enorm unterstützen. Dann gibt es auch lustige Anekdoten, beispielsweise zum legendären Auftritt bei „Geld oder Liebe?“ der nicht den erwünschten Erfolg brachte, weil just an diesem Tag Lady Di verstarb und die Sondersendungen die entsprechende Show bis spät in die Nacht verschoben.
Behutsam gehen die Gespräche auf das schwierige Verhältnis zu den Ex-Kollegen ein. Journalist Bernd Becker leistet hier eine klasse Arbeit, wenn er Däns Aussagen und Gedanken zu verschiedenen Themen zusammenfasst und in eine gut lesbare Textform bringt. Man erhält tiefe Einblicke in die Gedankenwelt eines sympathischen Menschen, der aber auch seine Ecken und Kanten zeigt. Wie nach dem zehnten Bier in der Stammkneipe.
Auch wenn der Sitz unsere Online-Magazins vor wenigen Wochen klammheimlich von Köln in die Region Trier verlegt wurde, so zeichnet uns dennoch weiterhin die Liebe zur schönsten Stadt am Rhein aus. Da darf man auch mal einen Roman rezensieren, der absolut nichts mit Musik zu tun hat, sondern einfach nur eine Zukunftsvision von Köln in 70 Jahren zeichnet.
PERRY RHODAN ist die umfangreichste Science-Fiction-Serie der Welt und eine der bekanntesten Unterhaltungsmarken im deutschsprachigen Raum. Seit 1961 erscheint die Serie wöchentlich – jeweils als gedruckter Roman, als E-Book und als Hörbuch. Dazu kommen Bücher und Taschenbücher, Hörspiele und Hörbücher sowie verschiedene Sammelartikel. Mit PERRY RHODAN NEO erlebt die Serie seit 2011 eine Art zweiten Anfang: Während in der klassischen Serie der Astronaut Perry Rhodan im Jahr 1971 zum Mond fliegt und dort auf Außerirdische trifft, beginnt die Reise bei NEO im Jahr 2036. Rhodan startet ebenfalls zum Mond, trifft auf die menschenähnlichen Arkoniden und einigt mit ihrer Technik die Menschheit.
In beiden Serien bleibt die grundsätzliche Moral: Perry Rhodan kämpft für Toleranz und Gleichberechtigung, für ihn stehen Menschenrechte und Frieden im Zentrum. Und was den Beginn der Serie bildete, findet seine Fortsetzung in der Zukunft des Jahres 2090. Häufig spielen die einzelnen Geschichten auf fernen Planeten, in den Tiefen des Alls oder auf riesigen Raumschiffen. Immer wieder aber ist auch die Erde ein Schauplatz für die Handlung. „Die Himalaya-Bombe“ bildet keine Ausnahme – mit einem Unterschied: Köln wird als eine Metropole der Zukunft inszeniert.
Rüdiger Schäfer, der diesen Roman geschrieben hat, ist als einer von zwei Autoren für die Steuerung von PERRY RHODAN NEO zuständig. Er entwirft die Welt der Zukunft, von ihm stammen die Handlungsvorgaben, nach denen seine Kolleginnen und Kollegen schreiben. Der Autor wohnt in Leverkusen, er ist häufig in Köln. Ihm war es deshalb ein besonderes Anliegen, über das Jahr 2090 in Köln und anderen Städten zu schreiben. Sein Blick auf Köln ist manchmal auch augenzwinkernd. Schäfer erzählt von einem Kölner Dom ohne Baugerüste, von Brücken und fliegenden Bussen, von Außerirdischen, die eine kleine Kolonie haben, und anderen Dingen. Aus Sicht seiner Heldin, einer Wissenschaftlerin, bietet er einen Streifzug nicht nur durch die Domstadt, sondern auch über die Erde des Jahres 2090 an.
Ich selbst lese die Serie seit 1981 – also seit fast vierzig Jahren – Woche für Woche. An Cover mit prägnanten Motiven wie dem Kölner Dom kann ich mich kaum erinnern. Auch der aktuelle NEO-Roman hat eigentlich ein Gebirge auf dem Cover, doch für Sammler und Freunde der „Stadt am Rhing“ gibt es ein Variant-Cover, das den Dom zeigt. Ich kann jetzt nicht sagen, ob man diese Variant-Ausgabe im Zeitschriftenhandel findet, aber auf jeden Fall hier: PR-Shop. Der Roman ist so lesenswert, wie alles aus der Perry-Rhodan-Redaktion. Da gibt es kein vertun!
Mag sein, dass es dieses Album ohne den Corona Lockdown nie gegeben hätte. Daniel Dickopf, genannt Dän, ist nämlich ein sehr umtriebiger Musiker und Songwriter. Nach dem Ende der Wise Guys ging es umgehend mit der Nachfolgeband Alte Bekannte weiter. A cappella – wie seit 35 Jahren, die Däns musikalische Karriere umfasst. Das nächste Album der Alten Bekannten ist gerade in Arbeit, aber in den letzten Monaten blieben die Liveauftritte aus. Zeit genug also, sich einen Traum zu erfüllen: Dän hatte schon länger die Idee, seine Lieblingssongs der Wise Guys mit einer „echten“ Band aufzunehmen. Das Ergebnis liegt jetzt vor und es finden sich 18 bekannte Titel im ganz neuen Sound.
Da sind zum Beispiel der rockige Titelsong und das rifflastige „Das ist der Hammer“, aber auch der beliebte Wise Guys Song „Jetzt ist Sommer“ im schmissigen Bigband Sound. Dän geht in die Vollen und fährt ordentlich Bläser auf. Von den reduzierten Arrangements mit Beatbox und Mouth Percussion also keine Spur mehr. Selbst die ganz frühen Stücke wie „Alles im grünen Bereich“ und „Köln ist einfach korrekt“ (mit HipHop-Einlagen von Rapper Mo-Torres) klingen frisch und modern. Natürlich erfährt auch der Kölner Lokalkolorit seine Würdigung, beispielsweise in „Hürth, meine Perle“ und „Deutscher Meister“.
Es bleibt aber nicht nur laut. Dän war immer der Spezialist für melancholische Lovesongs. „Ich liebe sie dafür“, „Irgendwas an ihr“, „Wie kann es sein“, „Ein Engel“, „Herbst am See“ und „Träum vom Meer“ erklingen als Klavierballaden und Miniaturen an der akustischen Gitarre – so kommen die wunderschönen Melodien ganz neu zur Geltung.
Dän hat sich ein Geschenk zum 50. Geburtstag gemacht, das auch a cappella Freunden im Allgemeinen und Wise Guys Fans im Besonderen gefallen wird. Da sind seine liebevollen, satirischen und ernsten Texte, verfeinert durch ganz besondere Arrangements. Reggae, Rock, Funk und gefühlvolle Balladen wechseln sich ab. Alle Songs wurden von Dän geschrieben – und er kann aus einem riesigen Repertoire schöpfen. Zum einen ist es eine Reise in die Vergangenheit, doch in den neuen Versionen etabliert Daniel Dickopf sich auch als Songpoet und Deutschpop-Künstler. Davon kann gerne noch mehr kommen.
Bereits eine halbe Stunde vor Beginn des eigentlichen Highlights, hält der Abend Überraschungen im Petto. In Erwartung eines fest eingeplanten Fototermins drängeln sich vereinzelte Besucher in das Kölner Gloria. Anstelle der heiß ersehnten Abbildungen, entgegnet man ihnen lediglich mit Ablehnung. Fotos wird es an diesem Abend nicht geben.
Trotz der immensen Besucherzahl und geballter Vorfreude, welche in beinahe jedem Gesicht mühelos abgelesen werden kann, startet die „Pre-Show“ von ASP mit einem unverhofften Schlag in die Magengrube. Pünktlich um 20 Uhr versetzen die ersten Klänge das Gloria-Theater in Schwingung. Leises Flüstern geht durch die Reihen, mischt sich in das Glucksen und Lachen trinkseliger Konzertbesucher und deutet bereits ab der ersten Sekunde die allseits positive Stimmung an. Im Strom von Atmosphäre und Gleichgesinnter plötzlich bricht Jubel aus, als Alexander Spreng alias ASP imposant wie man es gewohnt ist, die Bühne betritt. Diesmal jedoch mit einer Überraschung für diejenigen, die nicht nur seine musikalisch-literarischen Kunstwerke über die Jahre verfolgen, sondern auch einen aufmerksamen Blick in die Richtung des Menschen hinter ASP werfen. Schlanker, kompakter und gänzlich energetisch heißt er die Menge willkommen, nimmt sie an die Hand und leitet mit der Fürsorge eines charmanten Onkels zur bevorstehenden Reise in das Universum des Schwarzen Schmetterlings ein.
Die erste Etappe startet bereits mit einer Anzahl von zahlreichen Überraschungen. Nämlich in Form von De Profundis, einem absoluten Klassiker der frühen Bandgeschichte. Kaum werden die ersten Akkorde gespielt, kann man ringsherum in erfreute Gesichter und selbst im Halbdunkel schillernde Augen blicken. Spreng macht gerade seinen langjährigen Fans auf diese Weise ein gern in Empfang genommenes Geschenk. Leider gibt es, wie bei allen schönen Dingen im Leben, auch in dieser Hinsicht einen Haken. Schon früh lässt Spreng verlauten, dass einige Klassiker ihren Weg nicht in das Gloria und die Ohren der Zuhörer finden würden. Skeptische Blicke folgen, Hand in Hand mit verunsichertem Bangen um persönliche Favoriten aus dem Sortiment der Band. Du bist nie allein, Hunger und Me markieren die Hälfte der gemeinschaftlich begonnenen Reise. Handys, Smartphones und selbst Kameras findet man nur die ersten Minuten in der Luft wider. Eindringlich wird von Alexander Spreng mehrfach gewünscht, dass wir, die Zuschauer, die Konzertgänger, die Musikliebhaber und Freunde, ungeteilte Freude empfinden sollten, nicht etwa elektronische Gerätschaften. Tosender Applaus reflektiert sein Anliegen in einstimmiger Akzeptanz. Wie so oft an diesem Abend.
In der Zwischenzeit fällt dem wachen Auge, spontan von der Muse geküsst, eine humorvolle Interpretation der Bühnenbeleuchtung auf. Totenköpfe, knöcherne Gestalten und schaurig-schöne Bilder unterstreichen nicht nur lyrische Komponente und Inhalte dargebrachter Lieder, sondern auch das gesamte Ambiente. Wären da nicht bunt flackernde und leuchtende Lichter, die man bei genauem Hinsehen als zuckersüße Blumen begreifen kann. Na, ob das so gedacht war? Gemessen nicht nur an der überwältigenden Reaktion der Masse folgte auf halbem Wege das Glanzstück des Konzerts. Sich an ein geschicktes Katz und Maus Spiel anreihend folgt Varieté Obscur und versetzt selbst Bewegungslegatheniker in helle Aufregung. Wohin auch immer der Blick huscht, man fand nicht mehr als die strahlendsten Gesichter, in nächster Nähe ein herzerwärmendes Lächeln nach dem anderen und das mit Abstand schönste Augenpaar des Sonntagabends. Doch sind es nicht nur die Zuschauer, die von Euphorie getragen jeden Vers mtsingen. Spreng selbst scheint von einer Welle der Emotionen mitgerissen. Zwischen sicheren Ansprachen und Anekdoten, seinem charismatischen Schauspiel als intellektuelle Persönlichkeit und Entertainer, fällt es nicht schwer, auch in seinem sonst leichenblassen Gesicht, Überwältigung festzustellen. Ohne Herrn Spreng zu nahe treten zu wollen, muss an dieser Stelle festgehalten werden, dass seine aufrichtige Freude über ihm entgegen gebrachte Leidenschaft noch lange Zeit im Gedächtnis bleiben wird. Nach zwei sehr klaren Hinweisen auf ein bereits im Herbst erscheinendes Album, folgt mit 20.000 Meilen das Titellied der neuen Platte. Verglichen mit seinem direkten Vorgänger, einer Rockabilly Interpretation von Finger weg! Finger!, verblasst diese Preview merklich.
Mit Werben entlässt ASP die Zuschauer in den restlichen Abend. Wie es sich gehört rufen einheitliche Gesänge und Choräle, die mehr an die Beschwörung des Teufels erinnern, die Band noch einmal zurück auf die Bühne. Leider für gerade einmal eine einzige Zugabe, statt der eigentlich antizipierten drei Lieder. Nach insgesamt siebzehn Tracks und einem breiten Spektrum, das von Alexander Spreng und ASP abgedeckt wird, endet das Konzert. Trotz der unglaublichen Stimmung, die bereits mit Betreten des alten Lichtspielhauses einsetzt, hinterlässt die Auswahl der mitgebrachten Lieder einen fahlen Beigeschmack. „Weltunter“, „Raserei“, „Biotopia“, „Krabat“, „Denn ich bin der Meister“, „Kokon“, „Und wir tanzten“, „Ich will brennen“und viele weitere, absolut denkwürdige Meilensteine der Band fanden keinen Platz in die Setlist des Abends. Zwar machte Spreng bereits früh deutlich, dass unmöglich jeder dieser Songs gespielt werden würde – immerhin sollte an diesem Abend „alles anders“ sein – und gemessen an siebzehn Jahren emsiger Arbeit und nicht weniger als elf Studioalben grenzt es an einer Unmöglichkeit, zu hundert Prozent zufriedengestellt zu werden. Trotz dieses Wissens und zweifellos vorhandenem Verständnis, bleiben einige Besucher mit tiefer Sehnsucht zurück.
Mittwoch Abend. Es regnet seit gefühlten 16 Tagen, man steht in seinem WG-Zimmer und muss eigentlich in fünf Minuten die Bahn bekommen um in Kölns schönsten Stadtteil, Ehrenfeld, zur Live Music Hall zu fahren und sich zum ersten Mal die Antilopen Gang anzusehen. Allerdings verweilt man noch längere Zeit am Fenster und wartet darauf, dass der graue Himmel aufreißt. Bahn verpasst, vergeblich gewartet. Also raus und rein in die Bahn. Angekommen in Ehrenfeld lässt man es sich nicht nehmen beim Döner König Arslan zu speisen und dann wieder durch den Regen zu Halle zu laufen.
In der Live Music Hall bietet sich ein sehr gemischtes Publikum. Vom Punk über den Bilderbuch Nerd sowie Eltern mit Kindern ist hier wirklich jede erdenkliche Menschengruppierung vertreten. Das Bühnenbild ist unauffällig gestaltet: Ein Riesen Antilopen Banner im Hintergrund, ein Turntable in der Mitte, links und rechts Sichtschutz mit einem „A“.
Dann betritt Juse Ju als Support die Bühne. Die ersten drei Songs sieht man sich fragend an und weiß nicht so recht was man davon halten soll. Schlechter Freestyle, durchschnittliche bis nervige Beats und Texte bei denen man sich fragt ob der Gute Juse 15 ist und von seinem ersten MDMA Rausch träumt. Dann bessert sich das Set langsam und Juse Ju weiß nun auch mit einigen Beats und Texten zu überzeugen, ein eingefleischter Fan nebenan rappt und gestikuliert gar als wäre er auf der Bühne. Das Highlight ist mit Sicherheit ein Song der gegen Wichtigtuer ist und es mit einer Zeile auf den Punkt bringt. „Übertreib nicht deine Rolle“ versetzt die Live Music Hall beinahe in anarchistische Zustände.
Kommen wir nun aber zum Headliner, der Antilopen Gang, die nach dem Song „We Are The Champions“ von Queen hüpfend die Bühne betreten und die Menge mit „Das trojanische Pferd“ und „Die Kyngz Sind Back“ erst mal ordentlich zur Bewegung animieren. 10 Meter vor der Bühne herrschen tropische Temperaturen und man fragt sich langsam doch warum die Winterjacke immer noch am Körper ist. Die Bühnenshow ist schlicht gehalten, die Antilopen alle in schwarz rennen die Bühne auf und ab, das Bild ist insgesamt sehr schwarz. Der Fokus liegt auf der Band. Bis, ja, bis die Sichtschutze gedreht werden und das Banner fällt. Plötzlich erstrahlt die Bühne im Look des neuen Albumcovers.
Ebenso ist nun eine Band auf der Bühne, die die Antilopen bei ihren punklastigen Rapsongs unterstützt. Besonderer Moment: zu „Der Goldene Presslufthammer“ betritt als Gast Ingo von den Donots die Bühne. Der Song überzeugt dank ihm auch diejenigen, die den Song bisher nicht so prächtig fanden. Juse Ju findet auch nochmal Zeit und gibt sich die Ehre als Gast zu „Liebe Grüße“ auch nochmal die Ehre. Bei einer kurzen Abkühlung an der frischen Luft laufen zwei Rettungsdienstleister an einem vorbei die mit den Worten „Liegen lassen, tritt sich fest“ absolutes Vertrauen erwecken.
Schnell wieder rein. Sonnenbrillen wären bei den momentan vorhandenen Lichteffekten ein angemessenes Accessoire gewesen. Nach einer Ansprache der Antilopen an das Publikum, bei der Songs wie Celine Dions „My Heart Will Go On“ und „I Will Always Love You“ schief singend zelebriert werden, folgt mit „Pizza“ ein absoluter Favorit der Menge. Mit „Fick Die Uni“ beenden die Antilopen ein gelungenes Konzert und überzeugen auf ganzer Linie.
Schweißgebadet verlässt man die Live Music Hall und mit Hinblick auf die Festival Saison hat man mit Sicherheit heute eine weitere Band gefunden für die man sich mal vom Zelt zur Bühne quält.